Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IB 400



120 Ib 400

55. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
27. Oktober 1994 i.S. Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft gegen
Bürgergemeinde Wittinsburg, Einwohnergemeinde Wittinsburg und Regierungsrat
des Kantons Basel-Landschaft (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Rodungsbewilligung für eine Aushubdeponie; Art. 5 WaG; Art. 7
Abs. 6, 30 und 31 USG, Art. 2, 3, 9, 16, 17, 20, 21, 22, 25, 30 und
31 der Technischen Verordnung über Abfälle vom 10. Dezember 1990 (TVA)
in Verbindung mit Ziff. 12 Anhang 1 und Ziff. 1 Anhang 2 TVA.

    Unverschmutzter Aushub ist in erster Linie für die Rekultivierung zu
verwenden (E. 3d und e/aa); soll Aushub dagegen zum Zwecke der Beseitigung
endgültig abgelagert werden, muss dies auf einer Inertstoffdeponie erfolgen
(E. d).

    Zu den im Rahmen der Rodungsbewilligung zu prüfenden Anforderungen
an eine Inertstoffdeponie (E. 3e) und an die Standortgebundenheit (E. 4).

    Verstoss gegen die Koordinationspflicht (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Die Einwohnergemeinde Wittinsburg beabsichtigt die Errichtung
einer Deponie für unverschmutzten Aushub. Nachdem der erste in Aussicht
genommene Standort in den auf Gemeindegebiet gelegenen Chambergräben aus
Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes verworfen wurde, einigten sich
Vertreter der Gemeinde, des Bundes für Naturschutz Baselland (BNBL) sowie
des Kantons anlässlich eines Augenscheins auf einen neuen Standort im Wald;
zuvor seien die begonnenen, ungeordneten Ablagerungen in den nördlichen
Teilen der Chambergräben soweit aufzufüllen, dass ein sauberer Abschluss
erreicht werde.

    Daraufhin reichte die Gemeinde Wittinsburg am 29. Juli 1993 die
Mutation des Zonenplans Landschaft zur Vorprüfung beim kantonalen Amt
für Orts- und Regionalplanung ein. Darin wurde am neuen Standort eine
Spezialzone für eine Aushubdeponie ausgewiesen. Gleichzeitig beantragte die
Gemeinde eine Ausnahmebewilligung zur Rodung von insgesamt 4'092 m2 Wald:
1'190 m2 für die Abschlüsse der Chambergräben mit einem Auffüllvolumen
von ca. 3'300 m3 (Westgraben 1'300 m3, Ostgraben 2000 m3) sowie, in einer
zweiten Etappe, 2'900 m2 für die Neudeponie Chamber mit einem vorgesehenen
Auffüllvolumen von ca. 12'000 m3.

    Am 2. November 1993 bewilligte der Regierungsrat des Kantons
Basel-Landschaft der Einwohnergemeinde Wittinsburg die beantragte Rodung
(RRB Nr. 2672). Der Bewilligungsentscheid sieht vor, dass die Rodung erst
dann in Angriff genommen werden dürfe, wenn weitere allfällig notwendig
werdende rechtskräftige Bewilligungen vorlägen (u.a. Baubewilligung),
die Spezialzone "Aushubdeponie" rechtskräftig ausgeschieden und die
Rodungsfläche durch den zuständigen Forstdienst angezeichnet worden
sei. Auflagen und Bedingungen anderer zuständiger Amtsstellen (u.a. Bau-
und Gewässerschutzpolizei) blieben vorbehalten.

