Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IV 300



120 IV 300

50. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. September
1994 i.S. Z. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 18 Abs. 3 StGB; Art. 14 Abs. 1, Art. 37 aGSchG; Einbringen von
Stoffen, die zur Gewässerverunreinigung geeignet; fahrlässige Widerhandlung
gegen das Gewässerschutzgesetz vom 8. Oktober 1971.

    Begriff des Gewässers: Das Einbringen eines wassergefährdenden
Stoffs in einen Abwasserlauf oder in eine Kläranlage kann strafbar sein,
insbesondere wenn der Stoff in der Kläranlage nicht abzubauen ist (E. 3a).

    Die Einleitung von atrazinhaltigen Abwässern ohne
Einleitungsbewilligung ist rechtswidrig (E. 3c).

    Ein Verstoss gegen eine arbeitsrechtliche Sorgfaltspflicht, die
Bestandteil des betrieblichen Sicherheitsdispositivs ist und damit dem
Gewässerschutz dient, begründet eine Sorgfaltspflichtverletzung im Sinne
des Gewässerschutzgesetzes (E. 3d/aa).

    Werden mehrere Sicherheitssysteme hintereinander geschaltet, um den
Ausfall des primären Systems nach dem Prinzip der Mehrfachsicherung
durch ein sekundäres aufzufangen, kann sich der für das eine
System Verantwortliche nicht auf den Vertrauensgrundsatz berufen
(E. 3d/bb). Entsprechend ist der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen
der Sorgfaltspflichtverletzung des für das primäre Sicherheitssystem
Verantwortlichen und dem eingetretenen Erfolg auch dann zu bejahen,
wenn die nachgeschalteten Sicherheitssysteme versagen (E. 3e).

Sachverhalt

    A.- Die Ciba-Geigy AG stellte in ihrem Basler Werk Klybeck ein
Herbizid mit Handelsnamen "Gesaprim 480 Premix" her, das zu 40-45
Gewichtsprozenten aus dem Wirkstoff Atrazin bestand. Das Herbizid
wurde in den obersten Stockwerken des Baus K 314 produziert, im dritten
Stockwerk in zwei Auffangkesseln zu je 5 m3 gesammelt, anschliessend in
eine Tankanlage im Keller abgelassen und schliesslich in Bahnkesselwagen
gepumpt. Auf der Tankanlage war eine Entlüftungsleitung angebracht,
durch welche die verdrängte Luft entweichen konnte; in diese
Entlüftungsleitung war ein Kugelrückschliessventil mit der Funktion
einer Überlaufsicherung eingebaut. Da sich beim Einfüllen Schaum bilden
und durch die Entlüftungsleitung austreten konnte, weil der Schaum
die Kugel nicht derart ins Ventil drückte, dass sie dieses verschloss,
führte die Entlüftungsleitung in einen 600 l fassenden Einwegcontainer
als Schaumfalle.

    Am 31. Oktober 1986 liess Z. ab 20.00 Uhr rund 5 m3 dieses Herbizids
aus einem der Auffangkessel in den Tank 9204 ab. Dabei beachtete er weder
die Füllanzeige noch die ebenfalls am Tank angebrachte Tafel, auf der die
eingefüllten Partien notiert waren, noch die am Auffangkessel angebrachte
Weisung, die fragliche Partie erst auf Bescheid hin abzulassen. Weil
entgegen dem üblichen Betriebsablauf der Tank tagsüber nicht hatte
umgepumpt werden können, also praktisch voll war, und die während Jahren
nie kontrollierte Überlaufsicherung nicht funktionierte, weil die Kugel
fehlte, lief das Herbizid ungehindert durch die Entlüftungsleitung,
füllte den Einwegcontainer und floss über auf den Kellerboden und
durch die Dolen in die Werkkanalisation. Ein Betriebsangehöriger
bemerkte nach 10-15 Minuten das Überfliessen, worauf Z. die Zufuhr
sofort unterbrach. Etwa 1'000 l des Herbizids mit rund 450 kg Atrazin
waren jedoch in die Werkkanalisation geflossen und erreichten in den
folgenden 4-12 Stunden mit den industriellen Abwässern die gemeinsame
Industriekläranlage der Ciba-Geigy und Hoffmann-La Roche (Pro Rheno AG,
nachfolgend PRAG). Die Ciba-Geigy alarmierte die PRAG zwischen 20.40 und
20.50 Uhr und informierte sie über das schwer abbaubare Material.

