Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 IA 99



119 Ia 99

15. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
17. März 1993 i.S. H. c. Staatsanwaltschaft und Strafgericht des Kantons
Zug (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Persönliche Freiheit, § 59 KV/ZG und Art. 6 Ziff. 1 EMRK: Ausschluss
der Öffentlichkeit von der Verhandlung im Strafverfahren.

    1. Der Angeschuldigte kann sich für ein Begehren um Ausschluss der
Öffentlichkeit von der Verhandlung im Strafverfahren grundsätzlich auf
die persönliche Freiheit berufen (E. 2b).

    2. Bedeutung und Tragweite des Grundsatzes der Öffentlichkeit von
Gerichtsverhandlungen (E. 4a).

    3. Abwägung der Interessen für und gegen die Zulassung der
Öffentlichkeit (E. 4b-4f).

Sachverhalt

    A.- Das Strafgericht des Kantons Zug hat den wegen Diebstahls,
Hausfriedensbruchs, Sachbeschädigung und weiterer Delikte angeklagten
H. zur persönlichen Befragung und Hauptverhandlung vorgeladen. In der
Folge ersuchte H. das Strafgericht darum, es sei die Öffentlichkeit von der
Hauptverhandlung auszuschliessen, es sei sein Name auf der Sitzungsliste
nicht zu veröffentlichen und eventualiter sei die Verhandlung auf einen
späteren Termin zu verschieben. Zur Begründung führte er im wesentlichen
aus, er habe die ihm vorgeworfenen Delikte vor rund fünf Jahren und noch
im Alter von 18 bzw. 19 Jahren begangen. Mit seinen bald 24 Jahren sei
er heute vollkommen resozialisiert und als Journalist im Berufsleben
integriert. Durch die Sitzungsliste und die Öffentlichkeit erfahre
seine heutige Arbeitgeberin von seinen bisher nicht bekanntgegebenen
Jugendsünden. Er müsse daher mit einer Entlassung rechnen und könnte dann
angesichts der gesamten Umstände und der beruflich noch nicht gesicherten
Stellung keine neue Arbeitsstelle als Journalist mehr finden.

    Das Strafgericht wies die Ersuchen ab. Es begründete seinen Entscheid
damit, dass nach Kantonsverfassung und Gerichtsorganisationsgesetz
die Öffentlichkeit im Strafverfahren nur bei Verletzung von Sitte und
Anstand und bei überwiegenden schützenswerten Interessen insbesondere
des Opfers ausgeschlossen werde. Die beruflichen Nachteile, die sich
im vorliegenden Fall von andern Angeschuldigten kaum unterschieden,
vermöchten den Ausschluss der Öffentlichkeit angesichts der Schwere der
Vorwürfe nicht zu rechtfertigen.

    Gegen diesen Entscheid hat H. beim Bundesgericht staatsrechtliche
Beschwerde erhoben und eine Verletzung von Art. 4 BV und der persönlichen
Freiheit geltend gemacht.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde im Sinne der Erwägungen ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer erhebt unterschiedliche Rügen.  Vorerst ist
zu prüfen, auf welche Verfassungsrechte und inwiefern er sich darauf
berufen kann.

