Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 II 307



120 II 307

59. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. September
1994 i.S. X. AG gegen Bundesamt für geistiges Eigentum
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 1 Abs. 1, Art. 2 lit. a und b MSchG. Formmarke.

    Schutzunfähigkeit einer für Armbanduhren bestimmten Formmarke, weil sie
aus Formen besteht, die Gemeingut bilden und das Wesen der Ware ausmachen
(E. 2 und 3).

Sachverhalt

    A.- Die X. AG ersuchte das Bundesamt für geistiges Eigentum (BAGE) am
1. April 1993 um Eintragung einer dreidimensionalen, für Uhren bestimmten
Marke. Die beanspruchte Formmarke wurde im Gesuch durch zwei Abbildungen
einer Armbanduhr dargestellt, welche diese in Umrissen von oben und von
jener Seite zeigt, an der die Krone angebracht ist. Nach den Angaben der X.
AG handelt es sich dabei um eine Uhr, die unter dem Namen "The Original"
bekannt geworden ist und seit 1962 verkauft wird.

    Am 10. Dezember 1993 verweigerte das BAGE die Eintragung der
Marke mit der Begründung, zum einen fehle ihr die erforderliche
Kennzeichnungskraft und zum andern handle es sich um eine Form, die das
Wesen der Ware ausmache und daher gemäss Art. 2 lit. b MSchG (SR 232.11)
vom Markenschutz ausgeschlossen sei. Die X. AG hat diese Verfügung
mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten, die vom Bundesgericht
abgewiesen wird.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Nach der Legaldefinition von Art. 1 Abs. 1 MSchG ist die
Marke ein Zeichen, das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines
Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Gemäss
Absatz 2 dieser Bestimmung können Marken in Wörtern, Buchstaben, Zahlen,
bildlichen Darstellungen, dreidimensionalen Formen oder Verbindungen
solcher Elemente untereinander oder mit Farben bestehen. Die
Schutzfähigkeit erleidet indessen Ausnahmen, von denen nach dem
angefochtenen Entscheid bei der beanspruchten Formmarke zwei vorliegen:
keinen Schutz geniessen Zeichen, die Gemeingut sind und sich nicht bereits
durchgesetzt haben (Art. 2 lit. a MSchG), sowie Formen, die das Wesen
der Ware ausmachen, oder Formen der Ware und Verpackung, die technisch
notwendig sind (Art. 2 lit. b MSchG). Die letztgenannte Bestimmung steht
im Zusammenhang mit der Ausdehnung des Markenschutzes auf dreidimensionale
Formen, wie sie durch das Gesetz vom 28. August 1992 eingeführt worden
ist. Diese Formmarken werden in der Lehre unterteilt in solche im weiteren
und im engeren Sinne. Die Formmarke im weiteren Sinne ist ein vom Objekt
der Kennzeichnung physisch selbständiges dreidimensionales Zeichen. Jene
im engern Sinne bezieht sich auf die Form der Ware oder der Verpackung
selbst (STREULI-YOUSSEF, Die Formmarke, in Marke und Marketing, S. 53;
MSchG-DAVID, N. 18 zu Art. 1 MSchG; eine teilweise andere Terminologie
verwendet RUTH ARNET, Die Formmarke, Diss. Zürich 1993, S. 26 f.).

    b) In der angefochtenen Verfügung wird zur beanspruchten Formmarke
ausgeführt, das Vorhandensein eines das Uhrwerk umschliessenden Gehäuses,
eines Zifferblatts und einer Vorrichtung zur Befestigung des Bandes
sei jeder Armbanduhr eigen, während die Gestaltung von Glas und Krone
ästhetisches Beiwerk und in der vorgeschlagenen Form marktüblich sei. Es
seien keine Elemente auszumachen, die über freizuhaltendes Gemeingut
und technisch Notwendiges hinausgingen, so dass die Unterscheidungs-
oder Kennzeichnungskraft im Sinne des MSchG fehle.