    Die PRAG-Verantwortlichen entschieden um 21.00 Uhr, das Abwasser
auf die beiden betriebsbereiten, je 15'000 m3 fassenden Speichertanks zu
verteilen, denn eine direkte Einleitung in den Rhein kam wegen der Gefahr
einer Gewässerverschmutzung nicht in Frage und eine Havarieschaltung,
d.h. die Möglichkeit, das Abwasser nur in einem Tank zurückzuhalten
und diesen zwecks völligen Rückhalts des Havarieguts abzuschalten,
verwarfen sie; eine Havarieschaltung hielten sie einerseits für
unverhältnismässig, und anderseits befürchteten sie damit eine
"Schlachtung" der Kläranlage, weil die Einleitung sämtlicher Abwässer
in nur einen Tank einen Mehrwasserfluss bewirken und damit die Leistung
beeinträchtigen würde. Die Speichertanks dienten dazu, die Abwässer der
beiden Firmen aufzunehmen und die an 5 Arbeitstagen anfallenden Abwässer
auf 7 Tage auszugleichen; sie besassen keine eigentliche Havariefunktion,
doch konnte durch Havarieschaltung das Havariegut in einem der Tanks
aufgefangen werden. An diesem Freitag war der Handlungsspielraum der PRAG
aus mehreren Gründen eingeschränkt: zunächst war die Aufnahmekapazität der
beiden Tanks am Ende der Arbeitswoche praktisch ausgeschöpft, sodann stand
der dritte Speichertank nicht zur Verfügung, weil der im vorigen Winter
durch Schneedruck zerstörte Deckel nicht ersetzt worden war - was die
Ciba-Geigy wusste, und schliesslich war ein notfallmässiges Umschalten auf
den deckellosen Tank nicht möglich, weil die Fülleitung in Revision war.

    In den beiden Speichertanks vermischte sich das Havariegut mit den
übrigen Abwässern. Diese nunmehr atrazinhaltigen Abwässer wurden in
den folgenden Tagen der eigentlichen (biologischen) Klärstufe zugeführt
und nach Durchfliessen der Anlage wie üblich in das die nahe kommunale
Kläranlage gereinigt verlassende Wasser eingeleitet. Es floss mit diesem
in den Rhein. So verliess das Atrazin die Industriekläranlage während
mehrerer Tage zwar verdünnt, jedoch nahezu in gleicher Menge und chemisch
unverändert, weil sowohl der Abbau wie die Bindung an den Klärschlamm
während der Verweildauer äusserst gering waren. Das Atrazin verunreinigte
den Rhein und schuf bis Mannheim Probleme mit dem Trinkwasser.

    B.- Das Strafgericht Basel-Stadt (Dreiergericht) verurteilte am
15. Februar 1991 Z. (neben drei andern Angeklagten) in Anwendung der
Art. 37 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 aGSchG zu
Fr. 800.-- Busse.

    Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt (Ausschuss)
bestätigte am 20. Oktober 1993 die Verurteilung von Z. sowie einem
weiteren Verurteilten und stellte das Verfahren gegen die beiden andern
wegen Verjährung ein.

    C.- Z. führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, den angefochtenen
Entscheid aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die kantonale
Behörde zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Die Vorinstanz wendet das Gewässerschutzgesetz vom 8.
Oktober 1971 (aGSchG) an, weil die Strafbestimmungen des neuen, am
1. November 1992 in Kraft gesetzten Bundesgesetzes über den Schutz
der Gewässer vom 24. Januar 1991 (SR 814.20) keine milderen Regelungen
enthalten. In tatsächlicher Hinsicht verweist sie auf das Urteil des
Dreiergerichts. Soweit die ökologischen Auswirkungen der Atrazin-Einleitung
und die Funktion der PRAG noch strittig seien, handle es sich um rechtlich
nicht relevante Fragen. Der Eintritt einer ökologischen Schädigung
im Vorfluter (Rhein) sei nicht erforderlich, weil die in Art. 2
aGSchG geschützten Interessen nicht verletzt sein müssten. Art. 37
Abs. 1 Unterabs. 1 aGSchG sei als konkretes Gefährdungsdelikt zu
verstehen, weshalb die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit einer
Rechtsgutverletzung bestanden haben, jedoch nicht eingetreten sein müsse;
es genüge, Stoffe in Gewässer einzubringen, die geeignet seien, das Wasser
zu verunreinigen. Der Beschwerdeführer habe seine Pflichten verletzt, denn
er habe infolge Ablenkung durch Probleme bei der Farbstoffproduktion vor
dem Ablassen des Herbizids die betrieblichen Vorschriften nicht beachtet,
die sicherstellen sollten, dass für die Befüllung noch genügend Platz im
Tank vorhanden sei.

