Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 III 78



119 III 78

22. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 19.
März 1993 i.S. M. AG (Rekurs) Regeste

    Siegelung von Räumlichkeiten im Konkurs (Art. 223 Abs. 1 SchKG).

    Will ein Dritter vermeiden, dass seine Räumlichkeiten in die Siegelung
einbezogen werden, die für die Räumlichkeiten des Gemeinschuldners
angeordnet worden ist, müssen die Räumlichkeiten so voneinander getrennt
sein, dass die Siegelung ohne besonderen Aufwand vollzogen werden kann. Die
gegenüber dem Gemeinschuldner angeordnete Sicherungsmassnahme darf nicht
illusorisch werden, weil Dritte sich mit dem Gemeinschuldner in die
Räumlichkeiten teilen.

Sachverhalt

    A.- Über Bernhard M. wurde am 14. Dezember 1992 der Konkurs
eröffnet. Am 6. Januar 1993 versiegelte das Konkursamt Nidau u.a. die
Räumlichkeiten des Gemeinschuldners.

    Über die Siegelung der Räumlichkeiten beschwerte sich die M. AG bei
der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton
Bern. Sie machte geltend, sie habe die versiegelten Räumlichkeiten
von der Mutter des Gemeinschuldners gemietet, und dort befänden sich
ihre Geschäftsunterlagen. Obwohl dieselben Räume auch noch durch den
Gemeinschuldner gemietet würden, sei die Behinderung eines unbeteiligten
Dritten durch die Siegelung rechtswidrig.

    Sowohl die bei der kantonalen Aufsichtsbehörde eingereichte
Beschwerde als auch der bei der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des
Bundesgerichts erhobene Rekurs wurden abgewiesen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Abgesehen davon, dass die Siegelung, welche das Konkursamt
Nidau für die Räumlichkeiten des Gemeinschuldners angeordnet hat,
von der Rekurrentin insofern nicht angefochten werden kann, als die
Sicherungsmassnahme durch die Person und das Verhalten des Gemeinschuldners
begründet wird, braucht sich das Konkursamt hiefür nicht weiter zu
rechtfertigen. Die gesetzliche Grundlage findet sich in den Art. 221
ff. SchKG.

    Dass auch die Rekurrentin von der gegenüber dem Gemeinschuldner
angeordneten Siegelung betroffen wird, hat sie den von ihr selber
geschaffenen Umständen zuzuschreiben, das heisst, ihrer engen Beziehung zum
Gemeinschuldner Bernhard M. Die Rekurrentin erklärt in ihrer Rechtsschrift,
sie sei zwecks "Fortführung des geschäftlichen Teils der Einzelfirma
B. M." gegründet worden; und sie gibt auch zu, "eine gewisse Beziehung
zum Gemeinschuldner B. M." zu haben. Dass eine unleugbare rechtliche
Verselbständigung der Rekurrentin gegenüber dem Gemeinschuldner besteht,
ändert daran nichts. Es ist deshalb nicht entscheidend, dass Bernhard M. -
wie in der Rekursschrift ausgeführt wird - "weder rechtlich noch faktisch
Eigentümer der Rekurrentin ist" und keine Aktien der Rekurrentin besitzen
soll. Hauptaktionärin und Verwaltungsrätin der Rekurrentin ist, nach
deren eigenen Angaben, immerhin Frau Marianne M.; und Bernhard M. selber
ist Angestellter der Rekurrentin.

    b) Könnte man über die enge personelle Verflechtung vielleicht noch
hinwegsehen, so haben auf jeden Fall - im Hinblick auf die Siegelung im
Konkurs des Bernhard M., von welcher die Rekurrentin betroffen wird - die
Überschneidungen Gewicht, welche in den Mietverhältnissen bestehen. In
der Rekursschrift wird hiezu ausgeführt: "Diese Räumlichkeiten, die
ursprünglich von der Einzelfirma B. M. allein gemietet wurden, werden
nicht ausschliesslich durch meine Mandantin gemietet, es bestehen vielmehr
noch zwei weitere Mietverhältnisse zwischen der nutzniessungsberechtigten
Gesamteigentümerin der Räumlichkeiten einerseits und der Einzelfirma
B. M. bzw. der M. Industriespritzwerk AG anderseits."

