Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 IB 442



119 Ib 442

48. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10.
November 1993 i.S. S. AG gegen N. und Mitbeteiligte und Staatsrat des
Kantons Freiburg (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 24 Abs. 1 RPG; Ausnahmebewilligung für eine Plastik als
Kennzeichen eines Aschenbeisetzungsplatzes auf einer Alp.

    1. Aschenbeisetzungsplatz, der durch die Errichtung von drei Pyramiden
aus Stahl gekennzeichnet werden soll. Unter dem Gesichtspunkt von Art. 24
Abs. 1 RPG ist die Anlage als Ganzes zu beurteilen (E. 2).

    2. Begriff der nach Art. 24 Abs. 1 RPG bewilligungspflichtigen Anlage
(E. 3).

    3. Standortgebundenheit eines Begräbnisplatzes auf einer Alp (E. 4)?

Sachverhalt

    A.- Die S. AG ist Eigentümerin der Alp Spielmannda in Cerniat/FR. Nach
dem am 25. Juni 1991 genehmigten Zonenplan der Gemeinde liegt sie in der
Landwirtschaftszone. Der Gesellschaftszweck ist im Handelsregister wie
folgt umschrieben:

    "But: entretien, exploitation et protection dans son état naturel de
   l'alpage Spielmannda et la mise en terre de cendres funéraires."

    Die Gesellschaft bietet zur Finanzierung ihrer Investition und des
Alpunterhalts jedem Interessierten die Beteiligung am Aktienkapital und
gegen Entrichtung einer zusätzlichen Summe eine Begräbnisstätte an, wo die
Asche eines Verstorbenen - ohne Urne - unter einer Erdscholle verstreut
werden kann. An den Verstorbenen soll nur eine Inschrift auf einer von
drei Pyramiden erinnern, welche die Gesellschaft als erkennbares Zeichen
der Stätte errichten will.

    Rund 500 m nordöstlich der Alp Spielmannda befindet sich in
der Nachbargemeinde Plasselb ein Ferienheim, welches den privaten
Beschwerdegegnern gehört. Auf den unmittelbar daneben und leicht
überhöht liegenden Schwyberg führt eine Sesselbahn vom Schwarzsee her
und verschiedene Skilifte.

    Am 17. April 1990 stellte die S. AG ein Baugesuch für die Errichtung
von drei identischen Pyramiden des Bildhauers A. rund 150 m südwestlich der
Alphütte. Die viereckigen Pyramiden bestehen aus rostfarbenem Cortenstahl,
haben eine Grundkantenlänge von 3,68 m und sind 2,76 m hoch.

    Am 2. November 1990 erteilte die Baudirektion des Kantons Freiburg
eine Sonderbewilligung für das Vorhaben, welche der Staatsrat des Kantons
Freiburg (Exekutive) wegen Verfahrensfehlern aufhob. Am 21. Oktober 1991
erteilte die Baudirektion erneut eine Sonderbewilligung, die der Staatsrat
mit Entscheid vom 21. April 1992 wiederum aufhob.

    Dagegen führt die S. AG mit Eingabe vom 27. Mai 1992
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragt, es
sei ihr eine Bewilligung im Sinne des Entscheids der Baudirektion vom
21. Oktober 1991 zu erteilen. Subsidiär sei entweder festzustellen, dass
ihr Bauvorhaben keiner Ausnahmebewilligung nach Art. 24 Abs. 1 RPG bedürfe,
oder es sei ihr eine solche Bewilligung zu erteilen, oder die Sache sei
an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab

Auszug aus den Erwägungen:

                  aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach den Art. 22 Abs. 1 und 24 Abs. 1 RPG (SR 700) dürfen
Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen nur mit behördlicher
Bewilligung errichtet werden. Vorab ist zu klären, was genau Gegenstand
des vorliegenden Verfahrens ist, und ob es sich dabei, was die
Beschwerdeführerin bestreitet, um eine bewilligungspflichtige Anlage im
Sinne dieser Bestimmungen handelt.