    Weiter sei nicht relevant, ob die in der Verordnung
über Abwassereinleitungen vom 8. Dezember 1975 festgelegten
Konzentrationsgrenzwerte sowie die von den Behörden anzustrebenden
Qualitätsziele eingehalten worden seien. Die Werte für bewilligte
Einleitungen gälten nicht für Abwässer, die durch sorgfaltswidriges
Verhalten entstanden seien. Eine bewilligte Einleitung nehme bestimmte
Risiken zugunsten höherer Interessen in Kauf, die ohne Notwendigkeit nicht
hingenommen würden. Deshalb sei nur das widerrechtliche Einbringen nach
Art. 37 aGSchG strafbar. Würde auf die Grenzwerte abgestellt, könnte kein
einzelner Verursacher bestraft werden, der nicht nachweislich diese Werte
überschritten habe, obschon die Kumulation zu einer hohen Verunreinigung
führen könne. Das widerrechtliche Einbringen sei tatbestandsmässig,
selbst wenn es die für die legale Einleitung geltenden Grenzwerte nicht
überschreite.

    Der adäquate Kausalzusammenhang sei weder unterbrochen, weil das
Kugelrückschliessventil nicht richtig funktionierte, noch durch das
behauptete Fehlverhalten der Verantwortlichen der PRAG. Es widerspreche dem
Zweck des Gewässerschutzgesetzes, die Einleitung von Schadstoffen in die
Kanalisation straflos zu erklären, nur weil der Täter um diesen Anschluss
wisse. Nicht jede Mitursache unterbreche den Kausalzusammenhang. Der
Geschehensablauf sei durchaus zu erwarten gewesen; er sei nicht komplex
oder aussergewöhnlich und zumindest in groben Zügen vorhersehbar gewesen.
Selbst wenn die Industriekläranlage eine Havariefunktion gehabt hätte,
habe dem Beschwerdeführer klar sein müssen, dass auch im Normalbetrieb
nicht sämtliche Stoffe aus den Abwässern gelöst werden könnten. Daher
könne offenbleiben, ob die Anlage eine Havariefunktion gehabt habe
und der Beschwerdeführer diesbezüglich unterrichtet worden sei. Ebenso
verhalte es sich mit der mangelhaften Tankanlage. Auch dies habe für
den Beschwerdeführer nicht völlig unwahrscheinlich und ausserhalb jeder
Erwartung sein können, zumal kein Ventil sichtbar gewesen sei und er
darüber nur vage Kenntnisse besessen habe. Beim Überfliessen sei das
Abfliessen in die Kanalisation zu erwarten gewesen. Wer sich fehlerhaft
verhalten habe, könne sich nicht unter Berufung auf hinzutretende
Sorgfaltspflichtverletzungen einer andern Person entlasten. Seine
Argumentation, die PRAG hätte sorgen müssen, dass sein Fehlverhalten nicht
zu einer Schadstoffeinleitung führe, sei abwegig. Es könne ebenfalls
offenbleiben, ob und auf welche Weise der PRAG eine Entsorgung möglich
gewesen und ob sie dazu verpflichtet gewesen wäre; selbst ihr Fehlverhalten
könne den Beschwerdeführer nicht entlasten.

    b) Der Beschwerdeführer verneint eine Verletzung des
Gewässerschutzgesetzes. Rechtsgut sei nicht das Wasser oder
das Gewässer als solches, sondern die in Art. 2 aGSchG genannten
Interessen. Eine blosse Gewässergefährdung genüge nicht, erforderlich sei
ein Gefährdungserfolg. Die Vorinstanz weite den Tatbestand von Art. 37
aGSchG unzulässig aus und verletze damit das Bestimmtheitsgebot. Ausserdem
sei im Normalbetrieb die tägliche Einleitung von Schadstoffen im Rahmen
der Verordnung über Abwassereinleitungen rechtmässig. Havariegut werde
wie Produktionsabwässer bewertet und im Rahmen der normalen Betriebs-
und Einleitungsbewilligungen entsorgt. Das verwaltungsrechtlich Erlaubte
könne nicht strafrechtlich verboten sein. Doch selbst bei der errechneten
maximalen Atrazin-Konzentration bei der Einleitung in den Rhein habe für
Mensch und Tier nicht die geringste Gefahr bestanden. Das Gesetz erfasse
einen solchen Bagatellfall nicht.

