Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 V 456



119 V 456

66. Urteil vom 21. Dezember 1993 i.S. S. AG gegen Bundesamt für
Sozialversicherung und Eidgenössisches Departement des Innern Regeste

    Art. 19 VwVG i.V.m. Art. 58 BZP, Art. 22 und 23 OG, Art. 10 VwVG:
Ausstand der Experten der Eidgenössischen Arzneimittelkommission (EAK).
Die Experten der EAK unterliegen nicht den für Richter geltenden,
besonderen Ausstandsvorschriften der Art. 22 und 23 OG (Erw. 4). Indes sind
die allgemeinen Ausstandsbestimmungen des Art. 10 Abs. 1 VwVG anwendbar
(Erw. 5).

    Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Vo VIII über die
Krankenversicherung, Art. 10 Abs. 1 lit. d VwVG: Spezialitätenliste,
Streichungsverfahren, Befangenheit. Befangenheit eines wissenschaftlichen
Experten der EAK bejaht, dessen Sohn als Forschungslaborleiter eines
Betriebes arbeitet, der zur von einer Streichungsverfügung betroffenen
Firma in einem Konkurrenzverhältnis steht (Erw. 5c).

Sachverhalt

    A.- Die Firma S. AG vertreibt das Präparat O., das 1977 als
Vasodilatator in die therapeutische Gruppe 02.04.50 (gefässerweiternde
Mittel und/oder cerebrale Aktivatoren) der Spezialitätenliste (SL)
Aufnahme fand.

    Mit Schreiben vom 4. August 1983 teilte das Bundesamt
für Sozialversicherung (BSV) der Firma S. AG mit, dass die
Eidg. Arzneimittelkommission (EAK) beschlossen habe, die
cerebral-vasoaktiven Medikamente zu überprüfen. Die Firma wurde
aufgefordert, dem BSV klinische, im Doppelblindverfahren geprüfte
Arbeiten zuzustellen. Zur Bestimmung des Ist-Zustandes seien Beiträge
aus wissenschaftlich anerkannten Zeitschriften oder Manuskripte für
Publikationen vorzuweisen, die sich mit der Wirkung des Präparates bei
Behandlung von cerebralen Erkrankungen im Alter befassten.

    Sämtliche eingereichten Studien wurden einer Arbeitsgruppe von
wissenschaftlichen Experten der EAK, bestehend aus den Professoren S.,
R. und F., zur Begutachtung unterbreitet. Die Arbeitsgruppe legte
im Februar 1984 ihren Bericht (Rapport I) vor. Dieser nimmt unter
anderem eine Klassifikation der Wirksamkeit (Kategorien A-D) vor. In
die Kategorien A und B der wirksamen Medikamente wurden nur jene mit
dem Wirkstoff Co-dergocrin (H. und Nachahmer) sowie Naftidrofuryl
(P.) eingeteilt, die übrigen kamen in die Kategorien C und D mit
ungenügender Wirksamkeit. Der Ausschuss für Grundsatzfragen und das
Plenum der EAK genehmigten den Bericht. In der Folge beantragte die EAK
dem BSV, den einzelnen Firmen das Ergebnis der Untersuchungen für das
sie betreffende Präparat und die aufgrund des Berichtes zu ziehenden
Konsequenzen bekanntzugeben. Gleichzeitig wurde das Amt ersucht, für die
von der Arbeitsgruppe in die Kategorie C oder D eingeteilten Präparate
das Streichungsverfahren einzuleiten.

    Mit Schreiben vom 18. Juli 1985 eröffnete das BSV der Firma S. AG den
Bericht der Arbeitsgruppe (unter Ausklammerung sämtlicher Hinweise auf
einzelne Präparate) sowie die Begründung der Bewertung von O., das in
die Kategorie C eingeteilt werde. Die Firma erhielt Gelegenheit, zu der
beabsichtigten Streichung Stellung zu nehmen.

    In der August-Ausgabe einer Fachzeitschrift erschien 1985 ein
Artikel von Prof. R., der sich kritisch zu den sogenannten zerebroaktiven
Medikamenten äusserte.

    Mit Schreiben vom 6. September 1985 gab die S. AG ihrem Befremden
über die erwähnte Publikation Ausdruck. Diese Veröffentlichung sei nicht
vertretbar, da die Firma zur vorgesehenen Einteilung des Präparates
O. noch nicht Stellung genommen habe.