    Gegen den regierungsrätlichen Entscheid erhob das Bundesamt
für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) am 2. Dezember 1993
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Es beantragt die
Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut

Auszug aus den Erwägungen:

                   aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- c) Steht die Rodung im Hinblick auf die Schaffung eines bestimmten
Nutzungsplanes in Frage, so müssen das raumplanungsrechtliche und das
forstpolizeiliche Verfahren koordiniert werden (Art. 12 des Bundesgesetzes
über den Wald vom 4. Oktober 1991 [WaG, SR 921.0] sowie BGE 119 Ib 397
E. 6a S. 404). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist ein
überwiegendes Interesse an einer Waldrodung für ein öffentliches Werk
erst dargetan, wenn dieses wenigstens als generelles Projekt von der
zuständigen Behörde geprüft und positiv beurteilt worden ist (BGE 119
Ib 397 E. 6a S. 404, 116 Ib 469 E. 2b S. 472, 113 Ib 148 E. 3b S. 152,
Urteil vom 11. März 1981 in ZBl 83/1982 74 ff. E. 2a). Die richtige
Anwendung von Art. 5 WaG verlangt somit die Beurteilung des Projektes als
Ganzes (so schon BGE 117 Ib 325 E. 2a S. 328 f. zu Art. 26 der Verordnung
betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei [FPolV;
SR 921.01]); sie schliesst es aus, dass für die Interessenabwägung
massgebende Einzelfragen separaten Verfahren vorbehalten werden. Wird bei
der Beurteilung einer Rodungsbewilligung in Missachtung des Grundsatzes der
umfassenden Interessenabwägung durch die nämliche Behörde ein wesentlicher
Gesichtspunkt ausser acht gelassen, so liegt darin in der Regel nicht nur
eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung, sondern auch eine Verletzung
des materiellen Waldrechts (Art. 5 WaG bzw. vormals Art. 26 FPolV; BGE
119 Ib 397 E. 6a S. 405 mit Hinweisen).

Erwägung 3

    3.- a) Nach Angaben der Gemeinde Wittinsburg und des Kantons
Basel-Stadt soll in der geplanten Deponie ausschliesslich sauberes
Aushubmaterial abgelagert werden. Das BUWAL ist der Auffassung, eine
derartige Aushubdeponie müsse den für Inertstoffdeponien geltenden
Anforderungen an Standort, Errichtung und Abschluss (Art. 25 Abs. 1
lit. c und Art. 30 i.V. mit Anhang 2 der Technischen Verordnung über
Abfälle vom 10. Dezember 1990, TVA; SR 814.015) entsprechen. Weder in der
angefochtenen Rodungsbewilligung noch im Planungsverfahren seien diese
Fragen geprüft worden.

    b) Der Kanton vertritt dagegen die Ansicht, sauberes Aushubmaterial
könne, müsse aber nicht in Inertstoffdeponien abgelagert werden;
deshalb müssten auch die Anforderungen der Technischen Verordnung
für Abfälle an solche Deponien und die dort vorgesehene Mindestgrösse
nicht erfüllt werden. Die Deponiebewilligung werde erst im Rahmen des
Baubewilligungsverfahrens erteilt und setze ihrerseits das Vorliegen
einer Rodungsbewilligung voraus. Kanton und Gemeinde weisen darauf hin,
dass es aus ökologischen Gründen sinnvoll sei, Aushub aus Wittinsburg in
Wittinsburg abzulagern.

    c) Nach dem oben (E. 2c) Gesagten, ist bereits im Rahmen des
Rodungsverfahrens zu klären, ob das Projekt grundsätzlich bewilligungsfähig
ist; nur Detailfragen, die das generelle Projekt nicht in Frage stellen,
können nachfolgenden Genehmigungsverfahren vorbehalten werden. Im folgenden
ist daher zunächst zu untersuchen, ob die geplante Aushubdeponie einer
Deponieerrichtungsbewilligung bedarf und wenn ja für welchen Deponietyp
(E. 3d) und ob sie den hierfür gestellten Anforderungen grundsätzlich
entspricht (E. 3e).

    d) Gemäss Art. 30 Abs. 1 USG (SR 814.01) muss der Inhaber von
Abfällen diese nach den Vorschriften des Bundes und der Kantone
verwerten, unschädlich machen oder beseitigen. Die Ablagerung von
Abfällen darf nur auf bewilligten Deponien erfolgen (Art. 30 Abs. 3 USG);
bewilligungspflichtig ist sowohl die Errichtung als auch der Betrieb
einer Deponie für Abfälle (Art. 30 Abs. 2 USG, Art. 21 TVA). Gemäss
Art. 32 Abs. 3 USG erlässt der Bundesrat technische und organisatorische
Vorschriften über Abfallanlagen, insbesondere über Deponien. Darüber
hinaus kann der Bundesrat nach Art. 32 Abs. 4 lit. c USG vorschreiben,
dass bestimmte Abfälle verwertet werden, wenn dies wirtschaftlich tragbar
ist und die Umwelt weniger belastet als die Beseitigung.

