Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 II 331



120 II 331

62. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. November 1994 i.S.
Wibru Holding AG gegen Swissair Beteiligungen AG (Berufung) Regeste

    Haftung einer Muttergesellschaft aus Erklärungen, die sie gegenüber
Geschäftspartnern ihrer Tochtergesellschaft abgibt.

    Als haftungsbegründende Erklärungen kommen auch Werbeaussagen in
Betracht (E. 2).

    Ob die Muttergesellschaft eine vertragliche Haftung trifft,
entscheidet sich aufgrund einer Auslegung ihrer Erklärungen nach dem
Vertrauensgrundsatz (E. 3).

    Voraussetzungen, unter welchen erwecktes Vertrauen in das
Konzernverhalten der Muttergesellschaft auch bei Fehlen einer vertraglichen
oder deliktischen Haftungsgrundlage eine Haftung begründet (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Im Juli 1987 gründete die Swissair Beteiligungen AG die IGR Holding
AG, deren Firma später in IGR Holding Golf and Country Residences AG
geändert wurde (nachstehend: IGR). Die IGR wollte ihren Vertragspartnern
luxuriöse Unterkünfte ("Residenzen") nahe an Golfplätzen im In- und
Ausland zur Verfügung halten. Sie bot gegen eine "Mietvorauszahlung"
von zwischen Fr. 30'000.- und Fr. 90'000.- eine "Mitgliedschaft"
an. Das Mitglied sollte berechtigt sein, während einer vierzigjährigen
Vertragsdauer jedes Jahr einen Teil seiner Mietvorauszahlung "abzuwohnen"
oder "abwohnen" zu lassen. Die Mitgliedschaft stand auch Firmen offen. Mit
Vertrag vom 22. Dezember 1988 trat die Wibru Holding AG als Mitglied
Nr. 2291 der IGR bei und leistete in der Folge eine Mietvorauszahlung
von Fr. 90'000.-. Mit Schreiben vom 16. Februar 1989 orientierte die IGR
ihre Mitglieder über eine mögliche Zusammenarbeit mit der Euroactividade
AG. In einem Schreiben vom 26. April 1989 gab die IGR Pläne bekannt,
wonach die IGR ab 10. Mai 1989 als Tochtergesellschaft der Euroactividade
AG weitergeführt werden sollte, an welcher die Swissair Beteiligungen
AG zugleich eine Minderheitsbeteiligung erwerben sollte; in diesem
Zusammenhang kündigte sie auch Änderungen am Konzept des den Mitgliedern
gebotenen Leistungspakets an. Am 23. August 1989 teilte M. als "Chairman
der Euroactividade Group" den IGR-Mitgliedern in einem Rundbrief mit,
dass der Verkauf der IGR an die Euroactividade AG inzwischen erfolgt sei,
und verwies auf die weiteren Ausbaupläne. In einem Brief vom 7. März
1990 gestand die IGR dann indessen, sie sei leider immer noch nicht in
der Lage, das definitive neue Konzept vorzulegen; die Geschäftsleitung
halte es unter diesen Umständen nicht für fair, die Mitgliederbeiträge
weiter zurückzuhalten; sie habe sich deshalb entschlossen, die bestehenden
Mitgliedschaften aufzukündigen und die geleisteten Zahlungen zuzüglich
einer Verzinsung zu 7% zurückzuerstatten. Die Wibru Holding AG wartete
jedoch in der Folge vergeblich auf die Rückzahlung. Nachdem wiederholte
Mahnungen erfolglos geblieben waren, wandte sich die Wibru Holding AG
an die Swissair. Diese hielt in ihrem Antwortschreiben fest, die IGR
sei seit Mai 1989 eine hundertprozentige Tochter der Euroactividade AG;
im übrigen sei über die IGR inzwischen der Konkurs eröffnet worden.

    B.- Am 28. Oktober 1991 klagte die Wibru Holding AG beim Handelsgericht
des Kantons Zürich gegen die Swissair Beteiligungen AG auf Bezahlung
von Fr. 97'808.-. Das Handelsgericht wies die Klage mit Urteil vom
8. Juni 1993 ab.

