Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 IA 197



119 Ia 197

24. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
7. Mai 1993 i.S. Schweizerischer Kanuverband, Kanu Klub Bern, Paddel
Club Bern, Kanu Klub Thun, Kanu Club Biel-Magglingen, Kanu Club Spiez,
Kanu Club Schekka sowie Jürg Pfister und Ueli Matti gegen Grosser Rat
des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 2 ÜbBest. BV; Vereinbarkeit kantonalrechtlicher Beschränkungen
der Schiffahrt mit dem Bundesgesetz über die Binnenschiffahrt (BSG).

    1. Zulässiges Rechtsmittel zur Anfechtung eines kantonalen
Erlasses, welcher Schiffahrtsfahrverbote für einen Teil der im Kanton
gelegenen Gewässer statuiert (E. 1b). Legitimation von Kanuvereinen zur
staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1c, bb).

    2. Bundesrechtlicher Rahmen für die Anordnung von in die Kompetenz der
Kantone fallenden Beschränkungen des schiffahrtsmässigen Gemeingebrauchs
an Gewässern (E. 2 und 3).

    3. Bundesrechtsmässigkeit eines generellen kantonalrechtlichen
Fahrverbots für vier bestimmte Fliessgewässer (E. 4 und 5) sowie eines
für einen Teil der kantonalen Gewässer geltenden Winterfahrverbotes (E. 6).

    4. Bundesrechtswidrigkeit eines Fahrverbotes von 22.00 bis 8.00 Uhr
im Sommer auf den bereits dem Winterfahrverbot unterliegenden Gewässern
(E. 7).

Sachverhalt

    A.- Nach Art. 2 Abs. 2 lit. a des bernischen Gesetzes vom 19.
Februar 1990 über die Schiffahrt und die Besteuerung der Schiffe kann der
Grosse Rat, soweit das öffentliche Interesse oder der Schutz wichtiger
Rechtsgüter es erfordern, durch Dekret "im Rahmen des Bundesrechtes" unter
anderem die Schiffahrt auf bestimmten bernischen Gewässern einschränken.

    Gestützt auf diese Ermächtigung erliess der Grosse Rat des Kantons Bern
am 18. Dezember 1991 ein "Dekret über die Beschränkungen der Schiffahrt"
(Schiffahrtsdekret, SD), welches unter dem Randtitel "Vollständige
Fahrverbote" in Art. 2 namentlich folgende Regelung enthält:

    "Die im Anhang dieses Dekretes aufgezählten Gewässer sind aus

    Gründen des Naturschutzes während des ganzen Jahres für die

    Ausübung der Schiffahrt gesperrt."

    Nach dem Anhang zum Schiffahrtsdekret unterstehen dem in Art. 2
SD statuierten vollständigen Fahrverbot zahlreiche kleinere Seen und
Weiher sowie die vier folgenden Fliessgewässer: Schwarzwasser, Ilfis,
Sorne und Schüss.

    Unter dem Randtitel "Zeitliche Fahrverbote" wird sodann in Art. 3
SD bestimmt:

    "1) Die Schiffahrt ist auf allen öffentlichen Gewässern vom 1. November
   bis zum 31. März untersagt.

    2) Von dieser Regelung ausgenommen sind der Brienzer-, der Thuner-, der

    Bieler- und der Wohlensee, der bernische Teil des Neuenburgersees, die

    Stauseen von Niederried, Aarberg und Hagneck sowie die Aare ab
Meiringen,
   der Zihlkanal, die alte Zihl und der Unterlauf der Schüss.

    3) Ausser für die in Absatz 2 erwähnten Gewässer gilt vom 1. April bis

    31. Oktober ein Nachtfahrverbot von 22.00 bis 8.00 Uhr."

    Nach Art. 6 SD kann die Schiffahrtsbehörde in begründeten Einzelfällen,
namentlich für Unterhaltsarbeiten an Ufern von Gewässern sowie im
Rahmen von nautischen Veranstaltungen, Ausnahmen von den Fahrverboten
bewilligen, soweit kein überwiegendes öffentliches Interesse oder
der Schutz wichtiger Rechtsgüter entgegenstehen (Art. 6 Abs. 1 SD);
vorbehalten bleibt sodann die Schiffahrt zur Nutzung des Fischbestandes
durch die Fischereiberechtigten (Art. 6 Abs. 2 SD).

