Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 II 368



119 II 368

75. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. Juli 1993 i.S. D.
gegen R. F. (Berufung) Regeste

    Anspruch auf Kostengutsprache bei der
Rechtsschutzversicherung. Voraussetzungen und Verjährung.

    1. Der Rechtsschutzversicherte hat gegenüber der
Versicherungsgesellschaft Anspruch auf Kostengutsprache vor Einleitung
eines Prozesses. Dieser Anspruch kann auf dem Prozessweg geltend gemacht
werden (E. 2).

    2. Sieht der Versicherungsvertrag vor, dass die Versichererin die
Übernahme von Prozesskosten verweigern könne, wenn sie den Prozess als
"aussichtslos betrachte", so beurteilt sich die Aussichtslosigkeit nach
objektiven Massstäben. Es ist der gleiche Begriff, wie bei der Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege. Aussichtslosigkeit im vorliegenden Fall
verneint (E. 4 und 5).

    3. Die Gutsprache für die Kosten der aussergerichtlichen Geltendmachung
eines Anspruchs unterbricht auch die Verjährung für den Anspruch auf
Übernahme der Prozesskosten, wenn aussergerichtlich keine Einigung zustande
kommt (E. 7).

Sachverhalt

    A.- R. F. leidet an Hydrocephalus internus und benötigt deshalb
eine Drainage. Eine im Kinderspital X. durchgeführte Operation, bei der
dieses Drainagesystem entfernt wurde, führte zu Komplikationen, die eine
Hirnschädigung zur Folge hatten. R. F. ist seither zu 100% invalid.

    R. F. ist bei der O. Kranken- und Unfallversicherung
u.a. gegen die Folgen von Unfallinvalidität versichert. Die
O. Kranken- und Unfallversicherung ihrerseits ist im Rahmen eines
Kollektivversicherungsvertrages bei der S. rückversichert.

    Der Vater von R. F. ist bei der D. rechtsschutzversichert. Der
Versicherungsschutz erstreckt sich nicht nur auf den Versicherungsnehmer,
sondern auch auf dessen minderjährige Kinder.

    B.- Nachdem die O. Kranken- und Unfallversicherung mit dem Argument,
es handle sich nicht um einen Unfallschaden, eine Invaliditätsentschädigung
abgelehnt hatte, zeigte R. F. am 23. Dezember 1987 der D. den Schadenfall
an. Diese leistete R. F. in der Folge für die aussergerichtliche
Erledigung der zivilrechtlichen Ansprüche aus Arzthaftpflicht gegen
den Kanton X. und aus Unfallversicherungsvertrag gegenüber der
O. Kostengutsprache.

    Das Verfahren gegen das Kinderspital X. wurde in der Zwischenzeit
vergleichsweise erledigt. Die D. bezahlte für die in diesem Verfahren
angefallenen Anwaltskosten einen Betrag von Fr. 30'000.--. Demgegenüber
lehnte die S. als Rückversichererin der O. mit Schreiben vom
9. März 1990 an den Rechtsvertreter von R. F. jeden Anspruch auf
Invaliditätsentschädigung ab.

    Dieses Schreiben wurde an die D. weitergeleitet. Diese lehnte das
Gesuch um Kostengutsprache für einen Prozess gegen die O. (bzw. die S.) ab.

    C.- Mit Leitschein vom 20. August 1991 und Rechtsschrift ihres
Anwalts vom 18. September 1990 klagte R. F. beim Kantonsgericht Appenzell
Ausserrhoden gegen die D. auf Feststellung, dass bei letzterer bis zu einem
Maximalbetrag von Fr. 220'000.-- für die Durchsetzung des Anspruchs auf
Invaliditätsentschädigung gegenüber der O. (bzw. der S.) Kostendeckung
bestehe. Mit Urteil vom 7. Januar 1991 hiess das Kantonsgericht die
Klage gut.

    Eine von der D. gegen diesen Entscheid erhobene Appellation wurde am
26. Mai 1992 vom Obergericht von Appenzell Ausserrhoden abgewiesen.

