Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IB 142



120 Ib 142

21. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11.
März 1994 i.S. Obersee Nachrichten AG gegen Schweizerische PTT-Betriebe
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 55 und Art. 31 BV, Art. 14 in Verbindung mit Art. 10 EMRK,
Art. 39 Abs. 2 lit. a PVV; Anwendbarkeit der Zeitungstaxe auf eine
Gratispublikation (Obersee Nachrichten).

    Profitiert eine Gratispublikation nicht von der indirekten
Presseförderung über vergünstigte PTT-Taxen, weil sie dem Empfänger nicht
"aufgrund eines entgeltlichen Abonnementsvertrages" laufend mit der Post
zugestellt wird (Art. 39 Abs. 2 lit. a PVV), verletzt dies weder Art. 55
beziehungsweise Art. 31 BV (E. 3) noch Art. 14 in Verbindung mit Art. 10
EMRK (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Die "Obersee Nachrichten" sind eine wöchentlich erscheinende
"Gratiszeitung" mit einer Auflage von rund 41'000 Exemplaren, die zu
etwa 75 Prozent privat und zu 25 Prozent auf dem Postweg verteilt werden,
wobei die Schweizerischen PTT-Betriebe für die 800 abonnierten Exemplare
die Zeitungstaxe, für die restliche Auflage den weniger günstigen Tarif
für "Sendungen ohne Adresse" anwenden.

    Am 16. Juli 1991 beantragte die Obersee Nachrichten AG, auf
allen durch die PTT-Betriebe transportierten Exemplaren nur mehr die
Zeitungstaxe zu erheben, was die Kreispostdirektion Zürich mit Schreiben
vom 23. Juli 1991 gestützt auf Art. 39 Abs. 2 lit. a der Verordnung
(1) zum Postverkehrsgesetz vom 1. September 1967 (PVV, SR 783.01)
ablehnte. Die Sektion Tarifwesen Inland und Kundendienst bestätigte
diesen Entscheid am 10. Dezember 1991; am 22. April 1992 wies die
Generaldirektion der Schweizerischen PTT-Betriebe eine hiergegen gerichtete
Beschwerde ab. Sie ging davon aus, dass nur solche Publikationen in den
Genuss der Zeitungstaxe kämen, deren Empfang der Bezüger wünsche. Den
entsprechenden Willen bekunde er durch den Abschluss eines entgeltlichen
Abonnementsvertrags, woran es bei einer Gratispublikation definitionsgemäss
fehle.

    Die Obersee Nachrichten AG hat am 25. Mai 1992 beim Bundesgericht
hiergegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Sie macht geltend, es
sei verfassungs- (Art. 31 und Art. 55 BV) und konventionswidrig (Art. 10 in
Verbindung mit Art. 14 EMRK), wenn nur "abonnierte" Publikationen von der
Zeitungstaxe profitierten. Die Handels- und Gewerbefreiheit verpflichte den
Staat zu wettbewerbsneutralem Verhalten; es verstosse gegen dieses Gebot,
wenn die Dienstleistungen der PTT-Betriebe und die Höhe des Entgelts
an sachlich unhaltbare Unterscheidungen geknüpft würden, wie dies beim
Zeitungstransport mit dem Erfordernis des Abonnementsvertrags der Fall
sei. Ähnliches gelte für Art. 55 BV: Zwar verbiete die Pressefreiheit
in erster Linie jegliche staatliche Zensur, doch habe sich der Staat
nach dieser Bestimmung auch ganz allgemein nicht in die Verhältnisse der
Presse einzumischen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab

Auszug aus den Erwägungen:

                   aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Art. 55 BV garantiert die Pressefreiheit und gewährt dem
Bürger das Recht, seine Meinung mit den Mitteln der Druckerpresse
in der Öffentlichkeit zu verbreiten (BGE 113 Ia 309 E. 4b S. 316 mit
Hinweisen). Als Presseerzeugnisse, die in den Anwendungsbereich von Art. 55
BV fallen, gelten Publikationen - auch Lithographien, Photographien,
Heliographien oder Vervielfältigungen -, die zur Veröffentlichung bestimmt
sind und mit denen ideelle Zwecke verfolgt werden (BGE 108 Ib 142 E. 2e
S. 146; JÖRG PAUL MÜLLER in Kommentar BV, Art. 55, Rz. 15). Durch
die staatspolitisch motivierte indirekte Presseförderung über nicht
kostendeckende PTT-Taxen wird in dieses Recht - soweit die Publikation
der Beschwerdeführerin ideellen Gehalt aufweist - nicht eingegriffen. Die
beanstandete Regelung hindert die Beschwerdeführerin nicht, ihre Meinung
mit den Mitteln der Druckerpresse zu verbreiten, denn sie beschlägt nicht
den Inhalt ihres Produkts, sondern lediglich und in untergeordnetem Masse
dessen kommerziellen Vertrieb; die aufgeworfene Frage ist demnach in erster
Linie unter dem Gesichtswinkel der Handels- und Gewerbefreiheit zu prüfen.

    b) Nach Art. 31 BV hat sich der Staat grundsätzlich wettbewerbsneutral
zu verhalten; Massnahmen der Wirtschaftsförderung dürfen in der Regel
die Handels- und Gewerbefreiheit nicht verletzen. Die Bundesverfassung
schliesst aber nicht schlechterdings jede wirtschaftsbezogene staatliche
Regelung aus (vgl. Art. 31bis Abs. 2 BV). Staatliche Förderungsmassnahmen,
die der Wahrung oder Wiederherstellung des Wettbewerbs im Interesse der
Information und pluralistischen Meinungsbildung dienen, sind unabhängig
davon, ob Art. 31 oder 55 BV auch ein entsprechendes Handlungsgebot
enthält, nicht als solche bereits systemwidrig (vgl. RENÉ A. RHINOW in
Kommentar BV, Art. 31, Rz. 186 ff.). Sie verstossen jedoch gegen die
Handels- und Gewerbefreiheit, wenn sie den Wettbewerb unter direkten
Konkurrenten verzerren. Bei der staatlichen Förderung der abonnierten
Presse gegenüber Gratispublikationen ist dies nicht der Fall, selbst
wenn sich aus Art. 31 BV ein weitergehender Schutz ergeben sollte als
aus Art. 4 BV (vgl. BGE 112 Ia 30 E. 3a S. 34): Gratiszeitungen und
-anzeiger wenden sich grundsätzlich nicht mit dem gleichen Produkt an
das gleiche Zielpublikum wie die abonnierte Presse. Sie sind in erster
Linie auf die Bedürfnisse und Interessen der Inserenten ausgerichtet;
ihre redaktionellen Anreicherungen dienen vorab dazu, im Interesse der
Werbung die Leserbeachtung zu steigern; ihr Inhalt lässt staatspolitische
und ideelle Anliegen nur selten in einem Mass erkennen, das den Leser zum
Abschluss eines Abonnements veranlassen würde. Besteht ein entgeltlicher
Abonnementsvertrag, profitieren sie ebenfalls von der Zeitungstaxe,
wie die 800 abonnierten Exemplare der "Obersee Nachrichten" belegen.

    c) aa) Staatliche Förderung lässt sich nicht ohne Rücksicht auf
ein entsprechendes Bedürfnis postulieren und rechtfertigen; sie setzt
regelmässig einen Dienst an der Allgemeinheit oder die Wahrnehmung
einer wichtigen Funktion in der Gesellschaft und im demokratischen
Staat voraus (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 13. Juni
1985 i.S. D.C. AG c. GD PTT, E. 3b). Ein Verstoss gegen das staatliche
Neutralitätsgebot liegt nicht schon dann vor, wenn nicht unterschiedslos
sämtliche unter die Pressefreiheit fallenden Druckerzeugnisse von
Förderungsmassnahmen profitieren. Der Staat geniesst bei der Förderung
verfassungsmässiger Rechte einen weiteren Handlungsspielraum als bei deren
Beschränkung: Die Meinungsäusserungs- bzw. die Pressefreiheit verbietet
ihm, an Meinungen oder Tendenzen von Presseerzeugnissen anzuknüpfen
und sich auf diese Weise Einfluss auf den gesellschaftlichen Meinungs-
und Willensbildungsprozess zu verschaffen; es steht ihm indessen frei,
meinungsneutrale Presseförderung zu betreiben, solange die gewählten
Kriterien sachbezogen und nicht diskriminatorisch sind, was beim
Erfordernis eines "entgeltlichen Abonnementsvertrags" der Fall ist.

