Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 III 22



119 III 22

7. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 19.
Januar 1993 i.S. Schweizerischer Bankverein (Rekurs) Regeste

    Widerspruchsverfahren (Art. 106 ff. SchKG).

    1. In der Pfändungsurkunde ist nichts weiter zu vermerken, als was ein
Drittanspruch umfasst. Ein vom Wortlaut einer Abtretung nicht gedeckter
Zusatz darf nicht in die Pfändungsurkunde aufgenommen werden (E. 3).

    2. Ist ein Resterlös für den Fall des Verkaufs eines Grundstücks
abgetreten worden, so wird die Abtretung erst im Augenblick der
Veräusserung wirksam. Die abgetretene bedingte Forderung kann nicht
Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens in der Betreibung, in welcher
das Grundstück gepfändet wird, bilden (E. 4).

Sachverhalt

    A.- In der Betreibung auf Pfändung Nr. 790 des Betreibungsamtes
B. gegen M. stellte der Schweizerische Bankverein am 2. Juni 1992 das
Fortsetzungsbegehren. Am 17. Juni 1992 wurde die Pfändung vollzogen
und dabei als Pos. 1 das Grundstück GB ... gepfändet. Zu diesem
Pfandgegenstand wurde die folgende Bemerkung in die am 6. August 1992
versandte Pfändungsurkunde aufgenommen:
                "Ein allfälliger Mehrerlös (Erlös aus dem Grundstück
           abzüglich Pfandforderung bis zum Betrage von Fr. 125'000.--)
           beansprucht die SKA, Lenzburg, zufolge Zession vom 28. Oktober
           1991. Gestützt auf Art. 109 SchKG wird dem Gläubiger mittels
           separatem Formular eine 10tägige Klagefrist angesetzt, innerhalb
           welcher er gegen den Dritten gerichtliche Klage richten kann."

    Mit Verfügung vom 6. August 1992 setzte das Betreibungsamt dem
Schweizerischen Bankverein Frist zur Klage nach Art. 109 SchKG an.

    B.- Nachdem eine Beschwerde des Schweizerischen Bankvereins gegen
diese Verfügung des Betreibungsamtes vom Gerichtspräsidium Brugg als
unterer Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen abgewiesen
worden war, zog der Beschwerdeführer die Sache an die Schuldbetreibungs-
und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons Aargau weiter. Er
verlangte, dass die Verfügung des Betreibungsamtes aufzuheben und dieses
anzuweisen sei, die obenerwähnte Bemerkung dahingehend abzuändern,
dass ein allfälliger Mehrerlös (Erlös aus dem Grundstück, abzüglich
der Forderungen der Pfandgläubiger und der Pfändungsgläubiger) bis
zum Betrag von Fr. 125'000.-- zufolge Zession vom 28. Oktober 1991 von
der Schweizerischen Kreditanstalt beansprucht werde. Eventuell sei das
Betreibungsamt anzuweisen, das Widerspruchsverfahren gemäss Art. 106 und
107 SchKG durchzuführen und demzufolge die Schweizerische Kreditanstalt
als Drittansprecherin zur Klage aufzufordern.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des
Kantons Aargau wies die Beschwerde ab.

    C.- Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts,
an welche der Schweizerische Bankverein die Sache weiterzog, hiess den
Rekurs gut. Sie wies das Betreibungsamt B. an, die Pfändungsurkunde
durch Streichung der Bemerkung "Erlös aus dem Grundstück abzüglich
Pfandforderung bis zum Betrage von Fr. 125'000.--" zu berichtigen. Sodann
wurde die Verfügung des Betreibungsamtes vom 6. August 1992 aufgehoben,
womit dem Schweizerischen Bankverein Frist zur Klage nach Art. 109 SchKG
angesetzt worden war.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Unter Berufung auf die Rechtsprechung (BGE 88 III 115)
ist die Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des
Kantons Aargau davon ausgegangen, dass sich der im Widerspruchsverfahren
abzuklärende Drittanspruch nicht nur auf Eigentum oder ein Pfandrecht
stützen könne, sondern auch auf einen Eigentumsvorbehalt, ein beschränktes
dingliches Recht wie auch auf ein Gläubigerrecht an einer gepfändeten
Forderung.

    Durch Vorlegung einer zwischen ihm und der Schweizerischen
Kreditanstalt am 28. Oktober 1991 getroffenen Vereinbarung habe
der Schuldner im vorliegenden Fall auf einen von der Schweizerischen
Kreditanstalt geltend gemachten Anspruch auf den Veräusserungserlös bis
zum Betrag von Fr. 125'000.-- am gepfändeten Grundstück hingewiesen. Das
Betreibungsamt sei daher verpflichtet gewesen, diesen Drittanspruch in
der Pfändungsurkunde vorzumerken und hiefür das Widerspruchsverfahren
einzuleiten. Die Parteirollen im Widerspruchsverfahren richteten sich -
gemäss der zitierten Rechtsprechung - danach, wessen Rechtsstandpunkt
aufgrund einer summarischen Prüfung der Akten die grössere
Wahrscheinlichkeit für sich habe. Da der Drittanspruch der Schweizerischen
Kreditanstalt auf einer schriftlichen Abtretungsvereinbarung beruhe, habe
er den Rechtsschein für sich und sei somit dem Schweizerischen Bankverein
Frist zur Klage anzusetzen (Art. 109 SchKG).