    Wer sich in derart verquickte Rechtsbeziehungen einlässt (die im
übrigen durch die zitierte Erklärung nicht wirklich erhellt werden),
hat es sich selber zuzuschreiben, wenn er von Massnahmen, welche dem
Gemeinschuldner gelten, mitbetroffen wird. Es braucht unter diesen
Umständen nicht abgeklärt zu werden, wie sich die räumlichen Verhältnisse
im Detail darstellen und ob sie es - mit viel gutem Willen und Aufwand
des Konkursamtes - zuliessen, dass die Siegelung nur auf einen Teil von
ihnen beschränkt wird.

    c) Es stimmt zwar, dass ein Mietvertrag formfrei, also auch
mündlich, abgeschlossen werden kann. Das hat aber die Rekurrentin im
kantonalen Verfahren nicht davon befreit, den Beweis für den Abschluss
eines Mietvertrages zu erbringen. Der dem Bundesgericht eingereichte,
schriftliche Mietvertrag zwischen Frau M. und der Rekurrentin trägt
das Datum des 2. Februar 1993 und ist somit erst nach Einreichung der
Beschwerde bei der kantonalen Aufsichtsbehörde aufgestellt worden.

    Die Behauptung eines lediglich mündlich abgeschlossenen Mietvertrages
musste bei der kantonalen Aufsichtsbehörde den Eindruck undurchsichtiger
Verflechtungen zwischen dem Gemeinschuldner bzw. dessen Familienangehörigen
und der Rekurrentin verstärken. In antizipierter Beweiswürdigung,
die einzig mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV angegriffen werden könnte, und gestützt auf die Aussage
des Verwaltungsratspräsidenten der Rekurrentin, dass diese die mit dem
Gemeinschuldner geteilten Räume nicht unbedingt benötige, ist die kantonale
Aufsichtsbehörde zum Schluss gelangt, dass die Rekurrentin - wenn überhaupt
Mieterin - nicht Alleinmieterin der versiegelten Räumlichkeiten sei. Daraus
folgt der weitere, im angefochtenen Entscheid unausgesprochen gebliebene
Schluss, dass die Räumlichkeiten wohl eher zum Nutzen des Gemeinschuldners
als zum Nutzen der Rekurrentin freigegeben werden sollten.

    Von Kompetenzanmassung des Konkursamtes, wie sie die Rekurrentin im
Zusammenhang mit dem Mietvertrag behauptet, kann keine Rede sein. Das
Konkursamt hat nicht die Ungültigkeit des Mietvertrages festgestellt; aber
je nach der Antwort, die bezüglich des Abschlusses eines Mietvertrages
gegeben wurde, konnte angenommen werden, dass die versiegelten
Räumlichkeiten - oder Teile davon - ausschliesslich der Rekurrentin dienen
oder letztlich eben doch dem Gemeinschuldner zur Verfügung gestellt würden.

    d) Widersprüchlich argumentiert die Rekurrentin, wenn sie einerseits
behauptet, es sei alles unternommen worden, um eine Vermischung der
Akten mit denen der Einzelfirma des Bernhard M. zu verhindern, und
anderseits ausführt, es sei ihr nicht erlaubt worden, alle ihr gehörenden
Akten mitzunehmen, und wichtige Akten befänden sich nach wie vor in den
versiegelten Räumlichkeiten. Die Rekurrentin hätte von ihrer Gründung an
dafür sorgen können, dass ihre Akten in Räumlichkeiten aufbewahrt werden,
welche der Gemeinschuldner Bernhard M. nie betritt und welche von dessen
Räumlichkeiten deutlich getrennt sind.

    e) Allgemein und abschliessend ist festzuhalten, dass die
Rekurrentin die Nachteile der Siegelung im Konkursverfahren des Bernhard
M. auf sich nehmen muss, weil sie es unterlassen hat, sich von jeder
(rechtlichen und faktischen) Beziehung zum Gemeinschuldner Bernhard M. zu
lösen. Insbesondere bestehen - nach der eigenen Aussage der Rekurrentin -
verflochtene Mietverhältnisse zwischen der Rekurrentin, dem Gemeinschuldner
und mit diesem verbundenen Personen. Wenn es auch zutrifft, dass das
Konkursamt auf Räumlichkeiten eines Dritten und Gegenstände, die sich darin
befinden, keinen unmittelbaren Zugriff hat (vgl. BGE 110 III 89 E. 1c;
53 III 106), so muss doch vorausgesetzt werden, dass die Räumlichkeiten
des Dritten von jenen des Gemeinschuldners so deutlich getrennt sind,
dass die Siegelung ohne besonderen Aufwand vollzogen werden kann. Die
gegenüber dem Gemeinschuldner angeordnete Sicherungsmassnahme muss
uneingeschränkt zur Wirkung kommen und darf nicht illusorisch werden,
weil Dritte sich mit dem Gemeinschuldner in die Räumlichkeiten teilen.

    Der sich als unbegründet erweisende Rekurs ist abzuweisen.