Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 120 IA 110



120 Ia 110

16. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 3. Juni 1994 i.S. X. gegen Regierungsrat des Kantons Appenzell
A.Rh. (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 88 OG; Legitimation.

    Der öffentlichrechtlich Angestellte, dem gekündigt wird, ist zur
Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde nicht legitimiert, soweit
das kantonale Recht die Kündigung nicht von materiellen Voraussetzungen
abhängig macht (E. 1).

Sachverhalt

    A.- X. war seit dem 1. Januar 1991 als Chefarzt an einem Regionalspital
tätig. Am 4. Dezember 1992 beschloss die Delegiertenversammlung des
zuständigen Gemeindeverbandes die Auflösung des Arbeitsverhältnisses unter
Einhaltung der sechsmonatigen Kündigungsfrist auf Ende Juni 1993. Ein
Rekurs an den Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. blieb erfolglos.

    Mit Eingabe vom 10. Mai 1993 hat X. staatsrechtliche Beschwerde an
das Bundesgericht erhoben. Er beantragt, den Beschluss des Regierungsrates
vom 23. März 1993 aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Nach Art. 88 OG steht das Recht zur Beschwerdeführung Bürgern
(Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die
sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse
oder Verfügungen erlitten haben. Gemäss ständiger Rechtsprechung kann
mit staatsrechtlicher Beschwerde lediglich die Verletzung in rechtlich
geschützten Interessen gerügt werden; zur Verfolgung bloss tatsächlicher
Vorteile oder zur Geltendmachung allgemeiner öffentlicher Interessen
ist die staatsrechtliche Beschwerde nicht gegeben (BGE 118 Ia 46 E. 3a
S. 51; 118 Ia 232 E. 1 S. 234; 117 Ia 90 E. 2a S. 93). Die eigenen
rechtlichen Interessen, auf die sich der Beschwerdeführer berufen muss,
können entweder durch kantonales oder eidgenössisches Gesetzesrecht oder
aber auch unmittelbar durch ein angerufenes spezielles Grundrecht geschützt
sein, sofern die Interessen auf dem Gebiet liegen, welches die betreffende
Verfassungsbestimmung beschlägt (BGE 118 Ia 46 E. 3a S. 51; 117 Ia 90
E. 2b S. 93). Da aus Art. 4 BV indessen kein selbständiger Anspruch auf
willkürfreies staatliches Handeln folgt (BGE 112 Ia 174 E. 3c S. 178;
110 Ia 72 E. 2a S. 75), ist die Legitimation zur Willkürbeschwerde nur
gegeben, soweit das Gesetzesrecht, dessen willkürliche Anwendung behauptet
wird, dem Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch einräumt oder gerade den
Schutz seiner beeinträchtigten Interessen bezweckt (BGE 117 Ia 90 E. 2b
S. 93). Das in Art. 4 BV enthaltene allgemeine Willkürverbot verschafft
für sich allein demnach noch keine geschützte Rechtsstellung im Sinne
von Art. 88 OG (BGE 118 Ia 46 E. 3a S. 51 mit Hinweisen).

    In Anwendung dieser Legitimationsvoraussetzungen hat das Bundesgericht
entschieden, dass der Beamte, welcher nach Ablauf der Amtsdauer nicht
wiedergewählt wird, grundsätzlich nicht befugt ist, staatsrechtliche
Beschwerde zu führen, es sei denn, das kantonale Recht räume ihm einen
Anspruch auf Wiederwahl ein (BGE 107 Ia 182 E. 2 S. 184; 105 Ia 271 E. 2
S. 272 ff.).

    b) Im vorliegenden Fall war der Beschwerdeführer nicht auf
Amtszeit gewählt. Er stand vielmehr in einem öffentlichrechtlichen
Anstellungsverhältnis, welches zeitlich zwar unbefristet war,
aber beidseits unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs
Monaten aufgelöst werden konnte. Weder gesetzlich noch vertraglich
war das Kündigungsrecht an irgendwelche materielle Voraussetzungen
geknüpft. Entsprechend fehlt es - soweit die Kündigungsfrist eingehalten
ist - an einer Norm des kantonalen Rechts, welche durch die Kündigung
willkürlich angewendet worden sein könnte. Der Beschwerdeführer ist
damit nicht in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen,
auch wenn der Regierungsrat im angefochtenen Beschluss davon ausgeht,
dass die Kündigung eines öffentlichrechtlichen Anstellungsverhältnisses
nur aus Gründen erfolgen dürfe, welche sich mit Art. 4 BV vereinbaren
liessen. Wie schon dargelegt, verschafft das Willkürverbot für sich
allein keine geschützte Rechtsstellung im Sinne von Art. 88 OG. Der
öffentlichrechtlich Angestellte, dem gekündigt wird, ist auch nicht etwa
deshalb anders zu behandeln als der nichtwiedergewählte Beamte, weil
die Kündigung in ein bestehendes Arbeitsverhältnis eingreift, während
es beim Beamten um die Erneuerung des abgelaufenen Beamtenverhältnisses
geht. Entscheidend ist nicht dieser Unterschied in der Ausgestaltung des
Dienstverhältnisses. Massgebend ist vielmehr, ob das kantonale Recht an
die Nichtwiederwahl des Beamten bzw. an die Kündigung des Angestellten
inhaltliche Voraussetzungen knüpft. Da dies hier nicht der Fall ist, kann
auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden, soweit damit
geltend gemacht wird, die Kündigung sei aus willkürlichen Gründen erfolgt.

    (Soweit der Beschwerdeführer Verfahrensfehler geltend macht, tritt
das Bundesgericht im Sinne der in BGE 114 Ia 307 E. 3c präzisierten
Rechtsprechung auf die Beschwerde ein, weist sie aber ab.)