    a) Die Ausnahmebewilligung des Baudepartements, welche die
Standortgebundenheit bejahte, bezog sich einzig auf die Pyramiden
"à caractère symbolique". Der Staatsrat wirft die Frage auf, ob die
Begräbnisstätte, welche sie kennzeichnen sollen, einen Standort ausserhalb
der Bauzone beanspruchen könne, was er verneint, da die Gemeinden
Bestattungsorte in genügender Anzahl anbieten und der Ort auf der Alp
Spielmannda nicht besonders geeignet sei. Da die Aschenbeisetzung, wenn
nicht ein äusseres Zeichen darauf hinweisen würde, möglicherweise nicht
vom eidgenössischen Raumplanungsgesetz erfasst würde (was er offenlässt),
aber gerade die als Kennzeichen geplanten Pyramiden Verfügungsgegenstand
bildeten, prüft er die nach Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG notwendige Beziehung
zur Landschaft allein unter dem Gesichtspunkt, ob die Skulpturen am
gewählten Ort für sich allein genommen als Gesamtkunstwerk ein untrennbares
Ganzes mit der Umgebung bilden.

    b) Der Staatsrat geht im angefochtenen Entscheid davon aus,
dass die Pyramiden das äussere Kennzeichen des Bestattungsortes
darstellen. Die Beschwerdeführerin wirft ihm deswegen eine willkürliche
Sachverhaltsfeststellung vor. Wohl um der von den Beschwerdegegnern
erhobenen Einwendung zu begegnen, dass die Skulpturen einer lukrativen
Geschäftstätigkeit dienen sollten, will sie in der Beisetzung von
Asche nur eine subsidiäre Geschäftstätigkeit sehen, welche ihr
die Mittel zur Erreichung ihres primären und rein idealen Zwecks
verschaffen solle, nämlich die in ihrem natürlichen Bestand durch konkrete
Skitourismusprojekte bedrohte Alp zu erhalten. Die Pyramiden an der Stelle,
wo die Beschwerdegegner eine Skipiste planten, sollten dem Schutz dagegen
dienen und die Schutzmächte der Alp symbolisieren.

    c) Offensichtlich kennzeichnen die drei Pyramiden den
Aschenbeisetzungsort. Das ergibt sich schon daraus, dass sie mit den
Inschriften der Namen der hier Beigesetzten versehen werden sollen und
wird durch die früheren Erklärungen der Beschwerdeführerin bestätigt. Auch
die von ihr angestrebte symbolische Wirkung beruht auf der organischen
Verbindung von Plastik und Begräbnisplatz, soll doch dargestellt werden,
dass sowohl die Lebenden als auch die Verstorbenen für den Schutz der
Alp vor menschlichen Ein- bzw. Übergriffen einstehen. Die Pyramiden
bilden somit einen integrierenden Bestandteil des Begräbnisplatzes und
sind dementsprechend unter raumplanungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht
isoliert, sondern mit diesem zusammen als Einheit zu beurteilen. Gegenstand
des vorliegenden Verfahrens ist die Errichtung eines durch drei Pyramiden
gekennzeichneten Begräbnisplatzes auf der Alp Spielmannda. Ob die Pyramiden
für sich allein genommen als Kunstwerke einer Ausnahmebewilligung nach
Art. 24 Abs. 1 RPG zugänglich wären, braucht unter diesen Umständen
nicht geprüft zu werden.