    a) Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, § 59 der Kantonsverfassung
des Kantons Zug (KV) oder Art. 6 Ziff. 1 EMRK seien wegen der Zulassung der
Öffentlichkeit verletzt. § 59 KV sieht die Öffentlichkeit der Verhandlungen
vor dem Kantons-, dem Straf- und dem Obergericht vor und überlässt die
Umschreibung der Ausnahmen dem einfachen Gesetzesrecht. Art. 6 Ziff. 1
EMRK verlangt im Grundsatz die Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen in
zivil- und strafrechtlichen Angelegenheiten und umschreibt die Ausnahmen
von der Öffentlichkeit. Da der Grundsatz der Öffentlichkeit nicht nur den
Prozessbeteiligten eine korrekte und gesetzmässige Behandlung garantieren,
sondern ebenso der Allgemeinheit das Mitverfolgen von Prozessen und damit
eine Kontrolle der Justiz ermöglichen will (unten E. 4a), kann sich der
einzelne nicht im Sinne eines verfassungsmässigen Rechts auf die Ausnahmen
berufen und gestützt darauf den Ausschluss der Öffentlichkeit verlangen. Es
kann daher - was in der bisherigen Rechtsprechung noch offengelassen worden
ist (vgl. BGE 117 Ia 388 f.) - aus den Ausnahmen von der Öffentlichkeit
kein Recht auf Nichtöffentlichkeit abgeleitet werden (vgl. ARTHUR
HAEFLIGER, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz,
Bern 1993, S. 155 f.; VELU/ERGEC, La Convention Européenne des Droits
de l'Homme, Bruxelles 1990, Rz. 511; FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar,
1985, N. 87 zu Art. 6; MIEHSLER/VOGLER, Internationaler Kommentar zur
EMRK, N. 338 zu Art. 6). Das Begehren um ausnahmsweisen Ausschluss der
Öffentlichkeit von der Verhandlung verhält sich insofern gleich wie das
private Ersuchen um Ausschluss oder Einschränkung der Akteneinsicht
im Einzelfall aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes, das nicht auf
die die Akteneinsicht gewährende Bestimmung von Art. 4 BV abgestützt
werden kann (Urteil vom 27. März 1991, in: ZBl 92/1991 S. 551 E. 7b). Der
Beschwerdeführer kann daher sein Begehren um Ausschluss der Öffentlichkeit
von der Hauptverhandlung nicht auf § 59 KV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK gründen;
insofern ist auch der Umfang des Ausnahmekataloges in Art. 6 Ziff. 1 Satz
2 EMRK nicht von unmittelbarer Bedeutung.

    b) Der Beschwerdeführer macht richtigerweise in erster Linie eine
Verletzung der persönlichen Freiheit geltend. Diese erblickt er im
wesentlichen darin, dass er durch die Zulassung der Öffentlichkeit
in seiner Persönlichkeitssphäre beeinträchtigt werde und dass sich die
Öffentlichkeit negativ auf seine persönlichen und beruflichen Verhältnisse
auswirke. Er rügt, dass diesen Gesichtspunkten im angefochtenen Entscheid
nicht hinreichend Rechnung getragen worden ist.

    Das ungeschriebene Verfassungsrecht der persönlichen Freiheit schützt
nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung als zentrales Freiheitsrecht
und verfassungsrechtlicher Leitgrundsatz nicht nur die Bewegungsfreiheit
und die körperliche Integrität, sondern darüber hinaus alle Freiheiten,
die elementare Erscheinungen der Persönlichkeitsentfaltung bilden
(BGE 115 Ia 246, mit Hinweisen). - Nach der Rechtsprechung gehört
zum Schutzbereich der persönlichen Freiheit auch der Anspruch auf
persönliche Geheimsphäre (BGE 109 Ia 279, mit Hinweisen). In bezug auf
den guten Ruf hat das Bundesgericht vorerst angenommen, das öffentliche
Verlesen einer Anklageschrift, in der auch Anschuldigungen gegen einen
Verstorbenen enthalten waren, berühre weder diesen noch dessen Angehörige
in ihrer persönlichen Freiheit (BGE 104 Ia 39 E. 5). Später hat es in
der Veröffentlichung der Namen von fruchtlos gepfändeten Schuldnern im
Amtsblatt einen Eingriff in dieses verfassungsmässige Recht erblickt
(BGE 107 Ia 55 E. 3). In einem weitern Fall hat es bei der Übernahme
von Strafakten von einem Strafverfahren in diejenigen eines andern
angesichts der damit verbundenen Weiterverbreitung von Informationen an
Prozessbeteiligte und Öffentlichkeit den Eingriff in die persönliche
Freiheit bejaht (Urteil vom 27. März 1991, in: ZBl 92/1991 S. 545
ff. und 549).

    Im vorliegenden Fall geht es um die Befragung des Beschwerdeführers
in der Hauptverhandlung des gegen ihn geführten Strafverfahrens. Es
werden dabei Angaben zu den persönlichen Verhältnissen und dem Vorleben
erfragt und die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Delikte im einzelnen
erörtert. Aufgrund der Öffentlichkeit ist es möglich, dass all diese
Informationen eine weitere Verbreitung in der Allgemeinheit finden,
dass der Betroffene in einem negativen Bild festgehalten wird (vgl. BGE
113 Ia 10 f.) und dass sich diese Informationen in verschiedener
Hinsicht negativ auf seine gesamten persönlichen Verhältnisse
auswirken. Angesichts dieser Lage wird der Beschwerdeführer durch die
Verfahrensöffentlichkeit tatsächlich in seinem Verfassungsrecht auf
persönliche Freiheit betroffen. Das Bundesgericht hat denn auch schon
im Jahre 1985 die Verweigerung des Ausschlusses der Öffentlichkeit ohne
weitere Diskussion unter dem Gesichtswinkel der persönlichen Freiheit
geprüft (nicht veröffentlichtes Urteil vom 8. Mai 1985 i.S. S.). Und
in ähnlicher Weise hat die Europäische Menschenrechtskommission die
Bekanntmachung von Vorstrafen anlässlich eines öffentlichen Verfahrens
unter dem Gesichtswinkel von Art. 8 EMRK betrachtet (DR 14, 228 (232 f.)).

