Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IA 343



120 Ia 343

48. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18.
November 1994 i.S. A. gegen Stadt X. und Finanzdirektion des Kantons Zürich
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 BV; Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Abgabenerhebung.

    Sozialabzüge und Steuertarif ergeben sich aus dem Gesetz. Art. 4 BV ist
verletzt, wenn im Hinblick auf die rechtsgleiche Besteuerung von Ehepaaren
und Konkubinatspaaren einem Konkubinatspartner, der für den Unterhalt
von Kindern im eigenen Haushalt aufkommt, der ihm gesetzlich zustehende
höhere persönliche Abzug und günstigere Steuertarif verweigert werden.

Sachverhalt

    A.- A. ist Beamter mit Wohnsitz in X. Er lebt seit 1987 mit B. im
Konkubinat. Im Jahre 1989 kam der gemeinsame Sohn zur Welt. B. ist seit
1992 nicht mehr erwerbstätig, sondern besorgt den gemeinsamen Haushalt.

    A. wurde für die Staats- und Gemeindesteuern 1993 mit
einem Reineinkommen von Fr. ... und einem Reinvermögen von
Fr. ... eingeschätzt. Am 30. April 1993 stellte das Steueramt der Stadt
X. für die Staats- und Gemeindesteuern Rechnung, wobei es beim Einkommen
den einfachen persönlichen Abzug von Fr. 4'800.-- und den Kinderabzug
von Fr. 5'000.-- gewährte sowie den strengeren Tarif b für Ledige zur
Anwendung brachte.

    Im Begleitschreiben erklärte das Steueramt, der höhere persönliche
Abzug beim Einkommen von Fr. 9'600.-- für getrennt lebende, geschiedene,
verwitwete und ledige Steuerpflichtige, die für den Unterhalt von Kindern
im eigenen Haushalt aufkämen, und der im Zusammenhang damit stehende Tarif
a könnten gemäss der neuen Weisung der Finanzdirektion vom 30. Oktober
1992 über Sozialabzüge und Steuertarife nicht mehr gewährt werden,
wenn der Steuerpflichtige mit einer Person in Hausgemeinschaft lebe,
die ihrerseits den persönlichen Abzug zugute habe; würde der erhöhte
persönliche Abzug mit dem Abzug des Partners kumuliert, so würden Ehepaare
gegenüber Konkubinatspaaren stärker besteuert, was vom Bundesgericht als
verfassungswidrig erklärt worden sei.

    Mit Verfügung vom 15. Juni 1993 bestätigte das Steueramt der Stadt
X. diese Steuerberechnung.

    B. wurde mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 0.-- eingeschätzt.

    Im Rekurs an die Finanzdirektion des Kantons Zürich verlangte der
Steuerpflichtige, es sei ihm beim Einkommen der höhere persönliche Abzug
von Fr. 9'600.-- zu gewähren (nebst dem Kinderabzug) und es sei die Steuer
nach dem günstigeren Tarif a zu berechnen. Er begründete diesen Antrag
wie folgt:

    Die Weisung der Finanzdirektion vom 30. Oktober 1992 über Sozialabzüge
und Steuertarife beruhe nicht auf einer genügenden gesetzlichen
Grundlage. Gemäss § 31 und 32 des zürcherischen Steuergesetzes vom
8. Juli 1951 (nachfolgend abgekürzt StG) seien der höhere persönliche
Abzug und der günstigere Tarif a Ledigen zu gewähren, die mit Kindern
zusammenleben, für deren Unterhalt sie aufkommen. Das gelte auch für
einen im Konkubinat lebenden Steuerpflichtigen mit Kindern. § 31 und 32
StG sähen keine besondere Besteuerung von Konkubinatspartnern vor. Die
angefochtene Besteuerung bewirke zudem eine rechtsungleiche Behandlung,
indem er und seine Lebensgefährtin zusammen höher besteuert würden
als ein Ehepaar oder ein Alleinstehender in gleichen wirtschaftlichen
Verhältnissen mit einem Kind. Die rechtsgleiche Lösung könne nur darin
bestehen, dass dem erwerbstätigen Konkubinatspartner nebst dem Tarif a
der höhere persönliche Abzug von Fr. 9'600.-- zugestanden werde oder dass
ihm mindestens der vom andern Partner infolge geringeren Reineinkommens
nicht konsumierte Teil des Sozialabzuges gewährt werde.

