Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IA 147



120 Ia 147

21. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
15. Juni 1994 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Persönliche Freiheit. Verletzung durch die Aufbewahrung
erkennungsdienstlicher Unterlagen.

    Eingriff in die persönliche Freiheit durch Erhebung und Aufbewahrung
erkennungsdienstlichen Materials (E. 2a).

    Gesetzliche Grundlage für die Erhebung und Aufbewahrung
erkennungsdienstlichen Materials im Kanton Basel-Stadt (E. 2c).
   Öffentliches Interesse an erkennungsdienstlichen Massnahmen (E. 2d).

    Verhältnismässigkeit der Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen
(E. 2e, f, g).

    Verletzung der Unschuldsvermutung durch die Aufbewahrung
erkennungsdienstlicher Unterlagen; Voraussetzungen (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Basel-Stadt führten
anfangs 1986 gegen B. ein Strafverfahren durch wegen Verdachts auf
Anstiftung zu versuchter vorsätzlicher Tötung und ähnlicher Delikte. Die
Kantonspolizei Basel-Stadt erstellte unter anderem Fotoaufnahmen von
B.. Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt stellte mit Beschluss vom 10. März
1986 das Strafverfahren ein mit der Begründung, B. könne kein strafbares
Verhalten nachgewiesen werden (auch gegen die Hauptverdächtige wurde das
Strafverfahren mit demselben Beschluss eingestellt).

    Am 18. Januar 1993 vergass Z. am Bankautomat der Schweizerischen
Bankgesellschaft, Filiale Claraplatz 2 in Basel, Fr. 500.-- mitzunehmen,
welche sie von ihrem Konto abgehoben hatte. Eine unmittelbar nachher
erscheinende unbekannte Frau nahm dieses Geld an sich und verliess
die Bank, ohne ihre eigene Kontokarte zu benützen. Dabei wurde sie von
einer automatischen Kamera in der Bank fotografiert. Nachdem Z. Anzeige
erstattet hatte, verglich die Kantonspolizei die von der automatischen
Kamera aufgenommenen Fotos mit den beim Erkennungsdienst vorhandenen Fotos
von B.. Da die Polizei eine gewisse Ähnlichkeit feststellte, eröffnete sie
gegen B. ein Strafverfahren wegen Diebstahls bzw. Unterschlagung. Nachdem
bei einer Hausdurchsuchung bei B. festgestellt worden war, dass
sie keine Kleider besass, wie sie auf den Fotos der unbekannten
Täterin zu sehen waren, und dass sie ausserdem mit der Schweizerischen
Bankgesellschaft keinerlei geschäftlichen Beziehungen pflegte, stellte
die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt das Verfahren mit Beschluss vom 28.
April 1993 ein.

    Mit Eingabe vom 13. August 1993 an den Ersten Staatsanwalt stellte
B. unter anderem den Antrag, das gesamte erkennungsdienstliche Material,
welches im Zusammenhang mit dem Strafverfahren von 1986 erstellt worden
war, sei zu vernichten. Der Erste Staatsanwalt wies diesen Antrag in
Ziffer 3 seiner Verfügung vom 17. August 1993 ab.

    Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 16. September 1993 stellt
B. den Antrag, die Ziffer 3 der Verfügung des Ersten Staatsanwalts
sei aufzuheben. Ausserdem sei der Erste Staatsanwalt zu verpflichten,
das über sie vorhandene erkennungsdienstliche Material in ihrem Beisein
zu vernichten.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin beruft sich auf das ungeschriebene
verfassungsmässige Recht der persönlichen Freiheit, auf ihren Anspruch
auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK
sowie auf die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Ziff. 2 EMRK.

