Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 II 347



119 II 347

71. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. September 1993 i.S.
B. c. N. (Berufung) Regeste

    Mietvertrag (Art. 253 OR).

    Ist der Mietzins von den Parteien nicht hinreichend bestimmt worden
und liegt erst eine grundsätzliche Einigung über die Entgeltlichkeit der
Gebrauchsüberlassung vor, ist ein Mietvertrag noch nicht geschlossen. Nur
für die Dauer der bereits erfolgten Benutzung kann der Richter das
Entgelt festlegen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- Obwohl eine längere Vertragsdauer auf unbestimmte Zeit
beabsichtigt war, bestand ein Konsens über den Mietzins bloss für die
ersten 6 Monate. Der Mietvertrag besteht über diese Anfangsphase hinaus
nur dann weiter, wenn die Bestimmung der Mietsache und die grundsätzliche
Einigung auf Entgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung als unentbehrliche
Bestandteile (essentialia negotii) für das Zustandekommen des Mietvertrages
genügen (OR-ZIHLMANN, N. 1 zu Art. 253 OR). Bei fehlender Einigung über
die Höhe des Mietzinses ist der Vertrag, wenn diese Auffassung zutrifft,
vom Richter nach Massgabe dessen, was die Parteien unter den gegebenen
Umständen in guten Treuen vereinbart hätten, zu ergänzen (BGE 100 II
330 f.). Daraus ergäbe sich die vorliegend nicht umstrittene Konsequenz,
dass die Auflösung des Vertrages einer Kündigung bedurfte.

    a) Indessen ist die Rechtslage eine andere. Als Folge fundierter
Kritik von JEANPRÊTRE (JdT 123/1975 I S. 610 ff.) und MERZ (ZBJV 112/1976
S. 99 ff.), die beide die Bestimmung oder Bestimmbarkeit des Mietzinses
als essentiell betrachten und die Geltung eines den speziellen Regelungen
für den Arbeitsvertrag, den Werkvertrag und den Auftrag (Art. 322 Abs. 1,
Art. 374 und 394 Abs. 3 OR) entsprechenden allgemeinen Rechtssatzes
(BGE 100 II 330 S. 331) verneinen, beschränkte das Bundesgericht in BGE
108 II 112 E. 4 S. 113 f. die Aussage über die Möglichkeit richterlicher
Vertragsergänzung auf den Tatbestand bereits erfolgter Nutzung. In einem
nicht publizierten Urteil vom 17. Juni 1985 i.S. P., E. I.2 äusserte
es sich dann unmissverständlich dahin, dass sich die Parteien über die
Höhe des Mietzinses einigen müssten und sich BGE 108 II 112 nur auf die
bereits verflossene Gebrauchsdauer bezogen habe. Somit komme der Vertrag
selbst bei grundsätzlicher Einigung auf entgeltliche Gebrauchsüberlassung
und trotz begonnener Erfüllung nicht zustande und der Mieter habe keinen
Anspruch auf weiteren Gebrauch der Mietsache. Daher wurde in jenem Fall
das Ausweisungsbegehren des Vermieters geschützt und eine Erstreckung
mangels eines Vertragsverhältnisses abgelehnt.

    Von dieser Rechtsprechung wieder abzugehen besteht kein Anlass. Nach
Ablauf der ersten Phase von 6 Monaten der Miete folgte keine zweite. Ob
sie für die Zeit ab Februar 1992 einen Mietvertrag zu anderen Konditionen
abschliessen wollten, konnten die Parteien frei entscheiden; sie müssen
das Risiko eines Scheiterns der Vertragsverhandlungen auch dann tragen,
wenn sie voreilig mit einer Einigung gerechnet und mit dem Vollzug
begonnen haben. Fehlender Konsens lässt sich, wenn es um den Willen zur
Begründung eines Vertragsverhältnisses überhaupt geht, auch nicht durch
ein gerichtliches Urteil ersetzen.