Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 V 208



119 V 208

30. Urteil vom 5. Mai 1993 i.S. S. gegen Bundesamt für Militärversicherung
und Verwaltungsgericht des Kantons Bern Regeste

    Art. 4 BV, Art. 12, 29 VwVG, Art. 49, 60 BZP, Art. 11 Abs. 1 und 4 MVG:
Einvernahme des Sachverständigen in Abwesenheit des Versicherten.

    - Die nach Erstattung des schriftlichen Gutachtens erfolgende
Rücksprache mit dessen Verfasser wird im Bereich der Militärversicherung
durch Art. 11 Abs. 1 MVG gedeckt, welche Bestimmung verlangt, dass der
wesentliche Gehalt des Gesprächs im Protokoll festzuhalten ist; insofern
wird im vorliegenden Fall eine summarische Aktennotiz als ungenügend
erachtet (E. 4c).

    - Verzicht auf die aus dem Gehörsanspruch fliessenden Rechte verneint,
obwohl deren Verletzung erstmals im letztinstanzlichen Verfahren gerügt
wurde (E. 5a).

    - Bejahung eines Anspruchs des Versicherten auf Teilnahme am Gespräch
mit dem Sachverständigen, bei dem es darum ging, seine gegen das Gutachten
erhobenen Einwendungen zu erörtern; mögliche Voraussetzungen, unter denen
die Verwaltung vom Beizug des Versicherten absehen könnte (E. 5b, c).

    - Heilung der Gehörsverletzung verneint, da die Abwesenheit des
Versicherten oder seiner Rechtsvertreterin bei der Einvernahme des
Gutachters durch die nachträglichen Äusserungsmöglichkeiten nicht annähernd
aufgewogen wird (E. 6).

Sachverhalt

    A.- Der 1964 geborene, als Landwirt im Betrieb seines Vaters tätige
Urs S. verunfallte am 18. Januar 1988 während eines militärischen
Wiederholungskurses und zog sich dabei verschiedene Verletzungen,
namentlich des linken Handgelenkes zu, die mehrere Operationen zur
Folge hatten. Ab 1. März 1989 richtete ihm die Militärversicherung eine
Erwerbsausfallentschädigung von 30% aus. Seinerseits stimmte er am 13.

    Dezember 1989 einem Vorschlag der Militärversicherung zu, wonach ihm
eine Integritätsentschädigung von 5% - unter gleichzeitiger Anordnung
ihres Auskaufs im Betrag von Fr. 27'859.45 per 1. Januar 1989 - bezahlt
werden sollte.

    Gemäss Bericht des Kreisarztes vom 19. Juli 1989 beträgt die
Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des Versicherten zwischen einem Viertel
und einem Drittel. Mit Blick auf die erwerblichen Auswirkungen dieser
Arbeitsunfähigkeit veranlasste das Bundesamt für Militärversicherung (BAMV)
- im Einverständnis mit dem Versicherten - ein betriebswirtschaftliches
Gutachten, das am 31. August 1990 erstattet wurde.

    Mit vorläufiger Mitteilung vom 30. Oktober 1990 eröffnete das BAMV
dem Versicherten, dass er für die medizinisch-theoretische Einschränkung
seiner Arbeitsfähigkeit von 30% in Form von Krankengeld bis 31. Dezember
1990 entschädigt werde, weitere Leistungen ab diesem Zeitpunkt hingegen
ausser Betracht fielen. Gegen den gleichlautenden Vorschlag vom
14. November 1990 liess Urs S. am 17. Dezember 1990 Einspruch erheben
mit dem Antrag, es sei ihm eine Invalidenrente auf der Grundlage 20%iger
Erwerbsunfähigkeit auszurichten. Hierauf verfügte das BAMV am 5. März
1991, dass dem Versicherten für die Folgen der dienstlichen Schädigung -
unter Wahrung seiner künftigen Rechte - zur Zeit keine Invalidenrente
ausgerichtet werde. Zur Begründung wurde unter Berufung auf das Gutachten
vom 31. August 1990 im wesentlichen angeführt, für den gut ausgebildeten
Versicherten lasse sich im vielseitigen väterlichen Betrieb zumutbarerweise
eine vollzeitige Beschäftigung finden.