    C.- Das Bundesgericht heisst die von der Klägerin eingelegte Berufung
teilweise gut und weist die Streitsache zu neuer Entscheidung an das
Handelsgericht zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- In den Werbeunterlagen der IGR wurde die Einbindung dieses
Unternehmens in den Swissair-Konzern in verschiedener Hinsicht werbemässig
herausgestrichen. Die Klägerin macht geltend, sie habe beim Vertragsschluss
nicht auf die kapitalschwache IGR, sondern auf die Swissair und deren
damaliges Image von Finanzstärke, Zuverlässigkeit und Fairness vertraut.
Aus diesem Vertrauenstatbestand leitet sie die Haftung der Beklagten ab.

    Die Klägerin hält in ihrer Berufung an ihrem ursprünglichen
Hauptstandpunkt, die Beklagte treffe eine Durchgriffshaftung, nicht mehr
fest. Sie vertritt vielmehr die Auffassung, die Beklagte hafte aus eigenem
Verhalten. Zur Begründung führt die Klägerin verschiedene Rechtsnormen
an: Sie macht einerseits geltend, die Beklagte habe ihr gegenüber eine
vertragliche Garantie im Sinne von Art. 111 OR übernommen; anderseits
wirft sie ihr ein "venire contra factum proprium" und damit einen Verstoss
gegen Art. 2 ZGB vor; überdies beruft sie sich auf Art. 41 OR.

Erwägung 2

    2.- Ob und wieweit die Konzern-Muttergesellschaft aus Erklärungen
haftet, die sie gegenüber Geschäftspartnern ihrer Tochtergesellschaft
abgibt, wird in der Literatur vor allem im Zusammenhang mit
Patronatserklärungen erörtert (SCHNYDER, Patronatserklärungen -
Haftungsgrundlage für Konzernobergesellschaften?, in SJZ 86/1990, S. 57
ff.; HANDSCHIN, Der Konzern im schweizerischen Privatrecht, S. 287
ff.; BOSMAN, Konzernverbundenheit und ihre Auswirkungen auf Verträge
mit Dritten, Diss. Zürich 1984, S. 181 ff.; ALBERS-SCHÖNENBERG,
Haftungsverhältnisse im Konzern, Diss. Zürich 1980, S. 181 f.;
HUBER, Personalsicherheiten bei der Erteilung von Bankkrediten
unter Berücksichtigung der sogenannten Patronatserklärungen, in:
Rechtsprobleme der Bankpraxis, S. 47 ff.; MÜLLHAUPT, Rechtsnatur und
Verbindlichkeit der Patronatserklärung, in SAG 50/1978, S. 109 ff.;
GEIGY-WERTHEMANN, Die rechtliche Bedeutung garantieähnlicher Erklärungen
von herrschenden Unternehmen im Konzern, in Festgabe Juristentag 1973,
S. 21 ff.). Im vorliegenden Fall geht es zwar nicht um derartige,
von der Muttergesellschaft zum Zweck der Sicherung von Krediten an
die Tochtergesellschaft gegenüber bestimmten Drittpersonen abgegebene
Erklärungen, sondern um werbemässige Aussagen, die sich allgemein an
potentielle Kunden der IGR richteten. Die in der Lehre entwickelten
Grundsätze lassen sich aber dennoch anwenden. Auch Werbeaussagen können
berechtigte Erwartungen wecken und damit haftungsrechtliche Bedeutung
erlangen (vgl. BGE 115 II 474 E. 2b, S. 477 f.).