    Das Schweizer Fernsehen widmete am 9. September 1985 einen Teil der
Sendung "Kassensturz" den cerebral-vasoaktiven Substanzen, wobei gestützt
auf die Publikation von Prof. R. das Ergebnis der Abklärungen über die
Wirksamkeit der verschiedenen Präparate dargestellt wurde.

    Am 10. Oktober 1985 liess sich die Firma S. AG zur vorgesehenen
Streichung ihres Präparates vernehmen.

    Nach Einholung eines zusätzlichen Berichtes der Arbeitsgruppe vom
15. April 1986 (Rapport II) strich das BSV das O. mit dem Wirkstoff
Vincamin mit Verfügung vom 17. Dezember 1986 aus der SL, wobei
es gleichzeitig hinsichtlich weiterer 28 Medikamente Streichungen
verfügte. Das Präparat gehöre in die Kategorie C (Medikamente, über die
verschiedene klinische Arbeiten vorliegen, die aber keine symptomatischen,
durch kontrollierte, gültige Studien nachweisbaren Verbesserungen
hervorrufen, oder die nur einen unbedeutenden Heileffekt haben).

    B.- Die Firma S. AG führte Beschwerde beim Eidg. Departement des
Innern (EDI). Sie beantragte unter Einreichung einer neuen Arbeit die
Aufhebung der Streichungsverfügung. Gerügt wurden unter anderem die
fehlende Unbefangenheit und Unparteilichkeit von Prof. R.

    Auf Antrag des BSV sistierte das EDI das Beschwerdeverfahren im
Hinblick auf erforderliche umfangreiche Abklärungen und bestätigte die
aufschiebende Wirkung der Beschwerde (Zwischenverfügung vom 22. Juni
1988). Nach Durchführung eines doppelten Schriftenwechsels wies das EDI
die Beschwerde mit Entscheid vom 29. Mai 1992 ab. Die Rüge der fehlenden
Objektivität der Experten wurde als unbegründet verworfen: "Cela vaut en
particulier pour le reproche adressé au professeur R. en raison du fait
qu'il avait déjà été appelé à traiter de la question auparavant. N'est pas
déterminant à cet égard le fait que son fils travaille dans la division
de recherche de l'entreprise S. S.A. Il en va de même pour son article
sur les médicaments dits cérébro-actifs ..., même si le moment de la
publication peut être considéré dans certains milieux comme peu opportun."

    C.- Die Firma S. AG lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben mit
den Rechtsbegehren, der Entscheid des EDI und die Verfügung des BSV seien
aufzuheben und der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zu erteilen.

    Das EDI schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

    D.- Mit Verfügung vom 1. Oktober 1992 hat der Präsident des Eidg.
Versicherungsgerichts der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die aufschiebende
Wirkung erteilt.

    Der Instruktionsrichter hat am 8. März 1993 vom BSV weitere Unterlagen
edieren lassen und eine Beweisauskunft eingeholt. Diese Aktenstücke
sind dem Rechtsvertreter der S. AG zugestellt worden, soweit sie für das
vorliegende Urteil von Bedeutung sind.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Streitig ist eine Verfügung des Bundesamtes für Sozialversicherung
betreffend Aufnahme eines Arzneimittels in die Spezialitätenliste (SL)
bzw. Streichung aus derselben gemäss Art. 3 ff. der Vo VIII über die
Krankenversicherung vom 30. Oktober 1968. Solche Verfügungen sind,
soweit sie vor dem 1. Dezember 1992 ergangen sind (vgl. Verordnung
über die teilweise Inkraftsetzung der Änderung des Bundesgesetzes
über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 18. November 1992,
AS 1992 II 2350), mangels einer anderslautenden Bestimmung des KUVG
durch Verwaltungsbeschwerde gemäss Art. 44 und 47 Abs. 1 lit. c VwVG
beim EDI anfechtbar. Dessen Entscheide unterliegen nach Art. 98 lit. b in
Verbindung mit Art. 128 OG der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidg.
Versicherungsgericht. Da es nicht um Versicherungsleistungen im Sinne von
Art. 132 OG geht, sind sie vom Eidg. Versicherungsgericht nur hinsichtlich
der Rüge der Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung
oder Missbrauch des Ermessens, nicht aber auf Angemessenheit zu prüfen;
an die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhaltes ist das Gericht
nicht gebunden (Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 1 OG; BGE 108
V 132 Erw. 1, 102 V 78 Erw. 1).