    b) Der Schweizerische Bankverein wirft der kantonalen Aufsichtsbehörde
vor, sie gehe irrtümlich von der Annahme aus, dass der Anspruch der
Schweizerischen Kreditanstalt auf eine künftige Forderung - nämlich
auf einen Anteil am Verkaufserlös der Liegenschaft des Schuldners - im
Widerspruchsverfahren abzuklären sei. Gegenstand des Widerspruchsverfahrens
seien lediglich dingliche, beschränkte dingliche oder obligatorische
Rechte mit dinglich verstärkter Wirkung am gepfändeten Objekt. Im
vorliegenden Fall sei aber nicht eine Forderung gepfändet worden,
sondern die Liegenschaft selbst. Somit finde das Widerspruchsverfahren
hier keine Anwendung.

    Zumindest hätte das Betreibungsamt gemäss Art. 106 SchKG der
Drittansprecherin und nicht dem Rekurrenten Frist zur Klage ansetzen
müssen - macht dieser weiter geltend -, da sich der Pfandgegenstand, also
die Liegenschaft, im Gewahrsam des Schuldners befinde. Die Ausführungen
der kantonalen Aufsichtsbehörde betreffend Gewahrsam an einer Forderung
seien unbeachtlich, weil es nicht um eine gepfändete Forderung, sondern
um eine gepfändete Liegenschaft gehe. Da der Anspruch der Schweizerischen
Kreditanstalt nicht aus dem Grundbuch ersichtlich sei, sei diese ohne
Rücksicht auf den Gewahrsam zur Klage aufzufordern.

Erwägung 3

    3.- Im Darlehensvertrag, den M. am 28. Oktober 1991 mit der
Schweizerischen Kreditanstalt geschlossen hat, wird als Sicherheit u.a.
angeboten: "Abtretung Erlös Restverkaufspreis aus der Liegenschaft GB
... von ca. Fr. 125'000.--, fällig spätestens am 30.9.1995, verpfändet
gemäss Urkunde vom 17.9.1990." Doch nicht dieser Wortlaut ist in die
hier umstrittene Pfändungsurkunde aufgenommen worden; vielmehr ist
die Bemerkung in der Pfändungsurkunde mit dem Zusatz versehen worden:
"Erlös aus dem Grundstück abzüglich Pfandforderung bis zum Betrage von
Fr. 125'000.--." Hierin liegt eine Rechtsverletzung, die im Verfahren nach
Art. 17 ff. SchKG gerügt werden kann. Indessen kann die Pfändungsurkunde
nicht in der vom Schweizerischen Bankverein begehrten Weise geändert
werden, sondern lediglich dahingehend, dass das Betreibungsamt angewiesen
wird, den vom Wortlaut der Abtretung nicht gedeckten Zusatz zu streichen;
denn in der Pfändungsurkunde ist nichts weiter zu vermerken, als was ein
Drittanspruch umfasst (BGE 53 III 195).

Erwägung 4

    4.- Das Widerspruchsverfahren ist durchzuführen, wenn ein Dritter ein
die Pfändung ausschliessendes oder zurückdrängendes Recht geltend macht
(BGE 99 III 11 E. 3, 80 III 71 f., 59 III 123 f. E. 2). Stets muss es sich
aber um ein Recht an der "Sache", d.h. dem gepfändeten Vermögensgegenstand,
handeln (Art. 106 Abs. 1 und Art. 109 SchKG; BGE 59 123 f. E. 2;
BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechts, Bern
1911, S. 383 Ziff. 2; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs
nach schweizerischem Recht, Band I, Zürich 1984, S. 361 Rz. 2; AMONN,
Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. Auflage Bern 1988,
§ 24 N. 7). Durch die "Abtretung Erlös Restkaufpreis aus der Liegenschaft
GB ... von ca. Fr. 125'000.--" ist im vorliegenden Fall kein Recht an der
Sache - das ist das gepfändete Grundstück - begründet worden, und zwar
selbst dann, wenn die Erklärung im Darlehensvertrag "verpfändet gemäss
Urkunde vom 17.9.1990" zutreffen sollte. Abgetreten worden ist nämlich
nicht das Grundstück, sondern ein Resterlös bei dessen Verkauf, so dass
erst eine Veräusserung des Grundstücks die Abtretung wirksam werden lässt
(BGE 111 III 75 E. 3 mit Hinweisen). Es geht mithin ebensowenig um eine
gepfändete Forderung.

    Für ein Widerspruchsverfahren, also ein Verfahren zur Klärung der
materiellrechtlichen Begründetheit eines streitigen Anspruchs auf die
gepfändete Sache (AMONN, aaO, § 24 N. 7), besteht demnach kein Raum.