Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 II 128



120 II 128

27. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Mai 1994
i.S. Eva B. gegen Bank Y. (Berufung) Regeste

    Art. 1104 und 468 Abs. 1 OR. Tragweite des checkrechtlichen
Akzeptverbots.

    Art. 1104 OR ist rein wertpapierrechtlich zu verstehen und
schliesst nicht aus, dass sich die bezogene Bank nach den allgemeinen
schuldrechtlichen Regeln gegenüber dem Checkinhaber zur Zahlung
verpflichtet.

Sachverhalt

    A.- Die X. Corp., bot ihren Kunden lukrative Kapitalanlagen an. Ihr
Geschäftsführer A. gab jedoch, wie sich später herausstellte, bloss
vor, im Interesse der Anleger Börsengeschäfte zu tätigen, während er
in Wirklichkeit aus den neu eingehenden Geldern jeweils - nach dem
Schneeballsystem - die versprochenen Renditen bestehender Einlagen
auszahlte. Anfangs 1990 begann die Staatsanwaltschaft Düsseldorf wegen
Betrugs zu ermitteln.

    A. stellte am 6. Februar 1990 namens der X. Corp. einen Check über DM
2'161'551.-- an die Order von Eva B. aus, gezogen auf die Bank Y.. Über
die Bank Z. gelangte der Check am 12. Februar 1990 zur Bank Y., welche
ihn am 13. Februar 1990 der X. Corp. belastete. Mit Telex vom 14. Februar
1990 ersuchte die Bank Z. die Bank Y. um "dringende Rückantwort per Telex
bezüglich der Einlösung des Checks sowie der Valuta, mit der ihr der Betrag
angeschafft" werde. Die Bank Y. antwortete mit Telex vom gleichen Tag:
"WIR ZAHLEN DM 2'161'551.-- MIT VAL 16.2.90 DURCH DEUTSCHE BANK AG,
FRANKFURT". In der Folge widerrief indessen die Bank Y. diese Zusage,
nachdem sie erfahren hatte, dass die Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen
die X. Corp. ermittelte.

    B.- Am 16. Januar 1991 klagte Eva B. beim Handelsgericht des
Kantons Zürich gegen die Y. Bank auf Bezahlung von Fr. 1'804'895.--
(DM 2'161'551.-- zum Kurs von 83.50) zuzüglich Zins und Kosten. Das
Handelsgericht wies die Klage mit Entscheid vom 25. Juni 1993 ab.

    C.- Das Bundesgericht weist die von der Klägerin eingelegte Berufung
ab und bestätigt das handelsgerichtliche Urteil.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Klägerin stützt ihr Klagebegehren auf das Zahlungsversprechen
der Beklagten vom 14. Februar 1990. Das Handelsgericht ist davon
ausgegangen, dass die Beklagte aufgrund dieses Versprechens grundsätzlich
zur Honorierung des Checks verpflichtet wäre; es hat die Klage aber
aufgrund weiterer Gesichtspunkte, die seiner Auffassung nach angesichts
der besonderen Umstände des vorliegenden Falles zu berücksichtigen
waren, dennoch abgewiesen (dazu E. 3-4 hienach). Die Beklagte stellt sich
demgegenüber in ihrer Berufungsantwort auf den Standpunkt, im Hinblick auf
das checkrechtliche Akzeptverbot (Art. 1104 OR) sei eine Zahlungspflicht
schon aus grundsätzlichen Erwägungen zu verneinen...

    a) Die Beklagte ist, obschon sie keine Abänderung, sondern im Gegenteil
Bestätigung des angefochtenen Urteils beantragt, befugt, einzelne von
dessen Erwägungen im Rahmen der Berufungsantwort als bundesrechtswidrig
zu beanstanden (BGE 118 II 36 E. 3, S. 37; 61 II 124 E. 1, S. 124 f.).