    Demnach kann sich der Beschwerdeführer für sein Ersuchen um Ausschluss
der Öffentlichkeit auf die persönliche Freiheit berufen und im vorliegenden
Fall eine entsprechende Verfassungsverletzung geltend machen. Diesen Schutz
können nicht nur Opfer von Straftaten in Anspruch nehmen (vgl. dazu das
Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten, SR 312.5), sondern
wie im vorliegenden Fall grundsätzlich auch der Beschwerdeführer in
der Stellung als Angeschuldigter (vgl. BGE 108 Ia 93 f. zum Schutze von
jugendlichen Tätern).

    c) Der Beschwerdeführer beanstandet ferner unter Verweis auf die
EMRK, das Strafverfahren habe zu lange gedauert. Er verweist darauf, dass
das Verfahren nach seinem Geständnis und dem Abschluss der Ermittlungen
während drei Jahren ruhte.

    Der Beschwerdeführer erhebt keine eigentliche
Rechtsverzögerungsbeschwerde und beanstandet die Verfahrensdauer nicht
in eigenständiger Weise. Eine Rechtsverzögerungsbeschwerde bedürfte der
(materiellen) Ausschöpfung des kantonalen Instanzenzuges und müsste
im bundesgerichtlichen Verfahren in einer den Anforderungen von Art.
90 Abs. 1 OG genügenden Form vorgebracht werden. Auf die Rüge, die im
Strafverfahren immer noch vorgebracht und vom Strafrichter in verschiedener
Weise berücksichtigt werden kann (vgl. BGE 117 IV 126 ff. sowie HAEFLIGER,
aaO, S. 165 ff.), ist insofern nicht einzutreten.

    Soweit der Rüge der Verfahrensverschleppung indessen lediglich
Hilfsfunktion im Zusammenhang mit der Verletzung der persönlichen
Freiheit zukommt, kann sie bei der Beurteilung der Hauptfrage und bei
der Interessenabwägung mitberücksichtigt werden.

Erwägung 3

    3.- Bevor auf die spezifischen Verfassungsrügen betreffend
die persönliche Freiheit eingegangen wird, ist zu prüfen, ob der
angefochtene Entscheid vor dem kantonalen Verfahrensrecht, wie es sich aus
Kantonsverfassung und Gerichtsorganisationsgesetz ergibt, standhält. Da
im vorliegenden Fall kein schwerer Eingriff in die persönliche Freiheit
in Frage steht, ist die Anwendung des kantonalen Gesetzesrechts lediglich
unter dem Gesichtswinkel der Willkür zu prüfen.

    Die Kantonsverfassung Zug bestimmt in § 59, dass die Verhandlungen vor
dem Kantons-, Straf- und Obergericht öffentlich und mündlich sind und dass
das Gesetz die Ausnahmen umschreibe. In Ausführung dieser Grundsätze sieht
das Gesetz des Kantons Zug über die Organisation der Gerichtsbehörden
(Gerichtsorganisationsgesetz, GOG) in § 69 vor, dass die Partei- und
Beweisverhandlung sowie die Eröffnung des Urteils beim Kantons-, Straf-
und Obergericht öffentlich sind; in Fällen jedoch, in denen durch die
öffentliche Verhandlung Sitte und Anstand verletzt würden, kann die
Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, namentlich bei Verhandlungen über
Sittlichkeitsvergehen und in Ehescheidungs- und Vaterschaftsprozessen.

