Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 III 4



119 III 4

2. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 4.
Februar 1993 i.S. Betreibungsamt der Stadt Zug (Rekurs) Regeste

    Unterzeichnung der Betreibungsbegehren (Art. 67 Abs. 1 SchKG).

    1. Betreibungsbegehren sind grundsätzlich zu unterzeichnen.

    2. Die Unterzeichnung nur eines Begleitschreibens genügt, sofern die
eingereichten Betreibungsbegehren daraus genügend identifizierbar sind.

Sachverhalt

    A.- Am 28. August 1991 ging beim Betreibungsamt der Stadt Zug je ein
Betreibungsbegehren der Kantonalen Steuerverwaltung Zug gegen F. und gegen
Z. ein. Das Betreibungsamt der Stadt Zug wies beide Betreibungsbegehren
zurück, da auf diesen die Unterschrift der Gläubigerin fehlte; für die
beiden Verfügungen auferlegte es der Kantonalen Steuerverwaltung Gebühren
von insgesamt Fr. 16.--.

    B.- Die Justizkommission des Obergerichts Zug als Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs hiess die von der Kantonalen Steuerverwaltung
Zug dagegen erhobene Beschwerde gut und hob die Gebührenrechnung des
Betreibungsamtes der Stadt Zug auf.

    C.- Das Betreibungsamt der Stadt Zug führt Rekurs an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts mit den Anträgen,
das Urteil der Justizkommission des Obergerichts Zug aufzuheben, seine
Rückweisungsverfügungen gutzuheissen und die Gebühren gemäss Rechnung
Nr. 0961 der Kantonalen Steuerverwaltung zu belasten.

    Die Kantonale Steuerverwaltung möchte das angefochtene Urteil
geschützt wissen; zudem verweist sie auf den zwischenzeitlich angeordneten
Aufdruck des Familiennamens und des Anfangsbuchstabens des Vornamens
ihres unterschriftsberechtigten Sachbearbeiters auf ihren Betreibungs-
und Fortsetzungsbegehren.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Weiterziehung des Entscheides einer Aufsichtsbehörde nach
Art. 18 und Art. 19 SchKG steht grundsätzlich nur einem davon in
seinen Rechten Betroffenen zu, also je nach Ausgang des Verfahrens
dem Beschwerdeführer oder einem Beschwerdegegner. Zwar gilt auch im
Schuldbetreibungs- und Konkursrecht der Grundsatz, dass eine untere
Behörde, deren Verfügung durch eine obere Instanz nicht bestätigt
worden ist, ihren Standpunkt nicht auf dem Rechtsmittelweg durchsetzen
kann. Das Betreibungsamt ist aber dann zum Rekurs legitimiert, wenn der
Entscheid in die eigenen materiellen oder persönlichen Interessen des
Betreibungsbeamten oder des durch ihn vertretenen Kantons eingreift. Ebenso
kann das Konkursamt auf dem Rekurswege die Interessen der Masse und damit
der Gesamtheit der Gläubiger oder fiskalische Interessen seines Kantons
geltend machen (BGE 117 III 67 ff.; 116 III 34 E. 1; 108 III 79; 105 III
36 E. 1). Ob der Betreibungsbeamte in seinen eigenen Interessen betroffen
ist, wenn die Aufsichtsbehörde ihn zur Behandlung nicht unterzeichneter
Betreibungsbegehren anweist, braucht indessen nicht entschieden zu werden.

    Ob die Unterschrift auf dem Betreibungsbegehren ein
Gültigkeitserfordernis darstellt oder ob sie - unter bestimmten
Voraussetzungen - nicht angebracht werden muss, verdient im öffentlichen
Interesse gegenüber den Betreibungsämtern und gegenüber einer unbestimmten
Anzahl von Gläubigern und Schuldnern einheitlich beantwortet zu werden,
will man nicht in Zukunft Zahlungsbefehle in Kauf nehmen, die allenfalls
nichtig sind (BGE 117 III 41 E. 2; 115 III 26 E. 1; 111 III 61 E. 3). Die
erkennende Kammer prüft von Amtes wegen, ob im konkreten Fall allenfalls
Nichtigkeit gegeben ist, und sie entscheidet auch bei grundsätzlichen
Fragen, die jederzeit wieder aufgeworfen werden können (BGE 115 III 14
E. 1c; 115 III 26 E. 2; 115 III 77 E. 1b). Damit ist auch nicht zu prüfen,
ob die Rekursschrift, die im wesentlichen auf Vorbringen im kantonalen
Verfahren verweist (BGE 106 III 42 E. 1), den Anforderungen von Art. 79
Abs. 1 OG überhaupt genügt.

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 67 Abs. 1 SchKG ist das Betreibungsbegehren schriftlich
oder mündlich an das Betreibungsamt zu richten, und es hat die in Ziff. 1-4
geforderten Angaben zu enthalten. Die Verordnung des Bundesrates Nr.
1 zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom 18. Dezember
1891 (nachfolgend: VBR; SR 281.31) präzisiert in Art. 2 Abs. 2, dass die
Verwendung von Formularen für den Gläubiger nicht obligatorisch ist und
die Ämter auch in sonstiger schriftlicher Form gestellte Begehren zu
behandeln haben; mündlich eingereichte Begehren hat der Gläubiger auf
dem vom Betreibungsamt ausgefüllten Formular zu unterzeichnen. Ob das
schriftlich gestellte Betreibungsbegehren zu unterzeichnen ist, lässt
sich weder dem SchKG noch der VBR entnehmen. Das Bundesgericht hatte
sich bisher nie ausdrücklich zu dieser Frage äussern müssen. Soweit die
Doktrin hier Stellung nimmt, verlangt sie ausdrücklich die Unterzeichnung
des Betreibungsbegehrens (AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und
Konkursrechts, 4. A. Bern 1988, S. 111 N 4).

