Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 IV 125



119 IV 125

21. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 8. Juli
1993 i.S. F. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 63 und Art. 38 Ziff. 4 Abs. 1 StGB; Strafzumessung;
Berücksichtigung der Rechtsfolgen (Widerruf der bedingten Entlassung aus
dem Strafvollzug).

    Wird ein bedingt aus dem Strafvollzug Entlassener nach einem Rückfall
innerhalb der Probezeit mit vier Monaten Gefängnis (unbedingt) bestraft,
ist zu berücksichtigen, dass dies zwingend zum Widerruf der bedingten
Entlassung führt. Fall eines Verurteilten, der sich seit der Tatbegehung
weitgehend aufgefangen hat.

Sachverhalt

    A.- Am 8. September 1992 verurteilte das Obergericht des Kantons
Zürich F. wegen Hehlerei und Missbrauchs von Ausweisen und Schildern zu
vier Monaten Gefängnis (unbedingt), abzüglich 14 Tage Untersuchungshaft.

    F. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
das Urteil des Obergerichts aufzuheben. Das Bundesgericht heisst die
Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- b) Die Vorinstanz verletzt Bundesrecht auch aus folgendem Grund:
Sie legt dar, der Beschwerdeführer werde nicht nur die neue Strafe
zu verbüssen haben, sondern unter Umständen auch mit dem Widerruf
des ihm bedingt erlassenen Restdrittels der vom Obergericht im Jahre
1984 ausgefällten Strafe von dreieinhalb Jahren Zuchthaus zu rechnen
haben. Damit geht sie von einer unzutreffenden rechtlichen Annahme aus. Von
der Rückversetzung Umgang nehmen kann die zuständige Behörde nur dann,
wenn die neue unbedingte Freiheitsstrafe drei Monate nicht übersteigt
(Art. 38 Ziff. 4 Abs. 1 StGB). Bei einer neuen Freiheitsstrafe von vier
Monaten unbedingt wäre der Widerruf also zwingend.

    Wie das Bundesgericht in seiner jüngeren Rechtsprechung dargelegt hat,
dient das Strafrecht in erster Linie nicht der Vergeltung, sondern der
Verbrechensverhütung. Sanktionen, die den Betroffenen aus einer günstigen
Entwicklung herausreissen, sind deshalb nach Möglichkeit zu vermeiden (BGE
118 IV 349, 340, 336). Nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen
im angefochtenen Urteil (Art. 277bis Abs. 1 BStP) ist der Beschwerdeführer
jetzt über fünfzig Jahre alt. Die Vorinstanz legt dar, er habe sich in
den letzten Jahren persönlich und beruflich weitgehend aufgefangen; seine
Schulden habe er, nachdem im März 1988 der Privatkonkurs über ihn eröffnet
worden sei, inzwischen praktisch getilgt. Bei dieser Sachlage hätte sich
die Vorinstanz damit auseinandersetzen müssen, ob eine schuldangemessene
Sanktion gegeben sei, die den Resozialisierungserfolg möglichst nicht
beeinträchtigt. Sie hätte berücksichtigen müssen, dass bei einer neuen
unbedingten Strafe von vier Monaten Gefängnis der Widerruf des bedingt
erlassenen Strafrests von 14 Monaten zwingend ist, der Beschwerdeführer -
nach Abzug der erstandenen Untersuchungshaft von vierzehn Tagen - folglich
insgesamt rund siebzehneinhalb Monate zu verbüssen hätte und damit aus
seiner vorteilhaften Entwicklung herausgerissen würde. Sie hätte dem
Umstand Rechnung tragen müssen, dass bei einer neuen Strafe von nicht mehr
als drei Monaten Gefängnis die zuständige Behörde - die die persönliche und
berufliche Festigung des Beschwerdeführers ebenfalls zu berücksichtigen und
überdies der Warnungswirkung der neuen Strafe Rechnung zu tragen hätte -
vom Widerruf des bedingt erlassenen Strafrests Umgang nehmen könnte und
die neue Strafe bei einem Verzicht auf den Widerruf in Halbgefangenschaft
vollzogen werden könnte (Art. 4 VStGB 1, Art. 1 VStGB 3, Verordnung
des Regierungsrates des Kantons Zürich über die Halbgefangenschaft vom
30. April 1986), wodurch sich eine Beeinträchtigung der beruflichen
Wiedereingliederung vermeiden und die Gefahr des Rückfalls entsprechend
verringern liesse. Bei der Strafzumessung sind auch die Rechtsfolgen, die
sich aus einem bestimmten Strafmass ergeben, zu berücksichtigen (vgl. BGE
118 IV 339 ff., wonach der Grenze von 18 Monaten für die Gewährung des
bedingten Strafvollzugs bei der Strafzumessung Rechnung zu tragen ist, wenn
eine Freiheitsstrafe von nicht erheblich längerer Dauer in Betracht fällt
und die Voraussetzungen des bedingten Vollzugs im übrigen erfüllt sind).