    Schliesslich fehle der adäquate Kausalzusammenhang zwischen der
arbeitsrechtlichen Sorgfaltspflichtverletzung und der Atrazineinleitung
in den Rhein. Er habe auf die Überlaufsicherung und letztlich auf die
mit Speichertanks ausgerüstete Chemiekläranlage sowie deren Kontrollen
vertrauen dürfen. Ursache des Überlaufens sei ein technischer Defekt
gewesen. Die Havarie sei dem Versagen dieser Sicherheitsmassnahme
beziehungsweise den mit der Wartung betrauten Betriebsangehörigen
zuzuschreiben. Nochmals sei die Kausalkette durch die Einleitung des
Herbizids in die betriebseigene Kläranlage unterbrochen worden. Es habe
für den Beschwerdeführer nicht zweifelhaft sein können, dass der Schadstoff
in der Anlage entsorgt werden könne. Denn diese habe eine Doppelstellung
als Chemiekläranlage und Vorbehandlungsanlage für Abwässer, die nicht in
eine normale Kläranlage eingeleitet werden dürften. Sie habe mithin eine
Funktion im Havariefall (Havarieschaltung). Ihm sei nicht anzulasten, dass
ein Tank seit nahezu einem Jahr nicht betriebsbereit gewesen sei. Havarien
seien nichts Aussergewöhnliches. Das Zwischenschalten der chemieeigenen
Abwasserreinigungsanlage sei eine vorgeplante Massnahme gewesen, mit
der eine allfällige Gewässerverschmutzung hätte vermieden werden können
und sollen. Die PRAG sei alarmiert worden und hätte für Massnahmen Zeit
gehabt. Ihr eigenmächtiger Entscheid bilde die alleinige Ursache, dass
das Atrazin schliesslich in den Rhein gelangt sei.

Erwägung 3

    3.- Wer widerrechtlich feste, flüssige oder gasförmige Stoffe jeder
Art, die geeignet sind, das Wasser zu verunreinigen, mittelbar oder
unmittelbar in die Gewässer einbringt oder ablagert (Art. 14 Abs. 1),
wird bei fahrlässiger Begehung mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder
Busse bis zu 20'000 Franken bestraft (Art. 37 Abs. 1 Unterabs. 1 und
Abs. 2 Gewässerschutzgesetz vom 8. Oktober 1971 [aGSchG]). Wird eine
Widerhandlung beim Besorgen der Angelegenheiten einer juristischen Person
begangen, finden die Strafbestimmungen auf diejenigen Personen Anwendung,
welche die Tat verübt haben (Art. 42 Abs. 1 [aGSchG]).

    a) Das Gewässerschutzgesetz bezweckt den Schutz der Gewässer gegen
Verunreinigung sowie die Behebung bestehender Gewässerverunreinigungen
im Interesse der Gesundheit von Mensch und Tier, der Sicherstellung
der Trink- und Brauchwasserversorgung, der landwirtschaftlichen
Bewässerung, der Benützung der Gewässer zu Badezwecken, der Erhaltung
von Fischgewässern, des Schutzes baulicher Anlagen vor Schädigung und des
Natur- und Landschaftschutzes. Gewässer sind somit Wasseransammlungen,
deren Verunreinigung diese in Art. 2 aGSchG aufgezählten Schutzfunktionen
berührt. Ihr Schutz besteht hinsichtlich ihrer Funktion für den Menschen
und die Umwelt. Die Vorinstanz geht zu Recht von einer ökologisch
orientierten Interpretation des Gewässerschutzgesetzes und nicht von einer
rein nutzungsorientierten (wasserwirtschaftlichen) Betrachtungsweise
aus. Diese Auslegung entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
(vgl. BGE 104 IV 43 E. 2a) und dem Willen des historischen Gesetzgebers
(Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zu einem neuen
Gewässerschutzgesetz, BBl 1970 II 425 ff., insbesondere S. 438, 443).