    B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Bern mit Entscheid vom 10. Februar 1992 ab.

    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Urs S. die Ausrichtung
einer Invalidenrente ab 1. Januar 1991, errechnet auf der Grundlage
25%iger Erwerbsunfähigkeit und eines entgehenden Jahreseinkommens von
wenigstens Fr. 36'480.-- beantragen.

    Das BAMV schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Kognition)

Erwägung 2

    2.- Streitig ist zur Hauptsache, ob der Beschwerdeführer ab 1. Januar
1991 Anspruch auf die Ausrichtung einer Invalidenrente hat. In der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden indes zugleich Verletzungen des
rechtlichen Gehörs geltend gemacht, welche Rügen - aufgrund der formellen
Natur des Gehörsanspruchs - vorweg zu behandeln sind (BGE 118 Ia 18 E. 1a
mit Hinweisen).

Erwägung 3

    3.- a) Der Beschwerdeführer sieht seinen Gehörsanspruch deshalb
verletzt, weil die Verwaltung ohne sein Beisein nach Erhalt des
betriebswirtschaftlichen Gutachtens vom 31. August 1990 mit dessen
Verfasser über ihre - in einem mehrseitigen Arbeitspapier festgehaltene -
Würdigung des Gutachtens diskutiert habe. Überdies sei die Verwaltung
mit dem Gutachter im Blick auf die Widerlegung der im Einspruch vom
17. Dezember 1990 geäusserten Einwände in eine intensive Debatte
eingetreten, deren Ergebnisse sich in einem vierseitigen Bericht
niedergeschlagen hätten, ohne dass ihm selbst oder seiner damaligen
Rechtsvertreterin Gelegenheit zur Teilnahme und ergänzenden Fragestellung
eingeräumt worden wäre.

    b) Das sozialversicherungsrechtliche Verwaltungs- und
Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren ist vom Untersuchungsgrundsatz
beherrscht, indem Verwaltung und Sozialversicherungsrichter von sich
aus für die richtige und vollständige Abklärung des Sachverhaltes
zu sorgen haben. Dieser Grundsatz gilt indes nicht uneingeschränkt,
sondern wird in zweifacher Hinsicht ergänzt: durch die Mitwirkungspflicht
des betroffenen Versicherten (BGE 117 V 263 E. 3b) sowie durch die im
Anspruch auf rechtliches Gehör enthaltenen Parteirechte auf Teilnahme am
Verfahren und auf Einflussnahme auf den Prozess der Entscheidfindung (BGE
117 V 283 E. 4a). In diesem Sinne dient das rechtliche Gehör einerseits
der Sachaufklärung, anderseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes
Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheides dar, der in die
Rechtsstellung des einzelnen eingreift (BGE 118 Ia 19 E. 1c, 109 E.
3b). Dazu gehört auch das Recht, an der Erhebung wesentlicher Beweise
mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn
dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 117 V 283 E. 4a
mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung). Im Verwaltungsverfahren
gilt dieses Mitwirkungs- oder Äusserungsrecht des Betroffenen namentlich
im Zusammenhang mit der Durchführung eines Augenscheins (BGE 116 Ia 99
E. 3b, 113 Ia 82 E. 3a, 112 Ia 5 E. 2c), der Befragung von Zeugen (BGE 92
I 260 E. 3) sowie bezüglich eines Expertengutachtens (BGE 101 Ia 311 E. 1b
und E. 2a, 99 Ia 46). Infolgedessen darf auf diese Beweismittel bei der
Entscheidung nicht abgestellt werden, ohne dem Betroffenen Gelegenheit
zu geben, an der Beweisabnahme mitzuwirken oder wenigstens nachträglich
zum Beweisergebnis Stellung zu nehmen (zum Ganzen: BGE 117 V 283 E. 4a
mit weiteren Hinweisen).

