Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 IV 81



119 IV 81

14. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. April 1993 i.S.
Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau gegen H. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 57b Abs. 1 - 3 SVG, Art. 58 StGB; Inverkehrbringen eines
Radarwarngerätes; Einziehung.

    Den Tatbestand des Inverkehrbringens durch Einfuhr nach Art. 57b
Abs. 1 und 2 SVG erfüllt nicht, wer die Ware, deren Einfuhr verboten ist,
den Zollbehörden ordnungsgemäss deklariert (E. 3b).

    Radarwarngeräte sind einzuziehen, auch wenn keine strafbare Handlung
im Sinne von Art. 58 StGB gegeben ist (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Der in München wohnhafte H. schickte F. in R. am 18.  Oktober 1991
per Post als Geschenk ein Radarwarngerät der Marke "BEL/VANTAGE 3". Er
deklarierte die Sendung ordnungsgemäss. Beim Einfuhrzollamt in Romanshorn
wurde sie zuhanden der Untersuchungsbehörden sichergestellt.

    B.- Das Bezirksamt Arbon büsste H. wegen illegaler Einfuhr eines
Radarwarngeräts in die Schweiz in Anwendung von Art. 57b Abs. 1, 2 und
3 SVG mit Fr. 300.--; das Gerät zog es in Anwendung von Art. 58 StGB zur
Vernichtung ein.

    Die Bezirksgerichtskommission Arbon hiess die gegen diesen Entscheid
von H. eingereichte Einsprache gut, hob die Strafverfügung auf und
stellte das Radarwarngerät frei.

    Eine gegen dieses Urteil erhobene Berufung der Staatsanwaltschaft wies
die Rekurskommission des Obergerichts des Kantons Thurgau mit Entscheid
vom 21. September 1992 ab.

    C.- Gegen den Entscheid führt die Staatsanwaltschaft des Kantons
Thurgau eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der sie beantragt,
H. sei in Anwendung von Art. 99 Ziff. 8 i.V.m. Art. 57b Abs. 1 und 2 SVG
schuldig zu sprechen und zu einer Busse von Fr. 300.-- zu verurteilen;
das beschlagnahmte Radarwarngerät sei in Anwendung von Art. 57b Abs. 3 SVG,
allenfalls Art. 58 StGB gerichtlich einzuziehen und zu vernichten.

    H. reichte innert Frist keine Vernehmlassung ein.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Die Vorinstanz kam im angefochtenen Entscheid zum Schluss, die
Sendung mit dem Radarwarngerät sei aufgrund der ihrem Inhalt entsprechenden
Deklaration schon am Zoll als nicht zur Einfuhr geeignet qualifiziert
worden. Sie sei bereits an der Zollgrenze zurückgewiesen und daher nicht
eingeführt worden. Somit habe ein Zollübertritt nicht stattgefunden und
sei der Tatbestand von Art. 57b Abs. 1 und 2 SVG nicht erfüllt. Selbst
wenn die Einfuhr bejaht werden müsste, wäre gestützt auf Art. 20 StGB von
einer Bestrafung des Beschwerdegegners Umgang zu nehmen. Dieser habe in
guten Treuen die Überzeugung haben dürfen, nichts Unrechtes zu tun. Der
Erwerb von Radarwarngeräten und der Handel mit solchen sei in Deutschland
ohne gesetzliche Einschränkung möglich. Verboten sei dort lediglich
der Betrieb. Etwas anderes gehe auch aus der Warnetikette, mit welcher
die Staatsanwaltschaft ihre Berufung begründe, nicht hervor. Es sei dort
lediglich vermerkt: "Achtung Exportgerät. Laut § 15 Fernmeldeanlagengesetz
ist der Betrieb dieses Gerätes in der BRD bei Strafe verboten. Beachten
Sie die postalischen Bestimmungen." Gestützt auf diesen Hinweis habe
der Beschwerdegegner unter keinen Umständen weder davon ausgehen können
noch müssen, dass er sich durch die Versendung des Warngerätes an einen
Kollegen in der Schweiz strafbar mache. Da er nicht berufsmässig gehandelt
habe, wäre es etwas weltfremd zu verlangen, dass er sich vor Versendung
seines Geschenks bei einem Anwalt oder einer ausländischen Behörde nach
der Zulässigkeit seines Vorgehens hätte erkundigen müssen. Dass er das
Paket korrekt deklariert habe, zeige, dass er sich keiner Schuld bewusst
gewesen sei.