    bb) Abonnierte Zeitungen und Zeitschriften nehmen die spezifische
Aufgabe der Presse im pluralistischen Staat (vgl. hierzu BGE 109 II
353 E. 3 S. 358) gerade auch wegen ihres Vertriebssystems besser wahr
als Gratispublikationen. Die zahlende Leserschaft sichert der Presse
eine gewisse - heute zusehends von Inserenten bedrohte (vgl. CHRISTIAN
WYSS, Inserentendruck auf die Meinungspresse - ein Beispiel struktureller
Zensur, in: Wem dient die Medienfreiheit?, Bern 1981, S. 99 ff.; JÖRG PAUL
MÜLLER, aaO, Art. 55, Rz. 94; Erhebung der Kartellkommission über die
Anzeigensperre von Automobilimporteuren gegenüber dem "Tages-Anzeiger", in:
VKK 1/1981 S. 41 ff.) - publizistische Unabhängigkeit; der verbilligte
Zeitungstransport soll die Abonnierung und die regelmässige Lektüre von
Zeitungen und Zeitschriften und damit den Fortbestand einer vielfältigen
vom Leser gewünschten und mitgetragenen Presse erleichtern. Sinn
der gesetzlichen Ordnung ist es, der Presse die Erfüllung ihrer im
allgemeinen Interesse liegenden Aufgabe zu ermöglichen. Blätter,
die vornehmlich Propaganda für geschäftliche oder sonstige Zwecke
machen und daher gratis abgegeben werden, haben nicht als Zeitungen
oder Zeitschriften im Sinne des Gesetzes zu gelten, auch "wenn sie
äusserlich wie solche aufgemacht" sind (unveröffentlichtes Urteil des
Bundesgerichts vom 7. Oktober 1960 i.S. X. c. GD PTT, S. 8 f.; vgl. auch
unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 29. Mai 1975 i.S. Aktion
zum Schutze der Steuerzahler c. GD PTT, S. 8). Besteht kein Abonnement
und wird eine Zeitung oder Zeitschrift dank ihren Werbeeinnahmen gratis
verteilt, würde über die indirekte staatliche Förderung ausschliesslich
der unternehmerische Gewinn und die bereits bestehende, staatspolitisch
fragwürdige Inserentenabhängigkeit vergrössert. Auch wenn abonnierte
Zeitungen heute zu 60 bis 80 Prozent aus Werbeeinnahmen finanziert
werden (LEO SCHÜRMANN/PETER NOBEL, Medienrecht, Bern 1993, S. 324 N. 4;
ERNST BOLLINGER, La presse suisse, Les faits et les opinions, Lausanne
1986, S. 21 - 25), führt das entgeltliche Abonnementssystem doch zu
einer stärkeren Leserbindung und - dank einer, wenn auch relativen,
Inserentenunabhängigkeit - zu grösserer Freiheit.

    cc) Das Vorliegen eines entgeltlichen Abonnementsvetrags stellt ein
formales, durch die PTT-Betriebe einfach zu kontrollierendes Erfordernis
dar, das eine verpönte staatliche Inhaltskontrolle weitgehend erübrigt
und stattdessen an den bekundeten Willen des Abonnenten, das heisst an
dessen inhaltliche Beurteilung des Presseprodukts, anknüpft. Zwar erfüllte
auch eine einfache schriftliche Erklärung des Lesers diesen Zweck, das
Ziel der indirekten Förderungsmassnahme würde damit aber unterlaufen. Die
vergünstigten Transporttaxen sollen den Abonnements- bzw. den Verkaufspreis
senken und dem Käufer damit ermöglichen, "für die breite öffentliche
Diskussion und die Durchsetzung der 'richtigen' Auffassung (...) möglichst
viele Presseerzeugnisse" zu lesen (vgl. Amtl.Bull. S 1976 578 Votum
Dreyer zur authentischen Gesetzesauslegung). Das Bundesgericht hat für
die sogenannte Mitgliedschaftspresse zwar erklärt, es komme nicht auf
das Vorliegen einer geldwerten Gegenleistung, sondern einzig darauf an,
ob der Empfänger die Publikation regelmässig erhalten wolle (BGE 101 Ib
178). Eine jedem Haushalt gratis abgegebene Veröffentlichung kann jedoch
nicht einem Titel der Mitgliedschaftspresse gleichgestellt werden, deren
relative Unabhängigkeit sich aus der Zahl der Mitglieder beziehungsweise
ihrer indirekten Beteiligung an den Finanzen des Verlegers (vgl. etwa
Art. 71 Abs. 2 ZGB) ergibt.

