Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 III 63



119 III 63

17. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 3.
September 1993 i.S. K. (Rekurs) Regeste

    Art. 68 Abs. 1 SchKG und Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1 zum
Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs des Bundesrates vom 18.
Dezember 1891; Begriff der Betreibungskosten.

    Die in einem ordentlichen Zivilprozess dem Schuldner auferlegten
Gerichtskosten und die auferlegte Parteientschädigung sind auch dann keine
Betreibungskosten, wenn in diesem Prozess der Rechtsvorschlag beseitigt
worden ist. Sie können deshalb nicht in die bereits laufende Betreibung
einbezogen werden.

Sachverhalt

    A.- Die S. AG erwirkte gegen H. K. den Arrest Nr. ... und prosequierte
diesen mit Betreibung Nr. ... . Nachdem H. K. Rechtsvorschlag erhoben
hatte, klagte die S. AG gegen H. K. Das Zivilgericht Basel-Stadt
hiess die Klage teilweise gut und beseitigte in diesem Umfang auch den
Rechtsvorschlag in der genannten Betreibung. Eine gegen dieses Urteil von
der S. AG erhobene Appellation wurde vom Appellationsgericht Basel-Stadt
rechtskräftig abgewiesen.

    Auf Fortsetzungsbegehren der S. AG hin pfändete das Betreibungsamt
die Bankgarantie Nr. ... der X. & Co. In der Folge überwies die X. &
Co auf Aufforderung des Betreibungsamtes an dieses Fr. 113'083.50.

    Im Urteil, mit dem das Zivilgericht Basel-Stadt über die in
Betreibung gesetzte Forderung entschieden hat, wird H. K. verpflichtet,
die sogenannten ausserordentlichen Kosten zu tragen, d.h. die der S. AG
in diesem Prozess entstandenen Anwaltskosten. Auf Gesuch der Gläubigerin
hin setzte der Tarifierungsausschuss des Appellationsgerichts das Honorar
für den Anwalt der S. AG in diesem Prozess auf Fr. 75'348.-- zuzüglich
Auslagen von Fr. 2'335.85 fest.

    Mit Fortsetzungsbegehren verlangte die S. AG die Pfändung der
bereits eingepfändeten Bankgarantie Nr. ... der X. & Co für das vom
Tarifierungsausschuss festgesetzte Honorar. In der Folge überwies die X. &
Co auf Aufforderung des Betreibungsamtes an dieses Fr. 34'916.50.

    Mit einem Schreiben ersuchte H. K. das Betreibungsamt um Aufhebung
des Arrestes Nr. ... und um Rückgabe der aufgrund dieses Arrestes
hinterlegten Bankgarantie Nr. ... . Das Betreibungsamt wies dieses Gesuch
ab. Eine von H. K. gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wurde von
der Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt des Kantons
Basel-Stadt abgewiesen.

    H. K. gelangt mit Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Bundesgerichts und verlangt die Aufhebung des Arrestbeschlages und die
Überweisung der noch von diesem betroffenen Fr. 34'916.50 an den Vertreter
des Rekurrenten. Die S. AG beantragt die Abweisung des Rekurses, soweit
darauf einzutreten sei.

    Dem Rekurs ist auf Antrag von H. K. aufschiebende Wirkung zuerkannt
worden.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Streitig ist ausschliesslich die Frage, ob die Kosten und die
Parteientschädigung, die dem Schuldner im Anerkennungsprozess auferlegt
worden sind, aus dem Erlös der laufenden Betreibung zu tilgen sind oder
ob es dafür einer neuen Betreibung bedarf.