    Der Schweizerische Kanuverband, der Kanu Klub Bern, der Paddel Club
Bern, der Kanu Klub Thun, der Kanu Club Biel-Magglingen, der Kanu Club
Spiez, der Kanu Club Schekka sowie Jürg Pfister und Ueli Matti führen mit
gemeinsamer Eingabe vom 13. März 1992 staatsrechtliche Beschwerde wegen
Verletzung von Art. 2 ÜbBest. BV und Art. 4 BV.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, hebt Art. 3
Abs. 3 SD auf und weist die Beschwerde im übrigen ab, soweit es darauf
eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Die vorliegende Beschwerde wurde am 13. März 1992, d.h. innert
30 Tagen seit der massgebenden Publikation des angefochtenen Erlasses
im Amtsblatt des Kantons Bern vom 15. Februar 1992, der Post übergeben
und ist damit rechtzeitig (Art. 89 Abs. 1 OG). Die Veröffentlichung erst
nach dem im Dekret festgelegten Inkraftsetzungstermin (1. Januar 1992)
ändert daran nichts.

    b) Erlasse des Grossen Rates unterliegen keinem kantonalen
Rechtsmittel (Art. 76 des bernischen Gesetzes vom 23. Mai 1989 über die
Verwaltungsrechtspflege); das Erfordernis der Erschöpfung des kantonalen
Instanzenzuges (Art. 86 Abs. 1 OG) ist erfüllt.

    Es steht neben der staatsrechtlichen Beschwerde auch kein
anderes eidgenössisches Rechtsmittel zur Verfügung (Art. 84 Abs. 2
OG). Ausser Betracht fällt, da es sich um die Anfechtung eines
Erlasses handelt, zunächst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss
Art. 97 ff. OG. Ausgeschlossen ist aber auch die Beschwerde an den
Bundesrat gemäss Art. 72 ff., namentlich Art. 73 Abs. 1 lit. c VwVG,
da für Verletzungen von Art. 2 ÜbBest. BV die Zuständigkeit des
Bundesgerichtes ausdrücklich vorbehalten bleibt (Art. 73 Abs. 2 lit. a
VwVG) und eine Anfechtung beim Bundesrat nach der Rechtsprechung generell
entfällt, wenn in erster Linie die Verletzung von verfassungsmässigen
Rechten gerügt wird (BGE 112 Ia 360 E. 4a, cc mit Hinweisen; nicht
publiziertes Urteil des Bundesgerichts vom 14. April 1992 i.S. S.,
E. 3; WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde,
Bern 1984, S. f.). Ebenfalls unzulässig ist ferner die Beschwerde an das
Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement gemäss Art. 38
Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 1975 über die Binnenschiffahrt
(SR 747.201, Binnenschiffahrtsgesetz, BSG). Dieses Rechtsmittel dient,
subsidiär zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde, lediglich der Anfechtung von
Verfügungen, die ihre Grundlage in Vorschriften der Bundesgesetzgebung
über die Binnenschiffahrt haben. Hier geht es jedoch um einen gestützt
auf die kantonale Gewässer- bzw. Gebietshoheit ergangenen rechtssetzenden
Erlass, gegen den nach dem Gesagten einzig die staatsrechtliche Beschwerde
zulässig ist.

    c) Zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen kantonalen Erlass
ist legitimiert, wer durch die angefochtenen Bestimmungen unmittelbar
oder virtuell (d.h. mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit früher oder
später einmal) in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen ist
(BGE 114 Ia 223 E. 1b, 456 E. 1d, aa, je mit Hinweisen).

    aa) Diese Voraussetzung erscheint hinsichtlich der Beschwerdeführer
Jürg Pfister und Ueli Matti, welche beide im Kanton Bern wohnhaft und
gemäss eigener (allerdings nur in bezug auf den Beschwerdeführer Matti
dokumentarisch belegter) Angabe aktive Kanusportler sind, als erfüllt.

    bb) Einem Verband wird die Beschwerdelegitimation zur Wahrung
der Interessen seiner Mitglieder zugestanden, wenn er als juristische
Person konstituiert ist, nach seinen Statuten die durch die angerufenen
verfassungsmässigen Rechte geschützten Interessen seiner Mitglieder zu
wahren hat und die Mehrheit oder doch eine Grosszahl seiner Mitglieder
vom angefochtenen Erlass direkt oder virtuell betroffen ist (BGE 114 Ia
456 E. 1d, bb; 112 Ia 182 E. 1b, je mit Hinweisen).