    Das Gesetz erfasst Wasser nicht als solches, sondern als Teil des
natürlichen Wasserkreislaufs. Ob das Wasser auf oder unter der Erde, in
einem natürlichen oder künstlichen Bett fliesst oder steht, ist solange
belanglos, als es in jenem Kreislauf bleibt. Die Gewässereigenschaft ist
dort zu verneinen, wo das Wasser aus diesem Zusammenhang austritt oder
abgesondert wird, wie das bei Abwässern der Fall ist, die in Kanalisationen
und Kläranlagen geleitet werden, um die natürlichen Verhältnisse des
Wasserhaushalts vor Verunreinigungen zu schützen beziehungsweise jene
Verhältnisse durch besondere Behandlung des abgesonderten Wassers wieder
herzustellen (BGE 107 IV 63 E. 2). Daher ist gebrauchtes und durch Gebrauch
geändertes Wasser, das der Reinigung bedarf, dann nicht als Gewässer
zu betrachten, wenn es der Reinigung zugeführt wird (OFTINGER/STARK,
Schweizerisches Haftpflichtrecht, Band II/1, S. 502). Das schliesst aber
nicht aus, dass das Einbringen eines wassergefährdenden Stoffs in einen
Abwasserlauf oder in eine Kläranlage strafbar sein kann, insbesondere
wenn der Stoff in der Kläranlage nicht abzubauen ist und deshalb in den
Vorfluter gelangt. Kann dies in der Kläranlage noch verhindert werden,
ist die Tat bei vorsätzlicher Begehung als versuchte Widerhandlung gegen
Art. 37 aGSchG zu bestrafen (BGE 107 IV 63 E. 2).

    b) aa) Über die tatsächlichen Auswirkungen der Atrazin-Einleitung
entbrannte ein Expertenstreit, auf dessen Klärung die Vorinstanz
verzichtete, weil sie die Einzelheiten als rechtlich nicht entscheidend
wertete. Das ist nicht zu beanstanden. Ein Gewässer ist verunreinigt,
wenn ein Teil davon betroffen ist; nicht notwendig ist, dass es insgesamt
verunreinigt ist. Auch schliesst eine bestehende Verunreinigung die
zusätzliche Verunreinigung nicht aus. Der Gewässerverschmutzer hat
für seinen Verunreinigungsbeitrag einzustehen. Tatbestandsmässig ist
das widerrechtliche Einbringen zur Verunreinigung geeigneter Stoffe,
weshalb die zur Gewässerverunreinigung führende Handlung sich nach dem
Zeitpunkt der Einleitung bestimmt, also grundsätzlich nicht von der
Einleitungswirkung abhängt; Einbringen ist das tatsächliche Beifügen
schädlicher Stoffe in ein Gewässer (BGE 101 IV 419 E. 5).

    Als massgebliche Messstelle bezeichnet die Vorinstanz den Ort der
Einleitung der gesamten Abwässer in den Rhein. Das atrazinhaltige Wasser
aus der Industriekläranlage wurde in das die kommunale ARA gereinigt
verlassende Wasser eingeleitet und gelangte mit diesem in den Rhein. Es
wurde mittelbar eingebracht (vgl. SANDRO PIRACCINI, Die objektiven
Vergehenstatbestände des Gewässerschutzgesetzes vom 8. Oktober 1971,
Zürcher Diss., Zürich 1978, S. 66, 74). Es kann offenbleiben, ob als
Messstelle für die Bestimmung des Atrazingehalts der Ort der Einleitung
in den Rhein oder der Ort der Einleitung in die gereinigten Abwässer der
ARA zu gelten hat. Doch ist zu bemerken, dass ein Täter durch Vermischen
einerseits gereinigte Abwässer, die bestimmungsgemäss in ein Gewässer
gelangen, verunreinigt und ihm anderseits auch nicht von ihm stammende
Belastungen angerechnet werden könnten. Überdies verändert die Vermischung
die Konzentration, vermindert aber nicht die Menge des Eingebrachten.

    bb) Nach den Feststellungen der Vorinstanz ist Atrazin ein
wasserverunreinigender Stoff und gelangten die ursprünglichen rund 450
kg Atrazin in verdünnter Form während mehrerer Tage in nahezu gleicher
Menge und chemisch unverändert in den Rhein. Die Einleitung schädigte im
Rhein lebende Tiere und wurde bis nach dem 200 km von der Einleitstelle
entfernten Mannheim als für das Trinkwasser problematisch angesehen. Mit
dem Eintritt von Schäden sind die geschützten Interessen nach Art. 2
aGSchG verletzt worden, weshalb die Vorinstanz zu Recht ausführt,
eine Gefährdung könne nicht mehr zweifelhaft sein. Damit ist auch ein
Bagatellfall ausgeschlossen.