    c) Diese aus Art. 4 BV abgeleiteten Minimalgarantien haben
ihren positivrechtlichen Niederschlag im VwVG (Art. 12 f.,
18, 19, 29 ff.) gefunden (KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und
Verwaltungsrechtspflege des Bundes, Zürich 1993, S. 86, Rz. 127; SALADIN,
Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, Basel 1979, S. 131 Rz. 16.225;
unveröffentlichtes Urteil M. vom 20. Oktober 1992; vgl. ferner
BGE 111 Ib 328 am Ende), welches Gesetz im Verwaltungsverfahren der
Militärversicherung grundsätzlich Anwendung findet (Art. 1 Abs. 1 und 2
lit. a VwVG).

    Für die im Falle des Beschwerdeführers erfolgte Beweiserhebung
enthält das VwVG eine eigene Regelung (Art. 12-18), die sowohl durch
das MVG selbst (Art. 11 MVG in Verbindung mit Art. 4 VwVG) als auch
durch das Bundesgesetz über den Bundeszivilprozess (Art. 37, 39-41,
43-61 BZP in Verbindung mit Art. 19 VwVG) ergänzt wird. Danach fallen
als Beweismittel nebst Urkunden, Auskünften der Parteien und Augenschein
(Art. 12 lit. a, b, d VwVG) insbesondere Auskünfte oder Zeugnis von
Drittpersonen (Art. 12 lit. c VwVG) sowie Gutachten von Sachverständigen
in Betracht (Art. 12 lit. e VwVG). Als spezialgesetzliche Bestimmung sieht
sodann Art. 11 Abs. 1 MVG vor, dass die Militärversicherung jederzeit
den Leistungsansprecher, seine Angehörigen, aber auch Drittpersonen
einvernehmen kann (Satz 2), wobei über jede Einvernahme ein Protokoll
zu erstellen ist (Satz 3). Endlich findet sich im Schrifttum die - hier
nicht weiter zu überprüfende - Ansicht, dass im Verwaltungsverfahren
auch weitere, im Gesetz nicht genannte Beweismittel berücksichtigt werden
könnten; zugleich wird allerdings klargestellt, dass Drittpersonen ohne
Parteistellung nur insoweit in Pflicht genommen werden dürften, wie es
das Gesetz vorsehe (KÖLZ/HÄNER, aaO, S. 80, Rz. 116).

    d) In Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Gehörsanspruchs
vermittelt das Gesetz dem betroffenen Versicherten bei
Sachverständigengutachten das Recht (Art. 11 Abs. 4 MVG, Art. 19 VwVG
in Verbindung mit Art. 57 Abs. 2 und 58 Abs. 2 BZP), sich vorgängig zur
Fragestellung zu äussern, Abänderungs- oder Ergänzungsanträge zu stellen,
aber auch zur in Aussicht genommenen Person des Gutachters Stellung
zu nehmen (KÖLZ/HÄNER, aaO, S. 92, Rz. 140). Sodann besteht für ihn im
Rahmen des Zeugenbeweises grundsätzlich Anspruch darauf, der Einvernahme
beizuwohnen und Ergänzungsfragen zu stellen (Art. 18 VwVG).

    Was die Form der einzelnen Beweisvorkehren anbelangt, ist zunächst
für die Auskünfte von Drittpersonen festzuhalten (Art. 12 lit. c VwVG),
dass diese gemäss dem hier ergänzend anwendbaren Art. 49 BZP schriftlich
zu erfolgen haben, wobei sie unter Umständen der Bekräftigung durch
(gerichtliches) Zeugnis bedürfen (BGE 117 V 284 E. 4b). Immerhin fällt
die mündliche Auskunft im Bereich des militärversicherungsrechtlichen
Verwaltungsverfahrens insofern nicht ausser Betracht, als Art. 11 Abs. 1
die Möglichkeit der - naturgemäss mündlichen - Einvernahme vorsieht.
Hinsichtlich der Gutachten von Sachverständigen spricht sodann Art. 60
Abs. 1 BZP von der Erstattung "in mündlicher Verhandlung zu Protokoll". Ob
diese auf die Bedürfnisse des Zivilprozesses zugeschnittene Möglichkeit
auch im Verwaltungsverfahren besteht, scheint zweifelhaft. Wie sich indes
aus Art. 11 Abs. 4 Satz 5 MVG zumindest sinngemäss ergibt, sind jedenfalls
die im militärversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahren eingeholten
Gutachten schriftlich zu erstatten (vgl. bereits SCHATZ, Kommentar zur
Eidgenössischen Militärversicherung, Zürich 1952, zu alt Art. 11 Abs. 3
MVG, S. 96), so dass dieser Frage hier nicht weiter nachzugehen ist.

Erwägung 4

    4.- a) Im vorliegenden Fall steht ausser Frage, dass die Verwaltung
bei der Einholung des Gutachtens im Lichte der anwendbaren Bestimmungen
(Art. 11 Abs. 4 und 5 MVG; Art. 57 f. BZP in Verbindung mit Art.
19 VwVG) einwandfrei verfahren ist, indem sie dem Expertenvorschlag des
Beschwerdeführers stattgab, die von ihm unterbreiteten Fragen aufgriff und
ihn nicht nur über die Bestellung des Gutachters, sondern auch über das
Ergebnis der getroffenen Abklärungen einlässlich unterrichtete. Ebenso
muss sich die Verwaltung mit Bezug auf die Einräumung einer Gelegenheit
zur nachträglichen Stellungnahme zum Gutachten selbst keine Versäumnisse
vorwerfen lassen. Zu Recht wird denn auch in dieser Hinsicht keinerlei
Kritik geübt.

    Fraglich ist indes, ob das Vorgehen der Verwaltung insoweit standhält,
als sie nach Einsicht in das Gutachten mit seinem Verfasser zweimal
Rücksprache nahm, zuerst um mit ihm über ihre eigene Interpretation der
Expertise zu diskutieren (22. Oktober 1990) und schliesslich um seine
Stellungnahme zu den im Einspruch des Beschwerdeführers gegen das Gutachten
erhobenen Einwänden einzuholen (9. Januar 1991). Beide Rücksprachen
geschahen mündlich, ohne vorgängige Orientierung des Beschwerdeführers und
ohne dessen Beisein, wobei von der ersten Kontaktnahme bloss eine äusserst
kurz gehaltene Aktennotiz zeugt, während die zweite Besprechung ihren
Niederschlag in einem rund vierseitigen Protokoll fand, das der damaligen
Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers am 28. Januar 1991 eröffnet wurde.

    b) Im Lichte der dargelegten Beweisformen und des Anspruchs auf
Gewährung des rechtlichen Gehörs weckt das - auf die Klärung des
Sachverhaltes abzielende und damit ohne weiteres der Beweiserhebung
zuzuordnende - Vorgehen der Verwaltung in der Tat Bedenken. Zwar kann
es ihr keinesfalls von vornherein versagt sein, nach Erstattung eines
Gutachtens mit dessen Verfasser Kontakt aufzunehmen, um den einen
oder anderen unklaren Punkt zu erhellen. Im Hinblick auf die dabei
in Frage stehenden Verfahrensrechte des betroffenen Versicherten hat
sie indes die von Verfassungs- und Gesetzes wegen bestehenden Vorgaben
zu beachten. Namentlich wenn es - wie im vorliegenden Fall - nicht nur
darum geht, blosse Nebenpunkte, insbesondere Indizien oder Hilfstatsachen
festzustellen, sondern um den Gehalt eines Gutachtens, dem für Beurteilung
des geltend gemachten Leistungsanspruchs grundlegende Bedeutung zukommt,
kann es die Verwaltung nicht bei formlosen mündlichen Rücksprachen mit
dem Gutachter bewenden lassen. Selbst wenn die Ergebnisse einer solchen
Rücksprache in einer Aktennotiz festgehalten werden, fehlt dem Betroffenen
jede Möglichkeit zur Überprüfung der gestellten Fragen und der gemachten
Sachverhaltsangaben; ebenso fehlt die Gelegenheit, der Auskunftsperson
Ergänzungsfragen zu stellen und allenfalls unrichtige oder unvollständige
Sachverhaltsangaben zu korrigieren oder zu ergänzen (BGE 117 V 285;
101 Ib 276).

    c) Nach dem Gesagten vermag jedenfalls die durch die Aktennotiz
vom 22. Oktober 1990 ausgewiesene, mit Blick auf ihre Tragweite aber nur
angedeutete Kontaktnahme mit dem Sachverständigen keiner der gesetzlich
vorgegebenen Beweisformen zu genügen. Denn wenn diese - als Möglichkeit
weder in Art. 11 Abs. 4 MVG noch in Art. 12 lit. c VwVG in Verbindung
mit Art. 49 BZP vorgesehene - mündliche Rücksprache den Einvernahmen
im Sinne von Art. 11 Abs. 1 MVG zugeordnet würde, wäre die Verwaltung
bereits kraft Gesetzes verpflichtet gewesen, wenigstens den wesentlichen
Gehalt des Gesprächs im Protokoll festzuhalten. Selbst wenn das ergänzende
Gespräch mit dem Gutachter als vom Gesetz nicht ausdrücklich geregelte
Beweisvorkehr anerkannt würde - was sich allerdings auch im Lichte der
vorerwähnten Lehrmeinung kaum halten liesse (KÖLZ/HÄNER, aaO, S. 80,
Rz. 116) -, hätte dieselbe Verpflichtung unmittelbar aufgrund von Art. 4 BV
bestanden (vgl. zum Ganzen: BGE 117 V 285; 106 Ia 75; unveröffentlichter
Bundesgerichtsentscheid B. vom 25. November 1987; Thomas COTTIER, Der
Anspruch auf rechtliches Gehör, "recht" 1984 Nr. 4 S. 123; Rolf TINNER,
Das rechtliche Gehör, ZSR 83/1964 II S. 346 ff.).

    Um dem Anspruch auf rechtliches Gehör des Beschwerdeführers zu genügen,
hätte es somit die Verwaltung nicht beim kurzen Vermerk bewenden lassen
dürfen, der Sachverständige stimme mit all ihren Schlussfolgerungen überein
bzw. könne ihre Interpretation des Gutachtens voll unterstützen; dies um
so weniger, als im Rahmen derselben Aktennotiz ebenfalls festgehalten
wurde, das zum Gutachten erstellte Arbeitspapier der Verwaltung sei
"eingehend diskutiert" worden, womit immerhin minimale Anzeichen dafür
bestehen, dass der fraglichen Rücksprache ein gewisses Mass an Kontroverse
nicht abging. Gerade bei dieser Sachlage müsste das Protokoll näheren
Aufschluss über den konkreten Verlauf des Gesprächs geben in dem Sinne,
dass wenigstens die zentralen Diskussionspunkte aufzuzeichnen gewesen
wären. Nachdem es bereits hieran gebricht, leidet die Rücksprache
vom 22. Oktober 1990 an einem Verfahrensmangel, der einer Verletzung
des Gehörsanspruchs gleichkommt. Bei diesem Ergebnis erübrigen sich
weitere Ausführungen darüber, ob dieses Gespräch in Anwesenheit des
Beschwerdeführers zu führen gewesen wäre, wie auch der Frage nicht weiter
nachzugehen ist, ob sich die Verwaltung gar telefonisch mit dem Gutachter
unterhielt.

    d) Welche Verfahrensweise bei der gegebenen Sachlage angezeigt gewesen
wäre, ist hier nicht zu entscheiden. Am Rande sei jedoch zuhanden der
Verwaltung erwähnt, dass sie sich mit Blick auf die Verfahrensrechte des
Beschwerdeführers am besten mittels schriftlicher Anfrage an den Experten
gewandt hätte, um diesen zu einer ebenfalls schriftlichen Stellungnahme zu
bewegen, die alsdann dem Beschwerdeführer - im Rahmen der Akteneinsicht -
zu eröffnen gewesen wäre. Nachdem letzterer nach Erhalt des Gutachtens
seinerseits keine ergänzende Abklärung verlangt hatte (Art. 11 Abs. 5
MVG), hätte es sich in diesem Verfahrensstadium erübrigt, ihm die
Zusatzfragen vorgängig zur Stellungnahme zu unterbreiten (Art. 57 Abs. 2
BZP; vgl. auch KÖLZ/HÄNER, aaO, S. 81, Rz. 119). Mit diesem Vorgehen wäre
zugleich die bei einer mündlichen Einvernahme sich stellende Frage eines
allfälligen Beizugs des Beschwerdeführers von selbst erledigt gewesen;
desgleichen hätten die Unzulänglichkeiten, wie sie der Protokollierung
an sich anhaften, von vornherein vermieden werden können.

Erwägung 5

    5.- a) Was sodann die nach dem Einspruch des Beschwerdeführers am
9. Januar 1991 erfolgte zweite Rücksprache mit dem Gutachter anbetrifft,
wird auch sie von den in Art. 11 Abs. 4 MVG und in Art. 12 lit. c VwVG
in Verbindung mit Art. 49 BZP geregelten Beweisformen nicht erfasst,
und es bleibt als ausdrückliche gesetzliche Grundlage wiederum einzig
die Einvernahme gemäss Art. 11 Abs. 1 MVG.

    Verglichen mit der ersten Rücksprache verhält es sich mit der zweiten
insofern anders, als die dabei ergangene Stellungnahme des Gutachters durch
einen eingehenden Bericht aktenkundig ist. Obwohl darin die seitens der
Verwaltung gestellten Fragen nicht im einzelnen festgehalten wurden, gehen
sie daraus zumindest indirekt hervor, womit sich gegen den betreffenden
Bericht aus Sicht der Protokollierungspflicht (Art. 11 Abs. 1 MVG) nichts
einwenden lässt. Gleiches gilt ferner in bezug auf die Gelegenheit zur
nachträglichen Stellungnahme (BGE 117 V 283 E. 4a), indem die Verwaltung
am 28. Januar 1991 eine Kopie des Berichts der damaligen Rechtsvertreterin
des Beschwerdeführers zustellte, wobei von dieser Seite bis zu dem am
5. März 1991 erfolgten Verfügungserlass keine Einwendungen ergingen.

    Erst im Verfahren vor dem Eidg. Versicherungsgericht wird nunmehr
erstmals bemängelt, dass auch das zweite Gespräch mit dem Gutachter
ohne Beisein des Beschwerdeführers oder seiner Rechtsvertreterin
geführt wurde. Dieser späten Geltendmachung steht prozessual nichts
entgegen. Denn zum einen kann die (Rechts-)Frage einer allfälligen
Verletzung des Gehörsanspruchs vom Sozialversicherungsrichter ohnehin
von Amtes wegen aufgegriffen werden (BGE 116 V 185 E. 1a). Zum andern
darf unter den gegebenen Umständen nicht kurzerhand darauf geschlossen
werden, der Beschwerdeführer habe sich durch sein Verhalten im kantonalen
Beschwerdeverfahren mit einer Verletzung seiner Verfahrensrechte im Sinne
eines diesbezüglichen endgültigen Verzichts bereits abgefunden (BGE 107
V 248 E. 1b).

    b) Das Eidg. Versicherungsgericht hat in seinem hier bereits
mehrfach zitierten Urteil W. vom 6. Dezember 1991 festgehalten
(BGE 117 V 282), dass bei einer (ausnahmsweise) mündlich erfolgenden
Befragung einer Auskunftsperson dem betroffenen Versicherten in der Regel
Gelegenheit eingeräumt werden muss, der Einvernahme beizuwohnen. Soweit
Sachverständige nicht mit einem schriftlichen Gutachten beauftragt, sondern
als Auskunftspersonen mündlich befragt werden, ist ihnen vorgängig Einblick
in die Akten zu gewähren und ist die Einvernahme in der Regel ebenfalls in
Anwesenheit des Betroffenen durchzuführen, damit dieser Ergänzungsfragen
stellen und Einwendungen erheben kann (BGE 117 V 285 f. mit Hinweisen).

    Obwohl das Gesetz mit Bezug auf die Einvernahme im Sinne von Art. 11
Abs. 1 MVG die Anwesenheit des betroffenen Versicherten nicht ausdrücklich
verlangt, kann nicht zweifelhaft sein, dass dieser - unmittelbar aus dem
verfassungsrechtlichen Gehörsanspruch herleitbaren, als Regel vorgesehenen
- Verfahrensweise auch im Anwendungsbereich der betreffenden Bestimmung
Nachachtung zu verschaffen ist. Damit eröffnet sich freilich die -
bislang nie ausdrücklich abgehandelte - Frage, unter welchen Umständen
Abweichungen von der Regel zuzulassen sind.

    c) Für die Beantwortung der gestellten Frage bietet nebst der
gesetzlichen Ausgestaltung der Zeugeneinvernahme (Art. 18 VwVG) die
zur Teilnahme am Augenschein ergangene Rechtsprechung (BGE 116 Ia 100
oben) eine brauchbare Entscheidungshilfe. In sinngemässer Anwendung der
dort erarbeiteten Grundsätze ist der Verwaltung die Möglichkeit einer
Einvernahme ohne Beisein des Betroffenen jedenfalls dann zuzugestehen,
wenn schützenswerte Interessen Dritter oder des Staates dies gebieten
(vgl. Art. 18 Abs. 2 VwVG; BGE 116 Ia 100 oben). Des weiteren liesse
sich erwägen, von einem Beizug des Versicherten auch dann abzusehen,
wenn besondere zeitliche Dringlichkeit besteht oder wenn die Einvernahme
ihren Zweck überhaupt nur in dessen Abwesenheit erfüllen kann (BGE
116 Ia 100 oben; vgl. ferner Rhinow/Krähenmann, Schweizerische
Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Nr. 82 lit. c).

    Ob die beiden letzteren - im Zusammenhang mit dem Augenschein
zusätzlich anerkannten - Ausnahmen auch im hier beschlagenen Bereich
(Art. 11 Abs. 1 MVG) zuzulassen sind, mag offenbleiben, zumal im
vorliegenden Fall nichts ersichtlich ist, was in diese Richtung weisen
könnte. Fehlt es anderseits zugleich an wesentlichen öffentlichen
oder privaten Interessen, die eine Einvernahme des Sachverständigen in
Abwesenheit des Betroffenen geboten hätten, ergibt sich im weiteren die
Frage, ob allenfalls - bezogen auf Art. 11 Abs. 1 MVG - weitere Ausnahmen
von der Regel anzuerkennen sind. Indes besteht im vorliegenden Fall auch
diesbezüglich kein Anlass zu einer abschliessenden Antwort, sondern es
genügt, wenn sie mit Blick auf den konkreten Fall verneint wird. Dabei
ist insbesondere dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Rücksprache vom
9. Januar 1991 nicht mit einer beliebigen Drittperson erfolgte, sondern
mit dem Verfasser eines 25seitigen Gutachtens. Es wurde also mit dem
Sachverständigen eine Person befragt, deren Stellungnahmen wesensgemäss
gewichtig, in manchen Fällen gar streitentscheidend sind. Hinzu kommt im
vorliegenden Fall das bereits Gesagte, dass sich die fragliche Rücksprache
keineswegs in der Erörterung irgendwelcher Nebenpunkte erschöpfte,
sondern sich auf die seitens des Beschwerdeführers am Gutachten selbst
geübte Kritik bezog, die dessen Verwendung an sich in Frage gestellt
hatte. Insofern handelte es sich bei der Rücksprache um eine zentrale
Beweisvorkehr, wobei unerheblich bleibt, dass es dabei nicht mehr um die
Erstattung des Gutachtens an sich ging, dieses vielmehr längst vorlag
und dem Beschwerdeführer bereits eröffnet worden war.