Erwägung 2

    2.- a) Nach Art. 12 Abs. 6 KUVG bezeichnet der Bundesrat nach
Anhören der von ihm bestellten Eidg. Arzneimittelkommission (EAK) die
Arzneimittel, die nicht als Pflichtleistung gelten, deren Übernahme jedoch
den Krankenkassen empfohlen wird. Die Empfehlung erfolgt in Form der vom
BSV herausgegebenen SL (Art. 3 Vo VIII). Nach Art. 4 Abs. 1 Vo VIII sind
für die Aufnahme eines Arzneimittels massgebend das medizinische Bedürfnis
(lit. a), die Zweckmässigkeit und Zuverlässigkeit in bezug auf Wirkung
und Zusammensetzung (lit. b) sowie die Wirtschaftlichkeit (lit. c). Nach
Abs. 6 der Bestimmung ordnet das EDI nach Anhören der EAK das Nähere über
die Aufnahmebedingungen. Dies ist mit der Verordnung 10 des EDI über die
Krankenversicherung betreffend die Aufnahme von Arzneimitteln in die SL
vom 19. November 1968 geschehen (BGE 110 V 111 Erw. 2, 108 V 133 Erw. 2,
102 V 79 Erw. 2).

    b) Nach Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 Vo VIII ist
ein in die SL aufgenommenes Arzneimittel auf Antrag der EAK zu streichen,
wenn es u.a. nicht mehr alle Voraussetzungen gemäss Art. 4 Abs. 1 und 2
der Verordnung erfüllt (lit. a). Streichungen sind erst nach Anhören der
Betroffenen zulässig und im Bulletin des Bundesamtes für Gesundheitswesen
zu veröffentlichen; sie treten drei Monate nach der Veröffentlichung in
Kraft, sofern nicht besondere Gründe für eine sofortige Inkraftsetzung
vorliegen (Art. 6 Abs. 2 Vo VIII).

    c) Nach Art. 12 Abs. 6 KUVG bestellt der Bundesrat die EAK und
bezeichnet nach deren Anhören die Arzneimittel und Analysen, die von den
Kassen als Pflichtleistung zu übernehmen sind, sowie die Arzneimittel,
deren Übernahme den Kassen empfohlen wird. Über Zusammensetzung, Aufgaben,
Organisation und Arbeitsweise der Kommission und ihrer Ausschüsse enthält
die Verordnung VIII über die Krankenversicherung betreffend die Auswahl
von Arzneimitteln und Analysen vom 30. Oktober 1968 in der geltenden
Fassung folgende Bestimmungen:

    "Art. 8
      1. Zusammensetzung 1 Der Bundesrat ernennt jeweils für eine
      vierjährige Amtsdauer eine

    Arzneimittelkommission, bestehend aus höchstens 28 ordentlichen

    Mitgliedern und einer angemessenen Zahl von Ersatzmitgliedern. Sie wird
   vom Direktor des Bundesamtes oder seinem Stellvertreter präsidiert
   und setzt sich zusammen aus Vertretern:

    a. des Bundesamtes für Gesundheitswesen,

    b. der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel,

    c. der Dozenten der Medizin und Pharmazie,

    d. der Krankenkassen,

    e. der Ärzte,

    f. der Apotheker,

    g. der Heilanstalten,

    h. der Laboratorien,

    i. der Versicherer nach dem Bundesgesetz vom 20. März 1981 1) über die

    Unfallversicherung (UVG).

    2 Der Armeeapotheker nimmt mit beratender Stimme an den Sitzungen der

    Arzneimittelkommission und der Ausschüsse teil.

    3 Die Mitglieder können sich an den Sitzungen der
Arzneimittelkommission
   und der Ausschüsse durch Ersatzmitglieder vertreten lassen.

    Art. 9

    2. Aufgaben

    1 Die Arzneimittelkommission bearbeitet die in Artikel 1 Absatz 1
   vorgesehenen Listen und passt sie dem jeweiligen Stand der ärztlichen

    Bedürfnisse und der Entwicklung auf dem Gebiet der Heilmittel und
Analysen
   an, wobei die Wünsche der interessierten Kreise von ihr überprüft
   werden.