    b) aa) Nach Art. 1104 OR kann ein Check nicht angenommen werden und
gilt ein auf den Check gesetzter Annahmevermerk als nicht geschrieben. In
BGE 99 II 332 (E. 2a, S. 336) hat das Bundesgericht daraus abgeleitet,
dass ein Forderungsrecht des Checkinhabers gegen den Bezogenen nie
entstehen könne. Es handelt sich dabei allerdings - bei näherem Zusehen -
um ein obiter dictum. Im Entscheid ging es nicht direkt um die Gültigkeit
eines Akzeptes, sondern um Fragen der Auslegung von Willenserklärungen
(JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ), Wertpapierrecht, S. 306). Im Urteil des
deutschen Bundesgerichtshofes vom 23. Februar 1951 und in der zugehörigen
Urteilsanmerkung von HEFERMEHL (NJW 1951, S. 598 f.), auf welche
das Bundesgericht verweist, findet sich ebenfalls nur die beiläufige
Bemerkung, dass eine rechtliche Pflicht der bezogenen Bank zur Einlösung
dem Checkinhaber gegenüber nicht bestehe; eine nähere Auseinandersetzung
mit der Tragweite des checkrechtlichen Akzeptverbots unterbleibt auch hier.

    Eingehend mit dieser Frage befasst sich hingegen das Zürcher
Handelsgericht in einem Entscheid vom 14. Februar 1974 (publiziert in
SJZ 71/1975, S. 96 ff., und in ZR 73/1974 Nr. 89, S. 232 ff.). Es sieht
im Akzeptverbot von Art. 1104 OR eine lex specialis zur allgemeinen
Regel, wonach Anweisungen angenommen werden können (Art. 468 Abs. 1
OR). Die Sonderregel bezieht sich dabei nach Ansicht des Gerichts nur auf
Annahmeerklärungen, die auf den Check geschrieben sind, während für das auf
andere Weise erklärte Akzept die allgemeinen Regeln gälten. Zur Begründung
wird im Urteil im wesentlichen ausgeführt, die beschränkte Tragweite
von Art. 1104 OR ergebe sich einerseits schon aus dessen Wortlaut, nach
welchem nur der "auf den Check geschriebene Annahmevermerk" als "nicht
geschrieben" zu gelten habe. Zum gleichen Schluss führe anderseits auch die
Berücksichtigung des Normzwecks. Mit dem Akzeptverbot habe der Gesetzgeber
namentlich einen banknotenähnlichen Umlauf akzeptierter Checks verhindern
wollen, um das Banknotenmonopol der Notenbank zu schützen. Eine ausserhalb
der Checkurkunde abgegebene Verpflichtungserklärung aber könne nur unter
den Beteiligten wirken und gehe nicht mit dem Check-Papier auf dessen
jeweiligen Inhaber über. Ein solches Akzept könne deshalb das Privileg der
Notenbank zur Ausgabe von Papiergeld zum vornherein nicht beeinträchtigen
(aaO, E. 3.1).

    Die Auffassung, dass Art. 1104 OR nur Zusicherungen erfasst, die
auf der Checkurkunde selber festgehalten sind, verdient Zustimmung. Sie
entspricht denn auch einhelliger Lehre (OR-WIDMER, N. 2 zu Art. 1104;
GUHL/KUMMER/DRUEY, Das Schweizerisch Obligationenrecht, 8. Aufl. 1991,
S. 854; JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ, aaO, S. 306; MEIER-HAYOZ/VON DER
CRONE, Wertpapierrecht, S. 238 Rz. 22; ZIMMERMANN, Kommentar des
Schweiz. Scheckrechts, N. 7 zu Art. 1104; AUCKENTHALER, Das Verbot des
Checkakzeptes, Diss. Basel 1958, S. 33; ebenso auch die deutsche Lehre und
Rechtsprechung: BAUMBACH/HEFERMEHL, Komm. Wechselgesetz und Scheckgesetz,
18. Aufl. 1993, N. 2 zu Art. 4 SchG mit weiteren Hinweisen). Der Check
ist vom Gesetzgeber als Zahlungsmittel konzipiert. Art. 1104 OR soll
verhindern, dass dieses Wertpapier ihm nicht zugedachte Funktionen
übernimmt, namentlich zum Kreditmittel oder zum Banknotenersatz wird
und damit das Banknotenmonopol des Bundes (Art. 39 BV) beeinträchtigt
(OR-WIDMER, N. 1 zu Art. 1104). Das Akzeptverbot ist daher nur
wertpapierrechtlich zu verstehen. Es lässt zwar keine wertpapierrechtliche
Verpflichtung aus Checkakzept zu, schliesst aber nicht aus, dass sich die
bezogene Bank ausserhalb des Checks nach den allgemeinen schuldrechtlichen
Regeln gegenüber dem Checkinhaber zur Zahlung verpflichtet.

    bb) Angesichts seiner bloss beschränkten Tragweite steht das
Akzeptverbot namentlich der Verbindlichkeit einer Checkeinlösungszusage
nicht entgegen, welche die bezogene Bank auf Anfrage des Checkinhabers
erteilt (OR-WIDMER, aaO; ALBISETTI/BOEMLE/EHRSAM/GSELL/NYFFELER/RUTSCHI,
Handbuch des Geld-, Bank- und Börsenwesens, 4. Aufl. 1987, S. 178;
ZIMMERMANN, aaO, N. 7 zu Art. 1104 in fine; BAUMBACH/HEFERMEHL, aaO,
N. 2 und 4 zu Art. 4 SchG). Eine derartige Zusage ist - übereinstimmend
mit dem zitierten Urteil des Zürcher Handelsgerichts - als Annahme der
im Check enthaltenen Anweisung (Art. 468 Abs. 1 OR) aufzufassen.

    cc) Die bezogene Bank kann sich auf Anfrage hin verbindlich
verpflichten, den Check einzulösen (Checkeinlösungszusage), oder
aber - ohne eine Zahlungspflicht zu übernehmen - bloss bestätigen,
dass der Check im Zeitpunkt der Auskunfterteilung gedeckt ist
(Deckungsbestätigung). Welcher Sinn der Erklärung zukommt, entscheidet
sich danach, wie sie der Empfänger nach den Umständen in guten Treuen
verstehen durfte und musste (BGE 118 II 130 E. 2b, S. 132; 117 II 273
E. 5a, S. 278 f., mit Hinweisen). Gibt die Bank Auskunft, bevor ihr der
Check vorliegt, kann unsicher sein, ob er auch im Zeitpunkt seiner Vorlage
noch gedeckt sein wird. Eine verbindliche Checkeinlösungszusage darf
diesfalls deshalb nicht leichthin angenommen werden; der Checkinhaber
darf nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Bank die Gefahr
auf sich nehmen will, gegebenenfalls aus eigener Tasche bezahlen zu
müssen (vgl. BAUMBACH/HEFERMEHL, aaO, N. 4 zu Art. 4 SchG; ferner auch
JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ, aaO, S. 310). Anders verhält es sich jedoch,
wenn die Bank erst nach der Vorlegung des Checks angefragt wird, ob sie
diesen einlösen werde. Da hier kein Deckungsrisiko besteht, darf der
Checkinhaber davon ausgehen, dass sich die Bank mit einer vorbehaltlos
geäusserten bejahenden Antwort zur Zahlung verpflichtet.

    c) Das entspricht der Sachlage des vorliegenden Falles. Als die
Beklagte, ohne irgendwelche Vorbehalte anzubringen, am 14. Februar
1990 per Telex erklärte, den Checkbetrag zu bezahlen, war sie bereits
im Besitz des Checks. Die Erklärung durfte deshalb nach dem Gesagten
seitens der Klägerin klarerweise als verbindliche Zusage der Einlösung
des Checks aufgefasst werden. Da diese Zusage nicht etwa durch Vermerk
auf der Checkurkunde, sondern separat im Fernschreiben der Beklagten
vom 14. Februar 1990 erteilt worden ist, fällt sie nach dem Gesagten
(E. b/aa und bb hievor) nicht unter das checkrechtliche Akzeptverbot. Von
einer Umgehung des Art. 1104 OR kann entgegen der Meinung der Beklagten
ebenfalls keine Rede sein; ausserhalb der Checkurkunde erklärte
Einlösungsversprechen laufen dem Zweck dieser Vorschrift nicht zuwider
(E. b/aa hievor; vgl. ferner auch ZR 73/1974 Nr. 89, S. 233 f.; SJZ
71/1975, S. 97). Die Vorinstanz ist somit zu Recht davon ausgegangen,
dass die Beklagte aufgrund ihres Telex vom 14. Februar 1990 grundsätzlich
zur Zahlung verpflichtet ist...

Erwägung 3

    3.- und 4.- (Die Abweisung der Klage durch das Handelsgericht
erweist sich als richtig, da aufgrund der tatsächlichen Feststellungen
im angefochtenen Urteil davon auszugehen ist, dass die Annahmerklärung
der Beklagten auf Willensmangel beruhte).