    Unter diesen Umständen ist nichts zu ersehen, was den Beizug des
Beschwerdeführers von vornherein erübrigt hätte oder die entsprechende
Unterlassung der Verwaltung zu rechtfertigen vermöchte.

Erwägung 6

    6.- Zusammenfassend ergibt sich somit, dass der Gehörsanspruch des
Beschwerdeführers im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zweifach verletzt
wurde. Einerseits ist zu bemängeln, dass die Verwaltung die am 22. Oktober
1990 genommene erste Rücksprache mit dem Gutachter nicht hinreichend
protokollierte; anderseits missachtete sie die Verfahrensrechte des
Beschwerdeführers insofern, als die zweite Rücksprache vom 9. Januar
1991 in dessen Abwesenheit stattfand, ohne dass dieser Schritt
sachlich begründet gewesen wäre. Der Verfügung vom 5. März 1991 und
dem angefochtenen Gerichtsentscheid liegt demnach eine in Verletzung
des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergangene Sachverhaltsfeststellung
zugrunde, die mit dem Gehalt des letztlich streitentscheidenden Gutachtens
einen wesentlichen Punkt beschlug. Aufgrund des Zusammenhanges zwischen
dem Gutachten und den mit dessen Verfasser erfolgten Rücksprachen ändert
hieran der Umstand nichts, dass als eigentliche Entscheidungsgrundlage -
wenigstens dem Anschein nach - letztlich nur mehr das Gutachten selbst
diente.

    Schliesslich ist die von der Rechtsprechung in nicht besonders
schwerwiegenden Fällen ausnahmsweise zugelassene Möglichkeit einer
Heilung der Verfahrensmängel zu verwerfen (BGE 116 V 186 E. 1b; ZAK
1992 S. 92 E. 2b, 1991 S. 99 E. 4). Zwar liesse sich der unzulänglichen
Protokollierung der ersten Rücksprache im Rahmen der Beweiswürdigung
noch insofern Rechnung tragen, als der betreffenden Aktennotiz schlicht
jeglicher Beweiswert abgesprochen würde. Weit schwerer wiegt indes der
zweite Mangel, zumal die Abwesenheit des Beschwerdeführers oder seiner
Rechtsvertreterin bei der damaligen Einvernahme des Gutachters durch die
nachträglichen Äusserungsmöglichkeiten nicht annähernd aufgewogen wird
(BGE 116 V 187 E. 3c; 105 Ia 197 E. 1b/cc). Richtet sich im übrigen
das Interesse des Beschwerdeführers offenbar nicht auf eine möglichst
beförderliche Beurteilung seines Anspruchs (vgl. BGE 116 V 187 E. 3d),
sondern auf die Durchsetzung eines in formeller Hinsicht korrekten
Verfahrens, sind die Verfügung und der angefochtene Gerichtsentscheid
aufzuheben, ohne dass es darauf ankäme, ob Aussicht besteht, dass nach
einem richtig durchgeführten Beweisverfahren anders entschieden würde
(BGE 117 V 286 E. 5b mit Hinweisen).

Erwägung 7

    7.- Parteientschädigung

Entscheid:

        Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass
der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 10. Februar 1992
sowie die Verfügung des Bundesamtes für Militärversicherung vom 5. März
1991 aufgehoben werden und die Sache an die Verwaltung zurückgewiesen wird,
damit diese im Sinne der Erwägungen verfahre und über den Rentenanspruch
des Beschwerdeführers neu verfüge.