Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 III 133



119 III 133

38. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 8.
Dezember 1993 i.S. Betreibungsamt Zürich 2 (Rekurs) Regeste

    Art. 12 Abs. 2 GebVSchKG.

    Nach dem Äquivalenzprinzip ist eine Gebühr von Fr. 6.-- für die
Zustellung des Zahlungsbefehls durch den Betreibungsbeamten oder einen
Angestellten des Amtes angemessen.

Sachverhalt

    A.- In der Betreibung Nr. 21960 belastete das Betreibungsamt
Zürich 2 dem Gläubiger G. Fr. 57.-- für den Zahlungsbefehl sowie weitere
Zustellungskosten im Betrag von Fr. 12.--, insgesamt somit Fr. 69.--. Über
diese Verfügung des Betreibungsamtes vom 7. Mai 1992 beschwerte sich der
Gläubiger beim Bezirksgericht Zürich als unterer Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs, indem er geltend machte, die Kosten für den
Zahlungsbefehl würden gemäss Art. 18 des revidierten Gebührentarifs zum
SchKG für eine Forderung von Fr. 1'587.-- nur Fr. 54.-- betragen. Dieser
Auffassung schloss sich das Bezirksgericht Zürich mit Beschluss vom 2. Juli
1992 an, indem es die Verfügung des Betreibungsamtes Zürich 2 aufhob und
das Betreibungsamt anwies, die für die Zustellung des Zahlungsbefehls zu
verrechnende Gebühr auf Fr. 54.-- festzusetzen. (Gemeint ist eigentlich
die Ausfertigung, Eintragung und Zustellung des Zahlungsbefehls.)

    Der hierauf vom Betreibungsamt Zürich 2 beim Obergericht des Kantons
Zürich als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung
und Konkurs erhobene Rekurs wurde mit Beschluss vom 28. Oktober 1993
abgewiesen.

    B.- Mit Rekurs vom 15. November 1993 zog das Betreibungsamt Zürich
2 die Sache, welche es als "eine Gebührenfrage mit grossen Auswirkungen"
bezeichnete, an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts
weiter. Es beantragte, den Beschluss der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde
über Schuldbetreibung und Konkurs aufzuheben, die Beschwerde des
Gläubigers abzuweisen und die Kostenrechnung und Verfügung vom 7. Mai
1992 in der Betreibung Nr. 21960 zu bestätigen. Die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer hiess den Rekurs gut aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Insofern die Anwendung der Gebührenverordnung zum Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs (vom 7. Juli 1971, jetzt in der Fassung vom
17. Juni 1991; GebVSchKG, SR 281.35) umstritten ist, steht den Betreibungs-
und Konkursbeamten, ausseramtlichen Konkursverwaltern und Liquidatoren
das Recht der Weiterziehung an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Bundesgerichts zu (Art. 15 GebVSchKG; BGE 115 III 6 E. 1).

Erwägung 3

    3.- Umstritten ist der Betrag, den das Betreibungsamt dem Gläubiger
für die Zustellung des Zahlungsbefehls an den Schuldner, welche im
vorliegenden Fall durch einen Weibel des Betreibungsamtes erfolgte,
belasten kann. Während mit dem angefochtenen Beschluss dem Betreibungsamt
hiefür nur Fr. 3.-- zugestanden worden sind, möchte das Betreibungsamt
einen Betrag von Fr. 6.--, dem Porto für eine eingeschriebene Sendung
entsprechend, erheben.

    a) Gemäss Art. 12 Abs. 2 GebVSchK gibt die Zustellung ohne Benützung
der Post Anspruch auf die dadurch gesparte Posttaxe.

    Es stellt sich somit die Frage, welche Posttaxe das Betreibungsamt
spart, wenn es den Zahlungsbefehl dem Schuldner durch den
Betreibungsbeamten oder einen Angestellten des Amtes zustellen lässt,
wie dies Art. 72 Abs. 1 SchKG erlaubt. Mit anderen Worten: Es ist die
Frage zu beantworten, was unter der in Art. 72 Abs. 1 SchKG ebenfalls
vorgesehenen Zustellung "durch die Post in der nach der Postordnung für
Bestellung gerichtlicher Akten zu befolgenden Weise" zu verstehen ist und
welche Posttaxe für diese Zustellung erhoben wird. Die zitierte Vorschrift
der Gebührenverordnung zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs
nimmt die Posttaxe als Massstab für die Gebühr, die bei der Zustellung
durch den Betreibungsbeamten oder einen Angestellten des Betreibungsamtes
in Rechnung gestellt werden darf.

