Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 IB 103



119 Ib 103

12. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 2. April 1993 i.S. X. AG gegen Eidgenössische Zollverwaltung und
Eidgenössische Zollrekurskommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Rückforderung von Zollabgaben. Umtarifierung von Waren durch die Organe
des Internationalen Übereinkommens vom 14. Juni 1983 über das Harmonisierte
System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (HS). Anwendbarer Tarif?

    1. Vorliegend geht es nicht um die "technische" Frage der Tarifierung
im Sinne von Art. 100 lit. h OG, sondern um die (Rechts-)Frage,
welche Bestimmungen bei einer Änderung der rechtlichen Grundlagen
im Verlaufe eines Rechtsmittelverfahrens anwendbar sind. Die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher zulässig (E. 1).

    2. Die im Internationalen Übereinkommen über das Harmonisierte
System vorgesehenen Organe können Einreihungsavise erlassen, welche
die Tarifierung bestimmter Waren für die Mitgliedstaaten verbindlich
regeln. Insofern richtet sich die Frage nach dem anwendbaren Tarif bei
einer Änderung des Einreihungsavises durch die internationalen Organe nach
den Regeln der Rechtsänderung und nicht der Praxisänderung (E. 3 und 4).

    3. Die Oberzolldirektion hat die Rückwirkung der neuen Tarifeinreihung
zu Recht ausgeschlossen (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Die Firma Y. AG meldete am 28., 29. und 30. März 1990 beim
Zollamt Basel/Saint-Louis Autobahn je eine für die X. AG bestimmte, aus
Grossbritannien stammende Sendung Getreideflocken nach Tarif-Nr. 2106.9092
zum EG-Präferenzansatz von Fr. 125.80 je 100 kg brutto zur Einfuhr an. Das
Zollamt fertigte diese Sendungen, ohne Revision, definitiv nach den
beantragten Nummern ab und stellte die dazugehörigen Quittungen aus. Am
17. Mai 1990 wurde eine weitere, ebenfalls für die X. AG bestimmte
Lieferung desselben Produkts beim Zollamt Basel SBB-Frachtgut wieder
nach Tarif-Nr. 2106.9092 zur Einfuhr deklariert. Nach einer Revision mit
Musterentnahme wurde auch diese Sendung definitiv nach der beantragten
Tarif-Nummer zum EG-Präferenzansatz von Fr. 125.80 je 100 kg brutto
verzollt und die dazugehörige Quittung vom Zollamt am 21. Mai 1990
ausgestellt.

    Mit Schreiben vom 23. April 1990 beschwerte sich die X. AG bei der
Zollkreisdirektion Basel gegen die Verzollung der drei Ende März 1990
eingeführten Sendungen. In Ergänzung der Beschwerde verlangte sie am 7. Mai
1990 die Abfertigung nach Tarif-Nr. 1904.1000 und die Rückerstattung des
Zollbetrags von Fr. 44'824.85 nebst Zins. Für die Sendung vom 17. Mai
1990 beantragte sie am 7. Juni 1990 ebenfalls die Einreihung unter
die Tarif-Nr. 1904.1000 und die Rückerstattung des Zollbetrags von
Fr. 15'029.75 nebst Zins.

    Die Zollkreisdirektion wies beide Beschwerden mit Entscheid vom
30. August 1990 ab, im wesentlichen mit der Begründung, Müesli-Mischungen
der vorliegenden Art würden nach geltender Praxis der Eidgenössischen
Oberzolldirektion entsprechend den Erläuterungen zum Schweizerischen
Gebrauchszolltarif ohne Rücksicht darauf, ob sie thermisch behandelt und
mit Zucker versetzt und damit knusprig gemacht worden seien oder nicht,
der Tarif-Nr. 2106 zugewiesen.

    Gegen diesen Entscheid erhob die X. AG am 27. September 1990 Beschwerde
bei der Eidgenössischen Oberzolldirektion und beantragte wiederum die
Einreihung der vier fraglichen Sendungen unter die Tarif-Nr. 1904.1000
sowie die Rückerstattung von Fr. 59'854.60 zuzüglich Zins.

