Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IA 258



120 Ia 258

39. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 10. Oktober 1994
i.S. A. gegen X. (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 88 OG; aktuelles praktisches Interesse als Voraussetzung für
die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde.

    Weil mit der Schätzung der einzelnen Nachlasswerte in einem
Sicherungsinventar nach Art. 553 ZGB keine zivilrechtlichen Wirkungen
verbunden sind, hat ein Erbe keine aktuellen praktischen Interessen daran,
die Schätzung mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechten zu können.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Mit der staatsrechtlichen Beschwerde kann - abgesehen von
hier nicht weiter interessierenden Ausnahmen - nur der letzte kantonale
Entscheid angefochten werden. Entsprechend kann das Bundesgericht auch
nur diesen aufheben. Auf den Antrag, den Entscheid des Kreispräsidenten
Oberengadin mitaufzuheben, ist deshalb nicht einzutreten.

    b) Bei einer staatsrechtlichen Beschwerde ist
u.a. Eintretensvoraussetzung, dass überhaupt ein aktuelles praktisches
Interesse gegeben ist (SPÜHLER, Die Praxis der staatsrechtlichen
Beschwerde, Bern 1994, Rz. 14; KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen
Beschwerde, Bern 1994, S. 258 f.). Der Beschwerdeführer will mit
seinem Rechtsmittel unter anderem bewirken, dass gewisse im Inventar
aufgeführte Vermögenswerte tiefer geschätzt werden. Es fragt sich, ob
der Beschwerdeführer daran überhaupt ein praktisches Interesse hat.

    In dem den vorliegenden Fall betreffenden BGE 118 II 269 f. hielt das
Bundesgericht fest, dass das Inventar nach schweizerischem Recht nur die
Sicherung des bei Eröffnung des Erbganges vorhandenen Vermögens bezweckt,
indem verhindert werden soll, dass Vermögenswerte unbemerkt verschwinden
können. Das Sicherungsinventar dient insbesondere nicht der Berechnung
der Erbteile und der Pflichtteile und kann nicht Rechnungsgrundlage
für die Erbteilung bilden. Entsprechend sieht das Bundesrecht für das
Sicherungsinventar im Gegensatz zum öffentlichen Inventar nach Art. 581
ZGB keine Schätzung der Vermögenswerte vor (BGE 118 II 270). Wird
dennoch eine Schätzung vorgenommen, so ergeben sich daraus keinerlei
zivilrechtliche Folgen. Von daher ist nicht zu sehen, welches praktische
Interesse der Beschwerdeführer an einer tieferen Bewertung der Aktien
der A. AG haben könnte. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass nach
Art. 92 Abs. 2 EG ZGB des Kantons Graubünden die Aktiven und Passiven
geschätzt werden sollen. Es steht dem kantonalen Gesetzgeber nicht zu,
irgendwelche zivilrechtlichen Wirkungen an die Schätzung zu knüpfen. Mit
Bezug auf allfällige Gebühren- und Steuerfolgen der Schätzung ist nicht
der Abschluss des Inventars anzufechten. Vielmehr müssen dafür die
entsprechenden Gebühren- und Steuerverfügungen weitergezogen werden.

    Entsprechend hält das Kantonsgerichtspräsidium denn auch fest, dass
es nach konstanter Praxis auf Rekurse nicht eintritt, soweit sie sich nur
auf die Bewertung einzelner Aktiven beziehen. Mit dieser Argumentation
im angefochtenen Entscheid setzt sich der Beschwerdeführer gar nicht
auseinander. Es fehlt deshalb an einer Art. 90 OG genügenden Begründung
und auf diese Rüge ist nicht einzutreten.

    c) Soweit der Beschwerdeführer einzelne Posten im Inventar gar
nicht aufgeführt haben will, liegt demgegenüber ein aktuelles praktisches
Interesse vor. Das Inventar erbringt im Sinne von Art. 9 ZGB Beweis dafür,
dass die aufgeführten Vermögenswerte bei Eröffnung des Erbganges in der im
Inventar aufgeführten Weise vorhanden waren und gemäss den inventarisierten
Angaben in diesem Zeitpunkt zum Nachlass gehörten. Werden einzelne
Angaben aus dem Inventar gestrichen, so entfällt mit Bezug auf diese die
Richtigkeitsvermutung. Soweit der Beschwerdeführer die Streichung einzelner
Posten verlangt, ist deshalb auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten.