Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IB 339



120 Ib 339

48. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 29.
November 1994 i.S. Schweizerische Stiftung für Landschaftsschutz und
Landschaftspflege gegen Eidgenössisches Departement des Innern (u.a.) und
F. und Mitbeteiligte gegen Eidgenössisches Departement des Innern (u.a.)
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Waldfeststellung, Art. 2 des Bundesgesetzes über den Wald vom
4. Oktober 1991 (WaG) und Art. 1 und 2 der Verordnung vom 30. November
1992 über den Wald (WaV).

    Ausstandsgesuch, mit dem nachträgliche Ablehnungsgründe gegen den
Experten nach Art. 58 BZP i.V.m. Art. 23, 28 OG geltend gemacht werden
(E. 3f).

    Zum Begriff der bestockten Weide im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. a
WaG, Art. 2 WaV (E. 4).

    Prüfung, ob die Bestockungen in besonderem Masse Wohlfahrts- und
Schutzfunktionen i.S.v. Art. 2 Abs. 4 Satz 2 WaG, Art. 1 Abs. 2 WaV
erfüllen (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Das Eidgenössische Departement des Innern (im
folgenden: Departement) traf am 21. Juli 1993 für eine Reihe von
Grundstücken im Gebiet "L." in der Gemeinde Champfèr/St. Moritz eine
Waldfeststellungsverfügung. Diesem Entscheid ging ein längeres Verfahren
voraus.

    Gegen die Waldfeststellungsverfügung des Departements erhoben die
Schweizerische Stiftung für Landschaftsschutz (SL; im folgenden: Stiftung)
sowie F. und diverse Mitbeteiligte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans
Bundesgericht. Die Stiftung verlangt die Aufhebung des angefochtenen
Entscheids und eine Neufeststellung des Gebietes als bestockte Weide
oder als Wald, der im besonderem Masse Wohlfahrts- oder Schutzfunktionen
erfülle. F. und diverse Mitbeteiligte beantragen, der angefochtene
Entscheid sei teilweise aufzuheben und es sei eine neue Waldfeststellung
durch das Bundesamt, eventuell durch das Departement und subeventuell
durch das Bundesgericht vorzunehmen.

    Am 20. September 1994 führte eine Delegation des Bundesgerichts einen
Augenschein durch, zu dem sie Dr. P., Forstingenieur und Raumplaner,
als Experten beizog.

    Die Verfahrensbeteiligten erhielten Gelegenheit, sich zu den
Feststellungen des Experten zu äussern und anschliessend zum Protokoll
der Augenscheinsverhandlung sowie zur nachträglich eingereichten
vegetationskundlichen Untersuchung Stellung zu nehmen. Die Beschwerdeführer
haben davon Gebrauch gemacht und gleichzeitig auch neue Beweisanträge
gestellt.

    Mit Schreiben vom 21. November 1994 stellen F. und weitere
Mitbeteiligte ein Ausstandsbegehren gegen den vom Bundesgericht
beigezogenen Experten. Sie machen geltend, Dr. P. habe Forschungsaufträge
von der Eidgenössischen Forstdirektion erhalten und stehe somit in einem
Abhängigkeitsverhältnis zum Bundesamt bzw. zum Eidgenössischen Departement
des Innern.

    Das Bundesgericht trat auf die Eingaben vom 21. November 1994 nicht
ein und wies die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab

Auszug aus den Erwägungen:

                   aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- f) Die Beschwerdeführer F., Z. und G. haben mit Schreiben
vom 21. November 1994 den vom Bundesgericht beigezogenen Experten
als befangen abgelehnt. Gemäss Art. 40 OG in Verbindung mit Art. 58
BZP gelten für Sachverständige die gleichen Ausstandsgründe, die für
Richter in den Artikeln 22 und 23 OG vorgesehen sind. Entsprechend der
Vorschrift in Art. 58 Abs. 2 BZP erhielten die Parteien mit Verfügung des
Instruktionsrichters vom 23. Juni 1994 Gelegenheit, Einwendungen gegen den
in Aussicht genommenen Sachverständigen vorzubringen. Die Beschwerdeführer
machten von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch. Dr. P. trug sein Gutachten
am Augenschein vom 20. September 1994 mündlich vor. Die Parteien konnten
Ergänzungsfragen stellen und in der Folge zum Augenscheinsprotokoll
Stellung nehmen. Im Zeitpunkt der Einreichung des Ausstandsgesuchs war
das Gutachten bereits erstattet und entgegengenommen. Die vorgebrachten
Gründe, wegen welcher der Experte in den Ausstand hätte treten sollen,
fallen als Ablehnungsgründe im Sinn von Art. 23 OG in Betracht. Es
werden somit nachträglich Ablehnungsgründe geltend gemacht mit dem
Zweck, die Ungültigkeit der Begutachtung zu bewirken. Art. 28 Abs. 1
OG erklärt Amtshandlungen als anfechtbar, an denen eine Gerichtsperson
teilgenommen hat, die ihr Amt nicht hätte ausüben dürfen. Nach Art. 28
Abs. 2 OG tritt im Fall eines Ablehnungsgrundes die Nichtigkeit erst
auf den Zeitpunkt des Ablehnungsbegehrens ein, d.h. eine rückwirkende
Aufhebung von Amtshandlungen ist ausgeschlossen. Diese Bestimmung
schliesst die nachträgliche Geltendmachung blosser Ablehnungsgründe
(im Gegensatz zu Ausstandsgründen) schlechthin aus (BGE 111 Ia 72 E. 2d
S. 76 f.). Sachverständige unterstehen der gleichen Ausstandsregelung
wie Gerichtspersonen. Es sind keine sachlichen Gründe ersichtlich,
die unterschiedliche Rechtsfolgen bei allfälliger Verletzung von
Ausstandsvorschriften rechtfertigen würden. Art. 28 OG ist auf
Begutachtungen, gegen deren Urheber nachträglich Ausstands- oder
Ablehnungsgründe geltend gemacht werden, analog anwendbar. Dies hat
vorliegend zur Folge, dass auf das Ausstandsgesuch der beschwerdeführenden
Grundeigentümer nicht eingetreten werden kann. Im übrigen vermögen
die im Gesuch erwähnten Aufträge der Eidgenössischen Forstdirektion
die Beweiskraft des zur Diskussion stehenden Gutachtens nicht in Frage
zu stellen.

Erwägung 4

    4.- Hauptstreitpunkt bildet die Frage, ob und inwieweit das Gebiet
"L." als bestockte Weide zu qualifizieren sei. Das Departement verneinte
das Vorliegen einer bestockten Weide. Die Beschwerdeführer stimmen dem
hinsichtlich des unteren Bereichs der Grundstücke Nrn. ... zu. Beim übrigen
Gebiet handle es sich, soweit nicht geschlossener Wald gegeben sei, um
bestockte Weiden im Sinn von Art. 2 der Verordnung über den Wald vom 30.
November 1992 (WaV; SR 921.01, AS 1992 2538).

    a) Gemäss Art. 3 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über den
Wald (WaG, SR 921.0, AS 1992 2521) soll die Waldfläche der Schweiz nicht
vermindert werden. Das Waldgesetz soll den Wald in seiner Fläche und seiner
räumlichen Verteilung erhalten sowie als naturnahe Lebensgemeinschaft
schützen (Art. 1 Abs. 1 lit. a und b WaG) und überdies dafür sorgen,
dass er seine Funktionen, namentlich seine Schutz-, Wohlfahrts- und
Nutzfunktion (Waldfunktionen) erfüllen kann (Art. 1 Abs. 1 lit. c
WaG). Art. 2 WaG umschreibt den Begriff des Waldes. Als Wald gilt
jede Fläche, die mit Waldbäumen oder Waldsträuchern bestockt ist und
Waldfunktion ausüben kann. Entstehung, Nutzungsart und Bezeichnung im
Grundbuch sind nicht massgebend (Art. 2 Abs. 1 Satz 2 WaG). Als Wald
gelten u.a. auch Weidwälder, bestockte Weiden (Wytweiden) und Selven (Abs.
2). Nicht als Wald gelten u.a. isolierte Baum- und Strauchgruppen, Hecken,
Garten-, Grün- und Parkanlagen sowie Baumkulturen, die auf offenem Land
zur kurzfristigen Nutzung angelegt worden sind (Abs. 3).