    Mit Entscheid vom 29. September 1993 wies die Finanzdirektion des
Kantons Zürich den Rekurs ab.

    Hiegegen führt der Steuerpflichtige gestützt auf Art. 4 BV
staatsrechtliche Beschwerde. Er beanstandet wie bereits im Verfahren vor
der Finanzdirektion, dass die Weisung der Finanzdirektion nicht auf einer
genügenden gesetzlichen Grundlage beruhe. Ferner rügt er eine Verletzung
seines Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie eine rechtsungleiche
Behandlung.

    Die Finanzdirektion des Kantons Zürich beantragt Abweisung
der Beschwerde. Das Steueramt der Stadt X. verzichtete auf eine
Vernehmlassung. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den
Entscheid der Finanzdirektion auf aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer beruft sich in erster Linie darauf, die
Weisung der Finanzdirektion vom 30. Oktober 1992 über Sozialabzüge und
Steuertarife - und damit auch die angefochtene Besteuerung - beruhe nicht
auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage.

    a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 4 BV bedürfen
öffentliche Abgaben - von Ausnahmen abgesehen - der Grundlage in einem
Gesetz im formellen Sinn. Der Grundsatz der Gesetzmässigkeit ist verletzt,
wenn das Gesetz den Kreis der Steuerpflichtigen, den Steuergegenstand
und die Grundzüge der Steuerbemessung nicht enthält (BGE 118 Ia 320 E. 3a
S. 323; 112 Ia 39 S. 43 ff.; 105 Ia 134 S. 144 ff.).

    Dienstanweisungen, sog. Verwaltungsverordnungen, die den Bürger
nicht zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichten,
sondern bloss Regeln für das verwaltungsinterne Verhalten der Beamten
aufstellen, enthalten keine Rechtssätze. Sie dienen der Schaffung einer
einheitlichen Verwaltungspraxis und sollen den Beamten die Rechtsanwendung
erleichtern (BGE 117 Ib 225 S. 231, 117 Ib 358 S. 364; 99 Ib 371 S. 373;
98 Ia 508 S. 510). Da sie nicht vom verfassungsmässigen Gesetzgeber
stammen, sondern von einer Verwaltungsbehörde, können sie keine von der
gesetzlichen Ordnung abweichenden Bestimmungen vorsehen. Bei der von
der Zürcher Finanzdirektion am 30. Oktober 1992 erlassenen Weisung über
Sozialabzüge und Steuertarife (vgl. Zürcher Steuerbuch I A, Nr. 17/40)
handelt es sich um eine solche Verwaltungsverordnung. Die in Anwendung
dieser Weisung ergangene Steuerveranlagung muss sich folglich direkt auf
das Gesetz und seine Ausführungserlasse abstützen können.

    b) In der Schweiz bilden Konkubinatspaare nach geltendem Steuerrecht
keine besondere Kategorie von Steuerpflichtigen. Die Partner einer solchen
Gemeinschaft werden getrennt veranlagt wie alleinstehende Personen, so
dass jeder für sein eigenes Einkommen und Vermögen steuerpflichtig ist
und ein Ausgleich irgendwelcher Verluste, Schulden oder Abzüge zwischen
den Einkommen und Vermögen nicht stattfindet. Während Einkommen und
Vermögen von zusammenlebenden Ehegatten addiert werden und sich unter
Umständen ausgleichen, hängt die Steuerbelastung des Konkubinatspaares
bis zu einem gewissen Grad davon ab, wie sich Einkommen und Vermögen
auf die beiden Partner verteilen. Das Konkubinatspaar fährt - bei einem
bestimmten Gesamteinkommen - steuerlich am günstigsten, wenn beide Partner
gleich viel verdienen, und um so ungünstiger, je mehr sich ihre Einkommen
unterscheiden (BGE 118 Ia 1 S. 3/4).

