Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 IA 4



119 Ia 4

2. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
18. Januar 1993 i.S. X gegen Schweizerische Depeschenagentur sowie
Generalprokurator-Stellvertreterin und Anklagekammer des Obergerichts
des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 BV; überspitzter Formalismus.

    Lassen die konkreten Umstände den Schluss zu, dass ein Strafanzeiger
als Geschädigter Parteistellung im Strafverfahren beanspruchen möchte,
verstösst es gegen Art. 4 BV, diesem die Ausübung von Parteirechten ohne
vorherige Anhörung zu verweigern.

Sachverhalt

    A.- Am 2. Dezember 1991 verbreitete die Schweizerische Depeschenagentur
(SDA) eine Pressemeldung, welche am 3. Dezember 1991 zumindest in der
Zürcher Tageszeitung "Volksrecht" erschien. X reichte am 14. Februar
1992 wegen dieser Pressemeldung gegen einen oder mehrere unbekannte
Mitarbeiter der SDA beim Untersuchungsrichteramt von Bern Strafanzeige ein
wegen Verleumdung, eventuell übler Nachrede. Gestützt auf diese Anzeige
forderte der Untersuchungsrichter unter anderem den Chefredaktor der SDA
auf, den Namen des Verfassers der Pressemeldung bekanntzugeben. Dieser
Aufforderung kam der Chefredaktor unter Hinweis darauf, dass er für die
Publikationen die alleinige Verantwortung trage, nicht nach. Mit Entscheid
vom 25. Februar 1992 gab der Untersuchungsrichter 9 von Bern der Anzeige
von X keine Folge. Am 16. Juli 1992 stimmte die Staatsanwaltschaft
Bern-Mittelland diesem Entscheid zu. Der Beschluss wurde X am 22. Juli
1992 eröffnet, wiewohl sie dem Untersuchungsrichter 9 von Bern zuvor
schriftlich mitgeteilt hatte, dass sie vom 20. Juli bis 15. August 1992
im Ausland abwesend sein werde; die Gerichtsurkunde wurde durch ihren
Ehemann in Empfang genommen. Gegen den Beschluss liess X durch ihren Anwalt
Rekurs bei der Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern führen.
Die Anklagekammer trat darauf jedoch mit Entscheid vom 13. August 1992
nicht ein. Zur Begründung führte sie aus, X habe im Verfahren vor dem
Untersuchungsrichter keine Parteistellung innegehabt, da sie sich nicht
als Privatklägerin konstituiert habe. Daher fehle ihr die Legitimation
zur Anfechtung der Verfügung, wonach ihrer Strafanzeige keine Folge
gegeben werde. Die von X dagegen gerichtete staatsrechtliche Beschwerde
wird vom Bundesgericht gutgeheissen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach der Praxis des Bundesgerichts ist der durch eine angeblich
strafbare Handlung Geschädigte grundsätzlich nicht legitimiert, gegen
die Einstellung eines Strafverfahrens oder gegen ein freisprechendes
Urteil staatsrechtliche Beschwerde zu erheben. Der Geschädigte hat an der
Verfolgung und Bestrafung des Täters nur ein tatsächliches oder mittelbares
Interesse im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 88 OG. Der Strafanspruch,
um den es im Strafverfahren geht, steht ausschliesslich dem Staat zu, und
zwar unabhängig davon, ob der Geschädigte als Privatstrafkläger auftritt
oder die eingeklagte Handlung auf seinen Antrag hin verfolgt wird (BGE
108 Ia 99 E. 1 mit Hinweisen). Unbekümmert um die fehlende Legitimation in
der Sache selbst, ist der Geschädigte aber befugt, mit staatsrechtlicher
Beschwerde die Verletzung von Verfahrensrechten geltend zu machen, deren
Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Das nach Art. 88
OG erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich diesfalls
nicht aus einer Berechtigung in der Sache, sondern aus der Berechtigung,
am Verfahren teilzunehmen. Kommt dem Beschwerdeführer in diesem Sinne
nach kantonalem Recht Parteistellung zu, kann er die Verletzung jener
Parteirechte rügen, die ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht oder
unmittelbar aufgrund von Art. 4 BV zustehen. Mit der staatsrechtlichen
Beschwerde kann der Geschädigte auch geltend machen, seine Parteistellung
sei zu Unrecht missachtet worden (BGE 114 Ia 312 f. E. 3c; 113 Ia 250 E. 3,
je mit Hinweisen).

