Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 IA 441



119 Ia 441

51. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. Dezember 1993 i.S.
X. gegen Z. (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Provisorische Rechtsöffnung bei Solidarbürgschaft (Art. 493 Abs. 2
und 497 Abs. 4 OR); Willkür.

    Die Auffassung, eine Bürgschaft sei ungültig und stelle keinen
provisorischen Rechtsöffnungstitel dar, weil nicht alle unabhängig
voneinander mitverpflichteten Bürgen in der Bürgschaftsurkunde aufgeführt
worden sind, ist willkürlich.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Der Amtsgerichtspräsident - auf den der Appellationshof
verweist - hat ausgeführt, gemäss Art. 493 OR unterlägen nicht nur
die in der Bürgschaftsverpflichtung objektiv wesentlichen Punkte der
Formvorschrift des Abs. 2 dieser Bestimmung, sondern nach Art. 12 OR auch
sämtliche subjektiv wesentlichen Punkte. Die Übernahme der Bürgschaft
unter der Voraussetzung, dass daneben noch andere Bürgen sich für die
gleiche Schuld im Sinne von Art. 497 Abs. 4 OR (Mitbürgen, Nebenbürgen)
verpflichtet hätten, bilde einen solchen subjektiv wesentlichen Punkt. Weil
die mitverpflichteten Bürgen in der Bürgschaftserklärung vom 20. Dezember
1990 nicht aufgeführt worden seien, habe dies die Ungültigkeit der
Bürgschaft zur Folge (Art. 493 Abs. 1 OR).

    Der Beschwerdeführer wendet dagegen im wesentlichen ein, der Umstand,
dass noch andere Bürgen für die gleiche Schuld gehaftet hätten, sei kein
subjektiv wesentlicher Punkt, welcher von der Formvorschrift gemäss
Art. 493 OR hätte umfasst werden müssen. Der Appellationshof habe
demzufolge Bundesrecht krass und unrichtig ausgelegt.

    c) Der öffentlichen Beurkundung nach Art. 493 Abs. 2 OR unterliegen
alle objektiv und subjektiv wesentlichen Angaben (GIOVANOLI, N. 17 und 37
zu Art. 493 OR; SCHÖNENBERGER, N. 22 zu Art. 493 OR; TERCIER, La partie
spéciale du Code des obligations, N. 3726; SCYBOZ, Garantievertrag und
Bürgschaft, SPR VII/2, S. 400; SCHMID, Die öffentliche Beurkundung von
Schuldverträgen, Diss. Freiburg 1988, N. 493). Sinn und Zweck dieser
Bestimmung ist, dem Bürgen die Tragweite seiner Verpflichtung vor Augen zu
führen und ihn vor übereilten Bürgschaftsversprechen abzuhalten (BGE 111
II 175 E. 3a S. 178). Von der Formvorschrift werden alle Punkte umfasst,
welche die Rechtsstellung des Bürgen erschweren, nicht aber diejenigen,
die den Vertrag bloss in einem Nebenpunkt ergänzen oder die Stellung des
Bürgen ausschliesslich in dessen Interesse erleichtern (BGE 50 II 245
E. 2b S. 249, 44 II 61 E. 3 S. 64; GIOVANOLI, loc.cit.; SCHÖNENBERGER,
N. 26 und 28 zu Art. 493 OR; TERCIER, loc.cit.; SCYBOZ, aaO, S. 400/401;
SCHMID, aaO, N. 502; BECK, Das neue Bürgschaftsrecht, Zürich 1942, N. 11
zu Art. 493 OR). Nach SCHMID (aaO, N. 521) stellt die Mitbürgschaft eine
Erleichterung des Bürgen dar.

    Der Amtsgerichtspräsident hat seine Ansicht auf GIOVANOLI (N 17
zu Art. 493 OR a.E.) abgestützt. Dieser Autor erblicke einen subjektiv
wesentlichen Punkt bei der Übernahme einer Bürgschaft in der Voraussetzung,
dass noch andere Bürgen für die gleiche Schuld bürgten (sog. Mitbürgschaft
gemäss Art. 497 Abs. 4 OR). Auch der Appellationshof, der auf den
erstinstanzlichen Entscheid verweist, übersieht, dass dieser Autor
offenbar den Fall anvisiert, wo der Verpflichtungswille eines Bürgen von
einem Engagement zusätzlicher Garanten abhängig gemacht wird, was hier
eindeutig nicht zutrifft. Denn in der Solidarbürgschaftsverpflichtung
des Beschwerdegegners vom 20. Dezember 1990 ist von anderen Bürgen
überhaupt nicht die Rede, weshalb die eingegangene Schuld nur eine
Bürgschaft mehrerer voneinander unabhängiger Personen im Sinne von
Art. 497 Abs. 4 OR sein kann. In diesem Fall haben die einzelnen Bürgen
keine Beziehungen untereinander, und sie wissen nicht, dass sich noch
weitere Personen verbürgt haben (SCHÖNENBERGER, N. 74 zu Art. 497 OR;
SCYBOZ, aaO, S. 422 lit. A; BECK, N. 67 zu Art. 497 OR; OR-PESTALOZZI,
N. 27 zu Art. 497 OR). Es ist deshalb nicht ersichtlich, warum der Umstand,
dass die anderen Bürgen in der Bürgschaftsurkunde nicht erwähnt werden,
einen Formmangel begründen soll, wenn das Vorhandensein anderer Garanten
für den einzelnen Bürgen grundsätzlich ohne Bedeutung ist. Ein subjektiv
wesentlicher Punkt gemäss dem Zitat von GIOVANOLI (loc.cit.) scheint aber
dann vorzuliegen, wenn ein Bürge sich nicht allein für die Hauptschuld
verpflichten will. Dieser Tatbestand beschlägt jedoch Art. 497 Abs. 3
OR mit den dort vorgesehenen Rechtsfolgen (vgl. SCYBOZ, aaO, S. 423
ff.), wo indessen nicht verlangt wird, dass die andern Bürgen in der
Bürgschaftsurkunde erwähnt werden.

    Das Ergebnis würde vorliegendenfalls wahrscheinlich auch nicht anders
ausfallen, wenn von einer Mitbürgschaft auszugehen wäre. Eine solche
erheischt weder eine ausdrückliche Erklärung noch die Verwendung des
Ausdrucks "Mitbürge"; das kann sich aus den Umständen ergeben (SCYBOZ,
aaO, S. 424). Die Lehre hält zudem dafür, dass die Gemeinsamkeit der
Verbürgung nicht öffentlich beurkundet werden muss (BECK, N. 10 zu Art. 497
OR; SCHÖNENBERGER, N. 15 zu Art. 497 OR).

    d) Aus dem Gesagten erhellt, dass die Ansicht des Appellationshofes
unhaltbar ist, die Bürgschaftsverpflichtung sei ungültig und stelle
somit keinen provisorischen Rechtsöffnungstitel dar, da nicht sämtliche
Bürgen in der Urkunde aufgeführt worden seien. Die weiteren Rügen des
Beschwerdeführers, insbesondere das Fehlen eines subjektiv wesentlichen
Punktes führe nicht zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages, sind deshalb
nicht mehr zu prüfen.