    Entsprechend der bisherigen, bewährten Praxis (s. BGE 118 Ib 614
E. 4a S. 617 f. und die dortigen Hinweise) sind bei der Prüfung, ob
eine Bestockung Wald ist, in der Regel der im Zeitpunkt des Entscheids
tatsächliche Wuchs und dessen Funktion massgebend; ausnahmsweise ist trotz
ganzen oder teilweisen Fehlens einer Bestockung Wald anzunehmen, wenn
Flächen ohne Bewilligung gerodet worden sind. Welche Ursache die Bewaldung
hat, ist nicht entscheidend; das gesetzliche Gebot der Walderhaltung
besteht unabhängig vom Willen des Eigentümers. Auch früher unbewaldete
Flächen werden (vorbehältlich Art. 13 WaG) zu geschütztem Waldareal,
wenn sich dort Waldbäume oder -sträucher ansiedeln, wenn der Eigentümer
nicht alles zur Verhinderung der Bewaldung vorgekehrt hat, was unter den
gegebenen Umständen vernünftigerweise von ihm erwartet werden konnte.

    b) Schon nach bisherigem Recht waren Weidwälder und bestockte
Weiden als Wald geschützt. Art. 2 WaV definiert, was unter bestockten
Weiden (Wytweiden) zu verstehen ist. Es handelt sich um Flächen, auf
denen Waldbestockungen und offene Weideplätze mosaikartig abwechseln
und die sowohl der Vieh- als auch der Forstwirtschaft dienen. Dies
stimmt inhaltlich mit der bisherigen Begriffsbestimmung in Praxis und
Lehre überein, wonach bestockte Weiden grössere Weideflächen sind,
auf denen in lockerer Form einzelne Bäume oder Baumgruppen wachsen,
und die dauernd einer Mischwirtschaft, nämlich der landwirtschaftlichen
Weidenutzung und forstwirtschaftlichen Holzerzeugung dienen (BGE 118 Ib
614 E. 4b S. 618; AEMISEGGER/WETZEL, Wald und Raumplanung, Schriftenfolge
VLP Nr. 38, Frühling 1985, S. 11; BLOETZER/MUNZ, Walderhaltungsgebot
und Rodungsbewilligung, in ZBl 73/1972 S. 435; Richtlinien für die
Waldfeststellung im Kanton Graubünden [Bündner Richtlinien], Ziffer 7
S. 23). Wie aus Art. 2 WaV hervorgeht, gilt die bestockte Weide in ihrer
gesamten Fläche und nicht nur im bestockten Teil als Wald.

    c) Auf einem Teil des vom Waldfeststellungsperimeter erfassten
Gebiets wechseln Bestockungen und offene Flächen mosaikartig ab. Dies
trifft namentlich für Teile der Parzellen Nrn. ... zu. Insoweit weist
das Gebiet eine Bestockungsform auf, wie sie für die bestockte Weide
vorausgesetzt wird. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass diese Flächen
Wald sind. Hierfür wäre erforderlich, dass es sich bei den offenen Flächen
um Weideplätze handelt. Eine Beweidung findet heute nicht mehr statt. Nach
Auffassung der Beschwerdeführer sei dies früher der Fall gewesen. Die
Weidenutzung sei wohl durch andere Nutzungen ersetzt worden. Dies habe
aber an der Waldeigenschaft der betroffenen Flächen nichts geändert. Wie
es sich damit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht verhält, ist
nachfolgend zu prüfen.

    aa) Bestockte Weiden sind Wald. Ihre Flächen unterstehen dem
allgemeinen Walderhaltungsgebot von Art. 3 WaG. Sie sollen in der heutigen
Form mit der ihr eigenen Dynamik erhalten bleiben (s. Botschaft vom
29. Juni 1988, BBl. 1988 III S. 189). Daraus ergibt sich, dass die Fläche
einer bestockten Weide grundsätzlich die Waldqualität auch dann behält,
wenn das Beweiden durch eine andere landwirtschaftliche Nutzung ersetzt
wird oder wegfällt. Dies galt schon nach bisherigem Recht (BGE 118 Ib
614 E. 4d S. 619).