    c) Der Beschwerdeführer wendet ein, die Einleitung sei praxisgemäss,
mithin nicht widerrechtlich erfolgt; das verwaltungsrechtlich
Erlaubte begrenze das Strafrecht. Die Vorinstanz stellt jedoch keine
Einleitungsbewilligung für die fraglichen, atrazinhaltigen Abwässer
fest. Ein Rechtfertigungsgrund ist nicht ersichtlich. Die Einleitung liesse
sich auch nicht dadurch rechtfertigen, dass sie allfällige Grenzwerte
nicht überschritten habe oder der Rhein ohnehin schadstoffbelastet sei
(vgl. BGE 104 IV 43 E. 2a). Das Gesetz richtet sich ebenfalls gegen die
Ursachen chronischer Schädigungen von Fliessgewässern und Seen (Botschaft
aaO, S. 438). Die Einleitung erfolgte demnach widerrechtlich im Sinne
von Art. 37 aGSchG.

    d) Fahrlässig begeht der Täter ein Verbrechen oder Vergehen, wenn
die Tat darauf zurückzuführen ist, dass er die Folge seines Verhaltens
aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht hat. Pflichtwidrig
ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht beobachtet,
zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen
verpflichtet ist (Art. 18 Abs. 3 StGB).

    aa) Die grundsätzliche Sorgfaltspflicht ergibt sich aus dem
Gewässerschutzgesetz. Soweit eine gesetzliche Regel im Einzelfall fehlt,
ist die Sorgfaltspflicht aufgrund allgemeiner Rechtsgrundsätze sowie
allgemein anerkannter Verhaltensregeln und Verkehrsnormen zu bestimmen,
auch wenn diese von Privaten oder einem halböffentlichen Verband erlassen
wurden und keine Rechtsnormen sind (BGE 118 IV 130 E. 3a). Der Richter
muss diese im Hinblick auf die jeweilige Situation und die individuellen
Fähigkeiten des Täters konkretisieren und im Einzelfall beurteilen, ob ein
Regelverstoss strafrechtlich erheblich ist (BGE 99 IV 63, 100 IV 210 E. 2a,
106 IV 80 E. 4; NOLL/TRECHSEL, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil
I, S. 218; SCHUBARTH, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Art. 117
N. 14; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, S. 401
f. sowie 406 N. 24; zur Tragweite von Verkehrsnormen ROXIN, Strafrecht,
Allgemeiner Teil I, 2. Auflage, München 1994, S. 895 f., sowie BERND
SCHÜNEMANN, Die Regeln der Technik im Strafrecht, Lackner-Festschrift,
Berlin 1987, S. 367-97, und THOMAS WINKEMANN, Probleme der Fahrlässigkeit
im Umweltstrafrecht, Heidelberger Diss., Frankfurt 1991, S. 83, 100).

    Die Vorinstanz begründet die Pflichtwidrigkeit unter Hinweis
auf Art. 13 aGSchG. Laut diesem Artikel ist jedermann verpflichtet,
alle nach den Umständen erforderliche Sorgfalt anzuwenden, um die
Verunreinigung der Gewässer zu vermeiden. Art. 14 aGSchG konkretisiert
diesen Grundsatz mit dem Verbot, feste, flüssige oder gasförmige Stoffe
jeder Art, die geeignet sind, das Wasser zu verunreinigen, mittelbar
oder unmittelbar in die Gewässer einzubringen oder abzulagern. Dieser
Wortlaut deckt sich mit jenem der Strafnorm Art. 37 Abs. 1 aGSchG. Die
Pflicht zur Sorgfalt geht soweit, als sie den Umständen gemäss geboten
ist (Botschaft aaO, S. 449 zu Art. 13 aGSchG). Die Vorinstanz sieht die
Pflichtverletzung daher zu Recht in der Tatsache, dass der Beschwerdeführer
das Herbizid abgelassen hat, ohne die Befüllungsvorschriften zu beachten.
Dagegen wendet der Beschwerdeführer zu Unrecht ein, er habe wohl eine
arbeitsrechtliche Sorgfaltspflicht, nicht aber das Gewässerschutzgesetz
verletzt. Diese Befüllungsvorschriften regelten den Arbeitsablauf, waren
jedoch als Sicherheitsvorschriften zugleich Bestandteil des betrieblichen
Sicherheitsdispositivs und dienten als solche dem Gewässerschutz, indem
sie auch einer Havarie vorzubeugen hatten. Der Beschwerdeführer kannte die
Vorschriften und war nicht gehindert, sie zu befolgen. Er hat sie nicht
beachtet und durch sein unbedachtes Handeln ein Geschehen eingeleitet,
das schliesslich in die Verunreinigung des Rheins mündete.

