Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 IB 111



119 Ib 111

13. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 2. April 1993 i.S. Y. AG gegen Steueramt des Kantons Aargau und
Steuerrekursgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Art. 58 BdBSt; Reinertrag der Aktiengesellschaft; Berechnungsperiode.

    Berechnung des steuerbaren Reinertrages bei einer Aktiengesellschaft,
die das erste der beiden in Betracht fallenden Geschäftsjahre auf 16
Monate und das zweite Geschäftsjahr auf 20 Monate verlängert hat.

Sachverhalt

    A.- Die X. AG wurde im Jahre 1944 durch Übernahme der Aktiven und
Passiven der Einzelfirma X. in A. gegründet. Gesellschaftszweck war
der Erwerb sowie die Veräusserung und Verwaltung von Gesellschaften,
Beteiligungen und Liegenschaften. Mit Statutenänderung vom 2. Dezember
1985 verlegte die Gesellschaft ihren Sitz nach B.; zugleich wurde sie durch
Umstrukturierung zur Holding. Die Gesellschaft wurde am 27. Dezember 1990
durch Fusion mit der Y. AG aufgelöst.

    Die X. AG schloss ihre Geschäftsjahre früher auf den 30. Juni
ab. Das Geschäftsjahr 1984/85 verlängerte sie bis 31. Oktober 1985 auf
16 Monate. Sie erzielte einen Reinertrag von Fr. 1'882'490.--. Darin
ist ein Liegenschaftsgewinn von Fr. 2'725'000.-- enthalten, den die
Gesellschaft im Oktober 1985 realisierte. Im Geschäftsjahr 1985/87, das
bis zum 30. Juni 1987 (20 Monate) dauerte, erzielte die Gesellschaft einen
Reinertrag von Fr. 4'928.--. In ihrer Steuererklärung für die direkte
Bundessteuer 1987/88 rechnete sie die Summe dieser beiden Ergebnisse
(36 Monate) auf zwölf Monate um.

    Bei der Veranlagung der direkten Bundessteuer 1987/88
berücksichtigte die Steuerbehörde nur das am 31. Oktober 1985
abgeschlossene Geschäftsjahr, indem sie das Ergebnis von 16 Monaten auf
zwölf Monate umrechnete (steuerbarer Reinertrag Fr. 1'411'867.--). Im
Einspracheverfahren bestätigte sie diese Veranlagung. Sie erwog, das am
30. Juni 1987 abgeschlossene zweite Geschäftsjahr bilde keine taugliche
Bemessungsgrundlage, weil der Abschlusszeitpunkt geplant und nicht rein
zufällig sei. Da nur der Abschluss des vom 30. Juni 1984 bis 31. Oktober
1985 dauernden ersten Geschäftsjahres in die Berechnungsperiode falle,
müsse auf dieses Geschäftsjahr abgestellt werden (Art. 58 Abs. 4 und
5 BdBSt).

    Die steuerpflichtige Gesellschaft focht diese Veranlagung
an. Sie bestritt, dass sie den Zeitpunkt der Geschäftsabschlüsse aus
Gründen der Steuerersparnis geplant habe. Das erste Geschäftsjahr
habe sie bis zum 31. Oktober 1985 verlängert, weil sie überschuldet
gewesen wäre, wenn sie den im Oktober 1985 realisierten Gewinn nicht
hätte berücksichtigen können; den Abschlusszeitpunkt für das zweite
Geschäftsjahr (30. Juni 1987) habe sie aus strukturpolitischen Gründen
gewählt: Sie fungiere als Holding der einzelnen Betriebsgesellschaften der
X.-Gruppe. Es sei betriebswirtschaftlich sinnvoll, wenn die Gewinne der
Betriebsgesellschaften ohne grosse zeitliche Verzögerung "durchgeschüttet"
werden könnten. Die Gewinne dieser Gesellschaften sollten also in einem
ersten Schritt an die Holding ausgeschüttet und von dieser in einem
zeitlich leicht versetzten Abschluss an die Aktionäre weitergeleitet
werden. Es handle sich um eine grundsätzliche geschäftspolitische
Entscheidung, die unabhängig von der aktuellen Ertragslage gefällt
worden sei.

