Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 IV 129



119 IV 129

23. Urteil des Kassationshofes vom 18. August 1993 i.S. G. gegen
Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 148 Abs. 2 StGB; gewerbsmässiger Betrug.

    Gewerbsmässigkeit bejaht bei einem Täter, der innert 19 Monaten bei 23
Gebrauchtwagen den Kilometerstand durchschnittlich jeweils um ca. 50'000 km
geändert und durch den Verkauf der Fahrzeuge unter Angabe des niedrigeren
falschen Kilometerstandes ein regelmässiges Zusatzeinkommen von knapp Fr.
1'000.-- pro Monat erzielt hat (Konkretisierung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- G. betreibt seit Januar 1984 in O. eine
Karosseriewerkstatt. Daneben handelt er mit Gebrauchtwagen. In der Zeit
vom 19. April 1988 bis zum 17. November 1989 baute er an 23 Fahrzeugen
den Kilometerzähler aus, stellte den Kilometerstand um einige tausend
bzw. zehntausend Einheiten zurück und verkaufte die Wagen unter Angabe
des niedrigeren falschen Kilometerstandes. In drei Fällen trug er den
unrichtigen Kilometerstand überdies in den Kaufvertrag ein.

    B.- Am 1. September 1992 sprach ihn das Strafamtsgericht X. schuldig
des wiederholten einfachen Betruges und verurteilte ihn zu acht
Monaten Gefängnis, bedingt bei einer Probezeit von drei Jahren, und zur
Rückerstattung des unrechtmässig erzielten Gewinnes von Fr. 18'000.-- an
den Staat. Von der Anschuldigung der Urkundenfälschung sprach es ihn frei.

    C.- Auf Appellation des stellvertretenden Prokurators 3 hin erklärte
das Obergericht des Kantons Bern G. am 18. Dezember 1992 schuldig des
gewerbsmässigen Betruges und bestrafte ihn mit einem Jahr Zuchthaus,
bedingt bei einer Probezeit von drei Jahren, und mit einer Busse
von Fr. 500.--. Zufolge Teilrechtskraft des erstinstanzlichen Urteils
bestätigte es den Freispruch vom Vorwurf der Urkundenfälschung sowie die
Verurteilung zur Rückerstattung des unrechtmässig erzielten Gewinnes von
Fr. 18'000.-- an den Staat.

    D.- G. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu seiner Verurteilung
wegen einfachen Betruges an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Das Strafamtsgericht führt aus, die neuere Rechtsprechung
stelle hohe Anforderungen an die Gewerbsmässigkeit. Das Vorgehen des
Beschwerdeführers liege nahe bei der Gewerbsmässigkeit, erfülle deren
Voraussetzungen jedoch nicht. Die Manipulationen am Kilometerzähler
stellten gegenüber dem gesamten Handeln des Beschwerdeführers nur einen
vergleichsweise kleinen Teilaspekt dar. Er habe bei jedem dritten
Wagen den Kilometerstand geändert. Darauf sei der kleinere Teil des
Gesamtgewinns bei diesen Fahrzeugen zurückzuführen. Der Grossteil des
Gewinns sei erzielt worden aufgrund der Arbeitsleistung (Instandstellen
und Prüfen). Von namhaften Beträgen könne nicht gesprochen werden. Der
Beschwerdeführer sei nicht berufsmässig vorgegangen. Sein Verschulden
wiege objektiv schwer. Anderseits habe er sich seit Begehung der Taten
klaglos verhalten. Er sei von Anfang an geständig gewesen und zeige
aufrichtige Reue und Einsicht. Den Schaden habe er gutgemacht, soweit ein
solcher von den Käufern geltend gemacht worden sei. Er lebe in geordneten
Verhältnissen und geniesse einen guten Ruf.

    b) Die Vorinstanz bejaht demgegenüber die Gewerbsmässigkeit. Ein
gewichtiges Indiz für die Gewerbsmässigkeit liege darin, dass der
Beschwerdeführer die strafbaren Handlungen im Rahmen seiner legalen
Erwerbstätigkeit begangen habe. Er habe pro Wagen rund zwei Stunden
Arbeit für die Manipulation am Kilometerzähler eingesetzt. Zudem sei
die Suche nach geeigneten Fahrzeugen mit einem Zeitaufwand verbunden
gewesen. Er habe für die Manipulationen eine gewisse Fingerfertigkeit
entwickeln müssen. In drei Fällen habe er in den Kaufverträgen den falschen
Kilometerstand eingetragen, und er habe mehrmals die zu den Fahrzeugen
gehörenden Servicehefte vernichtet. Während den hier zu beurteilenden
19 Monaten habe er 40 bis 50 Wagen umgesetzt. Dabei habe er an 23
Fahrzeugen, also an etwa jedem zweiten Wagen, den Kilometerstand geändert.
Insgesamt habe er 1,2 Millionen Kilometer zurückgedreht. Der Gewinn aus
der strafbaren Tätigkeit betrage Fr. 18'000.--. Es ergebe sich demnach
ein Durchschnittsgewinn pro manipuliertes Fahrzeug von Fr. 782.-- oder
ein monatlicher Mehrgewinn von knapp Fr. 1'000.--. In einem Kleinbetrieb
sei ein derartiger zusätzlicher Gewinn von erheblicher Bedeutung. Der
Beschwerdeführer sei aufgrund einer im Immobilienbereich getätigten
Fehlinvestition aus existentiellen Gründen auf die Mehreinnahme angewiesen
gewesen. Die strafbare Tätigkeit habe wesentlich an die Finanzierung
seiner Lebensgestaltung beigetragen. Ein Indiz für die Berufsmässigkeit
stelle das systematische Vorgehen bzw. das Entwickeln einer eigentlichen
Methode dar. Schon beim Einkauf der Gebrauchtwagen habe er darauf geachtet,
Fahrzeuge zu erstehen, die für ihr Alter eine hohe Anzahl Kilometer,
wenn möglich bereits über hunderttausend, aufgewiesen hätten. Er habe die
Marke "Volkswagen" bevorzugt, da sich diese wegen ihrer Preisbeständigkeit
für die Manipulationen besonders geeignet habe. Er habe einzig deshalb
nur bei jedem zweiten Wagen den Kilometerstand zurückgedreht, weil nicht
bei allen Fahrzeugen die Voraussetzungen dazu gegeben gewesen seien. Denn
nach der Manipulation hätte der Kilometerstand jeweils ungefähr zum Alter
des Wagens passen müssen. Der Beschwerdeführer hätte, wie er zugebe, die
strafbare Tätigkeit fortgeführt, wenn sie nicht entdeckt worden wäre. Die
angedrohte Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus sei angemessen. Die Tat
wiege objektiv schwer. In subjektiver Hinsicht bestätigt die Vorinstanz
die zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Strafzumessungserwägungen
des Strafamtsgerichts.

    c) Der Beschwerdeführer wendet im wesentlichen ein, seine Einkünfte
aus der strafbaren Tätigkeit seien im Verhältnis zu seinen Gesamteinnahmen
vergleichsweise unbedeutend gewesen. Er habe nur bei jedem dritten Fahrzeug
den Kilometerstand geändert. Der Umstand, dass er die Manipulationen
im Rahmen einer legalen Erwerbstätigkeit vorgenommen habe, lasse keinen
Schluss auf Gewerbsmässigkeit zu. Die für die Manipulation aufgewendete
Zeit von anderthalb Stunden pro Fahrzeug sei gering. Er sei von der Anklage
der Falschbeurkundung rechtskräftig freigesprochen worden. Deshalb dürfe
es nicht als Indiz für die Gewerbsmässigkeit betrachtet werden, dass er
in drei Fällen den falschen Kilometerstand in den Kaufvertrag eingetragen
habe. Schliesslich sei hier die Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus
für gewerbsmässigen Betrug unverhältnismässig. Wiederholt begangener
Betrug in 23 Fällen mit einem Gesamtdeliktsbetrag von Fr. 18'000.-- werde
normalerweise mit einer Strafe von unter einem Jahr Zuchthaus geahndet,
insbesondere bei einem Ersttäter.

Erwägung 2

    2.- Im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde ist
das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen
Behörde gebunden (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Die Vorinstanz stellt fest,
dass der Beschwerdeführer den Kilometerstand bei jedem zweiten Wagen
geändert und dafür pro Fahrzeug zwei Stunden aufgewendet hat. Soweit
der Beschwerdeführer von einem anderen Sachverhalt ausgeht, ist er nicht
zu hören.

Erwägung 3

    3.- a) Betrug wird gemäss Art. 148 Abs. 1 StGB mit Zuchthaus bis zu
fünf Jahren oder mit Gefängnis (von mindestens drei Tagen, Art. 36 StGB)
bestraft. Nach Art. 148 Abs. 2 StGB wird der Betrüger mit Zuchthaus bis
zu zehn Jahren und mit Busse bestraft, wenn er den Betrug gewerbsmässig
betreibt. Die Mindeststrafe beträgt in diesem Fall somit ein Jahr Zuchthaus
(Art. 35 StGB).

    Das Bundesgericht hat in BGE 116 IV 319 ff. seine Rechtsprechung
zum Qualifikationsgrund der Gewerbsmässigkeit geändert. Nach der
neuen Rechtsprechung liegt im Begriff des berufsmässigen Handelns
der Ansatzpunkt für die Umschreibung der Gewerbsmässigkeit. Der Täter
handelt berufsmässig, wenn sich aus der Zeit und den Mitteln, die er für
die deliktische Tätigkeit aufwendet, aus der Häufigkeit der Einzelakte
innerhalb eines bestimmten Zeitraums sowie aus den angestrebten und
erzielten Einkünften ergibt, dass er die deliktische Tätigkeit nach der Art
eines Berufes ausübt. Diese abstrakte Umschreibung gilt für das gesamte
Vermögensstrafrecht. Sie kann aber nur Richtlinienfunktion haben. Eine
Konkretisierung der Umschreibung ist angesichts der unterschiedlichen
Phänomenologie und der unterschiedlich hohen Mindeststrafen nur für
die einzelnen Tatbestände oder für einzelne Gruppen gleichartiger
Tatbestände möglich. Eine quasi "nebenberufliche" deliktische Tätigkeit
kann genügen. Wesentlich für die Annahme von Gewerbsmässigkeit ist,
dass sich der Täter, wie aus den gesamten Umständen geschlossen werden
muss, darauf eingerichtet hat, durch deliktische Handlungen Einkünfte
zu erzielen, die einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung
seiner Lebensgestaltung darstellen; dann ist die erforderliche soziale
Gefährlichkeit gegeben. Es ist nach wie vor notwendig, dass der Täter die
Tat bereits mehrfach begangen hat, dass er in der Absicht handelte, ein
Erwerbseinkommen zu erlangen, und dass aufgrund seiner Taten geschlossen
werden muss, er sei zu einer Vielzahl von unter den fraglichen Tatbestand
fallenden Taten bereit gewesen. Der Richter hat bei der Entscheidung der
Frage, ob im konkreten Fall Gewerbsmässigkeit gegeben sei, stets auch
die Höhe der angedrohten Mindeststrafe zu berücksichtigen. Denn bei der
Auslegung von Straftatbeständen ist auch der angedrohten Strafe Rechnung
zu tragen (E. 4).

    b) Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz
hat der Beschwerdeführer in den zu beurteilenden 19 Monaten bei 23
Fahrzeugen den Kilometerstand geändert und dadurch einen Gewinn von
insgesamt Fr. 18'000.-- oder monatlich knapp Fr. 1'000.-- erzielt. Er
hat sich somit durch ein strafbares Verhalten von einiger Intensität
ein regelmässiges Zusatzeinkommen verschafft. Er entwickelte eine
bestimmte Methode und ging planmässig vor. Zudem hatte er sich darauf
eingerichtet, durch deliktische Handlungen Einkünfte zu erzielen,
die einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner
Lebensgestaltung darstellten. Zu Recht hat die Vorinstanz den Eintrag des
falschen Kilometerstandes in drei Kaufverträgen als weiteres Indiz für
die Gewerbsmässigkeit berücksichtigt. Der insoweit erfolgte Freispruch
von der Anklage der Falschbeurkundung aufgrund der neueren restriktiven
Rechtsprechung des Bundesgerichts zu diesem Tatbestand (BGE 118 IV 364
f. mit Hinweisen) hinderte sie daran nicht.

    In Anbetracht dieser Umstände verletzt die Bejahung der
Gewerbsmässigkeit Bundesrecht nicht. Sie lässt sich rechtfertigen auch
unter Berücksichtigung der Strafdrohung. Die verhängte Mindeststrafe
ist jedenfalls vertretbar auch mit Blick auf die zu Gunsten des
Beschwerdeführers sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte und den
Deliktsbetrag von Fr. 18'000.--.