    Die beschwerdeführenden sieben Sportverbände sind alle als
Vereine gemäss Art. 60 ff. ZGB organisiert; sie bezwecken gemäss
ihren Statuten die Förderung des Kanusportes sowie unter anderem die
Vertretung der diesbezüglichen Interessen ihrer Mitglieder gegenüber
den Behörden. Darunter fallen auch Anliegen der hier in Frage stehenden
Art. Bei den im Kanton Bern domizilierten sechs Vereinen (Kanu Klub
Bern, Paddel Club Bern, Kanu Klub Thun, Kanu Club Biel-Magglingen,
Kanu Club Spiez, Kanu Club Schekka) kann ohne weiteres davon ausgegangen
werden, dass jeweils auch die meisten Mitglieder durch die angeordneten
Beschränkungen des Gemeingebrauches betroffen sind. Etwas weniger
eindeutig verhält es sich in bezug auf den Schweizerischen Kanuverband,
dem sowohl Einzelmitglieder als auch vereinsmässig organisierte Sektionen
angehören; es darf aber davon ausgegangen werden, dass auch dieser Verein -
direkt oder über die ihm angehörenden Sektionen - eine grosse Anzahl von
Kanusportlern vertritt, welche durch die vom Kanton Bern angeordneten
Beschränkungen der Flussschiffahrt unmittelbar oder virtuell betroffen
sind.

    d) Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss in der Begründung einer
staatsrechtlichen Beschwerde dargetan werden, welche verfassungsmässigen
Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen
Entscheid oder Erlass verletzt worden sind (BGE 118 Ia 67 E. 1a; 117 Ia
414 f. E. 1c mit Hinweisen).

    Die Beschwerdeführer verlangen mit ihrem Hauptantrag die
vollumfängliche Aufhebung von Art. 2 des angefochtenen Schiffahrtsdekretes,
welcher in Verbindung mit dem Anhang für eine grössere Zahl einzeln
bezeichneter Gewässer ein generelles Fahrverbot statuiert, und darüber
hinaus die Aufhebung der nach Art. 3 Abs. 1 und 3 SD für einen Teil der
übrigen Gewässer geltenden temporären Fahrverbote. Sie begründen aber die
behauptete Rechtswidrigkeit dieser Anordnungen zum Teil nur soweit, als
es um das darin mitenthaltene Verbot von Kanufahrten geht, ohne darzutun,
dass und wieso auch das Verbot andrer Formen der Schiffahrt unzulässig
sein soll. Ihre auf eine vollumfängliche Aufhebung der angefochtenen
Verbote lautenden Anträge entbehren insofern der nach Art. 90 Abs. 1
lit. b OG erforderlichen Begründung. Zudem fehlt es zumindest den
beschwerdeführenden Kanuverbänden für derartige weitergehende Anträge an
der erforderlichen Legitimation.

Erwägung 2

    2.- a) Die Gesetzgebung über die Schiffahrt ist gemäss Art.
24ter BV Bundessache. Nach Art. 2 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die
Binnenschiffahrt ist die Schiffahrt auf öffentlichen Gewässern "im Rahmen
dieses Gesetzes" frei (Grundsatz der Freiheit der Schiffahrt). Die
Gewässerhoheit steht jedoch, unter Vorbehalt des Bundesrechtes,
den Kantonen zu (Art. 3 Abs. 1 BSG). Sondernutzung und gesteigerter
Gemeingebrauch bedürfen dementsprechend der Bewilligung des betreffenden
Kantons (Art. 2 Abs. 2 BSG).

    Art. 3 Abs. 2 BSG bestimmt sodann:

    "Soweit das öffentliche Interesse oder der Schutz wichtiger Rechtsgüter
   es erfordern, können die Kantone die Schiffahrt auf ihren Gewässern
   verbieten oder einschränken oder die Zahl der auf einem Gewässer
   zugelassenen Schiffe begrenzen."