    D.- Die D. gelangt mit Berufung an das Bundesgericht und beantragt
die Aufhebung des angefochtenen Entscheides sowie das Nichteintreten auf
die Klage bzw. deren Abweisung.

    R. F. beantragt die Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten
sei; das Obergericht von Appenzell Ausserrhoden hat mit dem Hinweis auf die
Begründung des angefochtenen Entscheides von Gegenbemerkungen abgesehen.

    E.- Eine von der D. gleichzeitig erhobene staatsrechtliche Beschwerde
ist am 9. Juni 1993 vom Bundesgericht abgewiesen worden, soweit auf sie
eingetreten werden konnte.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Beklagte bestreitet die Zulässigkeit einer Feststellungsklage.

    a) Sofern das festzustellende Recht seine Grundlage im Bundeszivilrecht
hat, beurteilt sich die Zulässigkeit einer Feststellungsklage
ausschliesslich nach diesem. Nach der neueren bundesgerichtlichen
Rechtsprechung steht es den Kantonen auch nicht zu, die Feststellungsklage
in weiterem Umfang zuzulassen, als dies das Bundesrecht vorsieht (BGE 110
II 354 ff.; 118 II 524; ZBJV 1993, S. 194). Jede Feststellungsklage setzt
ein Feststellungsinteresse voraus. Ein solches Interesse ist in der Regel
nicht gegeben, wenn eine Leistungsklage möglich ist. Die Feststellungsklage
ist subsidiär zu dieser (VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, 3. Aufl.,
Bern 1992, S. 173).

    Es geht vorliegend darum, im Vorfeld eines Prozesses von der
Rechtsschutzversicherung die Zusicherung zu erhalten, dass sie allfällige
Kosten übernehmen werde. Ein Anspruch auf Vergütung irgendwelcher
Prozesskosten besteht zur Zeit nicht. Eine Klage auf Bezahlung von Geld
ist mangels Fälligkeit somit noch nicht möglich und kann deshalb einem
Feststellungsanspruch auch nicht entgegenstehen (VOGEL, S. 170). Fraglich
scheint demgegenüber, ob mit einer Leistungsklage verlangt werden
könnte, dass die Beklagte die Übernahme künftiger Kosten zusichert. Die
Klage ginge auf Abgabe einer Willenserklärung. Diese würde dann durch
das Urteil ersetzt (BGE 97 II 51). Jedenfalls wird mit der Klage die
Klärung der Frage verlangt, ob die Beklagte künftig entstehende Kosten
zu tragen habe. Es handelt sich somit um den Entscheid über eine künftige
Leistungspflicht. Die Klägerin hat ohne jeden Zweifel ein Interesse daran,
dies verbindlich festgestellt zu haben.

    b) Zu Recht macht die Beklagte geltend, dass es nicht angehe, mit
der Feststellungsklage eine fehlende Leistungspflicht zu schaffen. Es
wäre deshalb unzulässig, mit einem Feststellungsurteil über den Anspruch
zu befinden, welcher der Klägerin gegenüber der Beklagten gegebenenfalls
zustehen wird, nachdem die Prozesskosten angefallen sind. Darum geht es
aber vorliegend gar nicht. Die Klägerin will nur, dass darüber befunden
wird, ob die Beklagte grundsätzlich das Kostenrisiko zu übernehmen
habe oder nicht. Dabei sind zwei Fragen auseinander zu halten: Zuerst
muss geklärt werden, ob der Versicherungsvertrag überhaupt einen Anspruch
darauf gibt, im Vorfeld eines Prozesses eine Kostengutsprache zu erhalten,
oder ob die Versicherung nur verpflichtet ist, im nachhinein die Kosten zu
tragen. Falls ein Anspruch auch auf Kostengutsprache dem Grundsatz nach
besteht, ist sodann zu prüfen, ob dessen Voraussetzungen im einzelnen
erfüllt sind oder nicht.

    Beide Fragen betreffen aber nicht die Klageart, sondern die
sich aus dem Versicherungsvertrag ergebenden Ansprüche. Gegen ein
Feststellungsbegehren ist somit nichts einzuwenden.