    b) Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, der
Beschwerdegegner habe das Radarwarngerät in die Schweiz eingeführt und die
Vorinstanz habe ihm zu Unrecht einen Verbotsirrtum zugebilligt. Ferner sei
das Gerät unabhängig von einer Schuldigsprechung des Beschwerdegegners
gemäss Art. 57b Abs. 3 SVG, eventuell Art. 58 Abs. 1 lit. a und b StGB,
einzuziehen und zu vernichten.

Erwägung 3

    3.- Geräte und Vorrichtungen, welche die behördliche Kontrolle
des Strassenverkehrs erschweren, stören oder unwirksam machen können
(z.B. Radarwarngeräte), dürfen gemäss Art. 57b Abs. 1 SVG weder in
Verkehr gebracht noch im Fahrzeug eingebaut, darin mitgeführt, in ihm
befestigt oder in irgendeiner Form verwendet werden. Als Inverkehrbringen
gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung gilt das Herstellen, das Einführen, das
Anpreisen, das Weitergeben, das Verkaufen sowie das sonstige Abgeben und
Überlassen. Widerhandlungen gegen diese Vorschrift werden gemäss Art. 99
Ziff. 8 SVG mit Haft oder mit Busse bestraft.

    a) Beim in Frage stehenden Gerät des Beschwerdeführers handelt
es sich unstrittig um eine Vorrichtung, die vor polizeilichen
Geschwindigkeitskontrollen mit Radarmessgeräten warnt und daher geeignet
ist, diese zu stören oder unwirksam zu machen.

    b) Dem Beschwerdegegner wird zur Last gelegt, das Radarwarngerät in
Verkehr gebracht zu haben, indem er es in die Schweiz einführte. Es fragt
sich daher, unter welchen Voraussetzungen der Tatbestand des Einführens
erfüllt ist.

    Die Vorinstanz stellte für die Beantwortung dieser Frage grundsätzlich
zu Recht auf das Zollgesetz (ZG) ab. Nach dessen Art. 1 ist unter Einführen
das tatsächliche Verbringen der verbotenen Geräte und Vorrichtungen
in das schweizerische Zollgebiet, d.h. die Beförderung der Ware über
die schweizerische Zollgrenze, zu verstehen (so auch ALFRED SCHÜTZ,
Die Strafbestimmungen des BetmG, S. 112, betreffend die Einfuhr nach
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 3 BetmG; vgl. dazu auch Urteil des deutschen
Bundesgerichtshofes vom 22.2.1973, in NJW 1993, S. 814 ff.). Erfüllt ist
der Tatbestand des Inverkehrbringens durch Einfuhr nach Art. 57b Abs. 1
und 2 SVG grundsätzlich, wenn ein Bannbruch im Sinne von Art. 76 ZG zu
bejahen ist. Wird die Ware, deren Einfuhr verboten ist, ordnungsgemäss
den Zollbehörden deklariert, so ist ein Bannbruch und eine Einfuhr
ausgeschlossen. Werden Waren, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr
verboten ist, unter richtiger Benennung zur Zollabfertigung angemeldet
- wie dies nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz im zu
beurteilenden Fall erfolgte -, so ist, soweit sie nicht zu vernichten
sind, nämlich gemäss Art. 60 Abs. 1 ZG ihre Rückweisung anzuordnen. Dass
in allen anderen Fällen nach Abs. 2 der genannten Bestimmung das
Strafverfahren wegen Bannbruches einzuleiten ist, bedeutet, wie in
der Nichtigkeitsbeschwerde zu Recht eingewendet wird, entgegen der
Auffassung der Vorinstanz nicht, dass die Überweisung des Falles durch
das Zollinspektorat an das Bezirksamt Arbon als zuständige Strafbehörde
nicht erforderlich oder zulässig war; diese Vorschrift hat nur für
das Zollstrafverfahren Geltung und spricht denn auch bloss von einem
Strafverfahren wegen Bannbruches.

