Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IB 257



120 Ib 257

37. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30.
September 1994 i.S. B. gegen Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG und Art. 8 Ziff. 1 EMRK; Zulässigkeit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verweigerung der Zustimmung zu
einer Aufenthaltsbewilligung an einen Ausländer.

    Halbgeschwister können sich im Hinblick auf einen Familiennachzug in
die Schweiz unter Umständen auf Art. 8 EMRK berufen. Namentlich kann dies
zutreffen, wenn ein Erwachsener mit Anwesenheitsrecht in der Schweiz die
Betreuung eines von ihm abhängigen Geschwisterteils übernimmt (E. 1c-d).

    Kriterien für die Bemessung der Abhängigkeit eines Jugendlichen von
seiner Halbschwester; Festlegung des massgeblichen Zeitpunkts (E. 1e-f).

    Anwendung dieser Kriterien auf den zu beurteilenden Fall (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Die 1959 geborene, ursprünglich philippinische Staatsangehörige
L. erwarb durch Heirat mit einem Schweizer Bürger die schweizerische
Staatsangehörigkeit. Sie lebt sei 1981 in der Schweiz. 1987 hat sie
sich von ihrem Ehemann getrennt. Im Dezember 1991 brachte sie einen Sohn
schweizerischer Nationalität zur Welt, welchen sie allein betreut.

    Am 2. September 1991 stellte L. ein Gesuch um Niederlassungsbewilligung
für ihren 1975 geborenen Halbbruder philippinischer Staatsangehörigkeit,
B. Sie machte geltend, ihre gemeinsame Mutter, bei welcher B. auf den
Philippinen gelebt habe, sei am 17. März 1990 gestorben. Seither sei
er auf sich allein gestellt gewesen, bis er am 21. Juli 1991 mit einem
Besuchervisum zu ihr in die Schweiz gekommen sei. Ausser ihr habe er keine
weiteren Verwandten, welche für seine Erziehung und Ausbildung sorgen
könnten. Sie selbst sei dazu bereit. Das Gesuch wurde am 6. November 1991
von der Fremdenpolizei des Kantons Bern und auf Beschwerde hin am 13. Mai
1992 von der Polizeidirektion des Kantons Bern abgewiesen.

    Mit Urteil vom 21. Dezember 1992 hiess das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern eine dagegen gerichtete Beschwerde gestützt auf Art. 8 der
Europäischen Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte
und Grundfreiheiten (EMRK; SR 0.101) gut und wies die Fremdenpolizei
an, B. eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Gleichzeitig wies es
das Bundesamt für Ausländerfragen an, der Bewilligung in Anwendung von
Art. 18 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und
Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) zuzustimmen.

    Mit Verfügung vom 25. Februar 1993 verweigerte das Bundesamt seine
Zustimmung zur Aufenthaltsbewilligung und setzte B. eine Frist zum
Verlassen der Schweiz. Eine Beschwerde an das Eidgenössische Justiz-
und Polizeidepartement blieb erfolglos.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 7. September 1993 an das
Bundesgericht stellt B. folgende Anträge:

    "1. Der angefochtene Entscheid sei aufzuheben.

    2. Die Zustimmung zu der dem Beschwerdeführer vom

    Kanton Bern erteilten Aufenthaltsbewilligung sei zu erteilen.

    eventualiter:

    Das Bundesamt für Ausländerfragen sei anzuweisen, die Zustimmung zu
   der vom Kanton Bern erteilten Aufenthaltsbewilligung zu erteilen."

    In seiner Vernehmlassung vom 22. September 1993 schliesst das
Departement auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.

    Mit Verfügung vom 4. Oktober 1993 gestattete der Präsident der II.
öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts B. die Anwesenheit in
der Schweiz für die Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Gemäss Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG ist auf dem Gebiete der
Fremdenpolizei die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig gegen die
Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht
keinen Anspruch einräumt. Die zuständigen Behörden entscheiden über die
Bewilligung des Aufenthalts im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und
der Verträge mit dem Ausland nach freiem Ermessen (Art. 4 ANAG). Damit
steht dem Ausländer grundsätzlich kein Anspruch auf die Erteilung der
Aufenthaltsbewilligung zu; die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist darum
ausgeschlossen, soweit der Ausländer sich nicht auf eine Sondernorm
des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags berufen kann, die ihm einen
Anspruch auf eine solche Bewilligung einräumt (BGE 119 Ib 81 E. 1a,
93 E. 1a; 118 Ib 145 E. 1a, 153 E. 1a; 116 Ib 353 E. 1a).