Erwägung 4

    4.- Wie sich gezeigt hat, besteht ein gerichtlich durchsetzbarer
Anspruch auf Kostengutsprache, sofern die vertraglichen Voraussetzungen
im einzelnen erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen gehört, dass der
Rechtsstreit, für dessen Durchführung eine Kostengutsprache verlangt wird,
nicht als aussichtslos erscheint. Das Gericht kann somit überprüfen, ob
Aussichtslosigkeit im Sinne der allgemeinen Vertragsbedingungen vorliegt
oder nicht. Wie der Begriff der Aussichtslosigkeit in diesem Zusammenhang
zu verstehen ist, bestimmt sich nach Art. 11 AVB.

    Die Beklagte macht geltend, für den nun eingetretenen Fall, dass diese
Anspruchsvoraussetzung überhaupt einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich
sei, könne sich diese Prüfung nur auf Willkür beschränken. Art. 11 AVB sehe
vor, dass die Versicherung die Kostengutsprache ablehnen könne, wenn sie
die weiteren Rechtsschritte als "aussichtslos betrachtet". Es komme somit
nur auf die subjektive Beurteilung der Versicherung an, und nur geradezu
willkürliche Beurteilungen der Aussichtslosigkeit seien vom Gericht zu
korrigieren. Das Obergericht hat demgegenüber angenommen, der Begriff
der Aussichtslosigkeit in Art. 11 AVB entspreche dem im Prozessrecht
insbesondere an Hand der unentgeltlichen Rechtspflege entwickelten Begriff.

    a) Art. 11 AVB schränkt die Leistungspflicht der Beklagten ein. Es
handelt sich indessen nicht um eine Ausschlussklausel im Sinne von
Art. 33 VVG, da diese Vertragsbestimmung nicht die versicherte Gefahr
umschreibt, sondern nur verhindern will, dass der Versicherer für
unnötige Vermögensschäden aufkommen muss. Es handelt sich damit
um eine Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes, dass es dem
Versicherten obliegt, den Schaden möglichst klein zu halten (Art. 61
Versicherungsvertragsgesetz SR 221.229.1, VVG; vgl. MAURER, Schweizerisches
Privatversicherungsrecht, Bern 1986, S. 324). Auf Art. 11 AVB sind indessen
die allgemeinen Auslegungsregeln anwendbar.

    b) Die Beklagte will den Begriff der Aussichtslosigkeit rein subjektiv
ausgelegt haben. Nach dem Wortlaut des Vertrages könne sie Leistungen
vorerst ablehnen, wenn sie die Weiterführung des Rechtsstreites als
"aussichtslos betrachte". Es komme somit nur auf ihre (nicht willkürliche)
Ansicht an.

    Die allgemeinen Vertragsbedingungen beim Versicherungsvertrag
sind aber nicht nur nach ihrem Wortlaut auszulegen. Vielmehr ist wie
bei jedem Vertrag (BGE 112 II 253 E. c.) grundsätzlich der wirkliche
Wille der Parteien zu ermitteln. Ist dies nicht möglich, so muss auf den
mutmasslichen Willen abgestellt werden. Er ist nach dem Vertrauensgrundsatz
aufgrund aller Umstände des Vertragsschlusses zu ermitteln (BGE 113 II
51 E. b.; 107 II 418 und 476). Dabei hat das Gericht zu berücksichtigen,
was sachgerecht ist, weil nicht anzunehmen ist, dass die Parteien eine
unangemessene Lösung gewollt haben. Da das dispositive Recht in der Regel
die Interessen der Parteien ausgewogen wahrt, hat die Partei, die davon
abweichen will, dies mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck zu bringen
(BGE 113 II 51; JÄGGI/GAUCH, Zürcher Kommentar, 1980, N. 447 zu Art. 18
OR; KRAMER, Berner Kommentar, 1985, N. 48 zu Art. 18 OR). Schliesslich
gilt nach konstanter Rechtsprechung, dass gemäss der sogenannten
Unklarheitsregel zweideutige Wendungen in allgemeinen, formularmässig
vorgeformten Vertragsbedingungen im Zweifel zu Lasten ihres Verfassers
auszulegen sind (BGE 115 II 268 f. mit Hinweisen; JÄGGI/GAUCH, N. 451
ff. zu Art. 18 OR; einschränkend: MAURER, S. 146 f.). Bei Verwendung
juristischer Fachausdrücke ist in der Regel zu vermuten, dass der
technische Sinn gemeint ist (KRAMER, N. 24 zu Art. 18 OR). Schliesslich
ist auch der Vertragszweck zu beachten (KRAMER, N. 35 zu Art. 18 OR).

    Vorliegend verwendet der Vertrag einen Ausdruck, der - wie
das Obergericht zu Recht feststellt - aus dem Prozessrecht bestens
bekannt ist. Zudem erfüllt er im Prozessrecht grundsätzlich die gleiche
Funktion wie im vorliegenden Vertrag. Die Prozesskosten im weiteren
Sinn hindern in der Regel eine Partei daran, Prozesse zu führen,
bei denen die Aussicht auf Erfolg in keinem vernünftigen Verhältnis
zum eingegangenen Risiko steht. Da sowohl der die unentgeltliche
Rechtspflege Beanspruchende wie auch der Rechtsschutzversicherte mit
Bezug auf die Kosten den Prozess auf fremdes Risiko führen, entfiele
diese Schranke gegenüber überflüssigen Prozessführungen, wenn die
entsprechenden Leistungen nicht bei Aussichtslosigkeit verweigert werden
könnten. Der mit Art. 11 AVB verfolgte Zweck gebietet es schon von daher,
die Aussichtslosigkeit hier im technischen Sinne des Prozessrechts
zu verstehen. Zum gleichen Ergebnis führt auch die Unklarheitsregel,
ist es doch die Beklagte, die die allgemeinen Vertragsbedingungen
formuliert hat. Überdies müsste es als ungewöhnlich angesehen werden,
wenn hier ein weiterer Begriff der Aussichtslosigkeit gemeint wäre als
bei der unentgeltlichen Rechtspflege. Wohl ist es nicht ungewöhnlich,
dass eine Rechtsschutzversicherung ihre Leistungen verweigert, wenn
der Prozess aussichtslos ist, wie die Beklagte ausführt. Daraus kann
aber nichts für die Frage geschlossen werden, wie dieser Begriff zu
verstehen ist. Der Versicherungsnehmer darf davon ausgehen, dass ihn die
Rechtsschutzversicherung wenigstens in dem Rahmen von den Prozesskosten
befreit, wie bei Bedürftigkeit ihn der Staat davon entlastet. Eine darüber
hinausgehende Möglichkeit, die Leistung schon dann zu verweigern, wenn
der Versicherung die Sache bloss subjektiv als aussichtslos erscheint,
müsste demgegenüber als ungewöhnlich bezeichnet werden.

    Das Obergericht hat somit zu Recht seinem Entscheid über die
Aussichtslosigkeit die vom Bundesgericht im Zusammenhang mit der
unentgeltlichen Prozessführung entwickelte Rechtsprechung zugrunde gelegt.

Erwägung 5

    5.- a) Die Beklagte erachtet den von der Klägerin angestrengten
Prozess als aussichtslos, weil die geltend gemachte Forderung verjährt sei.

    Die Beklagte bestreitet indessen nicht, dass die S., bei der
die O. offenbar rückversichert ist, gegenüber der Klägerin auf die
Verjährungseinrede verzichtet habe. Vertragspartnerin der Klägerin
sei aber die O. und nicht die S. Der Verzicht dieser könne jener nicht
entgegengehalten werden. Die O. verweigere jede Zahlung. Von daher sei
es unwahrscheinlich, dass sie sich nicht auf die Verjährung berufe.