Erwägung 3

    3.- a) Eine Haftung der Muttergesellschaft für Verbindlichkeiten
der Tochtergesellschaft ergibt sich, wenn sie sich gegenüber den
Geschäftspartnern der Tochtergesellschaft vertraglich verpflichtet
hat, beispielsweise eine Garantie im Sinne von Art. 111 OR übernommen
hat. Ob das der Fall ist, entscheidet sich bei fehlendem tatsächlichem
Konsens aufgrund einer Auslegung der Erklärungen der Muttergesellschaft
nach dem Vertrauensgrundsatz. Eine vertragliche Bindung setzt voraus,
dass die Empfänger aufgrund der Erklärungen nach Treu und Glauben
von einem rechtsgeschäftlichen Bindungswillen der Muttergesellschaft
ausgehen durften (SCHNYDER, aaO, S. 60 ff.; HANDSCHIN, aaO, S. 291;
GEIGY-WERTHEMANN, aaO, S. 32 ff.), und dass sich die in Aussicht
gestellte Garantie auf im voraus bestimmte oder zumindest bestimmbare
Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft bezieht (Schnyder, aaO,
S. 64). Die Übernahme einer Garantiehaftung darf somit nicht leichthin
angenommen werden. Ein Garantievertrag zwischen der Muttergesellschaft
und einem Geschäftspartner der Tochtergesellschaft dürfte insbesondere
dann nur ausnahmsweise zustandegekommen sein, wenn - wie im vorliegenden
Fall - kein Austausch individueller Erklärungen stattgefunden hat,
sondern als vertragsbezogene Willensäusserungen lediglich Werbeaussagen
der Muttergesellschaft und deren stillschweigende "Annahme" durch den
Geschäftspartner der Tochtergesellschaft anlässlich des Vertragsschlusses
mit dieser in Betracht fallen.

    b) Nach den Feststellungen des Handelsgerichts waren auf dem
Briefpapier der IGR sowie auf den Titelseiten ihrer Werbebroschüren
jeweils in der Fusszeile das Swissair-Logo - bestehend aus dem Namenszug
"Swissair" und einem schräggestellten Schweizerkreuz - sowie der
Satz "Die IGR ist ein Unternehmen der Swissair" aufgedruckt. In den
Werbeunterlagen der IGR wurde die Verbindung zur Swissair betont. Im Sinne
eines Beispiels zitiert das angefochtene Urteil die folgende Aussage:
"Überall wo International Golf and Country Residences steht, steht Swissair
darunter. Und selbstverständlich auch dahinter. Denn die IGR ist zwar ein
selbständiges Unternehmen der Swissair Beteiligungen AG, arbeitet aber nach
den gleichen unternehmerischen Maximen wie ihre Mutter. Dass sich das von
Anfang an auf die Internationalität, die Gastfreundschaft, die Betreuung
und die Zuverlässigkeit von IGR auswirkt, liegt auf der Hand." Die Beklagte
behauptet nicht, sie habe sich gegenüber der Klägerin von diesen Aussagen
distanziert, und sie stellt nicht in Abrede, dass die IGR Briefpapier und
Werbeunterlagen im Einvernehmen mit ihr gestaltet hat. Der Beklagten sind
deshalb die darin enthaltenen Erklärungen zuzurechnen.

    Aus diesen Erklärungen kann aber entgegen der Auffassung der Klägerin
nicht abgeleitet werden, dass die Beklagte eine Mithaftung für die
Verpflichtungen der IGR gegenüber ihren Geschäftspartnern im Sinne einer
Garantie (Art. 111 OR) übernommen hätte. Ein derartiger vertraglicher
Bindungswillen der Beklagten gelangt darin nicht zum Ausdruck. Insbesondere
ist nirgends davon die Rede, die Beklagte garantiere als Muttergesellschaft
für die Erfüllung von Verbindlichkeiten der IGR. Aus der werbemässigen
Betonung der Konzernzugehörigkeit der IGR allein und ohne ausdrückliche
Zusicherung aber durfte die Klägerin nicht schliessen, die Beklagte
wolle eine Garantieverpflichtung eingehen. Die Beklagte trifft daher
keine vertragliche Haftung.

Erwägung 4

    4.- Eine Haftung der Beklagten aus unerlaubter Handlung im Sinne von
Art. 41 OR entfällt ebenfalls, da der Beklagten kein widerrechtliches,
d.h. gegen allgemeine gesetzliche Gebote oder Verbote verstossendes
Verhalten vorgeworfen werden kann (vgl. BGE 117 II 315 E. 4d, S. 317 f.;
115 II 15 E. 3a, S. 18 mit Hinweisen).