    b) Der Beschwerdeführer macht zu Recht nicht geltend, ein solcher
Anspruch ergebe sich aus dem Landesrecht. Insbesondere sieht weder
Art. 7 noch Art. 17 Abs. 2 ANAG ein Nachzugsrecht von Schweizern
oder allenfalls von niedergelassenen Ausländern für ihre ausländischen
Geschwister oder Halbgeschwister vor. Liess sich aus Art. 17 Abs. 2 ANAG
aus Rechtsgleichheitsgründen ableiten, dass Schweizern gleichermassen
wie niedergelassenen Ausländern erlaubt sein muss, ihre Kinder in die
Schweiz nachzuziehen (BGE 118 Ib 153 E. 1b), so findet sich im Gesetz kein
Tatbestand, der mit der Sachlage im vorliegenden Fall in rechtsgenüglicher
Weise vergleichbar wäre.

    c) Hingegen leitet der Beschwerdeführer ein Anwesenheitsrecht
aus Art. 8 Ziff. 1 EMRK her. Diese Bestimmung garantiert den Schutz
des Familienlebens. Darauf kann sich der Ausländer berufen, der
nahe Verwandte mit einem gefestigten Anwesenheitsrecht (Schweizer
Bürgerrecht oder Niederlassungsbewilligung) in der Schweiz hat;
wird ihm selber die Anwesenheit in der Schweiz untersagt, kann dies
Art. 8 EMRK verletzen. Soweit deshalb eine familiäre Beziehung im
beschriebenen Sinn tatsächlich gelebt wird und intakt ist, wird das
der zuständigen Behörde durch Art. 4 ANAG grundsätzlich eingeräumte
freie Ermessen eingeschränkt. In solchen Fällen ist daher die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde des um die fremdenpolizeiliche Bewilligung
ersuchenden Ausländers zulässig. Nicht wesentlich ist, ob eine Erneuerung
oder die erstmalige Erteilung der Anwesenheitsbewilligung in Frage steht
(BGE 119 Ib 81 E. 1c, 91 E. 1c; 118 Ib 153 E. 1c; 116 Ib 353 E. 1b;
109 Ib 183).

    Ein möglicher Gesichtspunkt für die Unversehrtheit einer Beziehung
ist, ob die nahen Familienangehörigen vor der Einreise in die Schweiz
in Hausgemeinschaft gelebt haben. Ein zwingendes Erfordernis kann dies
allerdings nicht sein, wäre doch sonst der Nachzug eines im Ausland
verbliebenen Angehörigen von vornherein ausgeschlossen. Entscheidend
sind somit nicht nur die früheren familiären Verhältnisse, sondern
auch die durch neue Umstände bedingten und sich künftig abzeichnenden
Beziehungen. Dies ist - nicht anders als bei der Anwendung von Art. 17
Abs. 2 ANAG (vgl. dazu BGE 118 Ib 153 E. 2b) - insbesondere der Fall, wenn
sich, zum Beispiel wegen des Todes der Eltern oder bei neu aufgekommenen
Pflegebedürfnissen, die familiären Abhängigkeiten ändern.

    d) Grundsätzlich ist der Schutzbereich von Art. 8 EMRK nicht
auf die Kernfamilie beschränkt. Er erfasst vielmehr die Beziehung
zwischen allen nahen Verwandten, die in der Familie eine wesentliche
Rolle spielen können. Als solchermassen erweitertes Familienleben haben
die Organe der Europäischen Menschenrechtskonvention das Verhältnis von
Grosseltern sowie Enkeln und Enkelinnen, zwischen Onkeln und Tanten sowie
Nichten und Neffen und insbesondere auch zwischen Geschwistern anerkannt
(STEPHAN BREITENMOSER, Der Schutz der Privatsphäre gemäss Art. 8 EMRK,
Basel/Frankfurt a.M. 1986, S. 109 f.; ACHIM BRÖTEL, Der Anspruch auf
Achtung des Familienlebens, Baden-Baden 1991, S. 51; PETER MOCK, Mesures
de police des étrangers et respect de la vie privée et familiale, in: ZSR
112 I/1993, S. 100; MARTINA PALM-RISSE, Der völkerrechtliche Schutz von
Ehe und Familie, Berlin 1990, S. 209 f.; KASPAR TRAUB, Familiennachzug
im Ausländerrecht, Diss. Basel 1992, S. 32; LUZIUS WILDHABER,
Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention,
Art. 8, Köln/Berlin/Bonn/München 1992, Rz. 388 ff.).