    Die Verjährung lässt die Forderung nicht untergehen, sondern bewirkt,
dass der Schuldner unter Berufung auf die Verjährung seine immer noch
geschuldete Leistung verweigern kann. Es handelt sich um eine Einrede im
technischen Sinne (VON TUHR/ESCHER, OR AT, Zürich 1974, S. 230 f.). Sie
ist deshalb nur zu berücksichtigen, wenn sie vom Schuldner geltend gemacht
wird. Verweigert ein Schuldner die Leistung, hat er damit die Verjährung
noch nicht geltend gemacht. Allerdings erscheint es in der Tat in der
Regel unwahrscheinlich, dass ein Schuldner, der im Vorfeld eines Prozesses
jede Leistung verweigert, sich im Prozess nicht auf die Verjährung berufen
wird. Indessen sind Ausnahmen durchaus vorstellbar. Insbesondere braucht
mit der Berufung auf die Verjährung durch eine Versicherung nicht gerechnet
zu werden, wenn diese für den entsprechenden Schaden rückversichert ist und
die Rückversicherung ihrerseits auf die Einrede der Verjährung gegenüber
dem Versicherten verzichtet hat. Diesfalls hat die Versicherung den Schaden
nicht selber zu tragen und sie wird von daher kaum ein Interesse haben,
die Verjährung geltend zu machen. Solche Umstände sind aber vorliegend
unbestrittenermassen gegeben. Auch lehrt die Erfahrung, dass Versicherer
bisweilen in grundsätzlichen Fällen auf die Verjährungseinrede im Prozess
verzichten. Von daher kann die Aussichtslosigkeit nicht schon damit
begründet werden, dass sich die S. möglicherweise auf die Verjährung
berufen könne, wenn sie das bis anhin nicht getan hat.

    b) Die Beklagte erachtet den von der Klägerin beabsichtigten
Prozess auch deshalb für aussichtslos, weil gar kein Unfall vorliege,
was aber Voraussetzung sei, um von der S. (beziehungsweise der O.) eine
Invaliditätsentschädigung zu erhalten.

    Nach der ständigen Rechtsprechung des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts, die nun auch in Art. 9 Abs. 1 UVV (SR 832.202)
ihren Niederschlag gefunden hat (BGE 116 V 138, E. 3a und 147 E. 2a
mit Hinweisen), gilt als Unfall die plötzliche, nicht beabsichtigte
schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den
menschlichen Körper. Die Ungewöhnlichkeit bezieht sich dabei auf das
Einwirken des äusseren Faktors und nicht auf dessen Auswirkungen. Für
das Vorliegen eines Unfalls genügt es demgemäss nicht, dass ein Ereignis
schwerwiegende, ungewöhnliche Folgen nach sich zieht. Vielmehr muss
das Ereignis selber ungewöhnlich sein (118 V 284 E. 2a). Diese
Grundsätze zum Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit gelten auch,
wenn zu beurteilen ist, ob ein ärztlicher Eingriff den gesetzlichen
Unfallbegriff erfüllt. Damit ein ärztlicher Eingriff als ungewöhnlicher
äusserer Faktor qualifiziert werden kann, muss seine Vornahme unter
den jeweils gegebenen Umständen vom medizinisch Üblichen ganz erheblich
abweichen und zudem, objektiv betrachtet, entsprechend grosse Risiken
in sich schliessen. Im Rahmen einer Krankheitsbehandlung, für welche der
Unfallversicherer nicht leistungspflichtig ist, kann ein Behandlungsfehler
ausnahmsweise den Unfallbegriff erfüllen, nämlich wenn es sich um grobe
und ausserordentliche Verwechslungen und Ungeschicklichkeiten oder sogar
um absichtliche Schädigung handelt, mit denen niemand rechnet noch zu
rechnen braucht. Es wird regelmässig ein Kunstfehler vorliegen, der
auch eine zivilrechtliche Haftung des Medizinalpersonals begründen kann
(BGE 118 V 284 E. 2b). Die Voraussetzungen des Unfallbegriffs sind aber
unabhängig von der zivilrechtlichen Haftung zu beurteilen, und nicht jeder
Kunstfehler braucht einen Unfall darzustellen (MAURER, Schweizerisches
Unfallversicherungsrecht, Bern 1985, S. 180 ff.). Entsprechend kommt auch
der Frage, ob eine bestimmte Behandlung überhaupt indiziert war, keine
zentrale Bedeutung zu. Erweist sich die Indikation für einen im Rahmen
der Krankheitsbehandlung erfolgten Eingriff im nachhinein als falsch,
liegt eine blosse Fehlbehandlung vor. Hiefür hat der Unfallversicherer
nicht aufzukommen, es sei denn, die (nicht indizierte) Vorkehr selber
überschreite die Schwelle der Aussergewöhnlichkeit (BGE 118 V 283
ff. E. 3b).

    Ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben sind, mag in der
Tat fraglich erscheinen. Das Vorliegen eines Unfalls lässt sich allerdings
nicht schon mit dem Hinweis ausschliessen, ein solcher setzte ein aktives
Tun oder Unterlassen des medizinischen Personals voraus (BGE 118 V 283
ff. E. 3a). Das heisst nämlich nicht, dass der Fehler ein unmittelbares
Manipulieren am Körper sein muss, wie dies die Beklagte geltend zu machen
scheint. Im vorliegenden Fall ist zudem zu beachten, dass Ausgangspunkt für
die Schädigung offenbar die Entfernung des Drainagesystems und damit ein
unmittelbarer Eingriff in den Körper gebildet hat. Fraglich mag indessen
erscheinen, ob die Entfernung der Drainage mit anschliessendem das Hirn
schädigendem Überdruck unter den gegebenen Umständen ganz erheblich vom
medizinisch Üblichen abwich. Es geht indessen im vorliegenden Verfahren
nicht darum zu beurteilen, ob tatsächlich ein Unfall vorliegt. Vielmehr
ist die Frage zu entscheiden, ob die Auffassung des Kantonsgerichts -
auf die das Obergericht verweist -, es liege ein Unfall vor, als derart
abwegig bezeichnet werden muss, dass ein Prozess der Klägerin gegen die
Unfallversicherung als von vornherein aussichtslos bezeichnet werden
müsste. Das lässt sich aber auf Grund der vorstehenden Überlegungen
nicht behaupten.

    c) Die Beklagte hält den Rechtsstreit mit der Unfallversicherung
auch deshalb für aussichtslos, weil eine konstitutionelle Prädisposition
bestanden habe und es auch deshalb an der Plötzlichkeit der schädigenden
Einwirkung und der Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors fehle. Dieser
Absicht kann nicht gefolgt werden. Ein krankhafter Vorzustand
schliesst nicht das Vorliegen eines Unfalls aus, sondern kann als
unfallfremder Faktor zu einer Kürzung der Leistungen führen (Art. 36
Unfallversicherungsgesetz, SR 832.20 UVG; MAURER, Schweizerisches
Unfallversicherungsrecht, aaO, S. 468 ff.). Diese ist indessen an die
Voraussetzungen gebunden, dass die vorbestehende Gesundheitsschädigung
zur Verminderung der Erwerbsfähigkeit geführt hat, beziehungsweise bei
Eintritt in das Erwerbsalter die Erwerbsfähigkeit auch ohne den Unfall
beeinträchtigt hätte (Art. 36 Abs. 2 KUVG). Dem angefochtenen Entscheid
sind aber keine Sachverhaltsfeststellungen zu entnehmen, die auf das
Vorliegen dieser Voraussetzungen schliessen liessen. Die Drainage bezweckt
beim Hydrocephalus gerade die Hirnschädigung zu vermeiden.

    Das Obergericht ist somit zu Recht davon ausgegangen, dass der von
der Klägerin gegen die Unfallversicherung bzw. deren Rückversicherung
angestrebte Prozess nicht aussichtslos im Sinne von Art. 11 AVB sei.

Erwägung 7

    7.- Die Beklagte macht schliesslich geltend, allfällige Ansprüche
der Klägerin gegen sie seien gemäss Art. 46 VVG verjährt.