    Gestützt u.a. auf diese Bestimmungen hat der Bundesrat am 10. Dezember
1990 die Technische Verordnung über Abfälle erlassen. Gemäss Art. 2 TVA
gilt die Verordnung für das Vermindern und Behandeln von Abfällen sowie
für das Errichten und Betreiben von Abfallanlagen. Art. 3 TVA definiert
Abfallanlagen als Anlagen, in denen Abfälle behandelt werden, d.h. in
denen diese verwertet, unschädlich gemacht oder beseitigt werden. Als
Deponien werden nur solche Abfallanlagen bezeichnet, in denen Abfälle
endgültig und kontrolliert abgelagert werden, nicht dagegen blosse
Zwischenlager. Art. 22 Abs. 1 TVA bestimmt, dass die Kantone nur drei
Deponietypen bewilligen können: Inertstoffdeponien, Reststoffdeponien
und Reaktordeponien (vgl. zu den drei Typen H.-P. FAHRNI, Die technische
Abfallverordnung als Umsetzung des Leitbildes für die schweizerische
Abfallwirtschaft, URP 1988/2 S. 125 f., P. OGGIER, Neue Deponietypen
als Ausgangspunkt für zukünftige gesetzliche Regelungen, in: Umweltschutz
in der Schweiz, Bulletin des Bundesamtes für Umweltschutz, 1987 Heft 2,
S. 14 ff., M. TELLENBACH, Was bringt die technische Abfallverordnung? in:
Bulletin des Bundesamtes für Umweltschutz 1988/3, S. 14 f., A. TRÖSCH
in: Kommentar zum Umweltschutzgesetz, Art. 30 Rz. 35 f.) Der Deponietyp
ergibt sich aus den zur Ablagerung vorgesehenen Abfällen (Art. 22 Abs. 2
i.V.m. Anhang 1 TVA).

    "Abfälle" sind nach Art. 7 Abs. 6 USG alle beweglichen Sachen, deren
sich der Besitzer entledigen will oder deren Verwertung, Unschädlichmachung
oder Beseitigung im öffentlichen Interesse geboten ist. Darunter fällt
unverschmutzter Aushub jedenfalls dann, wenn sich der Besitzer seiner
entledigen will. Dies ist im vorliegenden Fall zu bejahen, soll das
Aushubmaterial doch endgültig, zum Zweck seiner Beseitigung abgelagert
werden.

    Gemäss Ziff. 1 von Anhang 1 TVA dürfen auf Inertstoffdeponien
nur Inertstoffe und Bauabfälle abgelagert werden. "Bauabfälle"
sind gemäss Art. 9 TVA die bei Bau- oder Abbrucharbeiten anfallenden
Abfälle - mit Ausnahme von Sonderabfällen - die, soweit betrieblich
möglich, in drei Gruppen zu trennen sind: unverschmutztes Aushub-
und Abraummaterial (lit. a), Abfälle, die ohne weitere Behandlung auf
Inertstoffdeponien abgelagert werden dürfen (lit. b) und andere Abfälle
(lit. c). Grundsätzlich sind Bauabfälle gemäss Ziff. 12 Abs. 1 von
Anhang 1 TVA auf Inertstoffdeponien abzulagern. Für unverschmutztes
Aushub- und Abraummaterial bestimmt Ziff. 12 Abs. 2 Anhang 1 TVA, dass
es auf Inertstoffdeponien abgelagert werden darf, soweit es nicht für
Rekultivierungen verwertet werden kann.