    Im vorliegenden Fall beanstandet die Beschwerdeführerin,
dass die kantonalen Behörden zu Unrecht auf ein ihr offenstehendes
Rechtsmittel nicht eingetreten seien. Nach dem Gesagten ist sie hierfür
zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert. Da auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die staatsrechtliche
Beschwerde einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin rügt im wesentlichen, die Anklagekammer sei
in überspitzten Formalismus verfallen, indem diese auf den Rekurs gegen
die Nichtfolgegebung der Strafanzeige durch den Untersuchungsrichter 9
von Bern nicht eintrat.

    a) Überspitzter Formalismus als besondere Form der Rechtsverweigerung
liegt insbesondere vor, wenn eine Behörde formelle Vorschriften mit
übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften überspannte
Anforderungen stellt und damit dem Bürger den Rechtsweg in unzulässiger
Weise versperrt. Das Bundesgericht prüft frei, ob eine solche
Rechtsverweigerung vorliegt und der angefochtene Entscheid damit gegen
Art. 4 BV verstösst (BGE 118 Ia 15; 117 Ia 130 E. a; 115 Ia 17 E. b
mit Hinweisen). Die gleichzeitig erhobenen Rügen der Willkür bzw. der
Verletzung des rechtlichen Gehörs haben in diesem Zusammenhang keine
selbständige Bedeutung.

    b) Gegen einen Nichteröffnungsbeschluss im Sinne von Art. 84
StrV/BE kann nach Absatz 5 dieser Bestimmung nur der Privatkläger
Rekurs an die Anklagekammer erheben. Dabei genügt es nach der Praxis
der Anklagekammer nicht, wenn sich jemand erst in der Rekursschrift als
Privatkläger konstituiert. Das Bundesgericht hat in einem den Kanton
Bern betreffenden Entscheid vom 9. September 1981 diese Praxis als
grundsätzlich verfassungsrechtlich haltbar bezeichnet (unveröffentlichtes
Urteil i.S. W. S.; vgl. jedoch E. 3b-c hienach).

    c) Nach bernischem Strafprozessrecht kann sich am Verfahren beteiligen,
wer durch eine strafbare Handlung unmittelbar in seinen rechtlich
geschützten Interessen verletzt wurde. Verletzter in diesem Sinn ist
auch der zum Strafantrag Berechtigte (vgl. Art. 43 Abs. 1 StrV/BE). Die
Privatklage kann vom Verletzten auf zwei Arten angebracht werden. Entweder
durch eine "Erklärung zuhanden der Strafgerichtsbehörden", wonach er
Bestrafung eines (bekannten oder unbekannten) Beschuldigten verlange und
Parteirechte ausüben wolle, oder durch Einreichung einer Zivilklage bei
den Strafgerichtsbehörden (vgl. Art. 43 Abs. 3 StrV/BE).

    aa) Eine Privatklage kann in der Strafanzeige, während der
gerichtspolizeilichen Ermittlungen oder im Verlaufe des nachherigen
Strafverfahrens bis zum Schluss der Parteiverhandlungen in erster
Instanz, aber stets nur schriftlich oder zu Protokoll erklärt werden
(vgl. Art. 43 Abs. 4 StrV/BE). Darüber hinaus stellt Art. 43 StrV/BE
keine besonderen Formvorschriften zur Konstituierung als Privatkläger
auf. Es muss daher jede Erklärung genügen, aus der hervorgeht, dass der
Geschädigte im Verfahren Parteirechte ausüben will, und zwar nicht nur
hinsichtlich einer zivilrechtlichen Forderung, sondern auch im Strafpunkt
(unveröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 21. September 1990
i.S. Dr. T. und Mitb., E. 1c/cc, und vom 26. Dezember 1986 i.S. Eheleute
M., E. 2b; vgl. JÜRG AESCHLIMANN, Das Bernische Strafverfahren, Allgemeiner
Teil, 2. Auflage, Bern 1989, S. 94; GÉRARD PIQUEREZ, Traité de procédure
pénale bernoise et jurassienne, tome I, Neuchâtel 1983, S. 198; FRITZ FALB,
Das bernische Strafverfahren, 3. Auflage, Bern 1975, S. 215 f.).