    bb) Das Departement ging von der Regel aus, dass bei Waldfeststellungen
grundsätzlich die Verhältnisse im Zeitpunkt des Entscheids massgebend
seien, und hielt ein Abweichen von dieser Regel für gerechtfertigt,
wenn die Beweidung erst kurze Zeit vor dem Entscheid aufgegeben worden
sei und Anzeichen einer Beweidung noch deutlich vorhanden seien. Diese
Voraussetzungen hielt es im vorliegenden Fall für nicht gegeben. Das
Departement klärte die Frage der Weidenutzung unter einem etwas zu engen
Blickwinkel ab. Die mit Hinweis auf BGE 113 Ib 357 E. 2b 359 angerufene
Praxis betrifft das Erfordernis der Bestockung und lässt sich nicht
auf dasjenige der Weidenutzung übertragen. Sonst würde bei Aufgabe der
Weidenutzung die Waldeigenschaft ohne weiteres - jedenfalls nach einer
kurzen Übergangszeit - wegfallen, was sich mit dem Walderhaltungsgebot
gemäss Art. 3 WaG nicht vertrüge (s. oben lit. aa). Eine andere Frage
ist, ob und inwieweit dem Zeitablauf Rechnung zu tragen ist. Wie die
nachfolgenden Erwägungen zeigen werden, konnte der Sachverhalt im
bundesgerichtlichen Verfahren vervollständigt werden, so dass sich die
strittige Beweisfrage abschliessend beurteilen lässt. Daher ist die
Rüge, das Departement habe den rechtserheblichen Sachverhalt unrichtig
und unvollständig festgestellt, für den Ausgang des Verfahrens nicht
entscheidend, weshalb sie nicht weiter überprüft werden muss.

    cc) Der Begriff der bestockten Weide setzt voraus, dass die
unbestockten Flächen dauernd der landwirtschaftlichen Weidenutzung
dienen (BGE 118 Ib 614 E. 4b S. 618), d.h. es ist eine Beweidung
von geländeprägender Intensität begriffsnotwendig. Weideplätze
einer bestockten Weide müssen als solche erkennbar sein. Einer bloss
gelegentlichen Beweidung, die "nie über einige Tage" hinausging und mit
einer Mähwiesennutzung abwechselte, fehlt die erforderliche Wirkung. Mit
dem Beweis einer solchen Nutzung lassen sich keine Weideplätze im Sinn
von Art. 2 WaV nachweisen.

    Bei fehlender aktueller Weidenutzung stellt sich die Beweisfrage, ob in
früheren Zeiten eine auf Dauer ausgerichtete, regelmässige und hinreichend
intensive Beweidung stattgefunden hat. Eine solche Nutzung hinterlässt
typischerweise Spuren im Gelände, die noch während sehr langer Zeit nach
Aufgabe der Weidenutzung im Gelände erkennbar bleiben. Am Augenschein
hat sich ergeben, dass keine solche Hinweise vorhanden sind: Zwar hat
ein Vertreter der Stiftung (Forsting. S.) vereinzelte Spuren feststellen
wollen. Doch vermochte die Interpretation der festgestellten Spuren -
nämlich eine Grasblösse, die auf einen Kuhfladen zurückzuführen sei,
und zwei/drei kleine Vertiefungen, bei denen es sich um Hufabdrucke
handle - nicht zu überzeugen. Gemäss den Ausführungen des Experten
hätte eine regelmässige Beweidung im steilen Gelände horizontale
Kuhwege verursacht. Es hätten sodann zumindest bei einem Teil der
Bäume festgetrampelte Wurzelteller beziehungsweise Wurzelverletzungen
festgestellt werden müssen, sowie Reibspuren und fehlende Äste bis
auf eine Höhe von etwa 2 m. Von all dem konnte am Augenschein nichts
festgestellt werden. Darüber hinaus fehlen auch Hinweise auf Läger,
Tränken und Weidzäune. Ein seitens des Stiftungsvertreters entdecktes
Holzbrett stammt sicher nicht von einem Weidezaun, und die als Viehtränke
vermutete Vertiefung im unteren Teil der Parzellen ... hat sich als
Bade-Weiherchen erwiesen, das Buben aus Champfèr vor langer Zeit angelegt
hatten. Insgesamt fehlt es im Gelände an Spuren, die auf Weideplätze im
Sinn von Art. 2 WaV hinweisen würden. Es müssten aber solche vorhanden
sein, wenn in der in Betracht fallenden Zeitspanne eine regelmässige
Weidenutzung stattgefunden hätte.

    Bei den offenen Flächen handelt es sich somit nicht um frühere
Weideplätze in der Art, wie sie für bestockte Weiden vorauszusetzen
wären. Dies deckt sich im übrigen mit den Angaben der Beschwerdeführer,
die selbst einräumen, es habe sich um eine Übergangsweide gehandelt;
die Beweidung habe den Grasschnitt ergänzt und sei wohl nie über
einige Tage hinausgegangen. Ihre Beweisanträge zwecks Nachweises einer
solchen Beweidung (bis 1985 durch Kühe, bis 1987 noch eine Heimkuh
und bis vor ca. 5 Jahren durch Schafe) sind daher - soweit sie durch
die Augenscheinnahme nicht gegenstandslos geworden sind - unerheblich.
Desgleichen kommt es nicht auf die eingereichte vegetationskundliche
Untersuchung von A. an, so dass sich eine Auseinandersetzung mit derselben
erübrigt. Bei diesem Beweisergebnis steht fest, dass im strittigen Gebiet
keine bestockten Weiden im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. a WaG und Art. 2
WaV bestehen. Insofern ist die angefochtene Waldfeststellung nicht zu
beanstanden.

Erwägung 5

    5.- Für den Fall, dass keine bestockte Weide vorliege, stellen
sich die Beschwerdeführer auf den Standpunkt, dass unabhängig von der
Flächenausdehnung der einzelnen Bestockungen auf Wald zu erkennen sei, weil
diese in besonderem Masse Wohlfahrts- oder Schutzfunktionen erfüllten. Sie
weisen auf die besondere Gliederungsfunktion der Bestockungen hin und auf
die Lage des Gebiets "L." in der Oberengadiner Seenlandschaft, die eine
Natur- und Kulturlandschaft von nationaler Bedeutung darstelle. Sodann
würden die Bestockungen den Hang stabilisieren und vor Schneerutsch
schützen. Die Beschwerdegegner nehmen mit dem Departement den gegenteiligen
Standpunkt ein.

    a) Gemäss Art. 2 Abs. 4 S. 2 WaG, Art. 1 Abs. 2 WaV gelten
Bestockungen, die in besonderem Masse Wohlfahrts- oder Schutzfunktionen
erfüllen, unabhängig von ihrer Fläche, ihrer Breite oder ihrem Alter
als Wald. Im Gegensatz zu den bestockten Weiden, bei denen auch die
Weideflächen als Wald gelten, beziehen sich die genannten Bestimmungen
ausschliesslich auf bestockte Flächen, für die je einzeln geprüft
werden muss, ob sie die behaupteten Funktionen erfüllen. Es ist daher
nicht das ganze Gebiet mit allen Einzelbäumen und bestockungsfreien
Flächen als solches in Betracht zu ziehen und einer Gesamtbeurteilung zu
unterwerfen, wie es die beschwerdeführenden Grundeigentümer im Prinzip
geltend machen. Wie in BGE 118 Ib 614 E. 5b S. 620 f. ausgeführt,
ist es nicht Aufgabe des Waldrechts, die Anstrengungen der Raumplanung
oder des Natur- und Heimatschutzes zu ersetzen; offenes Wiesland kann
auch dann nicht als Wald in Betracht fallen, wenn es zusammen mit
Baumgruppen das Landschaftsbild prägt und sich unter dem Blickwinkel
des Landschaftsschutzes oder des Natur- und Heimatschutzes als besonders
schutzwürdig erweist.

    b) Aufgrund der Feststellungen am Augenschein und des vom Experten
erstellten Bestockungsplans vom August 1994 kommen im vorliegenden Fall
folgende drei Baumgruppen in Betracht:

    Die Baumgruppe 1 besteht aus 6 Arven, die auf der Parzelle Nr. ...
   stocken. Die Baumgruppe weist eine Fläche von 151 m2 auf.