    Das heisst nun aber nicht, dass in diesen Fällen immer ein Anspruch
auf fremdenpolizeiliche Bewilligungen für die jeweiligen Angehörigen
besteht. Das Bundesgericht hat als familiäre Beziehung, welche gestützt
auf Art. 8 EMRK einen solchen Anspruch verschaffen könnte, vor allem die
Beziehung zwischen Ehegatten sowie zwischen Eltern und minderjährigen
Kindern anerkannt, welche im gemeinsamen Haushalt leben. Geht es um
Personen, die nicht der eigentlichen Kernfamilie zuzurechnen sind,
setzt eine schützenswerte familiäre Beziehung - in Übereinstimmung
mit der Rechtsprechung der Strassburger Organe (BREITENMOSER, S. 110;
BRÖTEL, S. 51; MOCK, S. 100; PALM-RISSE, S. 209 f.; WILDHABER, Rz. 389)
- voraus, dass der um die fremdenpolizeiliche Bewilligung ersuchende
Ausländer vom hier Anwesenheitsberechtigten abhängig ist (BGE 115 Ib 1
E. 2). Unter dieser Voraussetzung muss gegebenenfalls auch die Beziehung
zwischen Halbgeschwistern als von Art. 8 EMRK geschützt gelten. Dies kann
namentlich zutreffen, wenn ein Erwachsener anstelle der Eltern für einen
unselbständigen Geschwisterteil die Betreuung und Fürsorge und damit
eigentlich die Elternrolle übernimmt.

    e) Die Abhängigkeit eines Menschen von einem andern steht im
Gegensatz zu seiner erlangten Selbständigkeit. Sie kann sich unabhängig
vom Alter namentlich aus besonderen Betreuungs- oder Pflegebedürfnissen
wie bei körperlichen oder geistigen Behinderungen und schwerwiegenden
Krankheiten ergeben (vgl. BGE 115 Ib 1). Liegen keine solchen Umstände
vor, hängt sie regelmässig vom Alter beziehungsweise Entwicklungsstand
der betreffenden Person ab. Je kleiner ein Kind ist, desto mehr bedarf es
der Fürsorge einer erwachsenen Person. Bei Jugendlichen kommt es dagegen
wesentlich auf ihre Reife an. Mit zunehmendem Alter und wachsender
Persönlichkeitsentwicklung verringert sich die Abhängigkeit von den sie
betreuenden Familienangehörigen. Die massgebliche Grenze ist von Fall
zu Fall zu bestimmen. Bei Erreichen eines gewissen Alters kann jedoch
gemeinhin von einer genügenden Selbständigkeit ausgegangen werden, sodass
es sich bei Überschreiten dieser Limite rechtfertigt, nur unter besonderen
Umständen eine massgebliche Abhängigkeit anzunehmen.

    Das Bundesgericht hatte bereits einmal über die Abhängigkeit einer Frau
von ihren Eltern zu entscheiden, welche das 18. Lebensjahr überschritten
hatte und sich daher für die Nachreise zu ihren Eltern nicht mehr auf
Art. 17 Abs. 2 ANAG stützen konnte. Das Bundesgericht hielt fest, sie
sei in genügendem Masse selbständig und nicht mehr von ihren Eltern
abhängig, weshalb sie sich auch nicht auf Art. 8 EMRK berufen könne
(unveröffentlichtes Urteil vom 31. Mai 1991 in Sachen O.). Zwar war
die Ausländerin in jenem Fall nach dem Recht ihres Heimatlandes bereits
volljährig geworden. Unabhängig davon ging das Bundesgericht aber davon
aus, der Gesetzgeber habe mit der Festlegung der Altersgrenze auf 18
Jahre in Art. 17 Abs. 2 ANAG diese Limite im allgemeinen als Übergang
zur Unabhängigkeit angesehen. Im fremdenpolizeilichen Zusammenhang bilde
somit nicht das gesetzliche Mündigkeitsalter, sondern grundsätzlich
die Altersgrenze von 18 Jahren eine Richtschnur für die Selbständigkeit
eines Jugendlichen mit Ausnahme der Fälle, in denen auch noch in diesem
fortgeschrittenen Alter ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis vorliege,
der Jugendliche also in einem über das Übliche hinausgehenden Mass von
seinen hier anwesenden Angehörigen abhängig sei. In die gleiche Richtung
weist im übrigen die gesetzgeberische Tendenz, das Mündigkeitsalter
in der Schweiz - dem weitgehenden europäischen Standard entsprechend -
auf 18 Jahre zu senken (vgl. BBl 1994 III 1844 und 1993 I 1169).