    bb) In Erwägung 2 des angefochtenen Entscheids hat die Anklagekammer
unter Hinweis auf ihre ständige Praxis ausgeführt, von Staates wegen
bestehe kein Interesse daran, dass sich neben dem Staatsanwalt eine
weitere Partei am Verfahren beteilige. Wer die mit der Parteistellung
verbundenen besonderen Rechte beanspruchen und auch das Kostenrisiko
auf sich nehmen wolle, habe daher selber dafür besorgt zu sein, dass
die zur Konstituierung als Privatkläger nötige Erklärung rechtzeitig und
formgerecht erfolge. Die Strafverfolgungsbehörden seien nicht verpflichtet,
einen (angeblich) Verletzten darauf aufmerksam zu machen, dass er sich als
Privatkläger stellen könne; die Untersuchungsorgane treffe keine solche
Hinweis- oder Befragungspflicht. Eine Ausnahme von dieser Regel bestehe
dann, wenn die Abhörung des Verletzten im Strafverfahren nötig werde. In
einem solchen Fall habe der (Untersuchungs-)Richter den Verletzten zu
fragen, ob er als Privatkläger oder als Zeuge einvernommen werden wolle,
und er habe ihm entsprechend auch Gelegenheit zu geben, sich zur Frage der
Privatklägerschaft zu äussern. In der Literatur ist dargelegt worden, dass
sich die Praxis mit dieser (ausnahmsweisen) Befragungs- und Hinweispflicht
nicht selten schwer tut (vgl. PETER WYSS, Aus der Praxis der Anklagekammer
1976-1983, ZBJV 112 (1986) 266 f.; PETER STAUB, Kommentar zum bernischen
Strafverfahren, Bern 1992, N 13 zu Art. 39-45 StrV).

    d) Nicht jede prozessuale Formstrenge steht mit Art. 4 BV im
Widerspruch, sondern nur eine solche, die als exzessiv erscheint, durch
kein schutzwürdiges Interesse gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck
wird und die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise
erschwert oder gar verhindert (vgl. ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind
vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 122; GEORG MÜLLER, in Sammelkommentar
BV, Art. 4 N 96). Um gegen Art. 4 BV zu verstossen, muss der Entscheid
zudem im Ergebnis überspitzt formalistisch sein (BGE 115 Ia 17 E. b).

    Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin macht es durchaus
Sinn, dass das bernische Strafverfahren streng zwischen der prozessualen
Stellung als Strafantragsteller bzw. Anzeiger einerseits und derjenigen
als Privatkläger anderseits unterscheidet. Da der Strafanspruch, um den
es im Strafverfahren geht, ausschliesslich dem Staat zukommt, besteht kein
Öffentliches Interesse daran, dass jeder Verletzte automatisch als Partei
auftritt. Art. 39 Abs. 1 StrV/BE sieht ausdrücklich nur den Privatkläger,
nicht aber den Strafantragsteller bzw. Anzeiger als Prozesspartei vor. Als
Partei geniesst der Privatkläger im Verfahren gewisse Rechte (s. Art. 84
Abs. 4 und 5 sowie Art. 95 ff., 134 f., 241 und 252 StrV/BE). Umgekehrt
trifft ihn aber auch ein gewisses Kostenrisiko (Art. 263 StrV/BE). Der
Entscheid darüber, ob er sich als Partei am Strafverfahren beteiligen
will oder nicht, muss dem Verletzten überlassen bleiben. Es rechtfertigt
sich daher, vom Privatkläger eine hinreichend klare Äusserung darüber zu
verlangen, dass er diese Stellung im Prozess beanspruchen möchte. Sie
folgt nach dem Gesagten jedenfalls nicht bereits aus dem Umstand, dass
jemand Strafantrag gestellt bzw. Strafanzeige erstattet hat.

