Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 II 371



120 II 371

68. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Dezember 1994 i.S.
Verein X. gegen O. und Firma Z. AG (Berufung) Regeste

    Widerrechtliche Verletzung der Persönlichkeit durch eine
Presseäusserung; Feststellungsanspruch (Art. 28a Abs. 1 Ziff. 3 ZGB).

    Unter der Herrschaft des neuen Rechts genügt es nicht mehr, dass der
Fortbestand der Äusserung einen eigenen Störungszustand darstellt, der
geeignet ist, weiterhin neue Störungswirkungen hervorzurufen; vielmehr
muss sich dieser Zustand effektiv noch oder erneut störend auswirken,
damit gemäss der eindeutigen Bestimmung von Art. 28a Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
die Feststellungsklage zulässig ist (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Der Verein X. sowie neun weitere Personen begehrten mit gegen
O. und die Firma Z. AG gerichteter Klage festzustellen, dass 59 von
ihnen genannte Aussagen des in einer Wochenzeitung vom 20. Dezember 1991
erschienenen Artikels tatsachenwidrig seien und sie in ihrer Persönlichkeit
verletzten. Die Kläger beantragten ferner, den Beklagten unter Androhung
der Bestrafung wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung gemäss
Art. 292 StGB zu verbieten, den Artikel in irgendeiner Weise weiter zu
verbreiten, abzugeben oder zu verwenden, und sie zu ermächtigen, das
Urteilsdispositiv zu veröffentlichen.

    Das Bezirksgericht Zürich trat, nachdem es das Prozessthema auf die
Frage des Rechtsschutzinteresses der Kläger beschränkt hatte, deren neun
die Klage vollumfänglich, der Verein X. in vier Punkten zurückgezogen
hatte, mit Beschluss vom 25. August 1993 auf die Klage nicht ein.

    Das Obergericht des Kantons Zürich wies den vom Verein X. eingelegten
Rekurs am 17. Februar 1994 ab, das Kassationsgericht des Kantons Zürich
trat auf dessen Nichtigkeitsbeschwerde am 29. September 1994 nicht ein.

    B.- Der Verein X. hat Berufung eingelegt mit dem Antrag, den Beschluss
des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu materieller Behandlung an
dieses zurückzuweisen.

    O. und die Firma Z. AG schliessen auf Abweisung der Berufung. Das
Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Der Kläger kann gemäss Art. 28a Abs. 1 Ziff. 3 ZGB dem Richter
beantragen, "die Widerrechtlichkeit einer Verletzung festzustellen,
wenn sich diese weiterhin störend auswirkt". Die Klage auf Feststellung
der Widerrechtlichkeit setzt demnach eine gegenwärtige, d.h. weiterhin
andauernde störende Wirkung der abgeschlossenen Verletzungshandlung
voraus (BBl 1982 II S. 662 Rz. 232; BGE 119 II 97 E. 2a S. 99; 118 II
254 E. 1c S. 258, 369 E. 4c S. 374). Wird vom Gesetz verlangt, dass
diese Störungswirkung fortdauere, so kann es unter der Herrschaft des
neuen anders als unter jener des alten Rechts, wo der Feststellungs-
aus dem Beseitigungsanspruch abgeleitet worden ist, nicht mehr genügen,
dass der Fortbestand der Äusserung - in einem Zeitungsartikel wie hier -
einen eigenen Störungszustand darstellt, der geeignet ist, weiterhin neue
Störungswirkungen hervorzurufen (BGE 104 II 225 E. 5a S. 234 mit Hinweisen,
insbesondere 95 II 481 E. 9 S. 496); vielmehr muss sich dieser Zustand
effektiv noch oder erneut störend auswirken, damit gemäss der eindeutigen
Bestimmung von Art. 28a Abs. 1 Ziff. 3 ZGB die Feststellungsklage
zulässig ist (TERCIER, Le nouveau droit de la personnalité, N. 778 und
779). Was der Kläger unter Hinweis auf die Rechtsprechung zu Art. 28a
ZGB einwendet, erweist sich somit als unbehelflich. Entgegen seinen
Ausführungen sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Feststellungsklage
mit jenen der Schadenersatz- und Genugtuungsklage (Art. 28a Abs. 3 ZGB)
nicht identisch. Wird die Zulässigkeit der Feststellungsklage durch das
Erfordernis weiterhin störender Auswirkungen der Verletzung eingeschränkt,
so kommt es in diesem Zusammenhang - entgegen der Auffassung des Klägers -
auf die Rechtswidrigkeit nicht an. Selbst wenn Art. 28 ff. ZGB keinerlei
Verjährungs- oder Verwirkungsbestimmungen enthalten, fliessen bei
Beachtung dieser Beschränkung nicht Überlegungen aus dem Schadenersatz-
und Genugtuungsrecht ein.

    Das Obergericht erwägt, dass die vom Kläger vorgelegten Schreiben,
Inhalts-, Beilage- und Literaturverzeichnisse, Artikel und anderen
Publikationen, sofern sie auf die in der Wochenzeitung veröffentlichte
Rezension überhaupt Bezug nehmen, weder bezeugen, dass sie durch die
Rezension ausgelöst worden sind, noch ein taugliches Beweismittel dafür
darstellen, dass die störende Wirkung der behaupteten Verletzung noch
immer anhält. Der Umstand, dass der Artikel am 21. November 1992 an
einer Tagung aufgelegen hat, vermöge ebenfalls nicht darzutun, dass die
behauptete störende Wirkung noch immer anhalte. Diese Feststellungen
betreffen tatsächliche Verhältnisse und sind daher verbindlich, zumal
der Kläger weder darlegt, dass sie unter Verletzung bundesrechtlicher
Beweisvorschriften zustande gekommen sind, noch behauptet, sie beruhten
offensichtlich auf Versehen (Art. 63 Abs. 2 OG); ebensowenig macht
er geltend, das Obergericht habe den Rechtsbegriff der weiterhin
störenden Auswirkung der Verletzung, wie er für die Feststellungsklage
verlangt wird, verkannt. Soweit der Kläger in tatsächlicher Hinsicht
Gegenteiliges vorbringt, ist er damit nicht zu hören (Art. 55 Abs. 1 lit. c
OG). Entgegen seiner Ansicht hat das Obergericht eine störende Auswirkung
der Rezension nicht gestützt auf die allgemeine Lebenserfahrung verneint,
sondern es hat im Zusammenhang damit, dass die Rezension zitierende
oder auf diese Bezug nehmende Schriften noch heute zugänglich sind,
lediglich wiedergegeben, was in BGE 95 II 497 erwogen wurde, nämlich
dass die relative Bedeutung ehrverletzender Äusserungen nach dem
gewöhnlichen Lauf der Dinge mit fortschreitender Zeit abnehmen könne;
das aber betrifft den Störungszustand, nicht die entscheidende Fortdauer
der Störungsauswirkungen. Dass die Vorinstanz in diesem Punkt Art. 8
ZGB verletzt haben soll, versäumt der Kläger zu begründen, weshalb
darauf nicht eingetreten werden kann (BGE 116 II 745 E. 3 S. 749). Im
angefochtenen Urteil wird weiter ausgeführt, ein Feststellungsinteresse
wäre nur dann zu bejahen gewesen, wenn die Rezension die Kontroverse
um den Kläger ausgelöst und stets deren Brennpunkt gebildet hätte, was
jedoch aufgrund der vom Kläger eingereichten Schriften nicht zutreffe; die
Rezension gehe vielmehr in der Fülle der Druckerzeugnisse, welche sich mit
dem Kläger befassten, völlig unter. Inwieweit das Obergericht mit Bezug
auf die Feststellungsklage eine Rechtsauffassung vertreten haben soll,
die seit Schaffung des Art. 28a ZGB überholt sei, ist nicht ersichtlich.

    Ist nicht erwiesen, dass die eingeklagte Verletzung sich
weiterhin störend auswirkt, so hat das Obergericht den gegen den
Nichteintretensentscheid des Bezirksgerichts eingelegten Rekurs des
Berufungsklägers insoweit zu Recht abgewiesen.