    c) Die Beschwerdeführerin weist demgegenüber auf die markante
Unterscheidungskraft der von ihr für schutzfähig betrachteten Formen
gegenüber jenen anderer Uhrenhersteller hin. Die Armbanduhr "The Original"
zeichne sich in erster Linie durch ihre von oben eher abgerundet-rechteckig
aussehende, gegen unten kegelförmig verbreitende ellipsoide Form aus;
das Gehäuse sei zu den Befestigungspunkten des Armbandes hin lappenartig
ausgeweitet, während es an den Längsseiten ziemlich schmal sei; das Ovale
des Gehäuses kontrastiere eigenartig zur kreisrunden Lunette (Glasreif)
rund um das Uhrenglas. Wohl seien einfache Figuren als Gemeingut dem
Verkehr freizuhalten, originell gestaltete Kombinationen jedoch dem
Markenschutz zugänglich zu machen. Bei der vorliegenden, kennzeichnende
Kraft aufweisenden Marke seien die Voraussetzungen hiefür erfüllt. Dem
Erfordernis, dass die verwendeten Formen nicht das Wesen der Ware ausmachen
dürfen, sei in vernünftig begrenzter Weise Rechnung zu tragen, solle nicht
die Formmarke überhaupt verhindert werden. Den Minimalanforderungen an
eine Analoguhr könne eine Vielzahl möglicher Gestaltungen Rechnung tragen;
massgeblich müssten daher deren Originalität und kennzeichnende Kraft sein.

Erwägung 3

    3.- a) Mit der Schutzgewährung für dreidimensionale Marken ermöglicht
das MSchG nunmehr, als Marke auch die Form der Ware selbst oder die ihrer
Verpackung eintragen zu lassen. Der Schutz nähert sich damit jenem an,
den unter den entsprechenden Voraussetzungen das MMG (SR 232.12) und
das URG (SR 231.1) gewähren. Er ist davon jedoch in zweierlei Hinsicht
abzugrenzen. Zum einen darf das Markenrecht nicht dazu dienen, die
Schranken des spezifischen Schutzes nach den genannten Sondergesetzen zu
unterlaufen (JENE-BOLLAG, Die Schutzfähigkeit von Marke und Ausstattung
unter dem Gesichtspunkt des Freihaltebedürfnisses, S. 39). Zum andern
bleibt die Marke trotz möglicher Überschneidungen der verschiedenen
Schutzbereiche der ihr durch das MSchG auferlegten Zielsetzung, als
Unterscheidungsmerkmal zu dienen, unterworfen (Art. 1 Abs. 1 MSchG). Die
Ware als Objekt der Kennzeichnung kann in der Regel nicht zugleich ihr
Kennzeichnungsmittel sein (STREULI-YOUSSEF, aaO, S. 48). Im übrigen
geniesst die Marke den Schutz nur in der Form, in der sie hinterlegt
ist. Im vorliegenden Fall ist daher die beanspruchte Formmarke einzig
nach Massgabe der beim BAGE eingereichten Abbildungen zu beurteilen, auf
die allein sich denn auch ein allfällig auf die Eintragung folgendes
Widerspruchsverfahren beziehen würde (Art. 31 ff. MSchG). Die der
Beschwerdeschrift beigelegten fotografischen Abbildungen der Armbanduhr
"The Original" fallen deshalb als Grundlage der Beurteilung ausser
Betracht.