Erwägung 3

    3.- Die Unterschrift bildet in verschiedenen Bereichen der
Rechtsordnung Bestandteil der für einen bestimmten Vorgang geforderten
Schriftlichkeit. So bezweckt etwa im Zivilrecht (Art. 13 Abs. 1 OR) die
Anbringung der eigenhändigen Unterschrift bei formbedürftigen Erklärungen
(Art. 11 Abs. 2 OR) die Person des Erklärenden zu identifizieren und den
festgehaltenen Inhalt anzuerkennen (statt vieler: SCHWENZER, Art. 13 OR
N 6; MERZ, Vertrag und Vertragsschluss, Fribourg 1988, S. 180 N 349). Im
Prozessrecht wird üblicherweise die Unterzeichnung der an Gerichtsbehörden
gerichteten Eingaben verlangt (Art. 30 Abs. 2 OG; Art. 108 Abs. 2 OG
und Art. 52 Abs. 1 VwVG; BGE 112 Ia 173 E. 1 mit Hinweisen).

Erwägung 4

    4.- Das Betreibungsrecht wird zuweilen in die Nähe des Prozessrechtes
gerückt, das sich durch Gesetzesstrenge auszeichnet (AMONN, aaO, S. 21
N 20/21). Überdies wird das Betreibungsbegehren etwa als "acte de
procédure du créancier" bezeichnet (GILLIÉRON, Poursuite pour dettes,
faillite et concordat, 2. A. Lausanne 1988, S. 125). Dieser Charakter des
Betreibungsrechtes verlangt somit bei der Lösung auftretender Probleme
immer eine Berücksichtigung der - sich mitunter widersprechenden -
Interessen sämtlicher Beteiligten (AMONN, aaO, S. 21 N 22).

    a) So will der Gläubiger beispielsweise die Betreibungsbegehren gemäss
seiner Datenverarbeitungsweise vorlegen, um sich den ganzen Ablauf des
Inkassos möglichst zu vereinfachen.

    b) Das Betreibungsamt ist ebenso an einem reibungslosen Ablauf
seines Betriebes interessiert, muss sich überdies noch an die für seine
Tätigkeit geltenden Vorschriften halten. Dem Betreibungsbeamten muss
mit der Einreichung eines Betreibungsbegehrens auch die Ernsthaftigkeit
der Betreibungsabsicht kundgetan werden, und der Betreibende muss
für ihn einwandfrei identifizierbar sein. Mit der Unterzeichnung
des Betreibungsbegehrens werden beide Voraussetzungen erfüllt. Würde
davon abgesehen, so müsste der Betreibungsbeamte im Einzelfall jeweils
entscheiden, ob er nun den Zahlungsbefehl ausstellen darf. Damit würde
ihm aber eine Aufgabe und Verantwortung übertragen, die das Gesetz nicht
vorsieht.

    c) Der Betriebene kann sich zwar auf die Zustellung des Zahlungsbefehls
mit Rechtsvorschlag (Art. 74 SchKG) oder mit Beschwerde (Art. 17 SchKG)
zur Wehr setzen. Dessen ungeachtet wird jedes Betreibungsbegehren
entsprechend der Protokollpflicht des Betreibungsbeamten (Art. 8 Abs. 1
SchKG) im Eingangsregister und im Betreibungsbuch eingetragen (Art. 29
Abs. 1 und Art. 30 Abs. 1 VBR). Jedermann, der ein Interesse nachweist,
kann Einsicht in die Protokolle und Auszüge von diesen verlangen (Art. 8
Abs. 2 SchKG; BGE 115 III 83 ff.). Überdies ist es nicht unüblich, dass
Private und Unternehmungen bei verschiedensten Gelegenheiten (z.B. zur
Erlangung kantonaler Bewilligungen wie Wirtepatente und ähnliches) einen
Auszug aus dem Betreibungsregister vorlegen müssen.

    d) Die Einleitung einer Betreibung hängt einzig von der Wahrung
verfahrensrechtlicher Vorschriften ab und erfolgt ohne jede Prüfung der
geltend gemachten Forderung. Vergleicht man die geringen Anforderungen,
die der Gläubiger für die Eröffnung der Betreibung erfüllen muss, mit den
Folgen, die dem Betriebenen daraus erwachsen, ist es ersterem durchaus
zuzumuten, mit seiner Unterschrift auf dem Betreibungsbegehren seine
Absicht kundzutun und sich als der Betreibende zu erkennen geben.

Erwägung 5

    5.- Dem Betreibenden steht es frei, einzig ein Begleitschreiben - statt
jedes Betreibungsbegehren - zu unterzeichnen, sofern die eingereichten
Betreibungsbegehren daraus hinreichend identifizierbar sind. Auf diese
Weise kann er sich die Einreichung von Betreibungsbegehren vereinfachen,
ohne dass die Interessen des Betreibungsamtes oder des Betriebenen
missachtet werden.

Erwägung 6

    6.- Damit ist der Rekurs gutzuheissen, womit die Verfügungen
des Betreibungsamtes der Stadt Zug vom 29. August 1991 samt der
Gebührenrechnung in Rechtskraft erwachsen.