    dd) Gratisanzeiger werden als eine der Ursachen für die
Pressekonzentration bezeichnet (vgl. Bericht der Expertenkommission vom
1. Mai 1975 für die Revision von Art. 55 der Bundesverfassung, S. 25;
KURT NUSPLIGER, Pressefreiheit und Pressevielfalt, Diss. BE 1980,
S. 132); neuere Publikationen verweisen zwar darauf, dass sich eine
Schädigung der Presse durch Gratisanzeiger gesamthaft nicht nachweisen
lasse, bestreiten aber nicht, dass es in einzelnen Fällen immer wieder
vorkommen wird, dass die Konkurrenz eines Gratisanzeigers tatsächlich
zur Einstellung einer Zeitung führt (Christoph Schmid, Gratisanzeiger und
Pressewettbewerb, Diss. ZH 1983, S. 50 mit Hinweisen). Gratispublikationen
lassen sich von anderen Zeitungen nur über ihr Vertriebssystem verlässlich
abgrenzen (vgl. CHRISTOPH SCHMID, aaO, S. 35), weshalb auch vor diesem
Hintergrund die Anknüpfung an einen entgeltlichen Abonnementsvertrag
verfassungsrechtlich haltbar erscheint.

    ee) Die Konstruktion der Beschwerdeführerin, wonach bei einer
Gratiszeitung der Inserent über höhere Insertionskosten ein entgeltliches
Abonnement zugunsten jedes Empfängers im Einzugsgebiet bezahle, überzeugt
nicht. Der Inserent will über den Insertionsvertrag eine Werbebotschaft
verbreiten lassen; einen allenfalls höheren Insertionspreis bezahlt
er wegen der breiteren Streuung des Werbeträgers, nicht aber um
jedem einzelnen Haushalt im Einzugsgebiet ein Forderungsrecht auf die
Gratispublikation einzuräumen. Von einem Geschenkabonnement zugunsten
eines Dritten kann nicht Rede sein. Die Beschwerdeführerin behauptet
schliesslich auch vergeblich, ihr Produkt werde grundlos schlechter
behandelt als die Amtsanzeiger; bei diesen handelt es sich mit Blick auf
ihren Mindestanteil von 15 Prozent an amtlichen Mitteilungen um Titel,
die der Mitgliedschaftspresse zugerechnet oder doch analog dieser behandelt
werden können.

Erwägung 4

    4.- a) Art. 10 EMRK sichert die Pressefreiheit auch insofern, als er
"die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen
ohne Eingriffe öffentlicher Behörden" gewährleistet; Werbebotschaften
können unter den Schutz von Art. 10 EMRK fallen (Urteil des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte vom 24. Februar 1994 i.S. Casado Coca
c. Spanien, Ziff. 35). Im Entscheid Autronic gegen die Schweiz vom
22. Mai 1990 hielt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest,
auf Art. 10 EMRK könne sich nicht nur berufen, wer ideelle, sondern
auch wer wirtschaftliche Interessen verfolge. Diese Bestimmung schütze
nicht nur den Inhalt der Information, sondern auch Übermittlungs-
und Empfangsvorrichtungen, weil deren Beschränkung das Recht berühre,
Informationen zu empfangen und zu verbreiten (Serie A, vol. 178, Ziff.
47).