    Art. 25 Abs. 3 BSG enthält ausserdem folgende Ermächtigung für die
Kantone:

    "Die Kantone können besondere örtliche Vorschriften erlassen, um die

    Sicherheit der Schiffahrt oder den Umweltschutz zu gewährleisten."

    b) Unter den bundesrechtlichen Begriff der Schiffahrt fällt auch
die Benutzung von Wasserfahrzeugen zu Sport- und Vergnügungszwecken
(Botschaft vom 1. Mai 1974 zum Bundesgesetz über die Binnenschiffahrt,
BBl 1974 I 1553), mithin ebenfalls das Befahren von Wildflüssen mit
Kanus, Gummibooten und dergleichen (ANDREAS FLÜCKIGER, Gemeingebrauch
an oberirdischen öffentlichen Gewässern, insbesondere die Schiffahrt auf
Schweizer Gewässern, Basler Diss., Bern 1987, S. 74, 141; vgl. auch die
weite Umschreibung des Schiffsbegriffes in Art. 2 lit. a der Verordnung
vom 8. November 1978 über die Schiffahrt auf schweizerischen Gewässern
[SR 747.201.1, Binnenschiffahrtsverordnung, BSV] sowie ferner das nicht
publizierte Bundesgerichtsurteil i.S. F. vom 4. April 1979, E. 2 und 3
betreffend Verkehrsbeschränkungen für Windsurfer).

Erwägung 3

    3.- a) Die Beschwerdeführer machen geltend, die in Art. 3 Abs. 2 BSG
statuierten bundesrechtlichen Voraussetzungen seien für die von ihnen
angefochtenen Schiffahrtsbeschränkungen nicht erfüllt; das kantonale
Schiffahrtsdekret verstosse insoweit gegen die derogatorische Kraft
des Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest. BV). Zudem würden die Kanufahrer in
Verletzung von Art. 4 BV gegenüber andern Benutzergruppen willkürlich
schlechtergestellt.

    b) Die Frage der Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts
stellt sich hier nicht in der üblichen Weise, dass kantonales Recht eine
Materie regelt, die in die ausschliessliche Rechtssetzungskompetenz des
Bundes fällt oder durch Bundesrecht abschliessend normiert ist (vgl. etwa
BGE 117 Ia 34 E. 7c; 116 Ia 272 E. 4a; 115 Ia 272 E. 12a). Art. 3 Abs. 2
BSG setzt im Gegenteil eine umfassende kantonale Regelungskompetenz für
die Ordnung des Gemeingebrauches an öffentlichen Gewässern voraus; er will
den Kantonen im Interesse der Schiffahrt in dieser Hinsicht lediglich
insoweit eine Schranke auferlegen, als Beschränkungen der Schiffahrt
nach Art. 3 Abs. 2 BSG durch ein öffentliches Interesse oder durch den
Schutz wichtiger Rechtsgüter gerechtfertigt sein müssen. Erlässt ein
Kanton über die Benutzung seiner Gewässer rechtssatzmässige Vorschriften,
welche diesen bundesrechtlichen Vorgaben nicht entsprechen, so verstösst
er damit gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechtes (so auch BGE
108 Ia 63 E. 4b, aa).

    c) Ob beanstandete kantonale Normen mit dem Bundesrecht vereinbar
sind, prüft das Bundesgericht auf entsprechende Rüge hin frei (BGE 116
Ia 272 E. 4a, 279 E. 2b, je mit Hinweisen).

    Es auferlegt sich aber Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von
einer Würdigung der örtlichen Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen
Behörden besser kennen und überblicken als das Bundesgericht, und soweit
sich ausgesprochene Ermessensfragen stellen (vgl. BGE 118 Ia 181 E. 3a
betreffend Handels- und Gewerbefreiheit sowie BGE 117 Ia 431 E. 4a und
437 E. 3c betreffend die Eigentumsgarantie, je mit Hinweisen). Diese
für die Überprüfung von Grundrechtsverletzungen allgemein geltende
Kognitionsregel muss auch im Bereich von Art. 2 ÜbBest. BV gelten,
wenn die Bundesrechtmässigkeit eines kantonalen Hoheitsaktes wie
hier davon abhängt, ob dieser durch ein ausreichendes öffentliches
Interesse gedeckt ist. Anders als bei Grundrechtseingriffen, z.B. bei
Eigentumsbeschränkungen, geht es hier indessen nicht um eine Abwägung
zwischen öffentlichen Interessen und gegenläufigen privaten Interessen,
sondern ausschliesslich um eine solche zwischen berührten (komplexen)
öffentlichen Interessen: Es ist zwischen dem durch Art. 2 Abs. 1 BSG
bundesrechtlich geschützten Bedürfnis an einer möglichst uneingeschränkten
Zulassung des schiffahrtsmässigen Gemeingebrauches an öffentlichen
Gewässern einerseits und den gegenläufigen Interessen des Naturschutzes
und allfällig kollidierenden anderen Formen des Gemeingebrauches oder
der Gewässernutzung andererseits, die ein Eingreifen des kantonalen
Gesetzgebers in die Schiffahrtsfreiheit gemäss Art. 3 Abs. 2 BSG
ermöglichen, ein sachgerechter Ausgleich zu treffen. Bei der Gewichtung
solcher Bedürfnisse steht dem zuständigen Gesetzgeber ein erheblicher
Spielraum zu.