    Das Steuerrekursgericht des Kantons Aargau wies am 28. Februar 1992
die Beschwerde der Steuerpflichtigen ab. Es bejahte eine Steuerumgehung;
unter diesen Umständen sei nur das auf zwölf Monate umgerechnete Ergebnis
des ersten Geschäftsjahres zu berücksichtigen.

    Hiegegen führt die Y. AG als Rechtsnachfolgerin der X. AG
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Hauptantrag, den steuerbaren
Reinertrag auf Fr. 782'930.-- festzusetzen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die zeitliche Bemessung der direkten Bundessteuer vom Reinertrag
der Aktiengesellschaft ist in Art. 58 BdBSt geregelt. Als steuerbarer
Reinertrag gilt der Durchschnitt der Ergebnisse der zwei Geschäftsjahre,
die mit den beiden der Veranlagungsperiode vorangegangenen, die
Berechnungsperiode bildenden Kalenderjahren zusammenfallen (Art. 58
Abs. 1 und 2 BdBSt). Schliesst die Gesellschaft ihre Rechnung nicht
mit dem Kalenderjahr ab, so ist der Jahresdurchschnitt der Ergebnisse
der in der Berechnungsperiode abgeschlossenen Geschäftsjahre massgebend
(Art. 58 Abs. 3 BdBSt). In Abweichung von dieser Berechnungsweise wird
der Veranlagung das Ergebnis des ersten Geschäftsjahres zugrunde gelegt:
a) bei Neugründung während eines Steuerjahres; b) wenn bei Beginn der
Veranlagungsperiode erst ein Geschäftsjahr abgelaufen ist oder wenn das
erste Geschäftsjahr erst im Laufe der Veranlagungsperiode abgeschlossen
wird (Art. 58 Abs. 4 lit. a und b BdBSt). Wird der Veranlagung das Ergebnis
des ersten Geschäftsjahres zugrunde gelegt und ist dieses Geschäftsjahr
länger oder kürzer als ein Kalenderjahr, so wird der Reinertrag auf ein
Kalenderjahr umgerechnet (Art. 58 Abs. 5 BdBSt).

    a) Es ist unbestritten, dass im vorliegenden Fall nur der Abschluss des
Geschäftsjahres 1984/85 in die Berechnungsperiode fällt. Das Geschäftsjahr
1985/87 schloss die Gesellschaft erst am 30. Juni 1987 ab, nach Ablauf
der hier in Betracht fallenden Berechnungsperiode. Die Vorinstanz
folgerte hieraus, dass der Veranlagung nur das in der Berechnungsperiode
abgeschlossene erste Geschäftsjahr 1984/85 zugrunde zu legen sei. Auch
wenn von einer Steuerumgehung auszugehen ist, so stellt sich die
Frage nach der richtigen Bemessungsgrundlage; es folgt daraus nicht
ohne weiteres, dass nur das in der Berechnungsperiode abgeschlossene -
einzige - Geschäftsjahr zu berücksichtigen ist. Diese Lösung ergibt sich
aus Art. 58 Abs. 3 BdBSt jedenfalls nicht. Die Bestimmung betrifft nach
ihrem Wortlaut ("Ergebnisse der in der Berechnungsperiode abgeschlossenen
Geschäftsjahre") nur den Fall, wo eine Gesellschaft, deren Rechnungen
nicht mit dem Kalenderjahr zusammenfallen, in der Berechnungsperiode
zwei und nicht nur ein Geschäftsjahr abschliesst (Urteil vom 26. November
1976, ASA 46 S. 121 E. a). Es geht im vorliegenden Fall auch nicht um die
Einschätzung einer neugegründeten Gesellschaft aufgrund des Ergebnisses
des ersten Geschäftsjahres (Art. 58 Abs. 4 BdBSt): Die Steuerpflicht
der X. AG bestand seit 1944. Nach seinem Wortlaut regelt Art. 58 BdBSt
den vorliegenden Fall somit nicht. Es ist daher auf die ratio legis
abzustellen.