Erwägung 3

    3.- Die vom kantonalen Recht für die Ausübung von Parteirechten
als Verletzter geforderte ausdrückliche Erklärung, sich als Privatkläger
konstituieren zu wollen, ist nach dem Gesagten nicht verfassungswidrig. Es
fragt sich jedoch, ob die Annahme mit Art. 4 BV vereinbar ist, eine
entsprechende Erklärung sei im vorliegenden Fall in Würdigung aller
Umstände nicht erfolgt, und ob die strenge Rechtsfolge des Nichteintretens
auf den Rekurs an die Anklagekammer vor der Verfassung standhält.

    a) Die Beschwerdeführerin äusserte sich in ihrer (Laien-)Eingabe
vom 14. Februar 1992 an das Untersuchungsrichteramt Bern in
verfahrensrechtlicher Hinsicht und soweit hier von Interesse wörtlich
wie folgt:

    "J'ai l'honneur de déposer plainte pénale contre un ou plusieurs
   inconnus, collaborateurs de la Schweizerische Depeschenagentur précitée,
   et contre toute personne que l'enquête révélera avoir participé aux
   faits ci-après, pour calomnie, subsidiairement diffamation, sauf votre
   meilleure appréciation, et pour motifs que voici: (...)"

    Für sich allein betrachtet, liegt hierin keine eindeutige Erklärung,
die zum Schluss zwänge, die Beschwerdeführerin habe sich als Privatklägerin
im Sinne von Art. 43 StrV/BE konstituieren wollen. Im vorliegenden Fall
darf indessen zur Beantwortung der Frage, ob der Beschwerdeführerin die
Stellung als Privatklägerin zukomme, nicht nur auf deren oben zitierte
Äusserung in der Eingabe vom 14. Februar 1992 an den Untersuchungsrichter
abgestellt werden. Vielmehr sind weitere Umstände beachtlich. Aus den Akten
ergibt sich insbesondere, dass der Untersuchungsrichter seinen Beschluss,
der Anzeige keine Folge zu geben, zwar ohne Parteiverhandlung, aber erst
nach Durchführung von Instruktionsmassnahmen gefasst hat. Erst gestützt
darauf wurde klar, dass der Chefredaktor der SDA gemäss Art. 27 Ziff. 3
und 4 StGB die alleinige Verantwortung für die Pressemeldung zu tragen
gewillt war, weshalb sich die Strafanzeige nicht mehr ausschliesslich
gegen Unbekannt richtete. Sodann hatte sich die Beschwerdeführerin am
31. Mai 1992 ein zweites Mal an den Untersuchungsrichter 9 von Bern
gewandt, wobei sie ihn als "juge d'instruction" ansprach und wörtlich
folgendes vorbrachte:

    "Ayant appris que vous serez chargé, le cas échéant, d'instruire la
   plainte pénale que j'ai déposée contre la Schweizerische
   Depeschenagentur, je me permets de vous faire savoir qu'il me serait
   impossible de répondre à une convocation entre le 20 juillet et le 15
   août, pour cause de séjour à l'étranger."