    Auch nach Sinn und Zweck des Verbotes des Inverkehrbringens eines
Radarwarngerätes kann die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Straftat
nicht als erfüllt betrachtet werden. Aufgrund der Kennzeichnung als
Radarwarngerät in der Zolldeklaration und damit als eine Ware, deren
Einfuhr in die Schweiz verboten ist, war ausgeschlossen, dass dieses in
der Schweiz in die Hände eines Privaten gelangen und damit zur Störung der
Kontrollen des Strassenverkehrs hätte Verwendung finden können. Aufgrund
der richtigen Zolldeklaration waren die Zollbehörden vielmehr verpflichtet,
die Einfuhr zu verhindern, was auch erfolgte.

    Ob ein Versuch vorliegt, kann offenbleiben, da Art. 57b Abs. 1 und
2 gemäss Art. 99 Ziff. 8 SVG lediglich ein Übertretungstatbestand ist
und die Strafbarkeit des Versuchs nicht ausdrücklich vorgesehen ist
(Art. 104 Abs. 1 StGB).

    Die Vorinstanz hat danach eine Widerhandlung gegen Art. 57b Abs. 1
und 2 SVG zu Recht verneint.

Erwägung 4

    4.- Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen einer Einziehung gemäss
Art. 57b Abs. 3 SVG bzw. Art. 58 StGB verneint, da eine Einfuhr des
Gerätes in die Schweiz mangels Zollübertritts nicht stattgefunden habe
und die öffentliche Ordnung deshalb auch gar nicht gefährdet worden sei.

    Gemäss Art. 57b Abs. 3 SVG stellen die Kontrollorgane Geräte, welche
die behördliche Kontrolle des Strassenverkehrs stören oder unwirksam
machen können, sicher; der Richter verfügt die Einziehung. Diese Bestimmung
stellt hinsichtlich der in Frage stehenden Geräte eine polizeigesetzliche
Spezialregelung dar. Sie erfüllt insofern eine Doppelfunktion. Einerseits
umfasst sie die strafrechtliche Einziehung analog zu Art. 58 StGB,
andererseits ist sie polizeigesetzliche Eingriffsgrundlage. Als solche
unterscheidet sie sich von den allgemeinen Einziehungsbestimmungen
gemäss Art. 58 StGB dadurch, dass sie die Einziehung von Radarwarngeräten
unabhängig von der Strafbarkeit der Tat ermöglicht. Da der Beschwerdegegner
im zu beurteilenden Fall den Tatbestand von Art. 57b Abs. 1 und 2 SVG
nicht erfüllte und ein allfälliger Versuch der Einfuhr nicht strafbar ist,
fehlt ein unmittelbarer Zusammenhang mit einer konkreten Straftat. Dies
hindert die Einziehung des Gerätes hingegen nicht. Vielmehr ist der Richter
dazu verpflichtet, weil der Gesetzgeber mit Art. 57b SVG offensichtlich
einen möglichst umfassenden Schutz der Geschwindigkeitskontrollen mit
Radarmessgeräten vor Störungen erreichen wollte, in Fällen, in denen
keine strafbare Handlung vorliegt, mittels einer polizeigesetzlichen
Einziehung und Vernichtung durch den Richter. Dies ist im Zusammenhang mit
Radarwarngeräten ohne weiteres gerechtfertigt, da der bestimmungsgemässe
Gebrauch der Geräte rechtswidrig ist.