    a) Das ungeschriebene Verfassungsrecht der persönlichen Freiheit
schützt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als zentrales
Freiheitsrecht und verfassungsrechtlicher Leitgrundsatz nicht nur die
Bewegungsfreiheit und die körperliche Integrität, sondern darüber hinaus
alle Freiheiten, die elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung
bilden (BGE 119 Ia 101 E. b, mit Hinweisen). Indessen rechtfertigt
nicht jeder beliebige Eingriff in den persönlichen Bereich des Bürgers
die Berufung auf die persönliche Freiheit; diese hat nicht die Funktion
einer allgemeinen Handlungsfreiheit, auf die sich der einzelne gegenüber
jedem staatlichen Akt, der sich auf seine persönliche Lebensgestaltung
auswirkt, berufen kann. Daher ist eine Grenzziehung des Schutzbereichs
der persönlichen Freiheit notwendig und im Einzelfall angesichts von Art
und Intensität der Beeinträchtigung zu suchen (BGE 115 Ia 246). Art. 8
Ziff. 1 EMRK gibt jedermann einen Anspruch auf Achtung seines Privat-
und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

    Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gehört zum Schutzbereich
der persönlichen Freiheit auch der Anspruch auf eine persönliche
Geheimsphäre. Die Erhebung erkennungsdienstlicher Daten betrifft demnach
die persönliche Freiheit, ebenso die Aufbewahrung und Bearbeitung solcher
Daten (Urteil des Bundesgerichts vom 27. März 1991 in ZBl 92 [1991]
545 E. 5a). Das Bundesgericht erkannte auch, dass sich persönliche Daten
verändern können und nicht über unbeschränkt lange Zeit aufbewahrt werden
dürfen. Die Aufbewahrung streng persönlicher Daten kann jedenfalls eine
Verletzung der persönlichen Freiheit bedeuten, selbst wenn die Daten nicht
öffentlich zugänglich sind (BGE 113 Ia 263 f., mit Hinweisen). In gleicher
Weise bedeutet die Aufbewahrung persönlicher Daten einen Eingriff in die
Garantie von Art. 8 Ziff. 1 EMRK.

    b) Einschränkungen der persönlichen Freiheit sind zulässig, wenn
sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse
liegen, verhältnismässig sind und den Kerngehalt des Grundrechts nicht
verletzen. Nach ständiger Rechtsprechung prüft das Bundesgericht die
Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts bei Eingriffen in die
persönliche Freiheit nur dann frei, wenn der Eingriff als schwer zu
betrachten ist. Die Aufbewahrung erkennungsdienstlichen Materials bedeutet
indessen keinen schweren Eingriff, weshalb das Bundesgericht bei der
Auslegung kantonalen Rechts nur untersucht, ob die angefochtene Verfügung
vor der Willkürrüge standhält (BGE 118 Ia 177 E. 2, mit Hinweisen).

    Gemäss Art. 8 Ziff. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen
Behörde in die Ausübung des in Ziff. 1 der Bestimmung genannten Rechts
nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und
eine Massnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die
nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche
Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von
strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder
zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Eingriffe
in das Menschenrecht gemäss Art. 8 EMRK sind demnach unter ähnlichen
Voraussetzungen zulässig wie Eingriffe in die persönliche Freiheit.

    c) Die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Basel-Stadt finden die
gesetzliche Grundlage der erkennungsdienstlichen Massnahmen in § 63
der kantonalen Strafprozessordnung vom 15. Oktober 1931 (StPO). Diese
Bestimmung regelt die Voraussetzungen, unter welchen die körperliche
Durchsuchung eines Angeschuldigten gegen seinen Willen angeordnet werden
kann. Wie die Staatsanwaltschaft unter Hinweis auf die Materialien zu
dieser Bestimmung ausführt, vertrat bereits der Gesetzgeber die Auffassung,
dass die körperliche Durchsuchung auch erkennungsdienstliche Massnahmen
umfasst und diese daher unter denselben Voraussetzungen wie die körperliche
Durchsuchung im engeren Sinne zulässig sein sollen.