    bb) Der Beschwerdeführer anerkennt zwar, die Befüllungsvorschriften
nicht beachtet zu haben, wendet jedoch ein, er habe auf die
Sicherheitsmassnahmen vertrauen dürfen. Es ist zu prüfen, ob sich der
Beschwerdeführer mit dem Vertrauensgrundsatz entlasten kann.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts wird die
Organisationsstruktur eines Unternehmens als Anknüpfungspunkt für eine
Zurechnung von Verbandsdelikten bedeutsam. Denn grundsätzlich besteht die
Handlungspflicht nur innerhalb der sachlichen und zeitlichen Grenzen der
jeweiligen Aufgaben und der Kompetenz (BGE 113 IV 68 E. 6d und 7). Weil
arbeitsteilige Produktionsbetriebe das Zusammenwirken vieler Personen
koordinieren müssen, kann dort auch der Vertrauensgrundsatz (BGE 118 IV
277 E. 4) Bedeutung erlangen. Ihm kommt dann die Funktion einer Begrenzung
der Vorsichtspflicht insofern zu, als jeder Beteiligte grundsätzlich darauf
vertrauen darf, dass jeder andere sich pflichtgemäss verhalten wird, sofern
nicht besondere Umstände das Gegenteil erkennen lassen (NOLL/TRECHSEL, aaO,
S. 219; REHBERG, Strafrecht I, 5. Auflage, S. 203; ROXIN, aaO, S. 898;
STRATENWERTH, aaO, S. 417 f.; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht,
Besonderer Teil I, 4. Auflage, S. 44 N. 77; WINKEMANN, aaO, S. 129;
BURGSTALLER, Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht, Wien 1974, S. 63 f.).

    Die Anwendung des Vertrauensgrundsatzes setzt voraus, dass die
Beteiligten auch tatsächlich an einem arbeitsteiligen Produktions-
oder Arbeitsablauf zusammenwirken (wie beispielsweise die Ärzte
eines Operationsteams), wo es - entsprechend der Funktion des
Vertrauensprinzips - darum geht, die einzelnen Verantwortungsbereiche
gegeneinander abzugrenzen. Dies ist aber nicht der Fall, wenn es, wie
hier, um die Unterlassung von Sicherheitsvorkehrungen im Rahmen eines
Mehrfachsicherungssystems geht. Erfahrungsgemäss können Sicherungen
versagen, weshalb Sicherheitssysteme hintereinandergeschaltet
werden, um den Ausfall des primären Systems nach dem Prinzip der
Mehrfachsicherung durch ein sekundäres aufzufangen. Dieses Prinzip hat
entscheidende Konsequenzen für den Vertrauensschutz: Während Dritte auf die
Mehrfachsicherung grundsätzlich vertrauen dürfen, darf der Verantwortliche
eines Primärsystems prinzipiell gerade nicht mit der ordnungsgemässen
Bedienung und dem entsprechenden Funktionieren des Sekundärsystems
rechnen (und umgekehrt). Denn solche Systeme bestehen gerade wegen der
Möglichkeit, dass die andern Systemteile infolge technischer Fehler oder
Sorgfaltspflichtverletzungen der für diese Verantwortlichen versagen
könnten. Im Verhältnis zwischen Garanten in bezug auf das Funktionieren
eines Mehrfachsicherungssystems kann das Vertrauensprinzip daher nicht
gelten.

    Das Dreiergericht, auf das die Vorinstanz insoweit verweist, hat
in seinem Urteil die Organisations- und Sicherheitsstrukturen sowie
die Aufgaben der einzelnen Spezialdienste eingehend untersucht. Danach
war der Beschwerdeführer angelernter Betriebsarbeiter und hatte als
Schichtarbeiter unter der Führung eines Vorarbeiters seit 1983 auch bei
der Produktion von Atrazin-Premix gearbeitet. Er musste sich nach den
allgemeinen Betriebsvorschriften und spezifischen Produktionsanweisungen
richten. Über die Eigenschaften von Atrazin und die Vermeidung von Havarien
im Interesse des Gewässerschutzes war er "grosso modo" orientiert; er
wusste, dass Atrazin grundsätzlich nicht in die Kläranlage gehört, war
aber über dessen schwere Abbaubarkeit nicht im Bild. Mit den Apparaturen
und deren Unterhalt hatte er nichts zu tun, er hatte lediglich Kenntnis
von der Füllanzeige und der Überfliesssicherung am Tank. Er ging davon
aus, dass letztlich der dritte Speichertank für Havariefälle bereitstand,
vom Ausfall dieses "Puffertanks" wusste er nichts.