    Die Eidgenössische Oberzolldirektion wies die Beschwerde mit Entscheid
vom 8. März 1991 ab. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, die
Zollverwaltung, die zur rechtsgleichen Behandlung aller Zolldeklaranten
verpflichtet sei, reihe Produkte der fraglichen Art seit Jahren unter
die Tarif-Nr. 2106 ein, ohne zu unterscheiden, ob die Erzeugnisse eine
thermische Behandlung erhalten hätten oder nicht. Wohl seien die Zollämter
im Anschluss an einen Entscheid des Ausschusses für das Harmonisierte
System in Brüssel am 6. März 1991 angewiesen worden, geröstete Produkte
ab 15. März 1991 nach der Tarif-Nr. 1904.1000 abzufertigen. Diese Änderung
trete aber nicht rückwirkend in Kraft.

    Die dagegen von der X. AG erhobene Beschwerde wies die Eidgenössische
Zollrekurskommission mit Urteil vom 6. Dezember 1991 ab. In ihrer
Begründung hielt sie im wesentlichen fest, die Zollverwaltung habe bei
der Einreihung der fraglichen Produkte das ihr zustehende Ermessen nicht
überschritten. Die Umtarifierung sei keine Praxisänderung, sondern die
Oberzolldirektion habe die neue Tarifeinreihung aufgrund einer Änderung
der rechtlichen Grundlagen vorgenommen.

    Gegen das Urteil der Eidgenössischen Zollrekurskommission führt die
X. AG mit Eingabe vom 26. März 1992 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim
Bundesgericht. Sie beantragt, das Urteil vom 6. Dezember 1991 aufzuheben,
die erwähnten Lieferungen nach der Tarif-Nr. 1904.1000 abzufertigen und
die Eidgenössische Zollverwaltung anzuweisen, ihr den zuviel bezahlten
Zoll von Fr. 59'854.60 nebst Zins zurückzuerstatten; ausserdem seien
die Kostenentscheide sämtlicher Vorinstanzen aufzuheben und ihr für alle
Verfahren eine ausseramtliche Entschädigung zuzusprechen; eventuell sei
die Sache an die Eidgenössische Zollrekurskommission zur Neubeurteilung
zurückzuweisen.

    Die Eidgenössische Oberzolldirektion beantragt, auf die Beschwerde
nicht einzutreten. Das Eidgenössische Finanzdepartement schliesst auf
Nichteintreten, eventuell Abweisung der Beschwerde. Die Eidgenössische
Zollrekurskommission hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

    Der Instruktionsrichter hat bei der Eidgenössischen Oberzolldirektion
bezüglich der Tarifeinreihung durch den Ausschuss für das Harmonisierte
System einen Bericht eingeholt und der X. AG Gelegenheit gegeben, sich
dazu zu äussern.

    Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich
gegen ein Urteil der Eidgenössischen Zollrekurskommission und ist somit
nach Art. 97 Abs. 1 OG und Art. 98 lit. e OG zulässig, sofern dieses
Rechtsmittel nicht durch eine der Ausnahmebestimmungen der Art. 99 ff. OG
ausgeschlossen wird.

    Auf dem Gebiet der Zölle ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss
Art. 100 lit. h OG unzulässig gegen Verfügungen über deren Veranlagung,
soweit diese von der Tarifierung oder von der Gewichtsbemessung
abhängt. Diese Bestimmung beruht auf der Überlegung, dass die Tarifierung
und die Gewichtsbemessung in Zollsachen sich im Hinblick auf ihren
"technischen" Charakter für eine Überprüfung durch das Bundesgericht
nicht eignen (BGE 115 Ib 204 E. 2b, 106 Ib 271).

    b) Vorliegend sind sich die Parteien hinsichtlich der Tarifierung der
eingeführten Müesli-Mischung insofern einig, als diese seit dem 15. März
1991 unter die Tarif-Nr. 1904.1000 fällt. Streitig ist, ob die Lieferungen
an die Beschwerdeführerin bereits im Zeitpunkt der Einfuhren im März und
Mai 1990 nach dieser Tarif-Nummer hätten abgefertigt werden müssen oder ob
die Produkte zu Recht unter die Tarif-Nr. 2106.9092 eingereiht worden sind.