    Nach Meinung der kantonalen Behörden soll die Bestimmung zudem
nicht nur die Durchführung erkennungsdienstlicher Massnahmen unter
den darin genannten Voraussetzungen für zulässig erklären, sondern -
unter denselben Voraussetzungen - auch die Aufbewahrung und Bearbeitung
des erkennungsdienstlichen Materials. Diese Auslegung von § 63 StPO ist
insofern nicht willkürlich, als sich die Bestimmung ohne weiteres nach dem
Grundsatz "in maiore minus" und "per analogiam" auf erkennungsdienstliche
Massnahmen wie beispielsweise das Fotografieren eines Angeschuldigten
anwenden lässt (BGE 107 Ia 146 E. c). Sowohl nach ihrem Wortlaut als
auch aufgrund einer Auslegung nach den Grundsätzen "in maiore minus"
und "per analogiam" folgt aus der Bestimmung indessen bloss, dass
erkennungsdienstliche Massnahmen innerhalb eines bestimmten Strafverfahrens
zulässig sind. Soweit die Aufbewahrung erkennungsdienstlichen Materials
über den Abschluss eines Strafverfahrens hinaus umstritten ist, lässt
sich § 63 StPO nichts entnehmen. Die Frage einer genügenden gesetzlichen
Grundlage braucht aber im vorliegenden Fall nicht abschliessend beantwortet
zu werden.

    d) Die Staatsanwaltschaft sieht das öffentliche Interesse an der
umstrittenen Einschränkung der persönlichen Freiheit darin, dass die
Aufbewahrung des erkennungsdienstlichen Materials der Kriminalpolizei
die Bekämpfung zukünftiger Verbrechen und Vergehen im Interesse eines
wirksamen Schutzes der Allgemeinheit erleichtere. Erkennungsdienstliche
Unterlagen seien ein wichtiges Mittel zur Aufklärung von Straftaten.

    Verhinderung zukünftiger und Aufklärung geschehener Straftaten
liegen immer im öffentlichen Interesse; Art. 8 Ziff. 2 EMRK nennt die
Verhinderung strafbarer Handlungen ausdrücklich als zulässigen Grund, den
Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens einzuschränken. Das
Bundesgericht erkannte denn auch, dass erkennungsdienstliche Massnahmen und
die Aufbewahrung sowie die Bearbeitung der Ergebnisse solcher Massnahmen
grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegen (BGE 109 Ia 155 E. 6a,
107 Ia 147 E. d).

    e) Die Staatsanwaltschaft hält die Aufbewahrung der über die
Beschwerdeführerin erstellten Unterlagen für verhältnismässig, weil bei
einer Einstellung der Strafuntersuchung mangels Beweises - im Gegensatz
zu einer wegen erwiesener Unschuld erfolgten Einstellung - der Verdacht
nicht beseitigt worden sei und deshalb die erhobenen Daten im Hinblick
auf eine jederzeit mögliche Wiederaufnahme der Ermittlungen während einer
gewissen Zeit aufzubewahren seien.

    Ein Eingriff in die persönliche Freiheit ist verhältnismässig,
wenn er zur Erreichung des Zieles, welches im öffentlichen Interesse
vorgegeben ist, geeignet und erforderlich ist. Erkennungsdienstliche
Unterlagen werden von der Polizei über den Abschluss des Strafverfahrens,
in welchem sie erstellt worden sind, hinaus aufbewahrt, weil bei
Personen, die sich eines strafrechtlichen Deliktes von einer gewissen
Schwere schuldig gemacht haben, gegenüber dem Durchschnittsbürger eine
leicht erhöhte Wahrscheinlichkeit besteht, sie könnten auch in Zukunft
in ein Delikt verwickelt werden. Bestehen über eine bestimmte Person
erkennungsdienstliche Unterlagen, so fällt auf diese Person - wie es auch
im vorliegenden Fall geschehen ist - immer ein Verdacht, wenn eine Straftat
begangen wird, an welcher jemand mit ähnlichen erkennungsdienstlichen
Merkmalen beteiligt ist.