    2 Sie stellt dem Departement bzw. dem Bundesamt Antrag auf Aufnahme
oder

    Streichung von Arzneimitteln und Analysen in diesen Listen sowie auf

    Festlegung der Vergütungen nach Art. 22quater Absatz 1 des Gesetzes.

    Art. 10

    3. Ausschüsse

    a. Zusammensetzung

    1 Die Arzneimittelkommission setzt zur Vorberatung einzelner Geschäfte
   aus ihrer Mitte die folgenden Ausschüsse ein:

    a. einen Ausschuss für wissenschaftliche Fragen, bestehend aus den
   wissenschaftlichen Experten;

    b. einen Ausschuss für wirtschaftliche Fragen, bestehend aus drei

    Vertretern der Krankenkassen, je zwei Vertretern der Ärzte und der

    Apotheker, einem Vertreter der Heilanstalten und einem Vertreter der

    Unfallversicherer nach UVG;

    c. einen Ausschuss für Analysenfragen, bestehend aus je drei Vertretern
   der Krankenkassen und der Laboratorien, je zwei Vertretern der Ärzte und
   der Apotheker, einem Vertreter der Heilanstalten und einem Vertreter der

    Unfallversicherer nach UVG;

    d. einen Ausschuss für Grundsatzfragen, bestehend aus zwei
   wissenschaftlichen Experten, drei Vertretern der Krankenkassen und
   je zwei

    Vertretern der Ärzte, Apotheker und Laboratorien, einem Vertreter der

    Heilanstalten und einem Vertreter der Unfallversicherer nach UVG; der

    Bundesrat ernennt ferner je zwei Vertreter der schweizerischen
Hersteller
   und der Importeure pharmazeutischer Spezialitäten, die mit beratender

    Stimme an den Arbeiten des Ausschusses teilnehmen, sofern diese nicht
   einzelne Arzneimittel zum Gegenstand haben.

    2 Die Vertreter des Bundesamtes für Gesundheitswesen und der

    Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel nehmen an den Sitzungen
   sämtlicher Ausschüsse teil.

    Art. 11

    b. Aufgaben

    1 Der Ausschuss für wissenschaftliche Fragen beurteilt die Arzneimittel
   gemäss den Vorschriften von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a und b und

    Absatz 2.

    2 Der Ausschuss für wirtschaftliche Fragen beurteilt auf Grund der

    Beschlüsse des Ausschusses für wissenschaftliche Fragen die
Arzneimittel
   gemäss der Vorschrift von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe c.

    3 Der Ausschuss für Analysenfragen beurteilt die Analysen gemäss
Artikel

    7.

    4 Der Ausschuss für Grundsatzfragen beurteilt die grundsätzlichen

    Fragen hinsichtlich der Anwendung dieser Verordnung. Er hat die

    Organisationen der in Betracht fallenden Kreise anzuhören.

    5 Die Ausschüsse werden vom Präsidenten der Arzneimittelkommission oder
   dessen Stellvertreter präsidiert. Diese können das Präsidium einem

    Mitarbeiter des Bundesamtes oder dem der Arzneimittelkommission
   angehörenden Vertreter des Bundesamtes für Gesundheitswesen übertragen."

Erwägung 3

    3.- a) Wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren lässt die
Beschwerdeführerin in prozessualer Hinsicht eine Verletzung
der Ausstandsvorschrift des Art. 10 Abs. 1 lit. d VwVG geltend
machen. Prof. R., Mitglied der von der EAK eingesetzten Arbeitsgruppe,
habe 1985 nach Eröffnung des Streichungsverfahrens und noch vor
Erlass der Verfügung des BSV vom 17. Dezember 1986 einen Artikel
betreffend das strittige Thema publiziert, in welchem er mit seinen
Untersuchungsergebnissen an die Öffentlichkeit gelangt sei. Nach dem
Erscheinen dieses Artikels habe das Schweizer Fernsehen in seiner
Sendung "Kassensturz" vom 9. September 1985 einen Teil der Sendezeit
den cerebral-vasoaktiven Substanzen gewidmet und die Ergebnisse von
Prof. R. einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Diese Sendung
habe bei den Ärzten und Patienten eine beträchtliche Verunsicherung
ausgelöst und zu einer verunglimpfenden Negativpublizität geführt. Zudem
sei der Sohn des Prof. R., Dr. R., Leiter des Forschungslabors der Firma
S. AG, welche das Konkurrenzprodukt H. herstelle. Aufgrund dieser Tatsachen
müsse Prof. R. als befangen bezeichnet werden.