    Die Verwendung des Ausdrucks "darf ... abgelagert werden" spricht
auf den ersten Blick für die Rechtsauffassung des Regierungsrats,
wonach unverschmutzter Aushub nicht zwingend auf einer Inertstoffdeponie
abgelagert werden muss. Wie bereits oben ausgeführt wurde, kennt die
TVA jedoch einen numerus clausus der Deponietypen; dabei werden an die
Inertstoffdeponie als Deponie für Abfälle, die eine hohe chemische
und biologische Stabilität und einen geringen Schwermetallgehalt
aufweisen (A. TRÖSCH, aaO, Art. 30 Rz. 35) die geringsten Anforderungen
gestellt. Einen besonderen Deponietyp für unverschmutztes Aushubmaterial
kennt die Technische Verordnung für Abfälle - anders als die
Deponierichtlinien des Eidgenössischen Amtes für Umweltschutz vom März
1976 - nicht mehr. Ziff. 12 Abs. 2 von Anhang 1 TVA ist daher nicht
als Hinweis auf einen anderen Deponietyp, sondern auf den Vorrang der
Verwertung vor der Ablagerung zu verstehen: Unverschmutzter Aushub ist in
erster Linie für Rekultivierungen zu verwenden (so ausdrücklich Art. 16
Abs. 3 lit. d TVA); kann das Material nicht sofort verwertet werden,
kommt eine Zwischenlagerung in Betracht. Soll Aushubmaterial dagegen
endgültig abgelagert werden, so muss dies gemäss Art. 30 Abs. 3 USG auf
einer Deponie geschehen; hierfür steht nach Ziff. 12 Abs. 2 Anhang 1 TVA
nur die Inertstoffdeponie zur Verfügung.

    Auf den ersten Blick mag es widersprüchlich erscheinen, dass
unverschmutztes Aushubmaterial, das beispielsweise für die Rekultivierung
von Kiesgruben verwendet werden dürfte, auf einer Inertstoffdeponie
abzulagern ist. Hierfür lassen sich jedoch durchaus sachliche Gründe
anführen. Hinzuweisen ist auf die Probleme der Überwachung und Kontrolle,
die sich bei einer auf Jahrzehnte ausgerichteten Deponie in ganz anderem
Ausmass stellen als bei einer einmaligen Rekultivierung; es besteht
insbesondere die Gefahr, dass unbefugte Dritte die Deponie zur Ablagerung
gefährlicher Stoffe missbrauchen, für die diese nicht ausgelegt ist
(vgl. auch unten, e/cc).

    e) Unterliegt die geplante Deponie den Bestimmungen über
Inertstoffdeponien der Technischen Verordnung über Abfälle, musste die
Frage, ob sie diesen Anforderungen entspricht, grundsätzlich bereits
im Rahmen der für die Rodungsbewilligung erforderlichen umfassenden
Interessenabwägung geprüft werden, und durfte nicht dem späteren
Baubewilligungsverfahren vorbehalten werden. Voraussetzung für die
Erteilung einer Deponieerrichtungsbewilligung ist gemäss Art. 25 Abs. 1
TVA insbesondere, dass der Bedarf für die Deponie nachgewiesen ist (aa)
und die nach Anhang 2 für den vorgesehen Deponietyp geltenden Anforderungen
erfüllt sind (bb und cc). Beide Aspekte sind auch für die Beurteilung des
öffentlichen Interesses an der Rodung wesentlich: Ist bereits der Bedarf
für die Deponie nicht nachgewiesen, so überwiegt das Interesse an der
Walderhaltung; besteht dagegen ein Bedarf, aber erfüllt der vorgesehene
Standort die in Ziff. 1 von Anhang 2 zur TVA aufgezählten Anforderungen
nicht, so scheidet die Errichtung einer Deponie am vorgesehenen Standort
aus, so dass kein überwiegendes Rodungsinteresse besteht.