    Dabei geht es aber nicht um die "technische" Frage der Einreihung
an sich, sondern um die Rüge der Beschwerdeführerin, die "Grundsätze
über die Praxisänderung" seien unrichtig angewandt worden. So macht
die Beschwerdeführerin geltend, indem die Oberzolldirektion die neue
Auslegung des Zolltarifs erst auf den 15. März 1991 in Kraft gesetzt und
diese ausdrücklich als nicht rückwirkend bezeichnet habe, habe sie den
Grundsatz verletzt, dass Praxisänderungen - mit gewissen Ausnahmen - stets
auf sämtliche noch nicht rechtskräftig erledigten Fälle anzuwenden seien.

    Somit ist vorliegend nicht eine Tariffrage, sondern eine Rechtsfrage
streitig, nämlich die, welches Recht bei einer Änderung der rechtlichen
Grundlagen im Verlaufe eines Rechtsmittelverfahrens zur Anwendung
gelangt. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher einzutreten.

Erwägung 3

    3.- a) Gemäss Art. 21 Abs. 1 des Zollgesetzes vom 1. Oktober 1925
(ZG; SR 631.0) werden die Einfuhr- und Ausfuhrzölle durch den Zolltarif
festgesetzt. Der Zoll ist dabei, soweit die Tarifvorschriften nichts
anderes bestimmen, nach den Ansätzen und Bemessungsgrundlagen zu
entrichten, die am Tage der Entstehung der Zollzahlungspflicht in
Kraft stehen (Art. 21 Abs. 2 ZG). Nach Art. 22 Abs. 3 ZG ist die
Oberzolldirektion zuständig, Dienstvorschriften über die tarifmässige
Behandlung einzelner Waren zu erlassen.

    b) Das Internationale Übereinkommen vom 14. Juni 1983 über das
Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (HS; SR
0.632.11), das von der Bundesversammlung am 10. Juni 1986 genehmigt
wurde, trat für die Schweiz am 1. Januar 1988 in Kraft. Gemäss
Art. 3 Abs. 1 lit. a HS ist jede Vertragspartei verpflichtet,
ihre Tarif- und Statistiknomenklaturen zum Zeitpunkt, an dem dieses
Übereinkommen für sie in Kraft tritt, mit dem Harmonisierten System in
Übereinstimmung zu bringen. Da der Zolltarif durch Anpassung an dieses
Übereinkommen wesentliche Änderungen erfuhr, wurde eine Totalrevision
des Zolltarifgesetzes notwendig. Das neue Zolltarifgesetz vom 9. Oktober
1986 wurde ebenfalls auf den 1. Januar 1988 in Kraft gesetzt.

    c) Gemäss Art. 7 Abs. 1 HS nimmt der Ausschuss für das Harmonisierte
System unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Artikels 8 unter
anderem folgende Aufgaben wahr:

    "a) ...

    b) er arbeitet Erläuterungen, Einreihungsavise und sonstige

    Stellungnahmen über die Auslegung des Harmonisierten Systems aus;

    c) er verfasst Empfehlungen, um eine einheitliche Auslegung und

    Anwendung des Harmonisierten Systems zu gewährleisten;

    ..."

    Abs. 2 von Art. 8 HS, welcher die Aufgaben des Rates für die
Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens umschreibt, lautet wie folgt:

    "Die Erläuterungen, die Einreihungsavise, die sonstigen Stellungnahmen
   über die Auslegung des Harmonisierten Systems und die Empfehlungen zur

    Gewährleistung einer einheitlichen Auslegung und Anwendung des

    Harmonisierten Systems, die gemäss Artikel 7 Absatz 1 im Verlauf einer

    Sitzung des Ausschusses für das Harmonisierte System ausgearbeitet
worden
   sind, gelten als vom Rat genehmigt, wenn vor Ende des zweiten Monats,
   der demjenigen folgt, in dem diese Sitzung geschlossen wurde, keine

    Vertragspartei dieses Übereinkommens dem Generalsekretär notifiziert
hat,
   dass sie beantragt, die Frage sei dem Rat zu unterbreiten."