Erwägung 4

    4.- Die Beschwerdeführer machen geltend, aufgrund von Art. 2 Abs. 1
und Art. 3 Abs. 2 BSG seien den Kantonen "generelle Schiffahrtsverbote"
verwehrt; zulässig und mit dem Grundsatz der Schiffahrtsfreiheit vereinbar
seien lediglich örtlich begrenzte Beschränkungen aufgrund der besonderen
örtlichen Verhältnisse.

    a) Mit den Beschwerdeführern ist davon auszugehen, dass die Kantone die
Schiffahrt auf ihren Gewässern nicht beliebig einschränken dürfen, sondern
bei der Ordnung des Gemeingebrauches dem dem Binnenschiffahrtsgesetz
zugrunde liegenden Grundsatz der Schiffahrtsfreiheit Rechnung zu tragen
haben. Normale Beeinträchtigungen, welche die Schiffahrt auch auf einem
an sich geeigneten Gewässer üblicherweise mit sich bringt, vermögen ein
Verbot für sich allein nicht zu rechtfertigen (vgl. ANDREAS FLÜCKIGER,
aaO, S. 83). Der Kanton muss sich für Einschränkungen der Schiffahrt
gemäss Art. 3 Abs. 2 BSG jeweils auf besondere, in der Regel mit Art und
Zweckbestimmung der Gewässer zusammenhängende Gründe stützen können.

    b) Die angefochtenen Bestimmungen des vom Grossen Rat des Kantons
Bern erlassenen Schiffahrtsdekretes enthalten keine generellen, für
alle Gewässer des Kantons geltenden Schiffahrtsbeschränkungen. Das in
Art. 2 SD statuierte vollständige Fahrverbot betrifft nur eine Reihe
einzeln bezeichneter kleinerer Seen und Weiher sowie vier bestimmte
Flüsse. Auch die in Art. 3 Abs. 1 und 3 SD enthaltenen zeitlichen
Fahrverbote (Winterfahrverbot und Fahrverbot von 22.00 bis 8.00 Uhr)
gelten, worauf noch zurückzukommen sein wird, nur für einen beschränkten
Teil der öffentlichen Gewässer. Die für die Ausübung der Schiffahrt
in erster Linie geeigneten Seen (Thunersee, Brienzersee, Bielersee,
bernischer Teil des Neuenburgersees, Wohlensee und andere) sowie die
Aare ab Meiringen und weitere Fluss- und Kanalstrecken - nach Angaben
des Regierungsrates rund 80% der gesamten Wasserfläche des Kantons -
stehen für die Schiffahrt uneingeschränkt offen. Von einer Aushöhlung
des Grundsatzes der Schiffahrtsfreiheit kann nicht gesprochen werden.

    c) Dass die Kantone Beschränkungen der Schiffahrt überhaupt nur
ganz kleinräumig, d.h. nicht für ganze Gewässer oder Gewässerkategorien,
sondern jeweils nur für spezifische örtliche Verhältnisse anordnen dürfen,
wie die Beschwerdeführer anzunehmen scheinen, lässt sich Art. 3 Abs. 2
BSG nicht entnehmen. Eine derartige räumliche Begrenzung der kantonalen
Regelungskompetenz besteht nur im Bereich der Schiffahrtspolizei: Die
Zuständigkeit für Verkehrsregeln (d.h. für Vorschriften über Fahrt und
Stilliegen der Schiffe, Signalisierung, Zeichen, Lichter usw.) liegt
grundsätzlich beim Bundesrat, doch können die Kantone gemäss Art. 25
Abs. 3 BSG "besondere örtliche Vorschriften" erlassen, um die Sicherheit
der Schiffahrt oder den Umweltschutz zu gewährleisten. Für kantonale
Anordnungen, welche nicht bloss in diesem Sinne den an sich zugelassenen
Schiffsverkehr regeln wollen, sondern gestützt auf die Gewässerhoheit die
Schiffahrt als solche zugunsten anderer Formen des Gemeingebrauches oder
der Gewässernutzung oder zum Schutze sonstiger öffentlicher Interessen
verbieten oder einschränken, gilt die erwähnte lokale Begrenzung der
Normierungskompetenz nicht. Eine scharfe Abgrenzung zwischen den beiden
Arten kantonaler Vorschriften wird allerdings nicht immer möglich sein.