    Der Verdacht, der nur deswegen auf eine bestimmte Person fällt, weil
über sie erkennungsdienstliches Material vorhanden ist, rechtfertigt sich
zunächst dann, wenn die betroffene Person tatsächlich einmal zur Erstellung
des Materials Anlass gegeben hat, indem sie sich eines strafrechtlichen
Deliktes schuldig gemacht hat. Ausserdem kann sich der Verdacht
rechtfertigen, wenn die Person bloss durch seltsames Betragen Anlass für
die Erhebung der Unterlagen gegeben hat. Schliesslich kann die Aufbewahrung
des erkennungsdienstlichen Materials auch dann verhältnismässig sein,
wenn das Verfahren bloss vorläufig eingestellt wird, weil der Sachverhalt
nicht genügend abgeklärt werden konnte. Werden später neue Beweismittel
gefunden, so kann bereits erhobenes erkennungsdienstliches Material für
die Abklärung der Straftat geeignet oder sogar erforderlich sein.

    Darüber hinaus erkannte das Bundesgericht, es sei unverhältnismässig,
erkennungsdienstliches Material über lange oder gar unbegrenzte Zeit
aufzubewahren, selbst wenn die betroffene Person begründeten Anlass für
die Erstellung des Materials gegeben habe. In leichteren Fällen scheine
es vernünftig, erkennungsdienstliche Unterlagen nach fünf Jahren zu
vernichten. Entscheidend für die Festsetzung einer derartigen Frist war,
dass der Wert erkennungsdienstlicher Unterlagen mit der Zeit abnimmt. Eine
Vernichtung nach diesem Zeitablauf rechtfertigt sich um so mehr, wenn sich
die betroffene Person wohlverhalten hat und keinerlei Anlass gegeben hat,
das erkennungsdienstliche Material in irgendeiner Weise zu verwenden.

    f) Die von der Staatsanwaltschaft erwähnte Verordnung des Bundesrates
vom 1. Dezember 1986 über den Erkennungsdienst des Bundesamtes
für Polizeiwesen (VO; SR 172.213.57) trifft in diesem Zusammenhang
Regelungen, welche die Anforderungen der Bundesverfassung und der
Menschenrechtskonvention berücksichtigen. So werden nach Art. 17 Abs. 1
VO auf Gesuch der betroffenen Person hin Daten sofort gelöscht, wenn das
Verfahren, in dem die erkennungsdienstlichen Daten erhoben wurden, wegen
erwiesener Unschuld eingestellt oder mit einem Freispruch abgeschlossen
worden ist. Hat das Verfahren jedoch mangels Beweisen nicht zu einer
Verurteilung geführt, so sind die Unterlagen gemäss Art. 17 Abs. 2 lit. a
VO erst nach fünf Jahren zu löschen. Die Bestimmungen dieser Verordnung
gelten nur für Verfahren betreffend den Erkennungsdienst des Bundesamtes
für Polizeiwesen und lassen sich für die Beurteilung des vorliegenden
Falles höchstens per analogiam heranziehen.

    Die ebenfalls von der Staatsanwaltschaft erwähnte, in der
Volksabstimmung vom 28. September 1986 angenommene "Bewilligung eines
Kredits für die Automatisierung der Informationsverarbeitung in der
Strafverfolgung (AUTINFOS)" schreibt vor, dass Daten automatisch beim
Eintritt der absoluten Verfolgungsverjährung des Deliktes gelöscht
werden. Die Bestimmungen dieses kantonalen Erlasses gelten nur für
elektronisch gespeicherte Daten, nicht aber für erkennungsdienstliches
Material überhaupt. Wird der Erlass analog auch für die Bestimmung
des Zeitpunktes herangezogen, zu dem erkennungsdienstliches Material
vernichtet werden soll, so kann das zu Ergebnissen führen, welche die
Bundesverfassung und die Menschenrechtskonvention verletzen. Die absolute
Verfolgungsverjährung begründet zwar eine angemessene Frist für die
Aufbewahrung der erkennungsdienstlichen Unterlagen, wenn die betroffene
Person wegen der ihr vorgeworfenen Taten verurteilt oder wenn sonstwie
durch Gerichtsentscheid rechtskräftig festgestellt worden ist, dass die
Person die Taten begangen hat. Ist hingegen die Unschuld der betroffenen
Person festgestellt worden, wäre der kantonale Erlass grundsätzlich nur
dann verhältnismässig, wenn er die sofortige Löschung bzw. Vernichtung
der Daten und Unterlagen vorsähe. Ebenso müsste er für den Fall, dass das
Strafverfahren mangels Beweisen eingestellt wird, die Aufbewahrungsdauer
gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich auf fünf
Jahre begrenzen.