    f) Fraglich ist, welcher Zeitpunkt bei der Prüfung eines
Abhängigkeitsverhältnisses massgeblich ist. Grundsätzlich muss eine
Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Zeitpunkt ihrer Einreichung zulässig sein;
nicht ausgeschlossen ist unter Umständen eine allfällige nachträgliche
Heilung (BGE 118 Ib 145 E. 2b). Hingegen vermag die frühere, aber vor
Beschwerdeeinreichung weggefallene Beschwerdemöglichkeit nicht eine
spätere Zulässigkeit zu begründen. Die Zulässigkeit einer Beschwerde kann
sich im Verlauf der Zeit auch ändern und damit davon abhängen, wann der
Fall vor Bundesgericht getragen beziehungsweise allenfalls wann er vom
Bundesgericht behandelt wird (BGE 118 Ib 145 E. 5 S. 152 f.). In Anwendung
dieser Grundsätze stellt das Bundesgericht bei der Zulässigkeitsprüfung
im Fremdenpolizeirecht regelmässig auf die aktuellen tatsächlichen und
rechtlichen Umstände ab (BGE 118 Ib 145 E. 2).

    Die Rechtsprechung macht jedoch eine Ausnahme für die Altersfrage
beim Nachzug von Kindern in Anwendung von Art. 17 Abs. 2 ANAG, wo
es auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung ankommt (BGE 118 Ib 153
E. 1b). Diese Ausnahme rechtfertigt sich, weil diesfalls die Erteilung
einer Niederlassungsbewilligung in Frage steht, das heisst die Anwesenheit
wird unbefristet bewilligt, wenn im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung
die Voraussetzungen erfüllt sind. Bei einer auf Art. 8 EMRK gestützten
Bewilligung verhält es sich hingegen anders. Im Vordergrund steht
die befristete Aufenthaltsbewilligung. Die Anwesenheit wird somit nur
vorübergehend erlaubt; soll sie länger dauern, muss die Bewilligung
verlängert beziehungsweise erneuert werden. Der Entscheid über das
Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses wirkt daher nicht über die
gerade massgebliche, in der Regel einjährige Zeitperiode hinaus. Eine
Abhängigkeit kann sodann nachträglich nicht nur wegfallen, sondern je
nach Sachlage auch erst eintreten. Es rechtfertigt sich daher, im hier
zu beurteilenden Zusammenhang wie im Regelfall auf den gegenwärtigen
Zeitpunkt abzustellen, wobei im vorliegenden Fall offenbleiben kann,
ob allenfalls noch zwischen dem Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung und
demjenigen der Urteilsfällung durch das Bundesgericht zu unterscheiden ist.

Erwägung 2

    2.- a) Die Halbschwester des Beschwerdeführers hat vor Jahren die
häusliche Gemeinschaft mit Mutter und Halbbruder aus eigenem Willen
verlassen, um mit ihrem Ehemann in der Schweiz zu leben. Mit ihren
Angehörigen auf den Philippinen hat sie den Kontakt bewahrt und sie
auch regelmässig besucht. Die Beziehung zwischen den Halbgeschwistern
blieb somit intakt und wurde im Rahmen des Üblichen gepflegt. Dass die
beiden Halbgeschwister vor der Einreise des Beschwerdeführers nicht in
Hausgemeinschaft lebten, schliesst eine Berufung auf Art. 8 EMRK nicht
aus. Entscheidend ist hingegen, ob der Beschwerdeführer heute selbständig
genug ist, um allein beziehungsweise getrennt von seiner Halbschwester
leben zu können.

    b) Der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt des Todes seiner Mutter 15
und bei Gesuchseinreichung auch erst rund 16 Jahre alt. Wie sowohl das
Verwaltungsgericht des Kantons Bern als auch die Vorinstanz übereinstimmend
feststellten, konnte der Beschwerdeführer noch nicht für sich allein
sorgen. Die Halbschwester ist unmittelbar nach dem Tod der Mutter
auf die Philippinen gereist, um sich persönlich um ihren Halbbruder zu
kümmern. Andere Angehörige standen dafür nicht zur Verfügung. Von einem
sofortigen Nachzug in die Schweiz wurde damals abgesehen, weil die
Halbschwester hier selber von öffentlichen Unterstützungsleistungen
abhängig war. Hingegen organisierte sie für den Halbbruder eine
minimale Grundbetreuung durch eine lokale Familie. Nachdem diese aber im
Dezember 1990 aus dem gemeinsamen Wohnort wieder abgereist war und den
Beschwerdeführer allein zurückgelassen hatte, geriet dieser - angesichts
seines damaligen Alters wenig überraschend - in Schwierigkeiten. Bei
Gesuchseinreichung war er somit auf eine gewisse persönliche Betreuung
durch seine Halbschwester angewiesen. Diese konnte im übrigen bisher
auch ausgeübt werden, da dem Beschwerdeführer bis anhin der Aufenthalt
immer wieder provisorisch bis zur Beendigung des vorliegenden Verfahrens
bewilligt worden war.

    Im Dezember 1992, als der Beschwerdeführer bereits mehr als 17 Jahre
alt war, hat das Verwaltungsgericht des Kantons Bern noch festgehalten,
dieser mache gemessen an seinem Alter einen recht kindlichen Eindruck
und brauche den Rückhalt bei einem vertrauten Menschen. Bei Einreichung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht war der
Beschwerdeführer aber bereits 18jährig; inzwischen hat er gar das
19. Lebensjahr überschritten. Auch wenn das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern dem Beschwerdeführer eine Anwesenheitsbewilligung nur für
die Dauer der Minderjährigkeit erteilen zu wollen scheint und dieser
sowohl nach schweizerischem wie auch nach philippinischem Recht, nach
welchem die Volljährigkeit mit vollendetem 21. Lebensjahr eintritt
(vgl. ALEXANDER BERGMANN/MURAD FERID, Internationales Ehe- und
Kindschaftsrecht, Philippinen, 114. Lieferung, Frankfurt 1993, S. 21
und 43), noch nicht mündig ist, hat er doch bereits vor Einreichung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht die Grenze von 18
Jahren überschritten. Er befindet sich somit in einem Alter, in welchem
gemeinhin eine weitgehende Selbständigkeit erreicht wird.

    Wohl mag der Beschwerdeführer noch auf eine gewisse Unterstützung durch
seine Halbschwester angewiesen sein. In seinem Alter sind Jugendliche in
der Regel jedoch in persönlicher Hinsicht genügend gereift, um selbständig
leben zu können. Häufig wohnen sie denn auch getrennt von ihrer Familie und
üben die persönlichen Kontakte auf Distanz oder durch gegenseitige Besuche
aus. Es ist nicht ersichtlich, weshalb nicht auch der Beschwerdeführer, der
sich nunmehr im entsprechenden Alter befindet, sich sollte verselbständigen
können. Allfällige finanzielle Unterstützung kann die Halbschwester von
der Schweiz aus gewähren. Die üblichen persönlichen Beziehungen zwischen
Geschwistern lassen sich durch briefliche und telefonische Kontakte
sowie durch gelegentliche gegenseitige Besuche aufrechterhalten. Es
ist auch nicht zu erwarten, dass die Behörden solche Kontakte durch
fremdenpolizeiliche Massnahmen behindern werden. Hinweise für eine über
das Übliche hinausgehende Abhängigkeit des Beschwerdeführers von seiner
Halbschwester liegen nicht vor, selbst wenn das Verhältnis aufgrund der
besonderen Ausgangslage enger als üblich sein sollte.

    c) Daraus ergibt sich, dass die Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer
und seiner Halbschwester unabhängig davon, ob es auf den Zeitpunkt der
Einreichung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde oder der Urteilsfällung
durch das Bundesgericht ankommt, nicht mehr unter dem Schutz von Art. 8
EMRK steht.

    Kann sich der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren somit nicht
auf Art. 8 EMRK berufen, ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht
einzutreten, soweit mit dem angefochtenen Entscheid die Zustimmung zur
Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verweigert wurde.