    b) Vom Markenschutz ausgeschlossen sind gemäss Art. 2 lit. a MSchG
Zeichen, die Gemeingut sind, weil sie sich beispielsweise in einfachen
Zahlen- oder Buchstabenkombinationen oder gebräuchlichen geometrischen
Figuren oder in Angaben über die Beschaffenheit der gekennzeichneten
Ware erschöpfen und daher die erforderliche Kennzeichnungs- oder
Unterscheidungskraft nicht aufweisen (BGE 113 II 204 E. 3 S. 205 f.,
109 II 256 E. 2 und 3 S. 258; MSchG-DAVID, N. 5 ff. und N. 45 zu Art. 2
MSchG; EUGEN MARBACH, Die eintragungsfähige Marke, Diss. Bern 1983,
S. 65 f.; JENE-BOLLAG, aaO, S. 71 ff.). Bei der beanspruchten Formmarke
handelt es sich um komplexe Kombinationen aus für sich allein nicht
schützenswerten Formelementen. Solche Kombinationen sind nicht von
vornherein vom Schutz ausgeschlossen; sie sind es aber dann, wenn der
nicht unterscheidungskräftige Teil dominiert. Für die Schutzfähigkeit
von Formmarken ist ausschlaggebend, dass sie durch ihre Eigenheiten
auffallen, vom Gewohnten und Erwarteten abweichen und dadurch im
Gedächtnis der Abnehmer haften bleiben. Als erwartet in diesem Sinne
gilt, was das Publikum für die Funktion des Produktes voraussetzt. Der
Kreis der kennzeichnungskräftigen Formen beschränkt sich daher auf die
Differenz zwischen dem vom Publikum als rein funktional Beurteilten und der
tatsächlichen Form (RUTH ARNET, aaO, S. 40). Ist aber dieser Gesichtspunkt
entscheidend, so deckt sich in einem Fall wie dem vorliegenden der
Ausschlussgrund des Gemeingutes hinsichtlich des nicht geschützten
Bereiches mit jenem von Art. 2 lit. b MSchG, wonach Formen, die das Wesen
der Ware ausmachen, keinen markenrechtlichen Schutz beanspruchen können.

    c) Alle Armbanduhren mit Analoganzeige weisen ein das Werk bergendes
Gehäuse, ein Zifferblatt, Zeiger, eine durchsichtige Abdeckung und ein
am Gehäuse befestigtes Band auf. Insoweit sind Form und Gestaltung der
Uhr vorgegeben und damit ist auch die sich an ihr orientierende Formmarke
vom Wesen der Ware nicht zu trennen. Alle bei "The Original" verwendeten
Gestaltungselemente sind sowohl einzeln wie auch in Kombinationen vielfach
auf dem Markt zu finden. Trotz der gesamthaft in ihrer Art einzigartigen
Verbindung sind sie nicht geeignet, dem Betrachter als in überraschender
Weise vom Gewohnten abweichend aufzufallen. Was die Individualität der
Armbanduhr "The Original" ausmacht, sind neben Gewichtung und Formung der
Elemente vor allem die - im Markeneintragungsgesuch nicht zum Ausdruck
kommende - Wahl und Bearbeitung der Materialien. Die Unterschiede zu
andern vergleichbaren Uhren liegen im Bereich des Ästhetischen.

    Nach Auffassung des BAGE sind ästhetisch bedingte Formen generell
vom Markenschutz ausgeschlossen. Zwar sei eine entsprechende Bestimmung,
die im Vorentwurf vom 15. März 1988 noch enthalten gewesen sei, bereits
im Entwurf des Bundesrates vom 21. November 1990 fallengelassen und
durch die Bezugnahme auf das "Wesen der Ware" ersetzt worden. Jedoch
sei das nicht in der Meinung geschehen, ästhetisch bedingte Formen dem
Markenschutz zugänglich zu machen, sondern im Bestreben einer Annäherung
an die Terminologie der EG-Marken-Richtlinie. Wie es sich damit verhält,
braucht im vorliegenden Fall nicht abschliessend entschieden zu werden,
da die beanspruchte Formmarke, so wie sie im Eintragungsgesuch abgebildet
wird, auch unter dem Gesichtspunkt der Ästhetik nicht geeignet ist,
dem Betrachter als aussergewöhnlich aufzufallen und in seinem Gedächtnis
haften zu bleiben. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen.