Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 V 161



119 V 161

23. Auszug aus dem Urteil vom 13. Mai 1993 i.S. P. Verlag AG gegen
Ausgleichskasse Zürcher Arbeitgeber und AHV-Rekurskommission des Kantons
Zürich Regeste

    Art. 5 Abs. 2, Art. 9 Abs. 1 AHVG: Beitragsstatut des freien
Journalisten. Freierwerbenden Journalisten, welche regelmässig für die
nämliche Zeitschrift arbeiten, kommt für diese Tätigkeit in der Regel
die Stellung eines Unselbständigerwerbenden zu.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht Erwerbstätiger
richtet sich unter anderem danach, ob das in einem bestimmten Zeitraum
erzielte Erwerbseinkommen als solches aus selbständiger oder aus
unselbständiger Erwerbstätigkeit zu qualifizieren ist (Art. 5 und 9 AHVG
sowie Art. 6 ff. AHVV). Nach Art. 5 Abs. 2 AHVG gilt als massgebender
Lohn jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte oder
unbestimmte Zeit geleistete Arbeit; als Einkommen aus selbständiger
Erwerbstätigkeit gilt nach Art. 9 Abs. 1 AHVG jedes Einkommen, das nicht
Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit darstellt.

    Nach der Rechtsprechung beurteilt sich die Frage, ob im
Einzelfall selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit
vorliegt, nicht aufgrund der Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses
zwischen den Parteien. Entscheidend sind vielmehr die wirtschaftlichen
Gegebenheiten. Die zivilrechtlichen Verhältnisse vermögen dabei allenfalls
gewisse Anhaltspunkte für die AHV-rechtliche Qualifikation zu bieten,
ohne jedoch ausschlaggebend zu sein. Als unselbständig erwerbstätig
ist im allgemeinen zu betrachten, wer von einem Arbeitgeber in
betriebswirtschaftlicher bzw. arbeitsorganisatorischer Hinsicht abhängig
ist und kein spezifisches Unternehmerrisiko trägt.

    Aus diesen Grundsätzen allein lassen sich indessen noch keine
einheitlichen, schematisch anwendbaren Lösungen ableiten. Die Vielfalt
der im wirtschaftlichen Leben anzutreffenden Sachverhalte zwingt dazu, die
beitragsrechtliche Stellung eines Erwerbstätigen jeweils unter Würdigung
der gesamten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Weil dabei vielfach
Merkmale beider Erwerbsarten zutage treten, muss sich der Entscheid
oft danach richten, welche dieser Merkmale im konkreten Fall überwiegen
(BGE 115 V 1 E. 3a, 114 V 68 E. 2a, 110 V 78 E. 4a mit Hinweisen).

Erwägung 3

    3.- Im vorliegenden Fall geht aus den Akten hervor und ist
unbestritten, dass U. K. als freier Journalist in den Jahren 1986 bis 1989
für die von der Beschwerdeführerin herausgegebene Wochenfachzeitschrift
"T." nach vorheriger Absprache verschiedene Artikel verfasst und dafür
Entgelte in der Höhe von jährlich Fr. 800.-- (1986), Fr. 2'830.-- (1987),
Fr. 4'286.-- (1988) sowie von Fr. 6'326.-- (1989) erhalten hat. Streitig
und zu prüfen ist indes, ob es sich bei diesen Vergütungen um Einkommen
aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit handelt.

    a) Gemäss der Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV)
über den massgebenden Lohn (WML) vom 1. Januar 1977 gehören die Entgelte
der Journalisten zum massgebenden Lohn (Rz. 4076 WML). Als Einkommen aus
selbständiger Erwerbstätigkeit gelten die Vergütungen bloss dann, wenn
sie für unaufgefordert und nur gelegentlich publizierte Artikel nicht
regelmässiger Mitarbeiter gewährt werden (Rz. 4078 WML). In Anwendung
dieser Verwaltungspraxis gelangte die Rekurskommission zum Schluss,
dass es sich bei den fraglichen Entgelten um solche aus unselbständiger
Erwerbstätigkeit handle, da U. K. zwischen 1986 und 1989 regelmässig
für die Beschwerdeführerin gearbeitet habe. Zudem belegten die Vermerke
auf den jeweiligen Abrechnungen, dass den einzelnen Beiträgen der Auftrag
eines Redaktors vorausgegangen sei, womit sich der Mitinteressierte in ein
Abhängigkeits- und Unterordnungsverhältnis mit entsprechendem Weisungsrecht
des Auftraggebers begeben habe. Daran vermöge der Umstand nichts zu ändern,
dass der Journalist sachbedingt in der Organisation seiner Tätigkeit frei
sei und sich betriebswirtschaftlich (mit Ausnahme des Ablieferungstermins)
wenig unterordnen müsse.

    b) Diese Betrachtungsweise kann nicht als bundesrechtswidrig
bezeichnet werden. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Tätigkeit eines
freiberuflichen Journalisten selbständiger oder unselbständiger Natur ist,
kommt dem Unternehmerrisiko selten eine statusentscheidende Bedeutung
zu (KÄSER, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV,
S. 119 Rz. 4.65). Denn der freie Journalist hat für die Ausübung seines
Berufes in der Regel weder beträchtliche Investitionen zu tätigen noch
Angestelltenlöhne zu bezahlen, welche Merkmale das Unternehmerrisiko
praxisgemäss charakterisieren (vgl. ZAK 1986 S. 333 E. 2d, 1982 S. 215 und
1980 S. 118). Aber auch das Begriffsmerkmal der arbeitsorganisatorischen
Abhängigkeit wird beim freien Journalisten häufig nicht derart
sein, dass daraus ohne weiteres auf unselbständige Erwerbstätigkeit
geschlossen werden könnte (vgl. KÄSER, aaO, S. 119 Rz. 4.65). Es lässt
sich daher nicht beanstanden, dass das Bundesamt - in Absprache mit den
Sozialpartnern (Verleger, Journalisten; vgl. KÄSER, aaO, S. 120 Rz. 4.65)
- im Hinblick auf eine gleichmässige Gesetzesanwendung dem Element der
regelmässigen Arbeitsleistung für einen Verlag eine massgebliche Bedeutung
zumisst. Denn wer seine Artikel regelmässig für dieselbe Zeitschrift oder
denselben Verlag verfasst, begibt sich damit insofern in ein gewisses
Abhängigkeitsverhältnis, als bei Dahinfallen dieses Erwerbsverhältnisses
eine ähnliche Situation eintritt, wie dies beim Stellenverlust eines
Arbeitnehmers der Fall ist.

    Dies hat zur Folge, dass damit den freierwerbenden Journalisten, welche
regelmässig für die nämliche Zeitschrift arbeiten, für diese Tätigkeit
in der Regel AHV-rechtlich die Stellung eines Unselbständigerwerbenden
zukommt. Es verhält sich aber diesbezüglich nicht anders als bei
Agenten (ZAK 1988 S. 378 E. 2b, 1986 S. 121 E. 2b und S. 575 E. 2b mit
Hinweisen) und Reisevertretern (ZAK 1980 S. 325 E. 2), die praxisgemäss
nur als selbständigerwerbend gelten, wenn sie kumulativ eigene
Geschäftsräumlichkeiten benützen, eigenes Personal beschäftigen und die
Geschäftskosten im wesentlichen selber tragen (vgl. auch Rz. 4028 WML),
welche Kriterien der Bundesrat für die obligatorische Unfallversicherung
in Art. 2 lit. b Ziff. 2 UVV übernommen hat. Zudem hat der Bundesrat
in seinem Entscheid vom 11. September 1985 festgestellt, dass die
(freien) Journalisten in der AHV praktisch ausnahmslos die Stellung
von Unselbständigerwerbenden einnehmen würden, weshalb sie auch in der
beruflichen Vorsorge als Arbeitnehmer zu qualifizieren seien (VPB 51
(1987) Nr. 16 S. 98). Die Verwaltungspraxis erweist sich daher auch unter
dem Gesichtspunkt einer harmonisierenden Auslegung als Rechtens. Wie
das Eidg. Versicherungsgericht im Urteil H. vom 7. August 1992 (RKUV
1992 Nr. U 155 S. 251) entschieden hat, hat die Rechtsprechung bei der
Handhabung der verschiedenen Anknüpfungsbegriffe (AHVG, UVG) mittels
einer harmonisierenden Auslegung auf eine Koordination zwischen den
verschiedenen Sozialversicherungszweigen hinzuwirken.