    Das Obergericht ging davon aus, dass die zweijährige Verjährungsfrist
nach Art. 46 Abs. 1 VVG am 22. Oktober 1987 zu laufen begonnen hatte. An
diesem Datum wurde der Klägerin operativ das Drainagesystem entfernt, was
zu den Komplikationen führte, die ihrerseits die vollständige Invalidität
der Klägerin zur Folge hatten. Am 28. Dezember 1987 habe die Beklagte eine
Kostengutsprache sowohl mit Bezug auf die Streitigkeit mit dem Kanton
X. als auch mit der O. zugesichert. Am 11. Dezember 1989 habe sie zudem
schriftlich erklärt, dass in Sachen S. grundsätzlich Deckung bestehe. Darin
seien nach Treu und Glauben Unterbrechungshandlungen im Sinne von Art. 135
Ziff. 1 OR zu erblicken. Nachdem mit Leitschein vom 20. August 1991 die
Klägerin schliesslich die vorliegende Klage eingeleitet habe, stehe fest,
dass die Verjährung nicht eingetreten sei.

    Die Beklagte teilt die Auffassung der Vorinstanz mit Bezug auf
den Beginn der Verjährungsfrist. Demgegenüber erblickt sie in den vom
Obergericht aufgeführten Schreiben keine Schuldanerkennungen, die die
Verjährung hätten unterbrechen können. Zum einen habe sie keinerlei
Gutsprache für eine gerichtliche Auseinandersetzung geleistet, und zum
andern habe das zweite Schreiben die Verjährungsfrist nicht unterbrechen
können, da diese zu jenem Zeitpunkt bereits abgelaufen gewesen sei.

    Ob die Verjährungsfrist schon mit dem Unfall, der Ausgangspunkt
des Rechtsstreites bildet, um dessen Kosten es geht, zu laufen beginnt
oder erst zu einem späteren Zeitpunkt (vgl. BGE 118 II 456 f.), kann
offengelassen werden. Wie sich im folgenden zeigt, ist der Lauf der
Verjährungsfrist nämlich rechtzeitig unterbrochen worden.

    a) Es trifft zu, dass die Kostengutsprache mit Bezug auf die
Streitsache mit der O. von der Beklagten im Schreiben vom 28. Dezember 1987
ausdrücklich "vorerst beschränkt auf die aussergerichtliche Erledigung"
erteilt worden ist. Gleichzeitig hat die Beklagte aber auch ausgeführt:
"Vor gerichtlichen Schritten muss eine neue Kostengutsprache eingeholt
werden und wir behalten uns eine volle Neuprüfung vor."

    Wie die Beklagte selber im Zusammenhang mit der Zulässigkeit einer
Feststellungsklage geltend macht, entspricht es dem üblichen Vorgehen
in der Rechtsschutzversicherung, dass eine Kostengutsprache immer auf
einzelne Abschnitte der Rechtswahrung begrenzt wird: Zuerst wird für die
aussergerichtliche Geltendmachung Kostengutsprache geleistet; erweist
sich sodann eine gütliche Einigung als nicht möglich, ist zu prüfen,
ob eine gerichtliche Geltendmachung angezeigt ist. Gegebenenfalls wird
eine Kostengutsprache für den Prozess erster Instanz oder sogar nur bis
zu einem bestimmten Verfahrensabschnitt (z.B. Ende des Beweisverfahrens)
gegeben. Nach dem erstinstanzlichen Urteil wird geprüft, ob auch für
das Rechtsmittelverfahren - oder einzelne Teile davon - Kostengutsprache
gewährt werden muss. Weil ein Rechtsstreit Jahre dauern kann, stellt sich
die Frage der Kostengutsprache für die letzten Verfahrensteile unter
Umständen erst Jahre nach Beginn des Rechtsstreites. Das zweifellos
sinnvolle Aufteilen der Kostengutsprache nach Verfahrensabschnitten
kann nun aber nicht bedeuten, dass der Versicherungsnehmer bei
Beginn des Rechtsstreites schon für alle möglicherweise nachfolgenden
Verfahrensabschnitte einzeln die Verjährung unterbrechen muss, wenn
er seinen Anspruch auf Rechtsschutz während des ganzen Verfahrens
sichern will. Mit der Anerkennung der Leistungspflicht durch die
Versicherung für das erste, aussergerichtliche Verfahren anerkennt
die Versicherungsgesellschaft auch ihre Leistungspflicht für die
nachfolgenden Verfahrensabschnitte dem Grundsatz nach. Dies hindert
sie selbstverständlich nicht, für spätere Verfahrensabschnitte keine
Kostengutsprache mehr zu leisten, wenn die vertraglichen Voraussetzungen
für diese Abschnitte nicht gegeben sind. Die Anerkennung der
Leistungspflicht für die aussergerichtliche Erledigung unterbricht die
Verjährung auch für die Ansprüche auf Leistung für die nachfolgende
gerichtliche Geltendmachung des gleichen Rechtsanspruchs. Für die
Unterbrechungswirkung genügt es, dass der Schuldner seine Schuldpflicht
dem Grundsatz nach anerkennt, ohne dass sich die Anerkennung auf einen
bestimmten Betrag bezieht (BGE 110 II 180 f.). Letzteres ist nur nötig,
wenn eine urkundliche Anerkennung im Sinne von Art. 137 Abs. 2 OR vorliegen
und damit nicht die bisherige Verjährungsfrist, sondern eine zehnjährige
Frist neu beginnen soll (BGE 113 II 268).