    b) Art. 58 BdBSt bezweckt allgemein eine gleichmässige und gerechte
Besteuerung. Er lässt erkennen, dass überall dort, wo es möglich ist, auf
den Jahresdurchschnitt der Ergebnisse eines zwei volle Jahre (24 Monate)
umfassenden Zeitraumes abgestellt werden soll (Abs. 1-3); Schwankungen
im Geschäftsergebnis einzelner Jahre gleichen sich auf diese Weise in der
Regel aus. Bei Neugründungen, auf die sich Art. 58 Abs. 4 BdBSt bezieht,
lässt sich dieser Grundsatz nicht durchführen, weshalb dort der Veranlagung
das Ergebnis nur des ersten Geschäftsjahres zugrunde zu legen ist. Wo
aber eine Unternehmung während der ganzen Dauer der Berechnungsperiode
geschäftlich tätig war, ist nach Möglichkeit das Ergebnis eines vollen,
24 Monate umfassenden Zeitraumes zu berücksichtigen (vgl. den erwähnten
Entscheid, ASA 46 S. 121).

    c) Das ist auch im vorliegenden Fall ohne weiteres möglich,
nachdem die steuerpflichtige Gesellschaft während der ganzen Dauer der
Berechnungsperiode wirtschaftlich tätig war. Der Beschluss über die
direkte Bundessteuer stellt zwar keine Mindest- oder Höchstdauer des
Geschäftsjahres auf; der Wortlaut deutet lediglich darauf hin, dass es
auch länger oder kürzer als zwölf Monate sein kann (Art. 58 Abs. 5 BdBSt;
vgl. BGE 98 Ib 327). Nach den handelsrechtlichen Vorschriften bildet
jedoch der jährliche Geschäftsabschluss die Regel. Dieses Prinzip war
bereits im alten Aktienrecht enthalten (vgl. Art. 662 Abs. 1 aOR,
der von der Jahresbilanz spricht) und liegt auch dem neuen Recht
zugrunde, das in dieser Beziehung noch klarer ist (vgl. Art. 662 und
662a OR). Das Steuerrecht knüpft an das Handelsrecht an und anerkennt die
handelsrechtskonforme Bilanz und Erfolgsrechnung grundsätzlich als für die
Veranlagung verbindliche Grundlage (unter Vorbehalt der steuerrechtlichen
Korrekturvorschriften). Nach dem Grundsatz der Massgeblichkeit des
Handelsrechts für das Steuerrecht ist deshalb die handelsrechtliche
Regelung, die grundsätzlich von jährlichen Geschäftsabschlüssen ausgeht,
auch bei der Auslegung von Art. 58 BdBSt zu berücksichtigen.

    d) Nach diesen Grundsätzen war aber die X. AG verpflichtet, mit
ihrer Steuererklärung jährliche Geschäftsabschlüsse einzureichen,
die jeweils einen Zeitraum von zwölf Monaten umfassen. Da sie ihre
Geschäftsjahre aus Gründen der Steuerersparnis verlängert hat, brauchen
die Veranlagungsbehörden nicht auf dieses ungewöhnliche Vorgehen Rücksicht
zu nehmen. (Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem in ASA
46 S. 119 ff. beurteilten, wo das Bundesgericht eine einmalige, mässige
Verlängerung eines Geschäftsjahres als zulässig erachtet hat.) Die
Beschwerdeführerin ist deshalb verpflichtet, für die Geschäftsperiode
vom 1. Juli 1984 bis 30. Juni 1986 zwei Jahresrechnungen mit Bilanzen
und Gewinn- und Verlustrechnungen einzureichen, und zwar je auf den
30. Juni 1985 und den 30. Juni 1986. Die Beschwerdeführerin ist hierzu
aufzufordern. Zudem kann die Veranlagungsbehörde nach Art. 91 BdBSt
vorgehen. Sie kann insbesondere auf Kosten der Beschwerdeführerin die
notwendigen Zwischenabschlüsse anhand der Geschäftsbuchhaltung erstellen
lassen, sofern die Beschwerdeführerin ihrer Verpflichtung nicht nachkommen
sollte. Die Verhängung einer Busse wegen Verletzung der Buchführungspflicht
und von Verfahrenspflichten bleibt vorbehalten. Ebenso eine Einschätzung
nach Ermessen, wenn die für die Erstellung der Zwischenabschlüsse
notwendigen Unterlagen sich als ungenügend erweisen sollten (Art. 92
BdBSt).