    Koordinationsgesichtspunkten ist vorab bei Erwerbstätigen Rechnung zu
tragen, die gleichzeitig mehrere erwerbliche Tätigkeiten für verschiedene
oder denselben Arbeit- oder Auftraggeber ausüben. Es soll nach Möglichkeit
vermieden werden, dass verschiedene Erwerbstätigkeiten für denselben
Arbeit- oder Auftraggeber oder dieselbe Tätigkeit für verschiedene Arbeit-
oder Auftraggeber unterschiedlich, teils als selbständige, teils als
unselbständige Erwerbstätigkeit, qualifiziert werden. Denn dies führt beim
betreffenden Erwerbstätigen zu einem aufgesplitterten Versichertenstatus
und damit zu Mehrfachversicherung, woraus einerseits unübersichtliche
Leistungsansprüche gegenüber den Trägern der obligatorischen
Arbeitnehmerversicherungen und anderseits Unklarheiten bezüglich
Notwendigkeit und Umfang der freiwillig zu deckenden Risiken resultieren
(aaO, S. 254 f.). Trotz den unterschiedlichen Anknüpfungsbegriffen des
geltenden Rechts gebietet deshalb der Gesichtspunkt der Koordination,
dass ein und dieselbe Erwerbstätigkeit in den einzelnen Zweigen des
Sozialversicherungsrechts gleich gewertet wird, soweit dem nicht eine
gesetzliche Regelung entgegensteht.

    Insoweit dem Urteil Feuille d'Avis vom 4. Oktober 1955 (ZAK
1955 S. 492) etwas anderes entnommen werden könnte, kann daran nicht
festgehalten werden.

    c) Was hiegegen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht
wird, vermag nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen. Insbesondere
kann die Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses zwischen der Firma
P. Verlag AG und U. K. offengelassen werden, da für die Beurteilung der
beitragsrechtlichen Stellung nicht von der gewillkürten, sondern von der
tatsächlichen Ausgestaltung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen auszugehen
ist (E. 2). Ebensowenig entscheidend ist das Verhältnis zwischen den in
Frage stehenden Honorierungen zur Gesamtsumme der Erwerbseinkünfte. Denn
nach Art. 4 Abs. 1 AHVG unterliegen der sozialversicherungsrechtlichen
Beitragspflicht grundsätzlich alle Einkünfte, die sich aus irgendeiner
auf Erwerb gerichteten Tätigkeit ergeben, gleichgültig ob diese im
Haupt- oder Nebenberuf, selbständig oder unselbständig, regelmässig
oder nur einmalig ausgeübt wird (BGE 104 V 127 E. b; ZAK 1984
S. 224 E. 1b mit Hinweisen). Die Tatsache, dass ein Versicherter nur
nebenberuflich journalistisch tätig ist, in seinem Hauptberuf jedoch
als Selbständigerwerbender einer Ausgleichskasse angeschlossen ist,
hat somit für die Qualifikation eines Entgelts AHV-rechtlich keine
Bedeutung. Schliesslich stellt die Entwicklung der Auftragslage und das
damit zusammenhängende finanzielle Risiko kein erhebliches Geschäftsrisiko
dar.

    Wie erwähnt (E. 3b), ist die Abhängigkeit der eigenen Existenz
vom persönlichen Arbeitserfolg praxisgemäss nur dann als Risiko eines
Selbständigerwerbenden zu werten, wenn beträchtliche Investitionen zu
tätigen oder Angestelltenlöhne zu bezahlen sind. Mit einem Arbeits-
und Lohnausfall müssen alle jene Personen rechnen, die ihre berufliche
Tätigkeit von Fall zu Fall ausüben und nicht in einem fest entlöhnten
Arbeitsverhältnis stehen (ZAK 1964 S. 541). Allein der Umstand, dass der
Mitinteressierte über ein eigenes Büro mit Dokumentation verfügt, kann
nicht als erhebliche Investition im Sinne der Rechtsprechung bezeichnet
werden.