    Die auf das aussergerichtliche Verfahren beschränkte
Kostengutsprache vom 28. Dezember 1987 unterbrach somit die Verjährung
des Rechtsschutzanspruchs auch für die gerichtliche Geltendmachung der
Forderung.

    b) Die am 28. Dezember 1987 neu beginnende zweijährige Verjährungsfrist
wurde sodann durch das Schreiben der Beklagten vom 11. Dezember 1989
unterbrochen. In diesem Schreiben hält die Beklagte fest: "In Sachen
S. besteht grundsätzlich selbstverständlich Deckung." Die Beklagte
will darin keine die Verjährung unterbrechende Anerkennung der Schuld
sehen, weil es an einem Bindungswillen gefehlt und sie nur eine
Selbstverständlichkeit festgehalten habe. Eine Anerkennungshandlung
nach Art. 135 Ziff. 1 OR setzt indessen keinen auf Unterbrechung der
Verjährung gerichteten Willen voraus (SPIRO, Die Begrenzung privater
Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, Bern 1975,
Bd. I, S. 353 ff.; STEPHEN V. BERTI, in: HONSELL/VOGT/WIEGAND, Kommentar
zum Schweizerischen Privatrecht, OR I, Basel 1992, N. 2 zu Art. 135
OR). Es genügt, dass der Schuldner zu erkennen gibt, seines Erachtens
bestehe die Schuld grundsätzlich (vgl. BGE 110 II 180). Ob die Beklagte
mit dem Brief vom 11. Dezember 1989 die Verjährung unterbrechen wollte,
ist deshalb ohne Bedeutung.

    c) Das Schreiben der Beklagten vom 28. Dezember 1987 handelt vom
Rechtsstreit mit der O. Jenes vom 11. Dezember 1989 erwähnt demgegenüber
den Rechtsstreit mit der S. Daraus schliesst die Beklagte, dass die
beiden Schreiben nicht die gleiche Forderung betroffen hätten und
deshalb beide verjährt seien. Das Obergericht hält im angefochtenen
Entscheid fest, dass die O. Kranken- und Unfallversicherung im Rahmen
eines Kollektivversicherungsvertrages bei der S. rückversichert ist. Wie
das Rechtsverhältnis zwischen der O., der S. und der Klägerin im einzelnen
ausgestaltet ist, wird nicht dargelegt. Dies ist aber vorliegend auch nicht
entscheidend. Die Klägerin will von der Beklagten eine Kostengutsprache,
um ihren mutmasslichen Anspruch auf Invaliditätsentschädigung gegenüber
ihrer Unfallversicherung geltend zu machen. Um die Geltendmachung dieses
Anspruchs handelt es sich aber unabhängig davon, ob sie nun gegen ihre
unmittelbare Versicherung, die O., oder gegen deren Rückversicherung,
die S., klagen muss. Damit betreffen aber beide Schreiben der Beklagten
den Rechtsschutz für den gleichen Anspruch. Die Verjährung ist zweimal
unterbrochen worden. Die Einrede der Verjährung erweist sich somit als
unbegründet.