    g) Gemäss Beschluss vom 10. März 1986 stellte die Staatsanwaltschaft
die Strafuntersuchung gegen die Beschwerdeführerin ein, weil der Tatbestand
nicht hinreichend bewiesen und die Tat rechtlich von Art. 260bis StGB
nicht erfasst würde. In der Begründung führte die Staatsanwaltschaft aus,
es könne der Beschwerdeführerin "offensichtlich nicht nachgewiesen" werden,
dass sie die Hauptverdächtige zu ihrem Vorgehen bestimmt habe. Es könne
auch nicht nachgewiesen werden, dass das Verhalten der Hauptverdächtigen
bereits "ins Stadium des Versuchs" getreten sei, und gemäss Art. 260bis
Abs. 2 StGB bleibe die Hauptverdächtige und damit auch eine allfällige
Gehilfin straflos, weil die Hauptverdächtige die Vorbereitungshandlungen
nicht zu Ende geführt habe. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ist
der frühere Verdacht gegen die Beschwerdeführerin somit nicht widerlegt
worden und besteht immer noch.

    Das im Jahre 1986 über die Beschwerdeführerin erhobene
erkennungsdienstliche Material wird schon seit mehr als acht Jahren
aufbewahrt, womit die vom Bundesgericht als vernünftig bezeichnete Frist
von fünf Jahren überschritten ist. Die Staatsanwaltschaft hält dafür, die
Beschwerdeführerin sei eines schweren Deliktes verdächtigt worden, weshalb
das erkennungsdienstliche Material wie auch die über die Beschwerdeführerin
gespeicherten Daten erst nach Ablauf der absoluten Verfolgungsverjährung,
welche im vorliegenden Fall 15 Jahre beträgt, vernichtet werden sollen.

    Aus den Akten des Verfahrens von 1986 geht hervor, dass die
Untersuchung zwar wegen eines schwerwiegenden gesetzlichen Tatbestandes
geführt wurde (Anstiftung zu versuchter vorsätzlicher Tötung,
Art. 111 StGB). Das Strafverfahren wurde indessen im Zusammenhang mit
einem Strafverfahren eröffnet, welches gegen den damaligen Freund der
Hauptverdächtigen geführt wurde, der nachgewiesenermassen einen Mitbewohner
des Hauses getötet hatte. Die Hauptverdächtige äusserte in diesem Verfahren
als Zeugin, sie sei von ihrem Freund oft mit dem Tode bedroht worden,
weshalb sie zuletzt ihrerseits den Freund habe töten wollen. Die heutige
Beschwerdeführerin habe ihr zu dieser Zeit ein Pflanzengift gegeben.