    Hat ein Konkubinatspaar Kinder, wird derjenige Partner, der die
elterliche Gewalt oder die Obhut besitzt oder für den Unterhalt des
Kindes aufkommt im allgemeinen nach den für Halbfamilien geltenden Regeln
besteuert, sofern das kantonale Recht diese Ordnung vorsieht. Es wird
ihm je nach kantonaler Gesetzgebung der höhere Sozialabzug für Kinder
und gegebenenfalls der für Ehegatten geltende günstigere Tarif für die
Steuerbemessung gewährt. Der andere Konkubinatspartner wird steuerlich
entsprechend seinem Zivilstand, das heisst als Lediger, Verwitweter oder
Geschiedener, behandelt (BGE 118 Ia 1 S. 3/4).

    c) Diese Lösung liegt auch dem Zürcher Steuerrecht zugrunde. Gemäss § 8
Abs. 1 StG werden Einkommen und Vermögen der in rechtlich und tatsächlich
ungetrennter Ehe lebenden Ehegatten zusammengerechnet, diese werden somit
gemeinschaftlich veranlagt. Da das Gesamteinkommen des Ehepaares für den
Lebensunterhalt von zwei Personen dienen muss, sieht das Gesetz bei der
Einkommenssteuer einen günstigeren Tarif a (§ 32 Abs. 1) sowie einen
höheren persönlichen Abzug vor (§ 31 Abs. 1 Ziff. 1 lit. a). Derselbe
Tarif ist auch anwendbar auf "getrennt lebende, geschiedene, verwitwete
und ledige Steuerpflichtige, die mit Kindern im Sinne von § 31 Abs. 1
Ziff. 3 zusammenleben" (§ 32 Abs. 1 StG). Solchen Steuerpflichtigen wird
zudem der höhere persönliche Abzug nach § 31 Ziff. 1 lit. a StG gewährt.

    Diese Ordnung hat zur Folge, dass dann, wenn ein Konkubinatspaar Kinder
hat, derjenige Teil, dem die Obhut über die Kinder zusteht (oder der die
elterliche Gewalt innehat oder für den Unterhalt der Kinder aufkommt),
ebenfalls nach dem günstigeren Tarif a besteuert wird und er die höheren
persönlichen Abzüge geltend machen kann. Der andere Konkubinatspartner
hat, sofern er nicht auch eigene Kinder (beispielsweise aus einer früheren
Ehe) in die Gemeinschaft mitgebracht hat, nur Anspruch auf den einfachen
persönlichen Abzug für die "andern Steuerpflichtigen" (§ 31 Abs. 1 Ziff. 1
lit. b StG); zudem findet auf ihn der gegenüber dem Tarif a progressiver
ausgestaltete Tarif b (§ 31 Abs. 2 StG) Anwendung.

    d) Dieser gesetzlichen Regelung entsprach auch die Praxis, wie sie in
der bis Ende 1992 gültigen Weisung der Finanzdirektion vom 31. Oktober
1990 über Sozialabzüge und Steuertarife (vgl. Zürcher Steuerbuch I A,
Nr. 17/49) zum Ausdruck kam. Danach konnte derjenige Konkubinatspartner,
der für den Unterhalt eigener Kinder im gemeinsamen Haushalt aufkam,
den höheren persönlichen Abzug von (damals) Fr. 8'600.-- und den
günstigeren Tarif a beanspruchen. Hatten beide Partner Kinder in die
Gemeinschaft mitgebracht, so gelangten beide Partner in den Genuss dieser
Vergünstigungen. Handelte es sich um gemeinsame Kinder beider Partner,
so standen der entsprechende höhere persönliche Abzug und der günstigere
Tarif a demjenigen Elternteil zu, der für den Unterhalt der Kinder aufkam
(Ziff. 27 lit. d, Ziff. 16); der andere Partner hatte Anspruch auf den
Kinderabzug, sofern er Unterhaltsbeiträge bezahlte (Ziff. 32). Wer Anspruch
auf den höheren persönlichen Abzug hatte, war auch nach dem günstigeren
Tarif a zu besteuern (Ziff. 16). - Dieselbe Praxis lag bereits der Weisung
der Finanzdirektion über Sozialabzüge und Steuertarife vom 31. Oktober 1986
(Zürcher Steuerbuch IA, Nr. 17/48) und früheren zugrunde.