    aa) Zur Bedarfsfrage führen Regierungsrat und Gemeinde aus, der
bisherige Deponieplatz "Buurechrachen" sei aufgefüllt; jährlich fielen
in der Gemeinde ca. 600 m3 Aushubmaterial an. Wie bereits dargelegt,
soll sauberes Aushubmaterial jedoch in erster Linie zur Rekultivierung
verwendet werden, anstatt auf eine Deponie zu gelangen (Art. 16 Abs. 3
lit. d TVA); gemäss Art. 16 Abs. 3 lit. a TVA hat generell die Verwertung
Vorrang vor der Beseitigung. Der Bedarfsnachweis ist daher erst erbracht,
wenn dargelegt werden kann, dass keine anderweitige Verwertung des
Aushubmaterials möglich ist und auch eine Zwischenlagerung nicht in
Betracht kommt. Dabei darf sich der Kanton nicht darauf beschränken, nur
den Bedarf der Gemeinde Wittinsburg zu berücksichtigen; vielmehr ist er
gemäss Art. 31 USG für die Planung und Koordinierung der Abfallpolitik
im Kanton zuständig sowie zur Zusammenarbeit mit anderen Kantonen
verpflichtet. Die Planungspflicht des Kantons umfasst nach Art. 16 Abs. 2
lit. f TVA u.a. auch die Frage der Verwertung von Aushub. Es müssen demnach
auch Verwertungsmöglichkeiten in anderen Kantonsteilen und möglicherweise
sogar ausserhalb des Kantons in Betracht gezogen werden, wenn für die
jährlich in Wittinsburg anfallenden 600 m3 in der Gemeinde selbst oder in
der näheren Umgebung keine Verwendung gefunden werden kann. Diese Fragen
wurden in den Erwägungen der Rodungsbewilligung nicht behandelt.

    bb) Die Regierung ging davon aus, dass die geplante Deponie nicht den
nach Anhang 2 für Inertstoffdeponien geltenden Anforderungen unterliege;
dementsprechend wurde die Frage, ob der vorgesehene Standort diese
Kriterien erfüllt, auch nicht ausreichend geprüft. Zwar verweist der
Regierungsrat in seinen Erwägungen auf die positiven Stellungnahmen der
zuständigen Behörden und stellt fest, dass erhebliche Gefährdungen der
Umwelt nicht zu erwarten seien; in seiner Vernehmlassung beruft sich
der Regierungsrat darauf, dass Fachleute des Amtes für Umweltschutz und
Energie bei der Standortbegehung zugegen gewesen seien und sich dabei
gezeigt habe, dass der neue Standort den Anforderungen des Umweltschutzes
entspreche. Der fragliche Augenschein wurde jedoch vor allem unter dem
Aspekt der möglichsten Schonung der Chambergräben durchgeführt. Aus
den Akten geht nicht hervor, dass der neue Standort auf die in Anhang
2 der TVA vorgeschriebenen Kriterien untersucht worden wäre: Soweit
ersichtlich wurden weder Baugrunduntersuchungen noch Setzungsberechnungen
gemäss Ziff. 1 Abs. 2 Anhang 2 TVA durchgeführt noch geologische
oder hydrogeologische Untersuchungen gemacht, um die nach Ziff. 1
Abs. 4 und 5 Anhang 2 TVA auch für Inertstoffdeponien erforderlichen
Nachweise zu erbringen (vgl. Ziff. 1 Abs. 6 S. 2 Anhang 2 TVA). Solche
Untersuchungen erscheinen im vorliegenden Fall besonders wichtig, hatte
doch der BNBL seine Einsprache gegen die Deponie in den Chambergräben
mit Hinweis auf eine mögliche Verschmutzung des Grundwasserstromes
des Homburgertals begründet, aus dem auch die Gemeinde Wittinsburg ihr
Trinkwasser beziehe. Es ist, soweit aus den Akten ersichtlich, nicht
abgeklärt worden, ob diese Gefahr beim neuen Standort ausgeschlossen
werden kann. Die positiven Stellungnahmen der kantonalen Ämter zur
Zonenplanmutation der Gemeinde beschränken sich auf die Feststellung,
dass die Änderung der am Augenschein getroffenen Vereinbarung entspreche,
ohne sich zur Genehmigungsfähigkeit der Deponie zu äussern.