    Die Baumgruppe 2 besteht aus 5 Arven, die im Schnittpunkt der Parzellen

    Nrn. ... stocken und eine Fläche von 63 m2 aufweist.

    Die Baumgruppe 3 besteht 7 Arven und 5 Lärchen, die auf der Parzelle

    Nr. ... stocken. Die Fläche ist nicht aktenkundig, indes liegt
sie sicher
   unter 200 m2. Der Baumgruppe sind zwei Kleinstgruppen von je 4
   Bäumen vorgelagert. Zwischen den einzelnen Gruppen besteht kein
   Wuchszusammenhang.

    Wie sich am Augenschein ergeben hat, besteht zwischen diesen
Baumgruppen und dem geschlossenem Wald kein Wuchszusammenhang. Es kann
auch nicht gesagt werden, es handle sich um aufgelöste Bestockungen im
Bereich der oberen Waldgrenze. Es sind isolierte Bestockungen, die Wald
sind, wenn sie für sich die erforderlichen Waldmerkmale erfüllen.

    c) Nach den Bündner "Richtlinien für die Waldfeststellung im Kanton
Graubünden" vom Herbst 1981 muss eine Bestockung eine Mindestfläche von
250 m2 (Ziff. 2.1) und eine Mindestbreite von 12 m (Ziff. 2.2) aufweisen.
Diese Richtlinien stellen zwar keine Rechtssätze dar; solange jedoch der
Kanton die zum Vollzug der eidgenössischen Waldgesetzgebung erforderlichen
Ausführungsbestimmungen noch nicht erlassen hat beziehungsweise die
hierfür in Art. 66 WaV eingeräumte Frist noch nicht abgelaufen ist, können
bestehende Richtlinien, soweit sie sich an die Vorgaben von Art. 1 WaV
und Art. 2 WaG halten, für die Bestimmung der massgeblichen quantitativen
Hilfskriterien herangezogen werden (nicht veröffentlichte Urteile in Sachen
R. vom 30. Juni 1994, E. 4c und in Sachen Z. vom 13. Juni 1994, E. 3d). Da
die in Frage kommenden Bestockungen die Mindestfläche von 250 m2 nicht
erreichen und sogar das in Art. 1 Abs. 1 lit. a WaV bestimmte Minimum von
200 m2 unterschreiten, kommt ihnen nur dann Waldeigenschaft zu, wenn sie in
besonderem Masse Wohlfahrts- oder Schutzfunktionen erfüllen (Art. 2 Abs. 4
WaG und Art. 1 Abs. 2 Satz 2 WaV). Angesichts dieser bundesrechtlichen
Regelung hat Ziffer 10 der Richtlinien für Waldfeststellung im Kanton
Graubünden (Bündner Richtlinien) keine selbständige Bedeutung, so dass
sich eine Erörterung erübrigt, soweit sich die Beschwerdeführer auf diese
Richtlinienbestimmung berufen.

    d) Die Beschwerdeführer heben die landschaftliche und
landschaftsökologische Bedeutung der in Frage stehenden Baumgruppen
hervor. Das Gebiet "L." stelle im Gesamtgefüge der Oberengadiner
Seenlandschaft eine Natur- und Kulturlandschaft von nationaler Bedeutung
dar. Die Oberengadiner Seenlandschaft sei im Bundesinventar der
Landschaften und Naturdenkmäler als Objekt Nr. 19 08 aufgenommen (VBLN;
SR 451.11).

    aa) Das Gebiet "L." liegt nicht innerhalb des BLN-Schutzobjektes
Nr. 19 08. Durch den angefochtenen Entscheid wird das Schutzobjekt
nicht beeinträchtigt. Es braucht daher - entgegen der Auffassung
der Beschwerdeführer - kein Gutachten der Eidgenössischen Natur- und
Heimatschutzkommission eingeholt zu werden (s. Art. 7 des Bundesgesetzes
vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz [NHG; SR 451]). Zu den
Wohlfahrtsfunktionen des Waldes gehört auch der Landschaftsschutz (vgl. BGE
114 224 E. 9a/ac S. 232 und E. 10cb S. 233 mit Hinweisen). Es ist den
Beschwerdeführern beizupflichten, dass Klein- und Kleinstbestockungen im
Wechselspiel mit Einzelbäumen, geschlossenem Wald und offenem Gelände eine
landschaftliche Gliederungsfunktion erfüllen und den Reiz einer Landschaft
ausmachen können. Das ist auch in der Oberengadiner Seenlandschaft der
Fall. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass die konkret in Frage stehenden
Baumgruppen in besonderem Masse eine solche Landschaftsgliederungsfunktion
und entsprechende Wohlfahrtsfunktion erfüllen und deshalb als Wald zu
gelten hätten. Das Gebiet "L." ist teilweise mit Villen überbaut. Am
Fuss des Hanges liegt die alte Landstrasse, die Champfèr mit St. Moritz
Dorf verbindet und an welcher - auch im Bereich des "L."-Hanges - zum
Teil wuchtige Gebäudekomplexe stehen. Das umstrittene Gebiet erscheint -
auch von der gegenüberliegenden Talseite aus betrachtet - als Teil des
Siedlungsgebiets von Champfèr. Die drei Baumgruppen tragen zur Auflockerung
und Gliederung der Villenzone bei; es lässt sich jedoch nicht sagen,
dass sie aufgrund ihrer konkreten Lage im Rahmen der Gesamtlandschaft in
besonderem Masse eine Landschaftsgliederungsfunktion erfüllen. Zwar mag
eine Einschränkung der baulichen Nutzung des als Villenzone ausgeschiedenen
Gebietes aus Sicht des Landschaftsschutzes erwünscht erscheinen; dies
allein ist jedoch kein hinreichender Grund, den fraglichen Baumgruppen
Waldqualität beizumessen. Persönliche Interessen der beschwerdeführenden
Grundeigentümer, auf deren Parzellen bereits Villen stehen, kommt kein
entscheidendes Gewicht zu.

    bb) Desgleichen ist aus landschaftsökologischer Sicht den fraglichen
Baumgruppen kein erhöhter Stellenwert zuzumessen. Nichts weist darauf hin,
dass der in ihrem Bereich vorhandene biologische Reichtum (Flora und
Fauna) sich wesentlich von demjenigen an zahlreichen anderen Orten in
der näheren und weiteren Umgebung unterscheiden würde, wo Einzelbäume,
Kleinstbestockungen, geschlossener Wald und offene Flächen ineinander
verzahnt sind. Der von den Beschwerdeführern geltend gemachte und durch
die am 8. September 1994 eingereichte vegetationskundliche Untersuchung
bestätigte botanische Artenreichtum des Gebietes betrifft darüber hinaus
im wesentlichen die Magerwiese und nicht die hier in Frage stehenden
bestockten Flächen. Es kann daher nicht gesagt werden, die fraglichen
Baumgruppen würden im Rahmen einer gesamtheitlichen Betrachtung eine
besondere Naturschutzaufgabe erfüllen.

    e) Nach Ansicht der Beschwerdeführer sollen die fraglichen Baumgruppen
- insbesondere die Gruppe Nr. 1 und 2 - eine besondere Schutzfunktion
erfüllen: Sie würden dafür sorgen, dass Schneerutsche nicht schon unter
der Via F. anrissen und grosse Schneemassen auf die Via S. verfrachteten.

    Der Experte äusserte sich zu diesem Problem am Augenschein. Nach
seinen Ausführungen wirke sich grundsätzlich jeder Baum günstig gegen
das Schneegleiten aus. Von einer Wald-Schutzfunktion könne jedoch erst
gesprochen werden, wenn eine Gefährdung bestehe und die Bäume diese
beeinflussen könnten. Vorliegend könne die Via S. als gefährdetes Objekt
betrachtet werden. Zur wissenschaftlichen Beurteilung der Schneegleit- und
Schneerutschgefahr bedürfe es regelmässiger, über Jahre hinweg geführter
Schneemessungen, die für das Gebiet "L." nicht vorlägen. Allerdings sei
davon auszugehen, dass die bestehenden Baumgruppen keinen besonderen
Schutz böten, da es sonst in den offenen Couloirs zu Schneeabgängen
gekommen sein müsste. Davon sei ihm nichts bekannt. Der Bestockungsgrad
der Flächen müsse viel höher sein, damit eine relevante Wirkung erzeugt
werden könnte. G. wies am Augenschein darauf hin, dass seit 1962 zweimal
Schnee auf die Strasse gerutscht sei. Die Schneedecke sei jedoch jeweils
unterhalb der Bäume angerissen; es sei also auch in den unbestockten
Hangteilen nie zu Schneeabgängen ab der Via F. gekommen. Schliesslich wies
der Anwalt von B. auf den Plan des Eidgenössischen Instituts für Schnee-
und Lawinenforschung, wonach die Zone hoher Lawinengefahr sowie die
Zone geringer Lawinengefahr oberhalb des streitigen Gebietes lägen. Der
Vertreter des kantonalen Forstamtes ergänzte, das Gebiet "L." sei auch
nicht im Gefahrenverzeichnis der Gemeinde aufgeführt.

    Nach dem Gesagten erscheint der rechtserhebliche Sachverhalt
genügend abgeklärt und es besteht kein Anlass, das beantragte Gutachten
des Eidgenössischen Instituts für Schnee- und Lawinenforschung auf
Weissfluhjoch-Davos einzuholen. Eine spezielle Gefahrensituation besteht
nicht. Abgesehen davon, vermöchten die in Frage stehenden Baumgruppen
gegen Schneeabgänge keinen besonderen Schutz bieten. Die entsprechenden
Fachausführungen des Experten sind überzeugend. Es kann bei dieser
Sachlage nicht gesagt werden, dass die Baumgruppen in besonderem Masse
eine Schutzfunktion gegen Schneerutsch erfüllen. Dem stehen auch die
Angaben von G. nicht entgegen.

    f) Dasselbe trifft auch hinsichtlich der Streitfrage zu, ob die
Baumgruppen einer allgemeinen Rutschgefahr entgegenwirken können oder
nicht. Nach Ansicht des Experten weist der mit einer dünnen Humusschicht
überdeckte kristalline Untergrund mit grosser Wahrscheinlichkeit keine
tiefen Rutschhorizonte auf, welche bei extremer Wasserzufuhr ein Abgleiten
von Erd- und Steinmassen bewirken könnten. Der Experte hat sich zur
Rutschgefahr nicht abschliessend äussern können. Entscheidend ist indessen,
dass gemäss seinen überzeugenden Ausführungen die vorhandenen Einzelbäume
und Baumgruppen ohnehin nur eine unbedeutende Wirkung gegen Rutschgefahr
hätten. Die Schutzfunktion des Waldes beruhe vor allem auf der sogenannten
Evaporotranspiration, d.h. der Aufnahme und Verarbeitung von Wasser
und dadurch bedingt einer Verringerung der in den Boden eindringenden
Wassermenge. Einzelne Bäume beziehungsweise Baumgruppen hätten jedoch
keinen spürbaren Einfluss auf die Regulierung des Wasserregimes.

    Schliesslich verneinte der Experte auch eine besondere Schutzfunktion
gegen die Erosion der Humusschichten. Ein grosser Teil der streitigen
Fläche, insbesondere die steilen Partien, sind unbestockt. Der Experte hat
in diesen Partien anlässlich der Feldaufnahmen nirgends Erosionsspuren
oder Anzeichen von Oberflächenrutschungen feststellen können und daraus
geschlossen, dass die Sicherungsfunktion der Bäume auch von einer
geschlossenen Grasnarbe übernommen werden könne, die Bewurzelung durch
Bäume also keinen zusätzlichen Schutz bewirke. Diese Überlegungen sind
schlüssig.

    Die in Frage stehenden Baumgruppen erfüllen auch unter diesem Aspekt
nicht in besonderem Masse eine Schutzfunktion.

    g) Insgesamt ergibt sich, dass das Departement weder Art. 2 Abs. 4
Satz 2 WaG noch Art. 1 Abs. 2 WaV verletzte, wenn es ausschloss,
dass die einzelnen Baumgruppen im besonderen Masse Wohlfahrts- und
Schutzfunktionen ausübten, und die fraglichen Baumgruppen daher nicht
als Wald feststellte. Auch in diesem Punkt erweisen sich die Beschwerden
als unbegründet.