    Im vorliegenden Fall durfte das Strafgericht ohne Willkür
annehmen, dass das den Beschwerdeführer betreffende Verfahren Sitte und
Anstand nicht verletze, es sich auch nicht um ein Sittlichkeits- oder
Familienrechtsverfahren handle und demnach kein gesetzlicher Grund für
den Ausschluss der Öffentlichkeit gegeben sei. Wie dargelegt, kann der
Beschwerdeführer aus den in der Kantonsverfassung enthaltenen Ausnahmen
nichts direkt zu seinen Gunsten ableiten. Die Anwendung des kantonalen
Rechts kann daher unter diesem Gesichtswinkel nicht beanstandet werden.

Erwägung 4

    4.- Für die Beurteilung des vorliegenden Falles ist vom Grundsatz
der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung auszugehen, wie er sich aus §
59 der Zuger Kantonsverfassung und insbesondere aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK
ergibt. Für die Frage, ob die Öffentlichkeit im Einzelfall ausnahmsweise
ausgeschlossen werden dürfe, können die Gesichtspunkte der persönlichen
Freiheit im oben umschriebenen Sinne mit einbezogen werden, da die
Ausnahmen von der Öffentlichkeit mit unbestimmten Begriffen umschrieben
sind und daher die Mitberücksichtigung der persönlichen Freiheit zulassen
(vgl. zur Akteneinsicht BGE 113 Ia 5 E. bb, 112 Ia 102 sowie Urteil
vom 27. März 1991, in: ZBl 92/1991 S. 551). In Gegenüberstellung der
Verfassungsgrundsätze der Verfahrensöffentlichkeit und der persönlichen
Freiheit sind demnach die Interessen an der grundsätzlichen Zulassung
der Öffentlichkeit zur Hauptverhandlung den privaten Interessen des
Beschwerdeführers an einer ausnahmsweisen Verhandlung hinter verschlossenen
Türen gegeneinander abzuwägen.

    a) Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung nach
Art. 6 Ziff. 1 EMRK bezieht sich sowohl auf die Parteiöffentlichkeit
als auch auf die Publikums- und Presseöffentlichkeit. Der Grundsatz
bedeutet eine Absage an jede Form geheimer Kabinettsjustiz. Er soll
durch die Kontrolle der Öffentlichkeit dem Angeschuldigten und allen
übrigen am Prozess Beteiligten eine korrekte und gesetzmässige Behandlung
gewährleisten. Darüber hinaus soll es der allgemeinen Öffentlichkeit
ermöglicht werden, Kenntnis davon zu erhalten, wie das Recht verwaltet
und die Rechtspflege ausgeführt wird; sie soll die Prozesse unmittelbar
verfolgen und dadurch eine Kontrollfunktion wahrnehmen können. Es soll
damit Transparenz der Rechtsprechung geschaffen und das Vertrauen in die
Gerichtsbarkeit gesichert werden. Die rechtsstaatliche und demokratische
Bedeutung des Grundsatzes der Öffentlichkeit verbietet einen Ausschluss
dort, wo nicht überwiegende Gründe der staatlichen Sicherheit, öffentlichen
Ordnung und Sittlichkeit oder schützenswerte Interessen Privater dies
vordringlich gebieten (BGE 117 Ia 389, 115 V 255, 113 Ia 318, 113 Ia 416,
111 Ia 245, 108 Ia 92, mit Hinweisen; vgl. aus der Rechtsprechung des
Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes insbesondere Urteil i.S. Axen
vom 8. Dezember 1983, Ziff. 25, Publications de la Cour européenne des
droits de l'homme, Série A vol. 72 = EuGRZ 1985 S. 225; Urteil i.S. Sutter
vom 22. Februar 1984, Ziff. 26, Série A vol. 74 = VPB 48/1984 Nr. 83 =
EuGRZ 1985 S. 233).

    Die Konvention selber sieht Ausnahmen von der Öffentlichkeit vor im
Interesse der Sittlichkeit, der öffentlichen Ordnung oder der nationalen
Sicherheit oder wenn die Interessen von Jugendlichen, der Schutz des
Privatlebens von Prozessparteien oder die Gefahr der Beeinträchtigung
der Rechtspflege es gebieten (vgl. BGE 114 Ia 189, 108 Ia 93 f.;
FROWEIN/PEUKERT, aaO, N. 82 ff. zu Art. 6). Das Gerichtsorganisationsgesetz
umschreibt die Ausnahmen vom Grundsatz der Öffentlichkeit in § 69
Abs. 3 ähnlich. Diese Umschreibungen und die dargelegte Rechtsprechung
zeigen, dass die Öffentlichkeit nur aus besonders gewichtigen Gründen
ausgeschlossen werden darf.