    In der Verordnung Nr. 1 zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs vom 18. Dezember 1891 (SR 281.31) hat das Bundesgericht in den
Erläuterungen zum Formular für das Fortsetzungsbegehren festgehalten,
dass die Kosten einer Rechtsöffnung in die laufende Betreibung einbezogen
werden können, während dies für jene eines ordentlichen Prozessverfahrens
nicht möglich ist, sondern jene Gegenstand einer besonderen Betreibung
bilden müssen (Art. 7 Abs. 2 Verordnung Nr. 1). Die Aufsichtsbehörde
Basel-Stadt ist der Meinung, dass diese Auffassung auf einer falschen
Auslegung von Art. 68 SchKG beruhe. Betreibungskosten, die der Schuldner
nach dieser Bestimmung zu tragen habe, seien nicht nur die Kosten
eines Rechtsöffnungsverfahrens, sondern auch jene eines ordentlichen
Zivilprozesses, sofern ein solcher nötig sei, um den Rechtsvorschlag
zu beseitigen.

Erwägung 3

    3.- Welche Kosten in die laufende Betreibung einzubeziehen sind und für
welche demgegenüber eine neue Betreibung nötig ist, bestimmt zweifellos das
Bundesrecht. Es ist mit der Vorinstanz auch davon auszugehen, dass Art. 68
SchKG die massgebende Bestimmung ist. Die genannte bundesgerichtliche
Verordnung kann diesbezüglich nur soweit Bestand haben, wie sie Art. 68
SchKG richtig auslegt. Es handelt sich insoweit nicht um eine selbständige
Rechtsquelle.

Erwägung 4

    4.- Art. 68 Abs. 1 SchKG bestimmt, dass der Schuldner die
Betreibungskosten zu tragen hat. Aus weiteren Bestimmungen ergibt sich
sodann, dass diese Kosten in die laufende Betreibung einzubeziehen und
aus dem Erlös der Betreibung sogar vorweg zu begleichen sind (Art. 69
Abs. 2 Ziff. 2, Art. 85, 97 und 144 SchKG). Das Gesetz umschreibt indessen
nicht im einzelnen, was unter den Betreibungskosten zu verstehen ist.

    a) Das SchKG enthält mehrere Bestimmungen über die Betreibungskosten,
wobei sich in der Regel aus dem Zusammenhang ergibt, was damit gemeint ist.

    Wie bei Art. 68 fragt sich auch bei den Art. 85, 97 und 144 SchKG,
ob die Kosten eines Anerkennungs- oder eines Aberkennungsprozesses zu
den Betreibungskosten zu zählen sind. Demgegenüber kann Art. 69 Abs. 2
Ziff. 2 SchKG auf diese Frage von vornherein keine Antwort geben, da die
Aufforderung im Zahlungsbefehl sich nur auf die bis zu dessen Zustellung
entstandenen Kosten beziehen und damit nicht auch jene für die Beseitigung
des Rechtsvorschlags - erfolge diese im Rechtsöffnungsverfahren oder
in einem ordentlichen Zivilprozess - erfassen kann. Die Gebühren und
Parteientschädigungen eines vor Anhebung der Betreibung erledigten
Zivilprozesses gehören zweifellos nicht zu den Betreibungskosten. Sie
stellen gegebenenfalls Teil der in Betreibung gesetzten Forderung
dar. Alle diese Gesetzesbestimmungen umschreiben indessen den Begriff
der Betreibungsgebühren nicht genauer und können deshalb zur Auslegung
von Art. 68 SchKG nicht direkt beitragen.

    Nach Art. 16 SchKG erlässt der Bundesrat einen Gebührentarif. Die
herrschende Lehre nimmt an, dass diese Bestimmung alle Handlungen der
Behörden und Gerichte betrifft, die zum Betreibungsverfahren gehören
(JÄGER, Kommentar SchKG, Zürich 1911, N 3 zu Art. 16). Entsprechend handelt
Art. 16 Abs. 2 von den im Betreibungs- und Konkursverfahren errichteten
Schriftstücken. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass unter die
Betreibungskosten nur Gebühren fallen, die der Bundesrat gemäss dieser
Kompetenzdelegation festsetzen kann - wenn auch nicht unbedingt festsetzen
muss (vgl. Art. 55 GebTSchKG). Auch die Vorinstanz geht aber davon aus,
dass die Gebühren für den ordentlichen Zivilprozess sich ausschliesslich
nach kantonalem Recht richten, selbst wenn in diesem Verfahren der
Rechtsvorschlag beseitigt wird.