Erwägung 3

    3.- a) Der bundesrechtliche Begriff "Bauten und Anlagen" ist vom
Gesetzgeber nicht näher umschrieben worden. Nach Lehre und Rechtsprechung
gelten als "Bauten und Anlagen" jedenfalls jene künstlich geschaffenen und
auf Dauer angelegten Einrichtungen, die in bestimmter fester Beziehung zum
Erdboden stehen und die Nutzungsordnung zu beeinflussen vermögen, weil
sie entweder den Raum äusserlich erheblich verändern, die Erschliessung
belasten oder die Umwelt beeinträchtigen (EJPD/BRP, Erläuterungen zum
RPG, Bern 1981, Rz. 4 ff. zu Art. 22 mit Hinweisen). Das kantonale Recht
darf den Umfang der nach Bundesrecht bewilligungspflichtigen Bauten und
Anlagen nicht unterschreiten (BGE 113 Ib 314 E. 2b mit Hinweis).

    b) Es kann kein Zweifel bestehen, dass der Begräbnisplatz mit
der Pyramiden-Gruppe erheblich in Erscheinung tritt und die Umwelt
verändert. Die Plastik bildet schon allein durch ihre Ausmasse
einen markanten Kontrast zur Landschaft, und die Nutzung des Orts
als Begräbnisplatz hebt ihn zumindest gefühlsmässig deutlich von
seiner Umgebung ab, selbst wenn die landwirtschaftliche Nutzung kaum
beeinträchtigt wird. Das Projekt der Beschwerdeführerin ist eine
bewilligungspflichtige Anlage im Sinn von Art. 24 Abs. 1 RPG.

Erwägung 4

    4.- Die Errichtung der Pyramiden-Gruppe hat keinen Zusammenhang mit
der Bewirtschaftung der Alp und ist daher in der Landwirtschaftszone
nicht zonenkonform. Nach Art. 24 Abs. 1 RPG dürfen zonenfremde Bauten
und Anlagen ausserhalb der Bauzonen nur erstellt werden, wenn ihr Zweck
einen Standort ausserhalb der Bauzonen erfordert (lit. a) und wenn keine
überwiegenden Interessen entgegenstehen (lit. b).

    a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist ein Bauvorhaben
standortgebunden, wenn es aus technischen oder betriebswirtschaftlichen
Gründen oder wegen der Bodenbeschaffenheit auf einen Standort ausserhalb
der Bauzone angewiesen ist, oder wenn ein Werk wegen seiner Immissionen
in einer Bauzone ausgeschlossen ist. Diese Voraussetzungen beurteilen sich
nach objektiven Massstäben, auf die subjektiven Vorstellungen und Wünsche
des einzelnen kommt es dabei nicht an (Zusammenfassung der Rechtsprechung
in BGE 118 Ib 17 E. 2b mit Hinweisen).

    b) Ein Begräbnisplatz der hier zur Diskussion stehenden Art ist
sowenig wie ein herkömmlicher Friedhof objektiv an einen bestimmten
Standort ausserhalb des Siedlungsgebiets gebunden.

    Nach den unbestrittenen Ausführungen des Staatsrates befinden sich
im Kanton Freiburg die Friedhöfe in der Regel in der Bauzone oder in
speziellen Zonen, nicht in der Landwirtschaftszone, und die für das
Bestattungswesen zuständigen Gemeinden bieten Bestattungsplätze in
genügender Zahl an. Daraus hat der Staatsrat gefolgert, das vorliegende
Projekt zur Beisetzung der Asche sei zur Deckung des Bedarfs nicht
erforderlich und könne allein unter diesem Aspekt keinen Standort
ausserhalb der Bauzone für sich beanspruchen, und er sei auch nicht von
Natur aus geradezu prädestiniert für die Aschenbeisetzung.

    Mit dieser Begründung, mit welcher der Staatsrat die
Standortgebundenheit des Begräbnisplatzes - und damit der
Pyramiden - verneint, hat er Art. 24 Abs. 1 RPG nicht verletzt. Die
Standortgebundenheit ist aber unabdingbare Voraussetzung für die Erteilung
einer raumplanungsrechtlichen Ausnahmebewilligung; da sie vorliegend
nicht gegeben ist, hat der Staatsrat das Vorhaben der Beschwerdeführerin
mit Recht nicht bewilligt.