Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IV 164



120 IV 164

26. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 3. Juni 1994 i.S. A. gegen
Bundesamt für Kommunikation Regeste

    Art. 46 Abs. 1, Art. 47 VStrR. Beschlagnahme beim Inhaber.

    Für die Beschlagnahme von Gegenständen gemäss Art. 46 Abs. 1 VStrR
beim Inhaber und geschäftsführenden Miteigentümer der Firma genügt
es, dass gegen diesen eine Strafuntersuchung eröffnet wurde; es ist
nicht erforderlich, dass dies ausdrücklich auch gegenüber den anderen
Miteigentümern bzw. der Firma geschehen ist.

    Die Beschlagnahme ist allen unmittelbar Betroffenen - in erster Linie
bei der Beschlagnahme nicht anwesenden Eigentümern - mitzuteilen, soweit
die Verwaltung von ihnen Kenntnis hat.

    Die Beschlagnahmeverfügung wird durch die Verfügung über die Einziehung
der beschlagnahmten Gegenstände ersetzt.

Sachverhalt

    A.- Am 22. März 1993 eröffnete das Bundesamt für Kommunikation eine
Strafuntersuchung gegen D. wegen des Verdachts auf eine Widerhandlung im
Sinne von Art. 57 des Fernmeldegesetzes (FMG; SR 784.10). Dem Beschuldigten
wird vorgeworfen, vom 23. September 1992 bis 11. November 1993 insgesamt
2216 nicht zugelassene Teilnehmeranlagen (schnurlose Telefone) in Verkehr
gebracht zu haben.

    Gestützt auf einen Durchsuchungsbefehl des Direktors des
Bundesamtes für Kommunikation wurden am 11. November 1993 die
Geschäftsräumlichkeiten von D. durchsucht. Dabei wurden u.a. 54 nicht
zugelassene Teilnehmeranlagen beschlagnahmt.

    Mit Strafbescheid vom 19. April 1994 wurde D. wegen vorsätzlicher
Widerhandlung im Sinne von Art. 57 Abs. 1 lit. d FMG zu einer Busse von Fr.
100'000.-- verurteilt; Fr. 66'480.-- wurden als unrechtmässiger Gewinn
eingezogen; weiter wurde die Einziehung und Vernichtung der beschlagnahmten
Geräte verfügt.

    B.- Mit Beschwerde vom 27. April 1994 beantragt A. der Anklagekammer
des Bundesgerichts, die beschlagnahmten Geräte seien ihr als
Miteigentümerin der Firma D. & A. zurück- und für den Export freizugeben.

    Das Bundesamt für Kommunikation beantragt, auf die Beschwerde nicht
einzutreten.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Gegen die Beschlagnahme und damit zusammenhängende
Amtshandlungen kann innert drei Tagen, nachdem der Beschwerdeführer
von der Amtshandlung Kenntnis erhalten hat, bei der Anklagekammer des
Bundesgerichts Beschwerde geführt werden (Art. 26 ff. VStrR; SR 313.0).

    b) Die beanstandete Beschlagnahme wurde am 11. November 1993
durchgeführt. Bei der Beschlagnahme anwesend war u.a. der Geschäftsführer
D.: Dieser ist nach der Darstellung der Beschwerdeführerin mit ihr zusammen
Miteigentümer der Firma D. & A.; Eigentümer der beschlagnahmten Geräte
sei die Firma D. & A. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe erst
am 26. April 1994 von der Beschlagnahme Kenntnis erhalten.

    c) Gegenstände, die gemäss Art. 46 Abs. 1 lit. a und b VStrR
als Beweismittel von Bedeutung sein können oder voraussichtlich der
Einziehung unterliegen, können gemäss Art. 47 VStrR beim jeweiligen Inhaber
beschlagnahmt werden, unbekümmert darum, ob dieser auch Eigentümer des
betreffenden Gegenstandes ist. Die Beschlagnahme setzte somit entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin nicht voraus, dass neben der Untersuchung
gegen D. auch gegen sie bzw. gegen die Firma D. & A. eine Strafuntersuchung
eröffnet wurde. Die Zulässigkeit der Beschlagnahme hängt nicht davon ab,
ob der mit Beschlag zu belegende Gegenstand sich in Händen des Eigentümers
oder eines Dritten befindet, denn die Beschlagnahme stellt lediglich
eine provisorische prozessuale Massnahme zur vorläufigen Beweissicherung
dar, die nicht ausführlich begründet werden muss und die aufgehoben
wird, wenn sich der bestehende Verdacht im Laufe der Untersuchung als
unbegründet erweist und der beschlagnahmte Gegenstand nicht eingezogen
werden muss. Sie greift dem Entscheid über die endgültige Einziehung
nicht vor, zumal die Rechte anspruchsberechtigter Dritter gemäss dem im
Verwaltungsstrafrecht ebenfalls (Art. 2 VStrR) anwendbaren Art. 58bis StGB
ausdrücklich vorbehalten sind; die entsprechenden Ansprüche erlöschen
erst fünf Jahre nach der amtlichen Bekanntmachung der Einziehung. Der
Einwand eines Beschwerdeführers, er sei rechtmässiger Eigentümer des
beschlagnahmten Gegenstandes ist daher erst beim Entscheid über eine
allfällige (definitive) Einziehung zu prüfen.

    Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, welchen weiteren
Personen die im Beisein des Inhabers der Gegenstände durchgeführte
Beschlagnahme mitgeteilt werden muss. Wer als Adressat der Mitteilung
der Beschlagnahme in Betracht fällt, entscheidet sich nicht allein
nach Art. 47 VStrR, sondern nach Art. 28 Abs. 1 VStrR. Danach ist zur
Beschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Amtshandlung berührt
ist und ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder Änderung
hat. Eine Beschlagnahme ist daher allen davon unmittelbar Betroffenen
mitzuteilen, sofern diese mit dem Inhaber nicht identisch sind und soweit
die Verwaltung von ihnen Kenntnis hat. Betroffen in diesem Sinn ist in
erster Linie der bei der Beschlagnahme nicht anwesende Eigentümer des
beschlagnahmten Gegenstandes, weshalb diesem die Massnahme mitzuteilen ist,
was in der Regel durch Zustellung des Beschlagnahmeprotokolls geschehen
wird. Der Beweis für die Mitteilung der Zwangsmassnahme obliegt dabei
der Verwaltung (unveröffentlichte E. 2 von BGE 110 IV 112). Aus den Akten
ergeben sich indessen im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte dafür,
dass die untersuchenden Beamten aufgrund von Hinweisen des Inhabers
der beschlagnahmten Geräte oder anderen Indizien bei der Beschlagnahme
oder im weiteren Verlauf des Verfahrens hätten erkennen können, dass
weitere Personen an den Geräten Eigentumsansprüche geltend machen
könnten. Im übrigen darf vorausgesetzt werden, dass der Miteigentümer,
der die Geschäftsführung besorgt, allfällige weitere Eigentümer über
eine Beschlagnahme von Waren informiert oder zumindest gegenüber den
untersuchenden Beamten anlässlich der Beschlagnahme einen entsprechenden
Vermerk im Beschlagnahmeprotokoll anbringt oder anbringen lässt. Es bestand
somit auch kein Anlass, die Beschlagnahme weiteren Personen mitzuteilen.

    Die Beschwerdeführerin erlitt indessen durch die Nichtmitteilung
der Beschlagnahme keinen Nachteil. Denn die im Strafbescheid gegen
den Geschäftsführer D. verfügte Einziehung und Vernichtung der
beschlagnahmten Geräte ersetzte die vorläufige Beschlagnahmeverfügung,
die damit dahingefallen ist. Soweit sich die Beschwerde daher gegen die
durchgeführte Beschlagnahme richtet, ist darauf nicht einzutreten.

    Die Einwände, die die Beschwerdeführerin gegenüber der Beschlagnahme
vorbringt, kann sie auch noch im Einspracheverfahren gegen die
Einziehungsverfügung geltend machen: Nachdem die Beschwerdeführerin am 26.
April 1994 von der Einziehung Kenntnis erhielt, konnte sie sich gemäss
Art. 67 Abs. 1 VStrR als Betroffene direkt gegen die verfügte Einziehung
mit Einsprache an das Bundesamt für Kommunikation wenden und ihre Ansprüche
geltend machen. Soweit die Beschwerdeführerin daher in ihrer Eingabe
die Rückgabe der beschlagnahmten Geräte verlangt, hat das Bundesamt für
Kommunikation diese als - fristgerecht erfolgte - Einsprache gegen den
Einziehungsentscheid vom 19. April 1994 entgegenzunehmen. Die Akten
werden daher von Amtes wegen dem Bundesamt für Kommunikation überwiesen.