    b) Gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. d VwVG haben Personen, die eine
Verfügung treffen oder diese vorbereiten, in Ausstand zu treten,
wenn sie aus anderen als den in lit. a bis c (persönliches Interesse,
Verwandtschaft oder Vertreter einer Partei) angeführten Gründen in der
Sache befangen sein könnten. Dabei unterscheidet das VwVG in Art. 10 VwVG
nicht zwischen Ausschlussgründen, die zwingend zu beachten sind, und den
Ablehnungsgründen, deren Geltendmachung den Beteiligten freisteht, wie
etwa nach der Bestimmung von Art. 22 f. OG. Vielmehr müssen sämtliche
Ausstandsgründe von Amtes wegen berücksichtigt werden (KÖLZ/HÄNER,
Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 1993, S. 74
f., Rz. 104).

    Neben dieser Bestimmung kennt die Bundesrechtspflege weitere, speziell
auf Experten zugeschnittene Regelungen. Nach Art. 19 VwVG in Verbindung
mit Art. 58 BZP gelten für Sachverständige die gleichen Ausstandsgründe,
die für die Richter in den Art. 22 und 23 OG vorgesehen sind.

Erwägung 4

    4.- Zu prüfen ist vorab, ob Prof. R. den Ausstandsregeln für Experten
unterliegt.

    a) Auszugehen ist davon, dass das Verwaltungsverfahren vor dem
BSV, in dem über die Aufnahme oder Streichung von Arzneimitteln in
die bzw. aus der SL sowie über Preisanpassungen entschieden wird,
grundsätzlich vom VwVG beherrscht ist (Art. 1 Abs. 1 und 2 lit. a
VwVG). Im Einzelfall ist zu prüfen, inwieweit die Vorschriften und
Grundsätze des Verwaltungsverfahrensrechts zum Zuge kommen. So hat sich
das Eidg. Versicherungsgericht im Zusammenhang mit der Beurteilung von
verfahrensrechtlichen Rügen in BGE 108 V 139 ff. Erw. 4c und d mit der
Rechtsstellung der EAK befasst. Es verwies auf das Urteil W. AG vom 30. Mai
1978 (RSKV 1978 S. 193 Erw. 4c), wonach die EAK "nach ihrer Zusammensetzung
und Arbeitsweise als eine im praktischen Ergebnis verwaltungsunabhängige
Fachkommission zu betrachten" sei, deren Stellungnahmen "als neutrale
Beurteilungen bewertet werden" dürften. Von der Zusammensetzung des
Gremiums zu unterscheiden sei aber dessen Funktion, die grundsätzlich eine
rein verwaltungsinterne zuhanden des Bundesrates bzw. - kraft Delegation
- des Bundesamtes sei. Aus dieser rechtlichen Stellung der EAK als einem
funktionell bloss verwaltungsinternen beratenden Gremium folge, dass die
Kommission zwar als beratendes Fachgremium beizuziehen und "anzuhören"
sei; die eigentliche Entscheidung sei aber vom Bundesrat bzw. vom BSV
zu fällen. Gegenüber dem Gesuchsteller trete grundsätzlich nur das BSV
in erster und das EDI in zweiter Instanz in Erscheinung, nicht aber die
EAK; Art. 12 lit. e VwVG und Art. 57 ff. BZP (in Verbindung mit Art. 19
VwVG) fänden daher keine Anwendung. Die bisherige Rechtsprechung sei zu
bestätigen, wonach die EAK ein neutrales und nach Zusammensetzung und
Arbeitsweise verwaltungsunabhängiges Organ darstelle, wobei aber zwischen
den Stellungnahmen interner Beratungsgremien - zu welchen die EAK gehört
- und den Sachverständigengutachten im Sinne von Art. 12 lit. e VwVG
unterschieden werden müsse (BGE 108 V 139/140 Erw. 4c und d).

    b) Es besteht kein Anlass, von dieser Rechtsprechung zu gutachtlichen
Meinungsäusserungen der EAK abzuweichen. Sie gilt umsomehr, wenn es
bloss um Vorarbeiten zu solchen Stellungnahmen geht. Dementsprechend
brauchen die Stellungnahmen der EAK resp. deren Arbeitsgruppen die
Anforderungen, welche das Gesetz an ein Sachverständigengutachten
(Art. 57 ff. BZP) stellt, nicht zu erfüllen. Prof. R. ist daher nicht als
Sachverständiger im Sinne von Art. 12 lit. e VwVG anzusehen, der nach
Art. 19 VwVG in Verbindung mit Art. 58 BZP den für Richter geltenden,
besonderen Ausstandsvorschriften unterliegt. Art. 22 und 23 OG über die
Ausschliessungs- und Ablehnungsgründe finden somit keine Anwendung.