    Anlässlich der 6. Session des Ausschusses für das Harmonisierte
System vom 22. Oktober 1990 bis 1. November 1990 wurde unter anderem
die Tarifeinreihung von Müesli-Mischungen, insbesondere von gerösteten
Erzeugnissen, worunter die hier streitige Mischung von Getreideflocken
gehört, behandelt und entschieden, dass geröstete Müesli-Mischungen unter
die Tarif-Nr. 1904 einzureihen seien. Mit Schreiben vom 6. Dezember 1990
wurde den Mitgliedstaaten mitgeteilt, sie hätten bis 31. Januar 1991 Zeit,
um zu verlangen, dass die im Anhang aufgeführten Geschäfte dem Rat zu
unterbreiten seien. Nachdem diese Frist unbenützt verstrichen war, galt
der Tarifierungsentscheid des Ausschusses für das Harmonisierte System
als vom Rat genehmigt.

    Daraufhin erliess die Eidgenössische Oberzolldirektion am 6. März
1991 ein Zirkular, wonach geröstete beziehungsweise aufgeblähte
Müesli-Mischungen ab 15. März 1991 neu unter die Tarif-Nr. 1904.1000
einzureihen seien; eine Rückwirkung wurde ausgeschlossen. Ausserdem wurden
die Schweizerischen Erläuterungen zum Gebrauchstarif 1986 geändert.

Erwägung 4

    4.- Für die Beantwortung der Frage, welche Bestimmungen für die
Abfertigung der streitigen Lieferungen an die Beschwerdeführerin anwendbar
waren, ist wesentlich, ob die Umtarifierung als Praxisänderung oder als
Rechtsänderung anzusehen ist, da insbesondere die Regeln hinsichtlich
der Rückwirkung unterschiedlich sind.

    a) Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, die vom Ausschuss für
das Harmonisierte System beschlossene Umtarifierung sei eine blosse
Feststellung im Zusammenhang mit der Auslegung einer Bestimmung
des Zolltarifs, mithin eine Praxisänderung, die auf alle noch nicht
rechtskräftig entschiedenen Verfahren anwendbar sei. Demgegenüber ist die
Vorinstanz der Ansicht, durch die vom Ausschuss für das Harmonisierte
System neu beschlossenen Vorschriften sei die rechtliche Grundlage für
die Tarifierung geändert worden; eine Rückwirkung sei ausgeschlossen.

    b) Sowohl das Rundschreiben der Oberzolldirektion vom 6. März 1991
als auch die Schweizerischen Erläuterungen zum Gebrauchstarif 1986 sind
Dienstanweisungen im Sinne von Art. 22 Abs. 3 ZG und als solche keine
eigentlichen Rechtssetzungsakte.

    Indessen geht es vorliegend darum, die Auslegung des Harmonisierten
Systems durch die internationalen Organe ins schweizerische Recht zu
überführen. Nach dem Übereinkommen über das Harmonisierte System ist
die Rechtsanwendung der internationalen Organe ins materielle Recht der
Vertragsstaaten zu übernehmen.

    Vorliegend hat der Ausschuss für das Harmonisierte System mit der
Änderung der Tarifierung von Müesli-Mischungen einen neuen Einreihungsavis
erlassen, welcher nach der Regelung von Art. 8 Abs. 2 HS als vom Rat
genehmigt gilt (vgl. vorn E. 3c). Diese Änderung eines Einreihungsavises
durch die internationalen Organe hat auf der innerstaatlichen Ebene
die gleiche Tragweite wie eine (innerstaatliche) Rechtsänderung. Mit
dem Tarifierungsentscheid des Ausschusses für das Harmonisierte System
ist deshalb für die Auslegung durch die schweizerischen Organe eine neue
Rechtsgrundlage entstanden, so dass sich die Frage nach dem anwendbaren
Tarif nach den Regeln der Rechtsänderung und nicht der Praxisänderung
richtet.