    b) Unter diesen Umständen hätten dem Untersuchungsrichter 9 von
Bern und dem seit 25. Februar 1992 mit der Sache befassten Staatsanwalt
des II. Bezirks (die Zustimmungserklärung im Sinne von Art. 84 StrV/BE
erfolgte erst am 16. Juli 1992) zumindest Zweifel darüber aufkommen müssen,
ob sich die Beschwerdeführerin nicht doch als Privatklägerin am Verfahren
beteiligen wolle. Dies um so mehr, als sie mit einer Laieneingabe befasst
waren und der von der Beschwerdeführerin verwendete Begriff "plaignante"
im Französischen sowohl Strafantragstellerin wie auch Privatklägerin
bedeutet (s. das Marginale zu Art. 43 StrV/BE im französischen
Gesetzestext). Dass die Situation geeignet war, Missverständnisse
und Unklarheiten hervorzurufen, geht auch aus dem Umstand hervor,
dass der Nichtfolgegebungsbeschluss der Beschwerdeführerin am 22. Juli
1992 "irrtümlich" mit Rechtsmittelbelehrung eröffnet worden ist. Laut
angefochtenem Entscheid hätte dies mangels Parteistellung und Beschwer der
Beschwerdeführerin nicht erfolgen "müssen bzw. dürfen". Spätestens nach
der Eingabe vom 31. Mai 1992 hätte objektiv betrachtet Anlass bestanden,
im Rahmen einer Rückfrage bei der Beschwerdeführerin abzuklären, ob
sich diese als Privatklägerin mit all den damit verbundenen Pflichten
und Rechten am Verfahren beteiligen wolle. Nicht zu überzeugen vermag
der Einwand von Anklagekammer und Generalprokurator-Stellvertreterin,
wonach Hinweis- oder Befragungspflichten der Untersuchungsorgane in
bezug auf die Privatklägerschaft nur bestehen sollen, wenn der Verletzte
einvernommen wird, nicht aber, wenn sich aufgrund dessen schriftlicher
Eingaben Zweifel aufdrängen, ob er sich als Privatkläger konstituieren
wolle. Für eine derartige Unterscheidung sind keine sachliche Gründe
ersichtlich. Die Abklärung darf nicht deshalb unterbleiben, weil ohne
Vernehmung eine Nichtfolgegebung verfügt wird; zwischen der formellen
und der materiellen Frage besteht insoweit kein Zusammenhang. Enthalten -
wie hier - die Strafanzeige oder eine spätere Eingabe des Verletzten an
die Untersuchungsbehörden Elemente, die nach den besonderen Umständen
als Willenserklärung zu einer Privatklage verstanden werden können, für
sich allein aber nicht völlig eindeutig sind, so kommt es überspitztem
Formalismus und damit einer Verletzung von Art. 4 BV gleich, die
Privatkläger-Eigenschaft ohne Anhörung des Verzeigers zu verneinen
(unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 26. Dezember 1986 i.S.
Eheleute M., E. 2b). Die dargestellte Praxis der kantonalen Behörden trägt
die Gefahr in sich, dass dem Verletzten die Verfolgung seiner Ansprüche
im Strafprozess entgegen seinem wirklichen Willen erschwert oder gar
verunmöglicht werden könnte. Die kantonalen Behörden kann daher nach Treu
und Glauben eine eigentliche Verpflichtung treffen, Anzeiger auf diese
Gefahr hinzuweisen bzw. sich zu versichern, ob sie tatsächlich keine
Parteirechte als Geschädigte ausüben wollen (vgl. in diesem Zusammenhang
JEAN-FRANÇOIS EGLI, La protection de la bonne foi dans le procès, in:
Verfassungsrechtsprechung und Verwaltungsrechtsprechung, Zürich 1992,
S. 228 f., 236 f.). Ein solches Vorgehen wäre - jedenfalls unter den hier
gegebenen Umständen - nach Treu und Glauben geboten gewesen.

    c) Im zu beurteilenden Fall kommt noch weiteres hinzu. Die
Beschwerdeführerin hatte unter Hinweis auf Art. 134 Abs. 1 StrV/BE in
ihrem Rekurs vom 3. August 1992 als rechtswidrig gerügt, dass keine
Parteiverhandlung stattgefunden habe und damit weder sie noch der
Chefredaktor der SDA einvernommen worden sei. Sie brachte damit vor der
Anklagekammer ein weiteres Mal zum Ausdruck, dass sie Parteirechte im
Verfahren ausüben wollte.

    Nach Art. 43 Abs. 4 StrV/BE kann sich der Verletzte noch im Laufe des
Verfahrens bis zum Schluss der Parteiverhandlungen in erster Instanz
als Privatkläger konstituieren. Das Bundesgericht hat bereits in
einem Urteil vom 29. September 1976 erkannt, es sei denkbar, dass die
Konstituierung als Privatkläger in der Rekursschrift nachgeholt werden
könne (unveröffentlichtes Urteil i.S. F. B. gegen H. D. und Anklagekammer
des Obergerichts des Kantons Bern, E. 3c). Da im vorliegenden Fall keine
Parteiverhandlung stattgefunden hatte, konnte die Anklagekammer die oben
erwähnte Rüge der Beschwerdeführerin nach dem gesamten Verfahrensverlauf
vor den Untersuchungsbehörden nicht ohne Verletzung von Art. 4 BV einfach
unbeachtet lassen. Liegen die Verhältnisse so wie hier, läuft es auf
überspitzten Formalismus hinaus, die Konstituierung als Privatklägerin
nicht auch noch in der Rekursschrift zuzulassen. Insoweit wäre das in
Erwägung 2b hiervor erwähnte Urteil des Bundesgerichts vom 9. September
1981 zu präzisieren.