Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 IV 297



119 IV 297

56. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 12. November 1993 i.S. L.
AG im Konkurs, A. D. und B. D. gegen F. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 160 StGB; Kreditschädigung; Behauptung oder Verbreitung unwahrer
Tatsachen.

    Eine unwahre Tatsache kann auch konkludent durch Schweigen
behauptet oder verbreitet werden. Konkludente Behauptung mangelnder
Zahlungsfähigkeit bejaht bei einem Täter, der in kurzen zeitlichen
Abständen zahlreiche Betreibungen für namhafte Beträge einleitete, sich
anschliessend Betreibungsregisterauszüge zustellen liess und diese anonym
an Geschäftspartner der Betriebenen versandte (E. 3b).

Sachverhalt

    A.- F. reichte vom 10. bis zum 12. Oktober 1990 persönlich und
durch seinen Anwalt 35 Betreibungsbegehren im Betrag von insgesamt
über Fr. 800'000.-- gegen die L. AG ein. Am 7. November 1990
reichte er 22 Betreibungsbegehren im Betrag von insgesamt rund
Fr. 3 Mio. gegen A. D. ein. Gleichzeitig betrieb er B. D. für
Fr. 100'000.--. Nach Einleitung der Betreibungen verlangte er Auszüge
aus dem Betreibungsregister. Die Auszüge betreffend die L. AG stellte er
darauf anonym der R. AG zu, jene betreffend A. und B. D. der Bank Z.

    B. - Am 23. Juni 1992 sprach das Bezirksgericht Bremgarten F. der
Kreditschädigung schuldig und bestrafte ihn mit 14 Tagen Gefängnis, bedingt
bei einer Probezeit von zwei Jahren, und mit einer Busse von Fr. 1'000.--.

    C.- Eine dagegen von F. erhobene Berufung hiess das Obergericht des
Kantons Aargau am 23. November 1992 gut und sprach ihn frei.

    D.- Die L. AG im Konkurs sowie A. und B. D. führen eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei
aufzuheben und das Urteil der ersten Instanz zu bestätigen.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde, soweit es darauf eintritt,
teilweise gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 160 StGB ist strafbar, wer jemandes Kredit böswillig
und wider besseres Wissen durch Behauptung oder Verbreitung unwahrer
Tatsachen erheblich schädigt oder ernstlich gefährdet.

    a) Die Vorinstanz ist der Auffassung, der Beschwerdegegner
habe keine unwahren Tatsachen behauptet oder verbreitet. Die
Betreibungsregisterauszüge seien inhaltlich richtig gewesen. Wer solche
Auszüge an Dritte versende, verbreite keine unwahren Tatsachen. Über die
Berechtigung der Forderungen sagten die Registerauszüge nichts aus. Das
Betreibungsrecht lasse es zu, dass bestrittene und sogar unberechtigte
Forderungen in Betreibung gesetzt würden. Es sei daher möglich, dass ein
Gläubiger mit einer Betreibung nicht die Durchsetzung einer gegebenenfalls
umstrittenen Forderung, sondern die Kreditschädigung des Schuldners
bezwecke. Ein Registerauszug werde jedoch nicht deshalb unwahr, weil die
darin eingetragenen Betreibungen rechtsmissbräuchlich seien. Der Empfänger
des Auszuges könne ihm nur entnehmen, dass Dritte gegenüber dem Schuldner
Forderungen geltend machten. Ob die Forderungen tatsächlich bestünden,
bleibe seiner Wertung überlassen. Schlussfolgerungen hinsichtlich der
Zahlungsfähigkeit des Betriebenen beruhten auf reinen Vermutungen. Eine
Tatsachenbehauptung sei insoweit nicht gegeben.

    b) Die Beschwerdeführer machen geltend, der Beschwerdegegner
habe die Empfänger der Registerauszüge bewusst irregeführt. Er habe
gegen sämtliche 57 Rechtsvorschläge nichts unternommen, sondern sich
Betreibungsregisterauszüge senden lassen und diese Geschäftspartnern der
Beschwerdeführer zugestellt. Dabei habe er die Empfänger der Auszüge
im Glauben gelassen, es handle sich um normale Betreibungen mit einem
normalen Zweck. Dass er einzig deshalb die Betreibungen angehoben und die
Auszüge versandt habe, um den Kredit der Beschwerdeführer zu untergraben,
habe er verschwiegen.

Erwägung 3

    3.- a) Art. 160 StGB schützt den Kredit, d.h. den Ruf der
Leistungsbereitschaft, insbesondere der Zahlungsfähigkeit und
Zahlungswilligkeit (BGE 79 IV 16 E. 1). Erfasst sind also negative Aussagen
über die Zahlungsfähigkeit oder die Äusserung von Tatsachen, die geeignet
sind, die Zahlungsfähigkeit in Frage zu stellen, wie etwa substantielle
Verluste (SCHUBARTH, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Besonderer
Teil, 2. Band, Art. 160 N. 9 mit Hinweisen). Geschützt sind natürliche
und juristische Personen (SCHUBARTH, aaO, N. 7).