    Allerdings hat die Finanzdirektion ihre Praxis in der ab dem
Steuerjahr 1993 gültigen Weisung vom 30. Oktober 1992 über Sozialabzüge und
Steuertarife geändert. Danach können zwei unverheiratet zusammenlebende
Personen nur noch je den niedrigeren persönlichen Abzug von Fr. 4'800.--
beim Einkommen geltend machen, und zwar unabhängig davon, ob einer
oder beide Partner für den Unterhalt von Kindern im gemeinsamen Haushalt
aufzukommen haben. Zudem gelangt auf beide Konkubinatspartner der strengere
Tarif b für alleinstehende Personen auch dann zur Anwendung, wenn Kinder
vorhanden sind (Ziff. 27 Abs. 2, Ziff. 16).

    e) Ob die neue Verwaltungspraxis der Finanzdirektion, wie sie in
der ab dem Steuerjahr 1993 anwendbaren Weisung vom 30. Oktober 1992
zum Ausdruck kommt und auch im angefochtenen Entscheid befolgt wurde,
auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage beruht, ist fraglich. Das
Zürcher Steuergesetz steht auf dem Boden der Familienbesteuerung; das
heisst, in ungetrennter Ehe lebende Ehepaare sowie Elternteile, die mit
Kindern zusammenleben, deren Unterhalt sie bestreiten, können die höheren
persönlichen Abzüge und den günstigeren Tarif a beanspruchen. Das muss
auch für Konkubinatspartner gelten, wenn sie für den Unterhalt von Kindern
im gemeinsamen Haushalt aufzukommen haben. Die Gewährung des höheren
persönlichen Abzuges und des günstigeren Tarifs a kann beim Fehlen
einer ausdrücklichen gesetzlichen Norm nicht davon abhängen, dass der
Elternteil, der die Vergünstigung geltend macht, mit keiner anderen Person
im Konkubinat zusammenlebt. Das Zürcher Steuergesetz sieht - wie übrigens
auch die Steuerrechte der anderen Kantone oder der Bundesratsbeschluss
über die Erhebung einer direkten Bundessteuer (BdBSt; SR 642.11) und das
Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone
und Gemeinden (StHG; SR 642.14) - für Konkubinatspaare keine besondere
Besteuerung vor. Dann müssen aber die Konkubinatspartner entsprechend
ihrer Stellung als Ledige, getrennt Lebende, Geschiedene oder Verwitwete
besteuert werden. Der Tatsache, dass der Partner einer solchen Gemeinschaft
für den Unterhalt von Kindern im gemeinsamen Haushalt aufkommt, ist daher
- der gesetzlichen Ordnung entsprechend - durch Anwendung des höheren
persönlichen Abzuges und des günstigeren Tarifs a Rechnung zu tragen.

    f) Die Weisung der Finanzdirektion vom 30. Oktober 1992, wonach der
höhere persönliche Abzug und der günstigere Tarif a einem Elternteil,
der für den Unterhalt von Kindern im eigenen Haushalt aufkommt, nur
gewährt wird, wenn er nicht mit einer anderen Person im Konkubinat lebt,
hält deshalb vor dem Gesetz nicht stand. Mit der gesetzlichen Regelung ist
folglich nicht zu vereinbaren, dass die Finanzdirektion im angefochtenen
Entscheid den Beschwerdeführer, der unbestrittenermassen für den Unterhalt
des im gleichen Haushalt lebenden gemeinsamen Kindes sorgt, gestützt
auf ihre Weisung nach Tarif b besteuert und ihm den höheren persönlichen
Abzug verweigert.

    Die Finanzdirektion hat im angefochtenen Entscheid ihre neue Praxis
damit begründet, dass die bisherige Praxis zu einer höheren Besteuerung
der verheirateten Paare mit Kindern gegenüber Konkubinatspaaren mit
Kindern geführt habe. Das rechtfertigt es jedoch nicht, Konkubinatspaare
in einer im Gesetz nicht vorgesehenen Weise zu besteuern. Dieses Vorgehen
ist durch das Gesetz nicht abgestützt. Der angefochtene Entscheid ist
daher aufzuheben. Ist aber die staatsrechtliche Beschwerde bereits aus
diesem Grund gutzuheissen, so erübrigt es sich, die in der Beschwerde
weiter vorgetragenen Rügen zu prüfen.

    Zur Frage der rechtsgleichen Besteuerung von Ehepaaren und
Konkubinatspaaren mit Kindern im Kanton Zürich kann im übrigen auf das
heutige Urteil (BGE 120 Ia 329 ff.) verwiesen werden.