    b) Für den Angeschuldigten bedeutet jedes öffentliche,
vor unbeteiligten Personen oder Pressevertretern durchgeführte
Gerichtsverfahren eine öffentliche Blossstellung. Die Grundsätze
des Strafprozesses erfordern die Befragung zu den persönlichen
Verhältnissen, zu Vorstrafen sowie zu sämtlichen Umständen, welche zu
den vorgeworfenen Delikten führten. Der Angeschuldigte wird darin oftmals
eine zusätzliche Anprangerung und Demütigung empfinden und Nachteile für
sein späteres Fortkommen befürchten (vgl. HAEFLIGER, aaO, S. 155). Solche
Unannehmlichkeiten sind angesichts der hohen rechtsstaatlichen Bedeutung
des Öffentlichkeitsprinzips grundsätzlich in Kauf zu nehmen. Der
Angeschuldigte kann nicht allein derentwegen gestützt auf die persönliche
Freiheit den Ausschluss der Öffentlichkeit verlangen. Ebenso wäre es nicht
angängig, in Verfahren gegen Personen mit hohem sozialen Prestige wegen
solcher Nachteile die Öffentlichkeit auszuschliessen (vgl. FROWEIN/PEUKERT,
aaO, N. 85 zu Art. 6; NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, Zürich 1989,
S. 49 Rz. 171). Es müssen daher zusätzliche besondere Gründe vorliegen,
welche den Ausschluss der Öffentlichkeit unter dem Gesichtswinkel der
persönlichen Freiheit vordringlich gebieten.

    Beim streitigen Strafverfahren stehen nun allerdings keine
Tatumstände in Frage, die den Beschwerdeführer in spezifischer Weise
in seiner Persönlichkeitssphäre betreffen. Es kann insbesondere nicht
gesagt werden, dass etwa die Motive, der Hergang und die Begleitumstände
der Delikte besondere Geheimnisse berühren, die vor der Öffentlichkeit
auszubreiten dem Beschwerdeführer nicht zuzumuten wären; ebensowenig
handelt es sich um Intimitäten oder abnorme Charaktereigenschaften, an
deren Geheimhaltung ein gewisses Interesse bestehen kann (vgl. zur Frage
der Einschränkung der Akteneinsicht in einem Strafverfahren aus solchen
Gründen das Urteil vom 27. März 1991, in: ZBl 92/1991 S. 551 f. E. 7). Es
geht dem Beschwerdeführer vielmehr darum, ganz allgemein zu verhindern,
dass die ihm vorgeworfenen Delikte und die befürchtete Verurteilung
überhaupt bekannt werden; die Vorfälle sollen mit anderen Worten einfach
weitestgehend geheimgehalten werden. Die Möglichkeit aber, von Delikten
und einer entsprechenden Verurteilung Kenntnis zu nehmen, gehört heute
zum Strafprozess, wie er insbesondere unter dem Öffentlichkeitsgrundsatz
durchgeführt wird, und ist insofern mit gewissen Nachteilen in der Regel
hinzunehmen. Es bedarf daher ganz besonderer Gründe, um aus solchen
Motiven die Öffentlichkeit auszuschliessen. Im folgenden ist zu prüfen,
ob solche namhaft gemacht werden können.

    c) aa) Für die Frage nach dem Ausschluss der Öffentlichkeit ist nicht
von Bedeutung, dass dem Beschwerdeführer zwar eine grössere Anzahl von
Einbrüchen, indessen nur ein relativ geringer Deliktsbetrag vorgehalten
wird. Die dem Öffentlichkeitsgrundsatz zukommende Kontrollfunktion soll
durchaus auch in kleineren Straffällen zum Tragen kommen.