Erwägung 5

    5.- a) Erwecktes Vertrauen in das Konzernverhalten der
Muttergesellschaft kann jedoch unter Umständen auch bei Fehlen einer
vertraglichen oder deliktischen Haftungsgrundlage haftungsbegründend
sein. Das ergibt sich aus einer Verallgemeinerung der Grundsätze über die
Haftung aus culpa in contrahendo (SCHNYDER, aaO, S. 64 f.; MÜLLHAUPT, aaO,
S. 111). Wird, wie dies der bundesgerichtlichen Praxis (vgl. BGE 108 II
419 E. 5 S. 421 f. mit Hinweisen) sowie herrschender Lehre (GAUCH/SCHLUEP,
Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 1991,
Bd. I, S. 176 f. Rz. 981 f.; GUHL/MERZ/KOLLER, Das Schweizerische
Obligationenrecht, 8. Aufl. 1991, S. 99; VON TUHR/PETER, Allgemeiner
Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. I, 3. Aufl. 1979, S. 193;
BK-KRAMER, allg. Einl. zum OR, N. 139; OR-BUCHER, N. 90 zu Art. 1; kritisch
hingegen namentlich MERZ, Vertrag und Vertragsschluss, 2. Aufl. 1992,
S. 85 f. Rz. 146 ff., im Anschluss an TERCIER, La culpa in contrahendo en
droit suisse, in Premières journées juridiques yougoslavo-suisses 1984,
Bd. 2, S. 236 f.) entspricht, die culpa in contrahendo als besonderer
Haftungstatbestand anerkannt, so darf in wertungsmässig vergleichbaren
Fällen der haftpflichtrechtliche Schutz ebenfalls nicht versagt
bleiben. Das der Culpa-Haftung zugrundeliegende, bestimmte gegenseitige
Treuepflichten der Partner begründende Vertragsverhandlungsverhältnis
ist als Erscheinungsform einer allgemeineren Rechtsfigur aufzufassen
(BK-KRAMER, aaO, N. 142 ff.). Im Konzernverhältnis kann das in die
Vertrauens- und Kreditwürdigkeit des Konzerns erweckte Vertrauen
ebenso schutzwürdig sein wie dasjenige, das sich die Partner von
Vertragsverhandlungen hinsichtlich der Richtigkeit, der Ernsthaftigkeit und
der Vollständigkeit ihrer gegenseitigen Erklärungen entgegenbringen. Wenn
Erklärungen der Konzern-Muttergesellschaft bei Geschäftspartnern
der Tochtergesellschaft in dieser Weise Vertrauen hervorrufen, so
entsteht deshalb eine dem Vertragsverhandlungsverhältnis vergleichbare
rechtliche Sonderverbindung (vgl. REY, Rechtliche Sonderverbindungen und
Rechtsfortbildung, in FS Keller 1989, S. 231 ff.), aus der sich auf Treu
und Glauben beruhende Schutz- und Aufklärungspflichten ergeben (SCHNYDER,
aaO, S. 65). Die Verletzung solcher Pflichten kann Schadenersatzansprüche
auslösen.

    Die Haftung aus erwecktem Konzernvertrauen ist allerdings - wie
die Haftung aus culpa in contrahendo - an strenge Voraussetzungen zu
knüpfen. Denn wie jedermann in Vertragsverhandlungen seine Interessen
grundsätzlich selbst wahrzunehmen hat und sich nicht einfach auf deren
Berücksichtigung durch den Verhandlungspartner verlassen darf, hat
der Geschäftspartner einer Tochtergesellschaft deren Kreditwürdigkeit
grundsätzlich selbst zu beurteilen, kann er somit das Bonitätsrisiko
nicht einfach generell auf die Muttergesellschaft abwälzen (Grundsatz
des "caveat creditor"; SCHNYDER, aaO). Die Muttergesellschaft hat nicht
unbesehen für den Erfolg des Tochterunternehmens einzustehen und haftet bei
dessen Scheitern den Geschäftspartnern nicht ohne weiteres für allfälligen
Schaden, der ihnen aus dem Misserfolg erwächst. Schutz verdient nicht, wer
bloss Opfer seiner eigenen Unvorsichtigkeit und Vertrauensseligkeit oder
der Verwirklichung allgemeiner Geschäftsrisiken wird (vgl. BOSMAN, aaO,
S. 189), sondern nur, wessen berechtigtes Vertrauen missbraucht wird. Eine
Haftung entsteht nur, wenn die Muttergesellschaft durch ihr Verhalten
bestimmte Erwartungen in ihr Konzernverhalten und ihre Konzernverantwortung
erweckt, später aber in treuwidriger Weise enttäuscht. Diesfalls hat
die Muttergesellschaft für den Schaden einzustehen, den sie durch ihr
gegen Treu und Glauben verstossendes Verhalten adäquat kausal verursacht
hat. Hingegen führt die Vertrauenshaftung - im Gegensatz zur vertraglichen
Garantiehaftung - nicht dazu, dass die Muttergesellschaft gegenüber
Dritten für Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft mithaften würde
(vgl. SCHNYDER, aaO; ALBERS-SCHÖNENBERG, aaO, S. 182).

