Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IV 182



120 IV 182

31. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. Mai 1994 i.S.
Generalprokurator des Kantons Bern gegen A. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 140 Ziff. 2 StGB; qualifizierte Veruntreuung, berufsmässiger
Vermögensverwalter, behördlich bewilligte Berufsausübung.

    Berufsmässiger Vermögensverwalter ist, wer als Angestellter einer
Bank für die Verwaltung von Kundenvermögen (mit)verantwortlich ist (E. 1b;
Bestätigung der Rechtsprechung).

    Entscheidend für die Annahme einer behördlich bewilligten
Berufsausübung ist die Art der Tätigkeit und nicht in erster Linie die
Stellung des Täters innerhalb des Unternehmens. Der Bankfilialleiter-
Stellvertreter, der durch eine Veruntreuung ausschliesslich seine
Arbeitgeberin schädigt, ohne dabei Bedingungen für die Betriebsbewilligung
der Bank zu verletzen, und somit auch keine Kundenguthaben gefährdet,
erfüllt das Qualifizierungsmerkmal nicht (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Das Strafamtsgericht Bern verurteilte A. am 5. Februar 1992 wegen
Veruntreuung zu dreissig Monaten Gefängnis und schob den Strafvollzug
zugunsten einer ambulanten psychotherapeutischen Behandlung auf.

    Auf Appellation des Generalprokurators des Kantons Bern und
Anschlussappellation des Verurteilten bestätigte das Obergericht des
Kantons Bern am 15. September 1992 den erstinstanzlichen Schuldspruch,
setzte aber die Strafe auf 24 Monate Gefängnis herab; überdies sah es
von der ambulanten Behandlung und dem Aufschub des Strafvollzuges ab.

    Der Generalprokurator führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt,
der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung
des Angeklagten wegen qualifizierter Veruntreuung mit entsprechender
Strafzumessung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Wer sich eine ihm anvertraute, bewegliche Sache aneignet,
um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, oder
wer anvertrautes Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seinem oder
eines andern Nutzen verwendet, wird mit Gefängnis bis zu fünf Jahren
bestraft (Art. 140 Ziff. 1 StGB). Wer die Tat u.a. als berufsmässiger
Vermögensverwalter oder bei Ausübung eines Berufes, zu der er durch eine
Behörde ermächtigt ist, begeht, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren
oder mit Gefängnis nicht unter einem Monate bestraft (Ziff. 2).

    b) Nach der Rechtsprechung ist berufsmässiger Vermögensverwalter
im Sinne von Art. 140 Ziff. 2 StGB, wer als Angestellter einer Bank
für die Verwaltung von Kundenvermögen (mit-)verantwortlich ist (BGE
106 IV 20 E. 2b). Wer innerhalb einer Bank eine Tätigkeit verrichtet,
derentwegen die Bank der behördlichen Bewilligung bedarf, übt einen
durch die Behörde ermächtigten Beruf im Sinne dieser Bestimmung aus
(E. 2b). Das Bundesgericht legte in der Folge ausführlich dar, weshalb
die dagegen erhobene Kritik (STRATENWERTH, Strafrecht, Besonderer Teil I,
3. Aufl., S. 193; SCHULTZ, ZBJV 118/1982 S. 19 f.) unbegründet und an
der Rechtsprechung festzuhalten sei (BGE 110 IV 15 E. 3 f.).

    Die Vorinstanz erklärt lediglich, sie teile die erwähnte Kritik,
setzt sich aber mit BGE 110 IV 15 nicht auseinander. Es besteht auch kein
Anlass, auf diese Rechtsprechung zurückzukommen. Sie wurde seither insoweit
bestätigt, als insbesondere zum Schutz des Treugebers (unveröffentlichtes
Urteil des Kassationshofes i.S. K. vom 21. Dezember 1992, E. 1b) diejenigen
Tätergruppen erfasst werden sollen, die erhöhtes Vertrauen geniessen
(BGE 117 IV 20 E. 1b). Dass die Vermögenswerte häufig dem Täter nicht
persönlich anvertraut werden, ändert nichts. Denn wer Vermögenswerte einer
Bank anvertraut, der geht bei der heutigen arbeitsteiligen Wirtschaft
davon aus, dass die ganze Organisation, die der Bank zur Verfügung steht,
das Vertrauen erfüllt (SCHUBARTH, Kommentar Strafrecht, Art. 140 N. 61;
zustimmend zur bundesgerichtlichen Praxis REHBERG, Grundriss Strafrecht
III, 5. Auflage, S. 100 und in ZStR 98/1981, S. 361; ablehnend SCHULTZ,
ZBJV 118/1982 S. 19 f. sowie mit ähnlicher Begründung in ZBJV 122/1986
S. 7 f. und STRATENWERTH, Strafrecht, Besonderer Teil I, 3. Aufl.,
S. 193, der sich in der 4. Auflage, S. 261 N. 69 mit BGE 110 IV 15 nicht
näher auseinandersetzt). Zudem liegt die bundesgerichtliche Rechtsprechung
inhaltlich auf der Linie der Revision des Strafgesetzbuches vom 17. Juni
1994 (Art. 172 E StGB, vgl. Botschaft des Bundesrats über die Änderung
des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes vom
24. April 1991, BBl 1991 II S. 1073; Vorentwurf der Expertenkommission
zum Allgemeinen Teil und zum Dritten Buch des Strafgesetzbuches und zu
einem Bundesgesetz über die Jugendstrafrechtspflege, Bundesamt für Justiz
1993, Art. 24 VE StGB; Art. 172 StGB gemäss Revision vom 17. Juni 1994,
BBl 1994 III S. 266).