Erwägung 5

    5.- Daraus kann indes nicht abgeleitet werden, dass die Mitglieder der
EAK von jeglichen Ausstandspflichten ausgenommen sein können. Die Aufgabe,
die an ein "neutrales" und verwaltungsunabhängiges, den Grundsätzen
gesetzmässiger Verwaltung verpflichtetes staatliches Organ gestellt ist,
lässt dies nicht zu. Ob Ausstandsgründe bestehen, ist von Fall zu Fall
und mit einer gewissen Zurückhaltung zu entscheiden, setzt sich doch die
EAK auch aus Vertretern von Organisationen und Fachschaften zusammen,
die im gesetzlichen Rahmen ihre spezifischen Interessen wahrnehmen. Die
wissenschaftlichen Experten aber haben in vermehrtem Masse dem Anspruch
auf Objektivität und Unparteilichkeit zu genügen, insbesondere wenn sie,
wie hier, gestützt auf einen Expertenauftrag des BSV und der EAK im Rahmen
einer Arbeitsgruppe eine wissenschaftliche Überprüfung und Beurteilung
von Medikamenten vorzunehmen haben. Die Rüge der Befangenheit ist daher
nach den allgemeinen Grundsätzen des Art. 10 Abs. 1 VwVG zu untersuchen.

    a) Als erstes stellt sich die Frage, ob Prof. R. im Rahmen seiner
Tätigkeit in der Arbeitsgruppe eine Verfügung "vorbereitet" hat. Dies ist -
in einem weiteren Sinne - zu bejahen. Unter Personen, die eine Verfügung
vorbereiten, fallen zwar in erster Linie administrative, juristische
oder technische Sachbearbeiter, wie dies bei der Mitarbeiterin der
Sektion 11, Abteilung Allgemeines Recht, der Generaldirektion PTT gemäss
unveröffentlichtem Urteil des Bundesgerichts vom 5.2.1990 i.S. K. der Fall
war. Indessen liegt kein Grund vor, darunter nicht auch die Mitglieder
der EAK zu verstehen. Die Kommission stellt dem BSV Antrag auf Aufnahme
oder Streichung von Arzneimitteln (Art. 9 Abs. 2 Vo VIII). Obwohl diese
Mitglieder direkt keine Verfügung vorbereiten und obgleich die eigentliche
Entscheidung beim BSV bzw. beim Bundesrat liegt, wirken sie in einem
beratenden Fachgremium mit. Dessen gutachtliche Meinungsäusserung und
Empfehlung sind erfahrungsgemäss für Aufnahme oder Verbleib eines
Medikamentes in der SL und damit für den Inhalt des zu treffenden
Entscheides weithin ausschlaggebend. Diese entscheidungsvorbereitende
Tätigkeit rechtfertigt es durchaus, die Mitglieder der EAK grundsätzlich
der Ausstandsregelung von Art. 10 Abs. 1 VwVG zu unterwerfen.

    b) Die Rechtsprechung leitet aus Art. 4 BV eine Art. 58 Abs. 1 BV
entsprechende Garantie ab für den Fall, dass ein Entscheid - statt von
einem Gericht - von einer Verwaltungsbehörde oder vom Parlament getroffen
wird (BGE 117 Ia 410 Erw. 2; KÖLZ/HÄNER, aaO, Rz. 106). Es kann daher zur
Beurteilung des Ausstandsgrundes von Art. 10 Abs. 1 lit. d VwVG die zu
Art. 58 BV (und Art. 6 Ziff. 1 EMRK) ergangene Rechtsprechung sinngemäss
herangezogen werden. Danach ist Befangenheit anzunehmen, wenn Umstände
vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit eines
Richters zu wecken. Solche Umstände können entweder in einem bestimmten
persönlichen Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen
funktionellen und organisatorischen Gegebenheiten begründet sein. In
beiden Fällen wird aber nicht verlangt, dass der Richter deswegen
tatsächlich befangen ist. Es genügt, wenn Umstände gegeben sind, die
den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit zu
begründen vermögen. Bei der Beurteilung des Anscheins der Befangenheit
und der Gewichtung solcher Umstände kann jedoch nicht auf das subjektive
Empfinden einer Partei abgestellt werden; das Misstrauen in den Richter
muss vielmehr in objektiver Weise als begründet erscheinen (BGE 118 Ia 286
Erw. 3d, 117 Ia 326, 116 Ia 33 Erw. 2b; vgl. ferner BGE 115 V 263 Erw. 5a,
je mit Hinweisen).