    Im angefochtenen Beschluss hat das Obergericht Überlegungen zur Frage
angestellt, welchen Beweiszwecken die Einschreibung des Zahlungsbefehls bei
der Postzustellung diene. Es ist aufgrund dieser Überlegungen zum Schluss
gekommen, dass sich die Verrechnung der Einschreibegebühr (von Fr. 6.--)
nur rechtfertige, wenn das Betreibungsamt die Zustellung durch die Post
vornehme und die Möglichkeit der Einschreibung in Anspruch nehme, das
Porto also tatsächlich aufgewendet habe. Indessen ist ein solcher Schluss,
wie nachstehend zu zeigen sein wird, nicht zwingend.

    Vorbehaltlos gefolgt werden kann jedoch auch nicht den Vorbringen des
Betreibungsamtes Zürich 2, welches zum Teil de lege ferenda argumentiert,
zum Teil sich auf Art. 34 SchKG beruft und jedenfalls der Auffassung ist,
es müsse von einer Zustellung durch eingeschriebenen Brief ausgegangen
werden.

    b) Das Betreibungsamt Zürich 2 erklärt nun aber, für die Stadt Zürich
resultiere je nach dem Entscheid im vorliegenden Fall ein Plus oder Minus
von jährlich mehreren hunderttausend Franken. Über dieses Argument kann
sowenig hinweggesehen werden wie über das auch für die Tätigkeit der
Betreibungs- und Konkursämter massgebliche Äquivalenzprinzip, wonach die
Höhe der Gebühr im Einzelfall in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert
stehen soll, den die staatliche Leistung für den Abgabepflichtigen hat
(HÄFELIN/MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Auflage
Zürich 1993, Rz. 2054).

    Die Leistung, welche das Betreibungsamt mit der Zustellung des
Zahlungsbefehls durch den Weibel erbringt, kann jedenfalls nicht mit
einer gewöhnlichen eingeschriebenen Sendung verglichen werden, wofür die
Taxe - gemäss Art. 27 Abs. 4 der Verordnung (1) zum Postverkehrsgesetz
(SR 783.01) - Fr. 3.-- beträgt; denn die Rechtsprechung hat erkannt,
dass diese Zustellung den gesetzlichen Vorschriften nicht genügt (BGE 81
III 67 E. 2a; 54 III 250).

    Art. 29 der genannten Verordnung regelt die Zustellung von
Betreibungsurkunden durch die Post. Gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung
gilt für Zahlungsbefehle und Konkursandrohungen das Leistungsangebot
von eingeschriebenen Sendungen. Das bedeutet, wie aus dem Verweis auf
Art. 27 Abs. 3 der Verordnung erhellt, dass die Zahlungsbefehle und
Konkursandrohungen am Werktag nach der Aufgabe zugestellt werden. Die
Taxe beträgt Fr. 3.--, bei Einschreibung Fr. 6.-- (Art. 29 Abs. 3 der
Verordnung).

    Nicht zu Unrecht hat das Betreibungsamt Zürich 2 für die Zustellung des
Zahlungsbefehls an den Schuldner durch den Weibel jene Gebühr verlangt,
welche der Taxe für die eingeschriebene Zustellung gemäss Art. 29
Abs. 3 der Verordnung entspricht. Wird der Zahlungsbefehl durch einen
Angestellten des Betreibungsamtes zugestellt, so bescheinigt dieser -
nicht anders als der Postbote - auf beiden Ausfertigungen, an welchem Tag
und an wen die Zustellung erfolgt ist (Art. 72 Abs. 2 SchKG), und er nimmt
die Zustellung in aller Regel unverzüglich vor. Abgesehen davon, dass im
Falle der Bestreitung der Zustellung leichter auf einen Angestellten des
Betreibungsamtes denn auf einen Postboten als Zeugen zurückgegriffen
werden kann, steht der Angestellte des Betreibungsamtes allgemein
eher zur Verfügung. Diese erhöhte Einsatzbereitschaft kommt letztlich
dem Gläubiger zugute, der ein Interesse an der speditiven Abwicklung
des Betreibungsverfahrens hat. Eine Entschädigung, welche dem höheren
Ansatz von Art. 29 Abs. 3 der Verordnung entspricht (derzeit Fr. 6.--),
für die Zustellung des Zahlungsbefehls durch den Weibel erscheint daher
als angemessen.

    Der angefochtene Entscheid hat diesen rechtserheblichen Umständen
keine Rechnung getragen. Daher sieht sich die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer, die sich grundsätzlich auf Rechtskontrolle beschränkt,
zum Eingreifen veranlasst (BGE 110 III 17 E. 2 am Anfang).