    Die Tankbefüllungsvorschriften, die der Beschwerdeführer missachtete,
waren zugleich Bestandteil des betrieblichen Sicherheitsdispositivs, und
der Beschwerdeführer war damit funktionell in eine Mehrfachsicherung
eingegliedert. Als er am 31. Oktober 1986 das Herbizid aus dem
Auffangkessel in den Tank 9204 abliess, beachtete er weder die Füllanzeige
noch die Tafel, auf der die eingefüllten Partien notiert waren, noch
die Weisung, die fragliche Partie erst auf Bescheid hin abzulassen. Er
verletzte drei Produktionsvorschriften mit Sicherheitsfunktion, wovon
eine jede für sich das Ablassen des Herbizids hätte verhindern können. Im
zu beurteilenden Ereignisablauf bildeten diese Produktionsvorschriften
zugleich das primäre Sicherungssystem, dessen Funktionieren direkt
vom Handeln des Beschwerdeführers abhing, das also nur und insoweit
funktionieren konnte, als der Beschwerdeführer die Sicherheitsregeln
einhielt. Er hatte somit im Rahmen dieses Sicherheitskreises konkrete
Pflichten, weshalb er sich nicht auf das Funktionieren von Sekundärsystemen
verlassen durfte oder sich mit deren Nichtfunktionieren entlasten kann. Die
Vorinstanz bejahte daher die Sorgfaltspflichtverletzung zu Recht.

    e) Der Beschwerdeführer wendet schliesslich ein, der Kausalzusammenhang
sei unterbrochen worden.

    Nach der Adäquanz bestimmt sich, ob der Täter die Gefahr des
Erfolgseintritts erkennen beziehungsweise voraussehen konnte. Das
sorgfaltswidrige Verhalten des Täters muss geeignet sein, nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg wie
den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen (BGE 118
IV 130 E. 3c, 116 IV 182 E. 4b, 306 E. 1a). Die Adäquanz ist zu verneinen,
wenn zur Sorgfaltswidrigkeit des Täters ganz aussergewöhnliche Umstände als
Mitursachen hinzutreten, wie beispielsweise das Mitverschulden Dritter oder
Material- oder Konstruktionsfehler, mit denen schlechthin nicht gerechnet
werden musste und die derart schwer wiegen, dass sie als unmittelbare
Ursache des Erfolgs erscheinen und so alle andern mitverursachenden
Faktoren wie namentlich das Verhalten des Angeschuldigten in den
Hintergrund drängen (BGE 115 IV 100 E. 2b, 199 E. 5c).

    Der Geschehensablauf war nicht aussergewöhnlich. Es war für
den Beschwerdeführer vorauszusehen, dass die Nichtbeachtung der
Befüllungsvorschriften eine Havarie auslösen konnte. Das Herbizid floss
durch den ungesicherten Tank über, durch die Dolen im Kellerboden in die
Kanalisation und weiter in die Industriekläranlage; ein anderer Abfluss war
objektiv ausgeschlossen. Eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs ist
daher zu verneinen. Denn unter Kausalitätsgesichtspunkten ist ursächlich
alles, was irgendwie zu dem konkreten Erfolg beigetragen hat; alle
Kausalfaktoren sind gleichwertig. Es genügt, dass die Handlung eine Ursache
des Erfolgs gewesen ist; sie braucht nicht die ausschliessliche oder auch
nur die Hauptursache gewesen zu sein, weshalb ein Kausalzusammenhang
nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass eine andere Bedingung für den
Erfolg überwiegend erscheint.

    f) Zusammenfassend hat die Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht
angenommen, der Beschwerdeführer habe durch seine Fehlmanipulation
mitursächlich zur Tatbestandsverwirklichung beigetragen. Entscheidend
ist, ob derjenige, der für einen konkreten Produktionsvorgang
verantwortlich ist, eine Pflicht verletzt hat, die (gegebenenfalls
neben anderen) jedenfalls auch bezweckt, Gewässerverunreinigungen zu
verhindern. Führt die Pflichtverletzung zu einer Gewässerverunreinigung,
ist die Verantwortlichkeit selbst dann zu bejahen, wenn der Erfolg beim
ordnungsgemässen Funktionieren der nachgeordneten Sicherheitssysteme
nicht eingetreten wäre.