    c) Prof. R. gehörte in der EAK zur Gruppe der wissenschaftlichen
Experten (Dozenten der Medizin und Pharmazie). Laut Angaben des
BSV vom 23. März 1993 trat der Sohn von Prof. R., PD Dr. med. R., am
1. September 1982 in die Dienste der S. AG und arbeitete als Leiter des
Forschungslabors dieser Firma. In die Überprüfung der Wirksamkeit der
Medikamente einer ganzen therapeutischen Gruppe durch die Arbeitsgruppe
S./R./F. wurde auch das Präparat H. der S. AG einbezogen (das zusammen
mit den Nachahmern als einziges in die Kategorie A kam und mit wenigen
anderen Präparaten als wirksam in der SL verblieben ist). Angesichts des
engen Verwandtschaftsverhältnisses und der wichtigen Position des Sohnes
von Prof. R. bei der S. AG sind in der Tat objektive Umstände gegeben,
die den Anschein der Befangenheit wecken können. Weil der blosse, objektiv
gerechtfertigte Anschein genügt, kommt es nicht darauf an, ob Anhaltspunkte
für eine tatsächliche Voreingenommenheit von Prof. R. bestehen.
Der Anspruch der Beschwerdeführerin auf richtige, d.h. unparteiische
Zusammensetzung der entscheidenden Verwaltungsbehörde ist verletzt.

    Daran ändert nichts, dass Prof. R. die wissenschaftliche Überprüfung
der Medikamente im Rahmen einer dreiköpfigen Arbeitsgruppe vorgenommen hat,
bei der gemäss Darstellung des BSV das Einstimmigkeitsprinzip galt. Auch
ist entgegen der Auffassung des BSV irrelevant, ob das Präparat H. schon
1956 in die SL aufgenommen worden ist und PD R. an der Entwicklung dieses
Medikamentes nicht beteiligt war. Schliesslich bestehen keine Zweifel
darüber, dass eine Firma befugt ist, im Streichungsverfahren gegen eines
ihrer Medikamente Befangenheitsgründe gegen einen Experten geltend zu
machen, die sich aus dessen Verhältnis zur Firma oder zu den Mitarbeitern
eines Konkurrenzbetriebes ergeben, dessen Medikamente gleichzeitig einer
Wirksamkeitsüberprüfung unterzogen werden. Die Tatsache, dass die S. AG
in diesem Verfahren nicht Partei ist, kann daher keine Rolle spielen.

    d) Genügen die geltend gemachten besonderen Verhältnisse für sich
allein betrachtet, um den Anschein der Befangenheit zu wecken, kann
dahingestellt bleiben, ob die Tatsache, dass Prof. R. vorzeitig und gegen
beschlossene Vorgehensweisen in die Medien gelangte, ebenfalls geeignet
wäre, Anlass zu begründeter Besorgnis hinsichtlich der Unbefangenheit
dieses Sachverständigen zu geben. Ebenso braucht nicht geprüft zu werden,
ob bei der gegebenen Aktenlage die Streichungsverfügung materiell
begründet war.

Erwägung 6

    6.- Obwohl das Verfahren grundsätzlich kostenpflichtig ist (Art. 134
OG), können dem BSV keine Gerichtskosten auferlegt werden (Art. 156
Abs. 2 OG).

Entscheid:

        Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass

    der Entscheid des Eidg. Departementes des Innern vom 29. Mai 1992
und die

    angefochtene Verfügung vom 17. Dezember 1986 aufgehoben werden und die

    Sache an das Bundesamt für Sozialversicherung zurückgewiesen wird,
damit

    dieses, nach nochmaligem Anhören der Eidg. Arzneimittelkommission ohne

    Mitwirkung von Prof. R., über die Streichung des Medikamentes O. neu

    befinde.  II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.