    b) aa) Die im Fall Autronic vom Gerichtshof zum Satellitenfernsehen
angestellten Überlegungen können nicht unbesehen auf die vorliegende
Problematik übertragen werden. In jenem Entscheid stand ein
Empfangsverbot zur Diskussion, vorliegend geht es um eine indirekte
staatliche Förderungsmassnahme, von der die Beschwerdeführerin nur soweit
profitiert, als sie die entsprechenden Voraussetzungen nach dem nationalen
Gesetzesrecht erfüllt. Sie wird nicht behindert, ihre Informationen zu
verbreiten; die beanstandete Ungleichbehandlung stellt lediglich sicher,
dass dies auch noch andere tun können, die - auch wegen des gewählten
Vertriebssystems (Abonnement) - die besondere Funktion der Presse
in der demokratischen Gesellschaft besser wahrnehmen (Leserbindung,
verlegerische Unabhängigkeit über diversifizierte Finanzierung)
als eine über einen redaktionellen Teil verfügende, in erster Linie
aber auf Inserentenbedürfnisse ausgerichtete Gratispublikation. Kann
sich auf Art. 10 EMRK auch berufen, wer kommerzielle Zwecke verfolgt,
schützt diese Bestimmung doch nicht hauptsächlich solche Interessen; die
Konventionsgarantie selber kann vielmehr gerade gebieten, übermässige
Pressekonzentrationen zu verhindern (vgl. Bericht der Europäischen
Menschenrechtskommission und Resolution des Ministerrates i.S. De
Geillustreerde Pers N.V. gegen Niederlande, DR 8/1977 S. 25 Ziff. 88
bzw. S. 29; MARTIN BULLINGER, "Liberté d'expression et d'information:
élément essentiel de la démocratie", in: Actes du Sixième colloque
international sur la Convention européenne des droits de l'homme,
Dordrecht/Boston/London 1988, S. 79 - 83), was regelmässig nicht möglich
sein wird, ohne wirtschaftliche Interessen zu tangieren.

    bb) Art. 10 in Verbindung mit Art. 14 EMRK verpflichtet die
Vertragsstaaten nicht, alle berechtigten Personen unterschiedslos
gleich zu behandeln. Eine Massnahme oder Regelung ist nur dann
diskriminatorisch, wenn sie hinsichtlich der Gewährleistung des
Genusses eines Konventionsrechts zwischen Personen oder Personengruppen
unterscheidet, die sich in vergleichbarer Situation befinden, die
Unterscheidung eines objektiven und angemessenen Rechtfertigungsgrunds
entbehrt oder wenn zwischen den eingesetzten Mitteln und dem angestrebten
Ziel kein angemessenes Verhältnis besteht.

    Art. 14 EMRK geht somit nicht über das allgemeine
Rechtsgleichheitsgebot in Art. 4 Abs. 1 BV hinaus (BGE 118 Ia 341 E. 4a
S. 351).

    Gratispublikationen und die vom Gesetzgeber als förderungswürdig
bezeichnete Presse unterscheiden sich - wie dargelegt - im Vertriebssystem;
es erscheint deshalb bereits zweifelhaft, ob sich die Beschwerdeführerin
überhaupt in der von der Rechtsprechung zu Art. 14 EMRK geforderten
"vergleichbaren Situation" mit jenen Publikationen befindet,
deren indirekte Förderung sie beanstandet (vgl. FROWEIN/PEUKERT,
EMRK-Kommentar, S. 315 Rz. 19 ff.; die Kommission verneinte das Vorliegen
einer vergleichbaren Situation bei einem Wochenblatt, das detaillierte
Fernsehprogramme zu veröffentlichen suchte, gegenüber der Tagespresse,
die summarische Programmangaben enthielt, und gegenüber im Ausland
erscheinenden Publikationen; DR 8/1977 S. 27/28). Auf jeden Fall ist
die Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt und verhältnismässig: Die
indirekte Presseförderung soll dazu beitragen, eine möglichst vielfältige
Presse zu erhalten (Art. 10 Abs. 1 Satz 2 PVG, Postverkehrsgesetz, SR
783.0). Es kann dabei darauf abgestellt werden, ob und wie eine bestimmte
Publikation die spezifische Aufgabe der Presse für die Allgemeinheit
wahrnimmt; das Erfordernis eines entgeltlichen Abonnementsvertrags stellt
hierfür ein geeignetes Kriterium dar; von einer Diskriminierung im Sinn
von Art. 14 in Verbindung mit Art. 10 EMRK kann nicht die Rede sein.