    cc) Darüber hinaus unterschreitet die geplante Deponie mit 12'000 m3
(bzw. 15'300 m3 einschliesslich des Abschlusses in den Chambergräben)
die nach Art. 31 Abs. 1 TVA vorgeschriebene Mindestgrösse für
Inertstoffdeponien von 100'000 m3 ganz erheblich. Zwar kann der Kanton
gemäss Art. 31 Abs. 2 TVA Deponien mit geringerem Volumen genehmigen,
wenn dies aufgrund der geographischen Gegebenheiten sinnvoll ist. Dabei
darf jedoch Sinn und Zweck der Mindestgrössenbestimmung nicht ausser acht
gelassen werden: Art. 31 Abs. 1 TVA beruht auf schlechten Erfahrungen, die
in der Vergangenheit gerade mit Kleinstdeponien für Aushub und Bauschutt
gemacht wurden (vgl. P. OGGIER, aaO, S. 13). Es zeigte sich, dass die
bei Inertstoffdeponien im Vordergrund stehende rigorose Kontrolle und
Überwachung der abzulagernden Abfälle regelmässig die Möglichkeiten einer
Gemeinde übersteigen. Der Verordnungsgeber ging deshalb davon aus, dass
auch Inertstoffdeponien grundsätzlich auf regionaler Basis zu realisieren
seien (P. OGGIER, aaO, S. 16; P. LAVANCHY, Les décharges contrôlées:
une base indispensable de l'économie des déchets, in: Défis des déchets,
hrsg. von Peter Knoepfel und Helmut Weidner, Basel/Frankfurt a.M. 1992,
S. 81). Vor diesem Hintergrund genügt es - jedenfalls bei erheblicher
Unterschreitung der Mindestgrösse - nicht, auf die geographischen
Verhältnisse der Gemeinde Wittinsburg zu verweisen. Vielmehr muss der
Kanton in solchen Fällen schon bei der Standortfestlegung das Konzept einer
Gemeinde- statt einer regionalen Deponie rechtfertigen, die geographischen
Verhältnisse der gesamten Region in die Prüfung miteinbeziehen (vgl. hierzu
auch E. 4) und darlegen, inwiefern die Gemeinde fähig und bereit ist,
einen kontrollierten Deponiebetrieb im Sinne der Technischen Verordnung
für Abfälle (vgl. Art. 34 TVA) zu gewährleisten.

Erwägung 4

    4.- a) Das BUWAL macht darüber hinaus geltend, die Standortgebundenheit
der Deponie gemäss Art. 5 Abs. 2 lit. a WaG sei nicht nachgewiesen
worden. Alle von der Gemeinde diskutierten Standortvarianten hätten im
Waldareal gelegen, während Grundstücke ausserhalb des Waldes nicht in die
Abwägung miteinbezogen worden seien. Im übrigen hätte dem Umstand Rechnung
getragen werden müssen, dass angesichts der geforderten Mindestgrösse
von 100'000 m3 Standorte für neue Inertstoffdeponien in erster Linie auf
regionaler Ebene zu suchen seien.

    b) Die Gemeinde behauptet dagegen, die Abklärung über mögliche
Auffüllungen und Meliorationen ausserhalb des Waldgebietes sei schon
in den Jahren 1975 bis 1992 mit der Durchführung der Felderregulierung
erfolgt. Schon damals seien die Chambergräben zu Deponiezwecken bestimmt
worden. Der Kanton macht geltend, aus der Sicht des Landschaftsschutzes
scheide eine Aufschüttung auf anderen Teilen des Gemeindegebietes aus:
Der Gemeindebann umfasse einen Teil der Hochfläche, die bewaldeten
Abhänge gegen das Homburgertal sowie Bereiche der Talebene (ehemalige
Wassermatten). Die Hochfläche werde ackerbaulich genutzt; die
Landwirtschaftsflächen gälten weitgehend als Fruchtfolgeflächen. Von
Natur aus fehlten hier Geländemulden, die sich als Deponiestandorte
eignen würden. Aushubmaterial liesse sich deshalb nur terrassenartig
oder zu Hügeln aufschütten. Dies würde nicht nur wertvolle Ackerböden
zerstören, sondern auch die weitgehend unversehrte Tafeljura-Landschaft
massiv verändern. Da es gegen den gewählten Standort weder forst- noch
umwelt- oder naturschützerische Einwände gebe, dränge sich die Suche
nach einer Regionaldeponie nicht auf. Im Gegenteil: bei Regionaldeponien
mit einer Mindestgrösse von 100'000 m3 seien die landschaftsverändernden
bzw. landschaftsbeeinträchtigenden Auswirkungen wesentlich grösser, vor
allem wenn man die längeren Transportwege berücksichtige. Gut geführte,
dezentrale Aushubdeponien seien auch aus naturschützerischer Sicht wo
möglich einer regionalen Grossdeponie vorzuziehen.

    c) Nach Art. 5 Abs. 2 lit. a WaG muss ein Werk, für das eine
waldrechtliche Ausnahmebewilligung beansprucht wird, auf den vorgesehenen
Standort angewiesen sein. Die Standortgebundenheit ist nicht in einem
absoluten Sinne aufzufassen, besteht doch fast immer eine gewisse
Wahlmöglichkeit. Entscheidend ist, ob die Gründe der Standortwahl die
Interessen der Walderhaltung überwiegen (BGE 117 Ib 325 E. 2 S. 327 mit
Hinweis). Die Bejahung der relativen Standortgebundenheit setzt indessen
ebenfalls voraus, dass eine umfassende Abklärung von Alternativstandorten
stattgefunden hat (BGE 119 Ib 397 E. 6a S. 405).

    Es mag sein, dass in Wittinsburg, wie von Kanton und
Gemeinde vorgetragen, nur der Wald als Deponiestandort in Betracht
kommt. Unzureichend erscheint die Abklärung von Alternativstandorten
allerdings, sofern Gemeinde und Kanton von vornherein ausschliesslich einen
Standort auf Gemeindegebiet in Aussicht nahmen. Zum einen sieht Ziff. 6.5
der Rodungsbewilligung vor, dass bei Bedarf auch Aushub aus benachbarten
Gemeinden in Wittinsburg abgelagert werden könne. Dann aber hätte es sich
aufgedrängt, zumindest auch die in Betracht kommenden Nachbargemeinden
in die Standortauswahl miteinzubeziehen. Zum anderen ist der Kanton
nach Art. 31 Abs. 4 USG, Art. 15 ff. TVA zur Abfallplanung verpflichtet
(vgl. hierzu A. TRÖSCH, aaO, Art. 31 Rn. 41 ff.); er bestimmt die Standorte
der Abfallanlagen, insbesondere der Deponien und weist diese in seiner
Richtplanung aus (Art. 17 TVA). Dies gilt generell für alle Deponien,
d.h. auch für Inertstoffdeponien mit ungefährlichen Abfällen (DANIEL VOGEL,
Pflicht zur räumlichen Planung von Abfalldeponien gemäss Art. 31 Abs. 4 USG
unter besonderer Berücksichtigung des Zürcher Rechts, Dissertation Zürich,
1990, S. 50 f.). Daraus folgt, dass die Abfallplanung einschliesslich der
Standortauswahl grundsätzlich auf Kantonsebene erfolgen soll. Für eine
regional angelegte, zentrale Abfallpolitik spricht auch die von Art. 31
Abs. 1 TVA für Inertstoffdeponien vorgeschriebene Mindestgrösse von 100'000
m3 (vgl. oben, E. 3 e/cc). Werden Alternativstandorte nur innerhalb
eines engen, lokalen Rahmens gesucht, kommen naturgemäss nur wenige
Deponiestandorte überhaupt in Betracht, und es besteht die Gefahr einer
Absenkung der Eignungsanforderungen. In der Abwägung zwischen mehreren in
Betracht kommenden Deponiestandorten steht es dem Kanton frei, besonderes
Gewicht auf die von ihm genannten Kriterien (insbesondere die Vermeidung
langer Transportwege) zu legen; diese rechtfertigen es jedoch nicht, von
vornherein auf die Ermittlung von Alternativstandorten zu verzichten. Auch
unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die Interessenabwägung somit
als unvollständig.

Erwägung 5

    5.- Da für die Beurteilung des Deponieprojekts wesentliche Fragen in
der Rodungsbewilligung nicht hinreichend abgeklärt wurden, beruht diese
nicht auf einer umfassenden Interessenabwägung nach Art. 5 WaG. Damit
liegt zugleich ein Verstoss gegen die Koordinationspflicht vor. Nach
gefestigter bundesgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. BGE 116 Ib 50 E. 4
S. 56 ff.; 117 Ib 35 E. 3e S. 39 f., 42 E. 4a S. 48 f., 178 E. 6 S. 195 f.,
325 E. 2b S. 329 f.; 119 Ib 174 E. 4 S. 178) muss die Rechtsanwendung
materiell koordiniert, d.h. inhaltlich abgestimmt erfolgen, wenn für
die Verwirklichung eines Projekts verschiedene materiellrechtliche
Vorschriften anzuwenden sind und zwischen diesen Vorschriften ein derart
enger Sachzusammenhang besteht, dass sie nicht getrennt und unabhängig
voneinander angewendet werden dürfen. Diese Koordinationspflicht ergibt
sich in erster Linie aus den materiellen bundesrechtlichen Gesetzes- und
Verordnungsbestimmungen, die eine koordinierte Rechtsanwendung entweder
ausdrücklich vorschreiben oder voraussetzen, weil sie eine umfassende,
den jeweiligen Fachbereich überschreitende Interessenabwägung gebieten
(vgl. BGE 117 Ib 35 E. 3e S. 39 f.). Für den vorliegenden Fall sind neben
Art. 5 WaG insbesondere Art. 30 USG und Art. 14 ff. RPG (SR 700) zu nennen,
die sowohl bei der Rodungsbewilligung als auch im Abfallrecht und im
Rahmen der Nutzungsplanung eine Gesamtschau und Abwägung aller relevanten
Umstände voraussetzen. Für Deponien ergibt sich die Pflicht zur materiellen
Koordination nunmehr ausdrücklich aus Art. 20 TVA: Danach koordinieren die
Kantone in ihrem Zuständigkeitsbereich sämtliche für Bau oder Betrieb von
Abfallanlagen erforderlichen Bewilligungsverfahren, insbesondere für die
Raumplanungs-, Rodungs- und Gewässerschutzbewilligung, die Bewilligungen
nach dem Arbeitsgesetz, der Verordnung über den Verkehr mit Sonderabfällen
sowie die Deponieerrichtungs- und -betriebsbewilligung (vgl. hierzu THEO
LORETAN, Die Koordination der Verfahren mit besonderer Berücksichtigung
der Planung von Abfallanlagen, in: Raumplanungsgruppe Nordostschweiz,
Informationsblatt 3/1992, S. 33 ff., insbesondere 39 ff.). Darüber
hinaus schreibt Art. 12 WaG die Koordination des forstrechtlichen und des
raumplanungsrechtlichen Verfahrens vor (vgl. oben, E. 2c). Im vorliegenden
Fall wird diese materiellrechtliche Koordination durch den Umstand
begünstigt, dass die wesentlichen Kompetenzen bei kantonalen Behörden
liegen, die sowohl für die Genehmigung der Zonenplanänderung der Gemeinde
Wittinsburg und die Erteilung der Bau- bzw. Deponieerrichtungsbewilligung
als auch für die Rodungsbewilligung gemäss Art. 6 Abs. 1 lit. a WaG
zuständig sind.