    Aus diesen Umständen geht hervor, dass der Verdacht, der einmal auf
die beiden beteiligten Frauen gefallen ist, trotz der hohen gesetzlichen
Strafdrohung selbst dann nur ein eher geringes Verschulden betroffen hätte,
wenn er sich als zutreffend erwiesen hätte. Sowohl die Hauptverdächtige
als auch die Beschwerdeführerin haben zudem aus eigenem Antrieb ihre
allenfalls strafbare Tätigkeit nicht zu Ende geführt, weshalb der Richter
gemäss Art. 21 Abs. 2 StGB sogar auf eine Bestrafung hätte verzichten
können. Im übrigen haftet der strafrechtlichen Beurteilung eines blossen
Verdachtes und damit auch der Bestimmung der absoluten Verjährung noch
vor Abschluss der Untersuchung immer etwas Zufälliges an. Art und Schwere
des Verdachtes, der einmal gegen die Beschwerdeführerin bestanden hat,
lassen die weitere Aufbewahrung des erkennungsdienstlichen Materials
jedenfalls nicht als verhältnismässig erscheinen.

Erwägung 3

    3.- a) Nach Auffassung der Beschwerdeführerin könnte die Aufbewahrung
erkennungsdienstlicher Akten auch gegen die Unschuldsvermutung gemäss
Art. 6 Ziff. 2 EMRK verstossen. Das Bundesgericht erkannte im nicht
veröffentlichten Urteil vom 18. Dezember 1989 i.S. E., E. 2d, die
Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Daten verstosse nicht gegen die
Unschuldsvermutung nach Art. 6 Ziff. 2 EMRK. Die Aufbewahrung solcher
Daten bedeute bloss, dass gegen die betroffene Person einmal der Verdacht
einer strafbaren Handlung bestanden habe. Selbst wenn die archivierten
Daten in einem späteren Verfahren wieder verwendet werden, liege darin
nur eine Verdachtsäusserung, welche die Unschuldsvermutung nicht verletze.

    b) Gemäss Art. 6 Ziff. 2 EMRK wird bis zum gesetzlichen Nachweis seiner
Schuld vermutet, dass der wegen einer strafrechtlichen Handlung Angeklagte
unschuldig ist. Eine Verfügung verletzt die Unschuldsvermutung, wenn aus
der Begründung oder dem Dispositiv der Verfügung eine strafrechtliche
Missbilligung hervorgeht, obwohl die von der Verfügung betroffene
Person nicht im strafrechtlichen Sinn verurteilt wird. Das kann nach
der Rechtsprechung unter bestimmten Umständen der Fall sein, wenn einem
Angeschuldigten nach dem Freispruch oder der Einstellung des Verfahrens
Kosten auferlegt oder eine Entschädigung verweigert wird (vgl. BGE 115
Ia 309 E. 1a, mit Hinweisen). Auch die Verfügung über die Aufbewahrung
erkennungsdienstlichen Materials kann gegen die Unschuldsvermutung
verstossen, wenn die Behörden damit ausdrücken, die betroffene Person
sei doch schuldig, obwohl sie freigesprochen oder das Strafverfahren
eingestellt worden ist.

    Im vorliegenden Fall ist zwar der Beschwerdeführerin soweit
zuzustimmen, als der einmal gegen sie bestehende Verdacht bis heute
weiterbestanden hat, weil das erkennungsdienstliche Material aufbewahrt
worden ist. Sie macht aber nicht geltend, die Verfügung über die
Aufbewahrung des Materials erwecke in ihrem Fall den Eindruck, sie sei
doch schuldig, obwohl das Strafverfahren von 1986 eingestellt worden
sei. Die Unschuldsvermutung ist daher im Fall der Beschwerdeführerin
nicht verletzt worden.

Erwägung 4

    4.- Ziffer 3 der angefochtenen Verfügung, in welcher die
Staatsanwaltschaft die Vernichtung der erkennungsdienstlichen Unterlagen
ablehnt, verletzt somit die persönliche Freiheit der Beschwerdeführerin
und ist aufzuheben. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt
ist zu verpflichten, die im Jahre 1986 über die Beschwerdeführerin
erhobenen erkennungsdienstlichen Unterlagen zu vernichten. Die
staatsrechtliche Beschwerde ist demnach teilweise gutzuheissen. Soweit die
Beschwerdeführerin verlangt, bei der Vernichtung des Materials anwesend
zu sein, ist die Beschwerde abzuweisen.