Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 IB 439



119 Ib 439

47. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 10. November 1993 i.S. Gesamteigentümer R. gegen Gemeinde
Seewen, Baudepartement und Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Neubau einer Schiessanlage; Art. 2, 14 und 24 RPG; Verordnung über
die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 19. Oktober 1988.

    Bauten und Anlagen, für welche eine Umweltverträglichkeitsprüfung
vorgeschrieben ist, unterliegen im Regelfall der Planungspflicht und
können dementsprechend nicht im Verfahren nach Art. 24 RPG bewilligt werden
(E. 4).

Sachverhalt

    A.- Die Gemeinde Seewen sucht schon seit längerer Zeit nach
einem Standort für eine neue Schiessanlage. Die bestehende Anlage
gibt wegen des Schiesslärms Anlass zu Klagen der Anwohner und ist
sanierungsbedürftig. Die Bemühungen der Gemeinde für einen Anschluss an
eine benachbarte Schiessanlage waren erfolglos. In der Folge erteilte
das Baudepartement des Kantons Solothurn der Gemeinde die Bewilligung
gemäss Art. 24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979
(Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700) für eine neue Schiessanlage mit acht
Scheiben. Das Verwaltungsgericht wies eine hiegegen von den benachbarten
Gesamteigentümern R. erhobene Beschwerde ab. Die Gesamteigentümer
R. gelangten mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Dieses
weist die Beschwerde ebenfalls ab, da die Schiessanlage standortgebunden
ist, ihr keine überwiegenden privaten oder öffentlichen Interessen
entgegenstehen und die Voraussetzungen für eine zwangsweise Zuweisung
an eine fremde Schiessanlage gemäss Art. 24 Abs. 1 der Verordnung über
das Schiesswesen ausser Dienst vom 25. Februar 1991 (Schiessordnung; SR
512.31) nicht erfüllt sind. Mit Bezug auf die Frage der Planungspflicht
von Schiessanlagen erfolgt die Abweisung der Beschwerde

Auszug aus den Erwägungen:

                  aus folgenden Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführer und das Bundesamt für Raumplanung sind der
Meinung, die Schiessanlage könne nur auf dem Wege der Nutzungsplanung
realisiert werden.

    a) Wann ein nicht zonenkonformes Vorhaben hinsichtlich seines
Ausmasses und seiner Auswirkungen auf die Nutzungsordnung so gewichtig
ist, dass es erst nach einer Änderung oder Schaffung eines Nutzungsplanes
bewilligt werden darf, ergibt sich aus der Planungspflicht (Art. 2 RPG),
den Planungsgrundsätzen und -zielen (Art. 1 und 3 RPG), dem kantonalen
Richtplan (Art. 6 ff. RPG) sowie der Bedeutung des Projekts im Lichte der
im Raumplanungsgesetz festgelegten Verfahrensordnung (Art. 4 und 33 f. RPG
BGE 116 Ib 50 E. 3a S. 53 f. mit Hinweisen). In Beurteilung und Gewichtung
der einzelnen räumlichen Auswirkungen hat das Bundesgericht in Anwendung
dieser Grundsätze die Planungspflicht für Multikomponenten-Deponien
(BGE 116 Ib 50 E. 3 S. 53), für Anlagen der Kiesausbeutung (BGE 115 Ib
302 E. 5a S. 306 mit Hinweisen), für Golfplätze (BGE 114 Ib 312 E. 3
S. 314) und andere grössere Sport- und Freizeitanlagen (BGE 114 Ib 180
E. 3c S. 186), für grössere Parkplätze (BGE 115 Ib 508 E. 6a S. 513)
und Bootshäfen (BGE 113 Ib 371) bejaht.

    b) Zufolge der sich bei der Planung stellenden raumrelevanten Fragen
und der zu erwartenden Immissionen wird es auch bei Schiessanlagen
in aller Regel nur das Verfahren der Nutzungsplanung erlauben, einen
unter Berücksichtigung aller massgebenden Interessen sachgerechten
Standort festzusetzen und dabei die vom Bundesrecht geforderte
Mitwirkung der Bevölkerung bei der Planung (Art. 4 Abs. 2 RPG;
BGE 115 Ia 89) sicherzustellen. Zu Recht betont deshalb das
eidgenössische Schiessanlagen-Recht die Abstimmung und Koordination
der Standortfestsetzung mit der Ortsplanung (Art. 5 der Verfügung des
Eidgenössischen Militärdepartements über die Schiessanlagen für das
Schiesswesen ausser Dienst vom 6. Mai 1969 (Schiessplatzverfügung;
Dok. EMD 51.65); Art. 5 der Verordnung über die Schiessanlagen für das
Schiesswesen ausser Dienst vom 27. März 1991 (Schiessanlagen-Verordnung;
SR 510.512)). In diesem Sinne werden im Regelfall Anlagen, für welche
eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben ist (300-m-Anlagen mit
mehr als 15 Scheiben; Ziff. 52.2 des Anhanges zur Verordnung über die
Umweltverträglichkeitsprüfung vom 19. Oktober 1988 (UVPV; SR 814.011)),
nur auf dem Wege der Nutzungsplanung realisierbar sein (vgl. BGE 114 Ia
114). Es gilt dies namentlich für Anlagen in noch dichter besiedelten
Gebieten und mit noch grösseren Nutzungskonflikten als dies hier zutrifft.

    c) Im vorliegenden Fall ist das von den kantonalen Behörden gewählte
Verfahren mit dem Bundesrecht vereinbar. Es geht um einen Schiessstand
mit acht Scheiben. Für den Kugelfang ist eine Erdaufschüttung von
rund 30 Metern Länge, 15 Metern Breite und ca. 4 Metern Maximalhöhe
vorgesehen. Gemäss den Baugesuchsplänen sind im Schützenhaus nebst den
dem Schiessbetrieb dienenden Räumlichkeiten ein Aufenthaltsraum ohne
Kochgelegenheit, jedoch mit Toiletten geplant. Das Schützenhaus soll mit
Quellwasser versorgt, die Abwässer über eine periodisch zu entleerende,
abflusslose Jauchegrube entsorgt werden. Es sind 17 Abstellplätze
mit Kiesbelag geplant, und das Schützenhaus soll über den bestehenden
landwirtschaftlichen Weg mit einem neuen Einlenker an die Kantonsstrasse
angeschlossen werden.

    In Anbetracht der Grösse, der Nutzungsintensität, der Auswirkungen auf
Umwelt, sowie in Beachtung der erforderlichen Erschliessungsarbeiten,
kann die geplante Baute nicht mit jenen Anlagen verglichen werden,
für deren Realisierung die Rechtsprechung bisher eine Nutzungsplanung
verlangt hat. Das Bundesgericht hat es denn auch noch in jüngster Zeit
zugelassen, dass kleinere Schiessanlagen im Verfahren nach Art. 24 RPG
bewilligt werden (BGE 114 Ib 125 E. 4c S. 130; 112 Ib 39 E. 5 S. 48). Es
besteht kein Anlass, vorliegend von dieser Praxis abzuweichen.