Erwägung 5

    5.- Bei Rechtsänderungen ist dem pflichtgemässen Ermessen des
Rechtsetzers anheimgestellt, auf welchen Zeitpunkt eine gesetzliche
Neuregelung in Kraft treten soll (RENÉ RHINOW/BEAT KRÄHENMANN,
Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Nr. 14 B II). Die
Oberzolldirektion hat vorliegend den Zeitpunkt des Inkrafttretens
der tariflichen Neueinreihung auf den 15. März 1991 festgesetzt,
somit eineinhalb Monate nachdem der Entscheid des Ausschusses für das
Harmonisierte System in Kraft getreten war und rund ein Jahr nach den
streitigen Einfuhren der Beschwerdeführerin.

    Bei der Beurteilung der Frage, welches Recht bei einer Änderung der
Rechtsgrundlage Anwendung findet, gilt der Grundsatz, dass diejenigen
Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des rechtlich zu
ordnenden oder zu Rechtsfolgen führenden Tatbestands Geltung haben. Später
eingetretene Änderungen müssen unberücksichtigt bleiben (BGE 113 Ib 249,
112 Ib 42). Im Lauf des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens
eingetretene Rechtsänderungen sind in der Regel unbeachtlich, und
das Bundesgericht hat im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ausschliesslich zu prüfen, ob der angefochtene Entscheid mit dem zur
Zeit seines Erlasses geltenden Recht im Einklang steht. Eine Ausnahme
ist dann zu machen, wenn zwingende Gründe dafür bestehen, dass das neue
Recht sogleich zur Anwendung gelangt (BGE 112 Ib 42, 106 Ib 326).

    Eine den Adressaten begünstigende Rückwirkung ist grundsätzlich -
wie eine Rückwirkung allgemein - unzulässig, ausser wenn sie ausdrücklich
angeordnet oder nach dem Sinn des Erlasses klar gewollt und in zeitlicher
Beziehung mässig ist sowie sich durch überwiegende öffentliche Interessen
rechtfertigen lässt (ALFRED KÖLZ, Intertemporales Verwaltungsrecht,
ZSR 102 (1983), 2. Halbband, S. 171). Zudem darf die Rückwirkung
begünstigender Erlasse nicht zu Rechtsungleichheiten führen oder Rechte
Dritter beeinträchtigen (ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, Grundriss des
allgemeinen Verwaltungsrechts, N. 272 ff.).

    Vorliegend wurden die streitigen Erzeugnisse eingeführt und zum
höheren Zolltarif verzollt, als noch die alte Regelung in Kraft war. Die
Inkraftsetzung der neuen Rechtsgrundlage durch die Oberzolldirektion
vom 6. März 1991 hat jede Rückwirkung ausgeschlossen. Zwingende Gründe,
welche (ähnlich wie beispielsweise im (Bau-) Bewilligungsverfahren, beim
Gewässerschutz- oder beim Umweltschutzgesetz) die sofortige Anwendung des
neuen Rechts, etwa um der öffentlichen Ordnung willen, verlangen würden
(vgl. RHINOW/KRÄHENMANN, aaO, Nr. 15 B IIa; HÄFELIN/HALLER, aaO, N. 263
f.), sind hier nicht ersichtlich. Die Oberzolldirektion durfte daher
die Rückwirkung der neuen Tarifeinreihung, dem Grundsatz entsprechend,
ausschliessen.

    Der Einwand der Beschwerdeführerin, es sei rechtsmissbräuchlich,
die geänderte Praxis auf den Leitfall nicht anzuwenden und sie so um die
Früchte ihres Erfolgs zu bringen, dringt schon deshalb nicht durch, weil
die Änderung der Tarifeinreihung nicht infolge der von ihr ergriffenen
Rechtsmittel, sondern aufgrund des geänderten Einreihungsavises der
internationalen Organe erfolgte. Eine von der getroffenen Regelung
abweichende Bevorzugung der Beschwerdeführerin wäre mit dem Grundsatz
der Rechtsgleichheit nicht vereinbar.

    Die Eidgenössische Zollrekurskommission ist daher zu Recht davon
ausgegangen, dass auf den vorliegenden Sachverhalt der frühere Zolltarif
Anwendung findet.