    Demgegenüber hat das Bundesgericht Art. 27 SchKG insofern
abweichend und einschränkend ausgelegt, als vom Verbot, die Kosten
eines berufsmässigen Vertreters im Betreibungsverfahren dem Schuldner
aufzuerlegen, nicht nur abgewichen werden kann, wenn die entsprechenden
Kosten ausschliesslich vom kantonalen Recht beherrscht werden (vgl. BGE
113 III 110). Entsprechend bestimmt Art. 68 Abs. 1 GebTSchKG ausdrücklich,
dass die Kosten eines Vertreters für das Rechtsöffnungsverfahren dem
Schuldner auferlegt werden dürfen.

    b) Die Vorinstanz begründet ihre Auffassung mit dem Sinn und Zweck
von Art. 68 SchKG. Dieser bestimme, dass der Schuldner alle aus der
Zwangsvollstreckung einer Forderung entstehenden Kosten zu tragen habe. Zur
Zwangsvollstreckung gehöre aber das ganze Verfahren ab Einreichung des
Zahlungsbefehls bis hin zur Verteilung. Wer Rechtsvorschlag erhebe,
müsse damit rechnen, dass es zu einem Zivilprozess komme, für dessen
Kosten er aufzukommen habe. Es sei nicht prozessökonomisch, wenn für die
Parteientschädigung eine neue Betreibung angehoben werden müsse. Zudem sei
nicht zu begründen, warum die Entschädigung für das Rechtsöffnungsverfahren
anders zu behandeln sei als jene für den Anerkennungsprozess.

    aa) Damit wird das Wesen der Zwangsvollstreckung verkannt. Diese
erfasst die Durchsetzung einer Forderung in einem bestimmten Verfahren. Zur
Zwangsvollstreckung nach SchKG gehört demgegenüber weder die Durchsetzung
auf andere Weise (vgl. BGE 116 III 94 f.) noch die gerichtliche
Feststellung eines Rechtsverhältnisses.

    Im Zusammenhang mit dem Betreibungsverfahren werden drei Arten von
Klagen unterschieden, nämlich einerseits die rein betreibungsrechtlichen
Streitigkeiten, andererseits die formell betreibungsrechtlichen
Verfahren mit Reflexwirkung auf das materielle Recht und schliesslich
die materiellrechtlichen Streitigkeiten (AMONN, Grundriss des
Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, Bern 1993, S. 39 ff.), bei
denen insbesondere das Bestehen einer bestimmten Leistungspflicht
festgestellt wird. Diese Unterscheidung kann auch auf die Kosten
übertragen werden, so dass nur jene der rein betreibungsrechtlichen und der
betreibungsrechtlichen Verfahren mit Reflexwirkung als Betreibungskosten
angesehen werden, nicht aber die Gebühren der rein materiellrechtlichen
Verfahren.

    Zu den rein betreibungsrechtlichen Streitigkeiten gehört die
Rechtsöffnung (AMONN, aaO, S. 41 Rz. 42), während der Anerkennungsprozess
den rein materiellrechtlichen Streitigkeiten zuzurechnen ist (AMONN,
aaO, S. 40 Rz. 40; so offenbar auch FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung
und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, 3. Aufl., Zürich 1984,
S. 211 Rz. 37), da es hier nicht um die Vollstreckung eines Anspruchs geht,
sondern um dessen verbindliche Feststellung bzw. Festsetzung. Entsprechend
bestimmt auch nicht Art. 68 SchKG, wer die Kosten des Anerkennungsprozesses
zu tragen hat, was namentlich bei Forderungen aus dem Familienrecht von
Bedeutung ist, wo gewisse Kantone vorsehen, dass die Prozesskosten nach
anderen Kriterien als dem Obsiegen bzw. Unterliegen aufzuteilen sind.

    bb) Mit Blick auf dieses eindeutige Ergebnis der Auslegung von Art. 68
SchKG erübrigt es sich, zu den Ausführungen des Appellationsgerichts mit
Bezug auf die Prozessökonomie Stellung zu nehmen.