    bb) Es ist verständlich, dass sich der Beschwerdeführer auf sein
jugendliches Alter beruft, hat er die ersten Delikte doch nur wenige
Monate nach Vollendung des 18. Lebensjahres begangen. Er gilt somit nur
knapp nicht mehr als Jugendlicher im Sinne von Art. 89 StGB und kommt
wegen weniger Monate nicht mehr in den Genuss des nach § 63 Abs. 1
der Strafprozessordnung des Kantons Zug (StPO) unter Ausschluss der
Öffentlichkeit durchgeführten Jugendgerichtsverfahrens. Es kann angeführt
werden - auch wenn sich der Beschwerdeführer nicht darauf berufen kann -,
dass andere Kantone die Grenze für das Jugendstrafverfahren und damit
den Ausschluss der Öffentlichkeit erst beim vollendeten 20. Lebensjahr
ziehen (vgl. BGE 108 Ia 90 zu § 372 der Strafprozessordnung des Kantons
Zürich). Als junger Erwachsener im Sinne von Art. 100 StGB ist auch nach
Art. 1 der Verordnung 1 zum StGB das Verfahren im vorliegenden Fall nicht
hinter verschlossenen Türen durchzuführen. Junge Erwachsene lassen sich
in ihrer Entwicklung zumeist noch wesentlich beeinflussen und können
ihre gesamte Persönlichkeit noch leichter entwickeln. Diesem Umstand
trägt die neuere Rechtsprechung vermehrt Rechnung (vgl. BGE 118 IV 351),
und er kann grundsätzlich auch bei der Frage des Ausschlusses bzw. der
Zulassung der Öffentlichkeit mitberücksichtigt werden.

    Den Akten kann entnommen werden, dass der Beschwerdeführer
seine deliktischen Handlungen nach seiner Verhaftung aufgegeben und
sich seither in eindrücklicher Art und Weise aufgefangen hat; er hat
seine Lehre erfolgreich abgeschlossen und ist heute im Berufsleben als
Journalist integriert. Die Schutzaufseherin bestätigt in ihren Berichten
die eingetretene Resozialisierung. Diese bisherige Entwicklung soll nun
mit dem vorliegenden Verfahren nicht beeinträchtigt werden; sie soll nach
dem Beschwerdeführer aus nachvollziehbaren Gründen insbesondere nicht
mit der Öffentlichkeit des Verfahrens aufs Spiel gesetzt werden. -
Auch solche Umstände bedürfen einer sorgfältigen Beurteilung und
sprechen nicht vorbehaltlos für den Ausschluss der Öffentlichkeit im
vorliegenden Fall. Zum einen zeigt sich, dass die Resozialisierung
und die Verarbeitung der früheren Geschehnisse auch aus einer gewissen
zeitlichen Distanz nicht abgeschlossen zu sein scheinen, geht es dem
Beschwerdeführer auch heute noch darum, seine Delikte und die befürchtete
Verurteilung geheimzuhalten. Zum andern beruhen alle Voraussagen über
die Folgen einer öffentlichen Verhandlung auf blossen, nicht gesicherten
Vermutungen. Negative Auswirkungen oder eine Kündigung von seiten des
Arbeitgebers sind denkbar und nicht auszuschliessen, stehen aber keineswegs
fest. Umgekehrt könnten sich - gestützt auf ebenso ungesicherte Prognosen
(siehe unten E. cc) - von einer öffentlichen Verhandlung auch positive
Aspekte für den Beschwerdeführer ergeben.

    Besonderes Gewicht legt der Beschwerdeführer auf die Verfahrensdauer
und die schleppende Untersuchungsführung: Er hat die Straftaten im
Alter von ca. 18 1/4 bis zu seiner Verhaftung im Alter von 19 1/4 Jahren
ausgeführt; aufgrund seiner Geständnisse waren die Ermittlungen weitgehend
abgeschlossen, als er etwas über 19 1/2 Jahre alt war; hierauf dauerte
es gute drei Jahre, bis er im Alter von 23 Jahren vom Verhöramt des
Kantons Zug nochmals einvernommen worden ist; darauf folgten dann die
Anklageschrift und die Aufforderung zur umstrittenen Hauptverhandlung,
welche kurz vor dem 24. Geburtstag hätte stattfinden sollen. - Es ist dem
Beschwerdeführer einzuräumen, dass das bisherige Verfahren lang dauerte;
insbesondere der Umstand, dass es zwischen dem Abschluss der Ermittlungen
und dem untersuchungsrichterlichen Verhör während mehr als drei Jahren
ruhte, ist in der Tat aussergewöhnlich und unter dem Gesichtswinkel
der Verfahrensbeschleunigung kaum zu rechtfertigen. - Bei objektiver
Betrachtung kann nun nicht gesagt werden, das öffentliche Interesse
an der Zulassung der Öffentlichkeit sei nur schon deshalb gering,
weil die zur Beurteilung anstehenden Straftaten Jahre zurückliegen;
auch in solchen Fällen soll das Prozessgeschehen grundsätzlich noch
mitverfolgt werden können. Aus der Sicht des jugendlichen Beschwerdeführers
aber ist belastend, dass nach einer längeren Periode, während der er
sich aufgefangen und sozial integriert hat, all die zurückliegenden
früheren Begebenheiten überhaupt wieder heraufbeschworen und neu
ausgebreitet werden. Entscheidend für die subjektive Belastung ist
damit, dass überhaupt noch ein Verfahren durchgeführt werden muss. Die
Verfahrensöffentlichkeit ist dabei nicht zentrales Element, und auch
der Ausschluss der Öffentlichkeit vermöchte dem Beschwerdeführer nur in
beschränktem Masse zu helfen.

    cc) Es kann zum vornherein nicht angenommen werden, dass
sich die Straftaten und die allfällige Verurteilung auf die Dauer
verheimlichen lassen. Eine nur indirekte und möglicherweise verfälschte
Kenntnisnahme könnte sich auf den Beschwerdeführer ebensosehr
negativ auswirken. Demgegenüber ist mit der Offenheit des Verfahrens
möglicherweise die Chance verknüpft, dass auch die positiven Seiten
bekannt und weiterverbreitet werden, insbesondere dass es sich um weit
zurückliegende "Jugendsünden" handelt, dass sich der Beschwerdeführer
in der Untersuchung wohl verhielt und sogar mehr zugestand, als ihm
hätte nachgewiesen werden können, und dass er sich in der Zwischenzeit
aufgefangen, von jenen Vorkommnissen distanziert und seinen Weg in
Gesellschaft und Beruf gefunden hat.

    d) An dieser Beurteilung vermag auch die Berufung auf das
Gleichheitsgebot nach Art. 4 BV nichts zu ändern. Es ist bereits oben
dargelegt worden, dass die Öffentlichkeit des Verfahrens Angeschuldigte
in unterschiedlichem Masse in ihrem (wirtschaftlichen) Fortkommen
beeinträchtigen kann. Es können nicht nur Arbeitnehmer, sondern ebensosehr
Selbständigerwerbende betroffen sein (vgl. BGE 117 Ia 387). Im Hinblick auf
das vorliegende Verfahren stellt es keinen rechtserheblichen Unterschied
dar, dass die Redaktion der Zeitung, bei der der Beschwerdeführer als
Journalist angestellt ist, infolge der Gerichtsberichterstattung eher
als andere Arbeitgeber vom Verfahren ihres Arbeitnehmers erfahren mag.

    e) All diese Erwägungen führen gesamthaft dazu, dass die vorgebrachten
Gründe und Umstände unter dem Gesichtswinkel der persönlichen Freiheit
ein Abgehen vom Öffentlichkeitsgrundsatz nach § 59 KV und Art. 6 Ziff. 1
EMRK und damit den Ausschluss der Öffentlichkeit vom Verfahren nicht zu
rechtfertigen vermögen. Insofern erweist sich die vorliegende Beschwerde
als unbegründet und ist abzuweisen.

    f) Die Abweisung der Beschwerde kann indessen nicht darüber
hinwegtäuschen, dass die Möglichkeit negativer Auswirkungen infolge
Publikumsöffentlichkeit und Gerichtsberichterstattung bestehenbleibt. Diese
ist unter dem Gesichtswinkel der Resozialisierung ernst zu nehmen und
gebietet insbesondere, dass über die Strafsache mit der notwendigen
Zurückhaltung und Diskretion berichtet wird. Eine Einflussnahme in dieser
Richtung durch das Gericht selber ist verfassungsrechtlich grundsätzlich
zulässig (vgl. BGE 113 Ia 319 E. 5a, 64 I 180 mit Hinweisen; vgl. auch
ANDREAS MEILI, Die Akkreditierung von Journalisten im öffentlichen Recht
des Bundes und der Kantone, Diss. Bern 1990, S. 121 f. und 128 f.; JOACHIM
SCHERER, Gerichtsöffentlichkeit als Medienöffentlichkeit, Königstein 1979,
S. 185 und 192 ff.; HANS SCHULTZ, Der Grundsatz der Öffentlichkeit im
Strafprozess, in: SJZ 69/1973 S. 134). Es wird Sache des Strafgerichts
sein, solche Massnahmen entsprechend den Akkreditierungsgrundsätzen im
vorliegenden Fall zu prüfen.