Erwägung 2

    2.- a) Die Vorinstanz stellt für den Kassationshof verbindlich fest,
dass der Beschwerdegegner bei der genossenschaftlichen Zentralbank (GZB)
nie die Funktion eines Vermögensverwalters ausgeübt habe. Er sei lediglich
Anlaufstelle gewesen; im Rahmen seiner beschränkten Kompetenzen habe er
die Gelder der Kunden nur entgegengenommen und weitergegeben und sei
in erster Linie für das sichere Aufbewahren des Geldes verantwortlich
gewesen. Seine Aufgabe habe aber nie in einer verwalterischen Tätigkeit
bestanden, wie z.B. das Geld in Wertpapieren anzulegen, diese zu kaufen
oder verkaufen oder mit dem Geld in einer anderen nutzbringenden Art
zu arbeiten. Bei Ferienabwesenheit des Filialleiters habe er dessen
Stellvertretung übernommen und entgegen den bankinternen Vorschriften
eine Bargeldanhäufung bewirkt, indem er mehr Geld als üblich und zulässig
habe anstehen lassen. Im weiteren habe er bei der Nationalbank für den
Bankomaten Fr. 400'000.-- in Noten bestellt; beim Verlassen der Bank habe
er gebündelte Geldnoten im Werte von ca. Fr. 1,75 Mio mitgenommen.

    Aufgrund dieser Feststellungen ist davon auszugehen, dass
der Beschwerdegegner nicht in der Eigenschaft als berufsmässiger
Vermögensverwalter veruntreut hat. Zudem eignete er sich das Geld aus
der "Tageskasse" seiner Filiale an, das infolge Vermischung der Bank
gehörte. Beim Geld, das sich der Beschwerdegegner aneignete, handelte
es sich somit nicht um Kunden-, sondern um Bankgelder. Im Verhältnis
zur GZB fällt eine Vermögensverwaltung durch den Beschwerdegegner zum
vornherein ausser Betracht. Der Bankangestellte, der sich aus der Kasse der
Arbeitgeberin bedient, ist nicht anders zu beurteilen als jeder andere,
nicht im Sinne von Art. 140 Ziff. 2 StGB qualifizierte Arbeitnehmer,
der sich so verhält.

    b) Qualifizierter Veruntreuung macht sich auch schuldig, wer die Tat
bei Ausübung eines Berufes begeht, zu der er durch eine Behörde ermächtigt
ist (Art. 140 Ziff. 2 StGB). Das Bankgeschäft ist - insbesondere
zum Schutz der Gesamtheit der Kundengelder (vgl. Art. 4 ff. BankG
[SR 952.0] und Art. 11 ff. BankV [SR 952.02]) - nur mit behördlicher
Bewilligung gestattet (Art. 3 BankG). Wer innerhalb einer Bank eine
Tätigkeit verrichtet, derentwegen die Bank der behördlichen Bewilligung
bedarf, übt einen durch die Behörde ermächtigten Beruf aus (BGE 106 IV
20 E. 2b). Entscheidend ist somit die Art der Tätigkeit und nicht in
erster Linie die Stellung des Täters innerhalb des Unternehmens. Wenn
ein Bankangestellter durch eine Veruntreuung ausschliesslich seine
Arbeitgeberin schädigt, ohne dabei Bedingungen für die Betriebsbewilligung
der Bank zu verletzen, und somit auch keine Kundenguthaben gefährdet,
handelt er nicht bei Ausübung einer Berufstätigkeit, die der behördlichen
Ermächtigung bedarf. In solchen Fällen ist eine qualifizierte Begehung
zu verneinen.

    Indem der Beschwerdegegner unzulässigerweise mehr Geld als üblich in
der Tageskasse hat anstehen lassen, hat er gegen bankinterne Richtlinien
verstossen. Dabei handelt es sich aber lediglich um einen Verstoss
gegen Arbeitsvertragsvorschriften und somit um eine Angelegenheit
zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmer. Inwiefern dadurch Bedingungen
für die Betriebsbewilligung der GZB verletzt worden wären, legt der
Beschwerdeführer nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Dasselbe
gilt bezüglich der Bestellung von Fr. 400'000.-- für den Bankomaten. Da
somit die Art der Tätigkeit des Beschwerdegegners keiner behördlichen
Ermächtigung bedurfte, entfällt das Tatbestandsmerkmal der behördlich
bewilligten Berufsausübung und damit eine qualifizierte Veruntreuung nach
Art. 140 Ziff. 2 StGB. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.