    Die Einleitung einer Betreibung für sich allein stellt keine
Kreditschädigung dar. Die gestützt darauf erfolgende Zustellung eines
Zahlungsbefehls besagt bloss, dass eine Person von einer anderen, mit
der Hilfe des Betreibungsamtes, die Bezahlung einer Schuld verlangt.

    b) Die von Art. 160 StGB erfasste Tathandlung besteht in der
Behauptung oder Verbreitung unwahrer Tatsachen. Nach der zutreffenden
Ansicht der Vorinstanz hat der Beschwerdegegner keine unwahren
Tatsachen behauptet oder verbreitet, soweit er durch das Versenden der
Betreibungsregisterauszüge kundgegeben hat, wer wann gegen wen in welchem
Betrag Betreibung angehoben und wie der Betriebene darauf reagiert
hat; denn die Betreibungsregisterauszüge waren nach den verbindlichen
tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Art. 277bis Abs. 1
BStP) inhaltlich richtig. Die Vorinstanz verletzt dagegen Bundesrecht,
wenn sie annimmt, der Aussagegehalt der Auszüge erschöpfe sich hier in
dieser Kundgabe. Eine unwahre Tatsache kann durch irgendein Ausdrucksmittel
behauptet oder verbreitet werden. In Betracht kommen Wort, Schrift, Bild
und andere Mittel. Es gelten hier die gleichen Grundsätze wie bei den
Ehrverletzungstatbeständen, da es ebenfalls um ein Äusserungsdelikt geht.
Eine unwahre Tatsache kann insbesondere auch konkludent durch Schweigen
behauptet oder verbreitet werden, nämlich dann, wenn der Schweigende zur
Aufklärung verpflichtet war (LOGOZ, Commentaire du Code pénal suisse,
Partie spéciale I, Art. 160 N. 2b; HAFTER, Schweizerisches Strafrecht,
Besonderer Teil, S. 378). Eine solche konkludente Tatsachenbehauptung
ist hier gegeben.

    Im Geschäftsleben kommt einem Betreibungsregisterauszug bei der
Beurteilung der Kreditwürdigkeit einer Person erhebliche Bedeutung
zu. Sind gegen jemanden zahlreiche Betreibungen für namhafte Beträge
angehoben worden, erweckt das Misstrauen. Der Aussenstehende muss
jedenfalls mit der Möglichkeit rechnen, die Forderungen seien berechtigt
und der Betriebene befinde sich in finanziellen Schwierigkeiten. Wie die
Vorinstanz feststellt, leitete der Beschwerdegegner in kurzen zeitlichen
Abständen zahlreiche Betreibungen ein, liess sich anschliessend
Betreibungsregisterauszüge zustellen und versandte diese anonym
an Geschäftspartner der Beschwerdeführer. Dieses Vorgehen bildet
ein planmässiges Ganzes. Der Beschwerdegegner suggerierte damit den
Empfängern der Auszüge, die Beschwerdeführer könnten ihre Schulden nicht
mehr bezahlen. Darin liegt eine Tatsachenbehauptung im Sinne von Art. 160
StGB. Wenn der Beschwerdegegner wusste, dass die in Betreibung gesetzten
Forderungen nicht bestanden, ja die Betreibungen auf Rechtsvorschlag
hin nicht fortgesetzt wurden oder würden, hat er geschwiegen, wo er zur
Aufklärung verpflichtet war.

    c) Die Beschwerde ist deshalb insoweit gutzuheissen und der
angefochtene Entscheid aufzuheben.

    Die Vorinstanz hat bei der Neubeurteilung der Sache davon auszugehen,
dass der Beschwerdegegner im Sinne von E. b Tatsachen verbreitet hat
(Art. 277ter Abs. 2 BStP). Sie wird zunächst zu prüfen haben, ob die in
Frage stehende Tatsachenbehauptung unwahr ist oder nicht. Bejahendenfalls
wird sie sich zu den weiteren Tatbestandsmerkmalen von Art. 160 StGB zu
äussern haben. Sollte sie zum Schluss kommen, dass sich die Empfänger der
Auszüge aufgrund der Umstände (zeitliche Häufung der Betreibungen, nur
ein bzw. zwei Gläubiger, Rechtsvorschlag gegen sämtliche Betreibungen,
Verlangen der Auszüge kurz nach Einleitung der Betreibung, anonyme
Zustellung) nicht haben irreführen lassen, und deshalb eine erhebliche
Schädigung des Kredits verneinen, wird sie sich darüber auszusprechen
haben, ob - was nach Art. 160 StGB genügt - zumindest eine ernstliche
Gefährdung des Kredits gegeben war. Verneint sie dies, wird sie zur Frage
des Versuchs Stellung nehmen müssen.