    Ob und in welcher Hinsicht der Muttergesellschaft die Erweckung
berechtigter Erwartungen entgegengehalten und deren Enttäuschung
vorgeworfen werden kann, beurteilt sich nach den gesamten Umständen des
Einzelfalles. Daraus ergeben sich Art und Umfang der auf Treu und Glauben
beruhenden Verhaltenspflichten, deren Verletzung eine Vertrauenshaftung
auslöst. Aufgrund der konkreten Vertrauenslage kann die Muttergesellschaft
namentlich die Pflicht treffen, das Tochterunternehmen wirtschaftlich
genügend abzusichern, ihm - mit anderen Worten - diejenigen Mittel zur
Verfügung zu stellen, die aus dem Blickwinkel redlicher Geschäftsleute
erforderlich sind, um die realistischerweise zu erwartenden Risiken
abzudecken. Im weiteren können für die Muttergesellschaft aber auch
Aufklärungspflichten entstehen, insbesondere dann, wenn sie sich aus der
konzernmässigen Mitverantwortung zurückziehen will. Solche Pflichten kann
die Muttergesellschaft etwa verletzen, wenn sie den Geschäftspartnern der
Tochtergesellschaft unrichtige Angaben über deren geschäftliche Lage macht
oder ihnen existenzbedrohende Entwicklungen in deren Geschäftsverlauf
verheimlicht (BOSMAN, aaO, S. 191 f.). Die Haftung aus Konzernvertrauen
berührt sich hier mit der Haftung aus falschem Rat und mangelhafter
Auskunft, die in der neueren Lehre, soweit nicht das Vorliegen eines
Beratungsvertrages eine vertragsrechtliche Anknüpfung erlaubt, überwiegend
ebenfalls als Anwendungsfall der Vertrauenshaftung aufgefasst wird
(MEIER-SCHATZ, Über die privatrechtliche Haftung für Rat und Anlagerat,
in Mélanges Paul Piotet 1990, S. 151 ff., insbes. 158 ff.; BK-KRAMER,
aaO, N. 68 und 147; vgl. auch GUHL/MERZ/KOLLER, aaO, S. 99 f.; abweichend
KUHN, Die Haftung aus falscher Auskunft und falscher Raterteilung, in
SJZ 82/1986, S. 345 ff., insbes. 355 Ziff. 6.3).

    b) Die Klägerin konnte und musste als Adressatin der Werbeunterlagen
und der Vertragsofferte der IGR nicht wissen, aus welchen organisatorischen
Gründen der Swissair-Konzern es vorzog, die neue Dienstleistung im
Golftourismus nicht durch eine bestehende Konzerngesellschaft, sondern
durch eine selbständige, neu gegründete Tochtergesellschaft anzubieten. Die
Vorinstanz stellt im angefochtenen Urteil fest, dass das Aktienkapital der
IGR lediglich Fr. 200'000.- betrug. Die Klägerin weist in ihrer Berufung
glaubwürdig darauf hin, dass sie eine Investition von mehr als Fr. 90'000.-
als Mietvorauszahlung für ein 40jähriges Benützungsrecht luxuriöser Hotels
bei einer derart kapitalschwachen Gesellschaft nicht getätigt hätte,
wenn sie nicht auf deren Zugehörigkeit zum Swissair-Konzern vertraut
hätte. Angesichts des Finanzbedarfs von 50 Mio. Franken, den die Beklagte
nach den Feststellungen des Handelsgerichts allein für die sogenannte
"Pre-Openingphase" evaluiert hat, ist die Unterkapitalisierung der IGR denn
auch offensichtlich. Da es sich bei der IGR um eine neu gegründete und
offensichtlich unterkapitalisierte Tochtergesellschaft handelte, musste
auch der Beklagten klar sein, dass sich deren Geschäftspartner vorab auf
die Finanzkraft und den Ruf des Swissair-Konzerns verlassen würden. Unter
diesen Umständen gaben die Werbeunterlagen der IGR, deren Inhalt sich
die Beklagte als eigene Erklärungen anrechnen lassen muss (E. 3b hievor),
vor allem in zwei Richtungen Anlass zu berechtigten Erwartungen:

    aa) Die Klägerin durfte einerseits aus der Betonung der Einbindung der
IGR in den Swissair-Konzern und insbesondere aus der Aussage, die Swissair
stehe hinter der IGR, nach Treu und Glauben die Zusicherung ableiten,
dass die Beklagte die IGR mindestens in der Aufbauphase mit ausreichenden
Mitteln dotieren werde. Dagegen durfte die Klägerin nicht davon ausgehen,
die Beklagte nehme ihr jedes Investitionsrisiko ab. Der Erfolg der IGR hing
offensichtlich vor allem davon ab, dass weitere Dritte in das Unternehmen
investieren und Mitgliedschaften erwerben würden. Die Klägerin durfte
nicht erwarten, im Falle fehlender Drittbeteiligung werde der Ausfall
wirtschaftlich durch die Muttergesellschaft ausgeglichen. Das erweckte
Vertrauen erstreckte sich vielmehr bloss auf diejenigen Mittelzuflüsse,
welche bei realistischer Beteiligungsprognose für das Gelingen des
Unternehmens in der Aufbauphase zusätzlich erforderlich waren.

    bb) Anderseits durfte die Klägerin aber aufgrund der Werbeunterlagen
auch allgemein darauf vertrauen, dass die werbemässig herausgestrichene
Einbindung der IGR in den Swissair-Konzern ein zuverlässiges und korrektes
Geschäftsgebaren verbürge und dass die Beklagte als Muttergesellschaft für
diese Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit einstehe. In diesem Sinne
durfte sie namentlich die Erklärung auffassen, dass die Swissair hinter
der IGR stehe und dass sich dies von Anfang an auf die Zuverlässigkeit
des Tochterunternehmens auswirke. Die Klägerin durfte deshalb insbesondere
auch annehmen, die Beklagte werde dafür sorgen, dass auf Mitteilungen der
IGR Verlass sein werde. Sie musste nicht damit rechnen, dass die Beklagte
zusehen werde, wie die IGR ihre Geschäftspartner durch unrichtige oder
irreführende Angaben über ihren Geschäftserfolg und über die Chancen
und Risiken einer Weiterführung der Mitgliedschaften vom rechtzeitigen
Abbruch der Geschäftsbeziehung abhalten würde.

    c) Zu prüfen bleibt, ob die Beklagte diese Erwartungen in treuwidriger
Weise enttäuscht hat.

    aa) Den Feststellungen des Handelsgerichts ist zu entnehmen,
dass die Beklagte der IGR ein Aktienkapital von Fr. 200'000.- sowie ein
Aktionärsdarlehen von 50 Mio. Franken zur Verfügung gestellt hat. Dass das
Unternehmen mit diesen Mitteln aus dem Blickwinkel redlicher Geschäftsleute
wirtschaftlich nicht hinreichend abgesichert war, legt die Klägerin nicht
dar. Es ist demnach davon auszugehen, dass das Unternehmen nicht zufolge
Unterdotierung durch die Beklagte, sondern wegen Ausbleibens erwarteter
Drittbeteiligungen gescheitert ist. Dafür aber hat die Beklagte nach dem
Gesagten nicht einzustehen (E. b/aa hievor).

    bb) Hingegen stellt sich die Frage, ob die Beklagte im Vorfeld
der Veräusserung der IGR an die Euroactividade AG für eine korrekte
Information der Mitglieder hätte sorgen müssen. In diesem Zusammenhang
sind die folgenden Umstände von Bedeutung:

    Im Dezember 1988 versandte die IGR ihren Mitgliedern einen
"Newsletter". Dieser enthielt nach den Feststellungen der Vorinstanz
eine vollmundige Darstellung der Mitgliederentwicklung - und damit des
geschäftlichen Erfolgs des Unternehmens -, indem von einem "überwältigenden
Echo aus 58 Ländern" und von "bereits zahlreichen Mitgliedern" die Rede
war, während in Tat und Wahrheit die Mitgliederanmeldungen weit hinter
den Erwartungen zurückgeblieben waren und sich daraus für die IGR schon
bald geschäftliche Schwierigkeiten ergeben hatten. Der Misserfolg der
Mitgliederwerbung wurde der Klägerin auch später verschwiegen, insbesondere
im Schreiben vom 26. April 1989, in welchem die IGR die Pläne für einen
Zusammenschluss mit der Euroactividade AG bekanntgab. Das Schreiben zielte
nicht darauf ab, die IGR-Mitglieder objektiv zu informieren, sondern
war darauf angelegt, diese möglichst bei der Stange zu halten. Die wahren
Gründe für den Rückzug der Beklagten wurden verschwiegen. Stattdessen wurde
auf das erweiterte Leistungsangebot verwiesen, das der Zusammenschluss
der IGR mit der Euroactividade AG ermögliche. Zum Zeitpunkt, als der
"Newsletter" und das Schreiben vom 26. April 1989 der Klägerin zugesandt
worden sind, war die IGR noch Tochtergesellschaft der Beklagten. Die
Beklagte macht nicht geltend, sie hätte von diesen Mitteilungen keine
Kenntnis gehabt. Sie muss sich daher zumindest das Wissen darüber anrechnen
lassen, was dort gegenüber der Klägerin geäussert und was nicht geäussert
worden ist.

    Die mit dem geplanten Unternehmenszusammenschluss verknüpfte
"Konzeptänderung", wonach an die Stelle der nach einem Punktesystem
jährlich "abwohnbaren" Wohnrechte in den IGR-Residenzen ein
anderes Leistungsangebot treten sollte, bedingte eine Änderung
der Mitglieder-Verträge. Deren Weiterführung bedurfte daher der -
ausdrücklichen oder stillschweigenden - Zustimmung der Mitglieder. Im
Schreiben vom 26. April 1989 ist denn auch richtigerweise darauf
hingewiesen worden, dass es in der freien Entscheidung der Mitglieder
stehe, ob sie die Verträge mit der IGR "konvertieren", d.h. auf
veränderter Grundlage weiterführen wollten. Da den Mitgliedern indessen
die geschäftliche Lage der IGR verschwiegen, ja im "Newsletter" vom
Dezember 1988 gar unrichtig geschildert und im Schreiben vom 26. April
1989 durch irreführende Angaben über die Gründe des Verkaufs der IGR
an die Euroactividade AG verdeckt worden ist, sind ihnen wesentliche
Entscheidungsgrundlagen vorenthalten worden.

    Aufgrund der konkreten Vertrauenslage wäre insoweit auch die Beklagte
als Konzern-Muttergesellschaft verpflichtet gewesen, für eine korrekte
Information durch die IGR zu sorgen oder selbst zu informieren (E. a und
b/bb hievor). Indem sie dieser Aufklärungspflicht nicht nachgekommen
ist, hat sie treuwidrig die Erwartungen enttäuscht, welche die Klägerin
aufgrund der Umstände in ihr Konzernverhalten setzen durfte. Die
Missachtung der Aufklärungspflicht wiegt umso schwerer, als im Schreiben
vom 26. April 1989 hervorgehoben wird, dass die Swissair eine namhafte
Minderheitsbeteiligung an der Euroactividade AG erwerben und über ihre
Vertretung in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung dieser Gesellschaft
weiterhin Einfluss auf die IGR nehmen werde. Damit ist erneut in einer
Art und Weise an das Vertrauen in den Swissair-Konzern appelliert worden,
die geeignet war, den IGR-Mitgliedern eigene Nachforschungen über die
IGR und die Euroactividade AG als unnötig erscheinen zu lassen.

Erwägung 6

    6.- Hätte die Klägerin die wahre Sachlage gekannt, so hätte sie -
wie gestützt auf die allgemeine Lebenserfahrung angenommen werden muss
- von der Weiterführung des Vertrages mit der IGR abgesehen und die
Rückzahlung ihrer Einlage verlangt. Das Fehlverhalten der Beklagten war
deshalb für den Schaden kausal, den die Klägerin dadurch erlitten hat,
dass sie weiterhin Vertragspartnerin der IGR geblieben und in deren
Konkurs zu Verlust gekommen ist.