Erwägung 5

    5.- Dass Art. 2 SD kein generelles, den Grundsatz der
Schiffahrtsfreiheit geradezu aushöhlendes und insofern allenfalls zum
vornherein bundesrechtswidriges Fahrverbot statuiert, wurde bereits
dargelegt (vgl. E. 4b und c). Zu prüfen bleibt, ob das in Art. 2 SD für
eine Anzahl bestimmter Gewässer festgelegte vollständige Fahrverbot,
soweit es sich auf die vier Flüsse Schwarzwasser, Ilfis, Sorne und Schüss
bezieht, mit Art. 3 Abs. 2 BSG vereinbar ist.

    a) Die Beschwerdeführer stellen die sachliche Berechtigung des
vollständigen Fahrverbotes gemäss Art. 2 SD letztlich nur für diese vier
Flüsse in Frage. Jedenfalls tun sie, von der bereits behandelten Rüge
der Unzulässigkeit "genereller Schiffahrtsverbote" abgesehen, nicht dar,
dass und wieso das in Art. 2 SD festgelegte vollständige Fahrverbot auch
hinsichtlich aller übrigen darunter fallenden Gewässer (d.h. in bezug
auf die im Anhang mitaufgezählten zahlreichen kleinen Seen und Weiher)
sachlich unberechtigt sein soll. Für eine weitergehende Anfechtung
von Art. 2 SD fehlt es insofern an der nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
erforderlichen Beschwerdebegründung.

    b) Im Vortrag der Polizeidirektion an den Regierungsrat vom 5. Juni
1991 betreffend den Erlass des Schiffahrtsdekretes, welcher in der Folge
auch Grundlage der grossrätlichen Beratung bildete, wurde die Auswahl
der unter das vollständige Fahrverbot von Art. 2 SD fallenden Gewässer
nicht näher begründet; die Ausführungen zu dieser Regelung erschöpften
sich im Hinweis, die Liste der zu erfassenden Gewässer sei von einer
Arbeitsgruppe erarbeitet worden, welche Vertreter aller berührten
Interessengruppen umfasst und in dieser Frage einen Konsens gefunden habe
(vgl. auch die entsprechenden Voten in der Plenarberatung des Grossen
Rates, Verhandlungsprotokoll vom 17. Dezember 1991, S. 1512 ff., sowie
in der grossrätlichen Kommission, Sitzungsprotokoll vom 8. Oktober
1991, S. 2). Der Charakter eines Kompromisses haftet insbesondere
der Miterfassung der hier in Frage stehenden vier Fliessgewässer an
(Kommissionsprotokoll S. 5/6, insbesondere Votum Salzmann).

    c) In seiner Vernehmlassung zur staatsrechtlichen Beschwerde
rechtfertigt der Regierungsrat das angefochtene vollständige
Fahrverbot für die Flüsse Schwarzwasser, Ilfis, Sorne und Schüss
wie folgt: Diese vier gesperrten Gewässer seien vor allem durch ein
sehr unregelmässiges Flussbett (sehr breite Passagen mit flachem Bett,
unterbrochen durch enge Schluchten) und entsprechend stark unterschiedliche
Wassertiefen gekennzeichnet. Dazu kämen die saisonalen Schwankungen der
Wasserführung. Insbesondere im Winter könne an den meisten Stellen dieser
Gewässer nur eine Wassertiefe von 10-50 cm festgestellt werden. Gerade die
raschfliessenden, verhältnismässig flachen Fluss- und Bachpartien dienten
als Laichplätze der Bach- und der Seeforellen, welche als Fischarten
potentiell bis stark gefährdet seien. Beim Überfahren dieser erhobenen
Standorte des Flussbettes könnten das Kanu oder das Paddel den Untergrund
berühren, was im Winter mit schweren Konsequenzen für die Tiere und
die Laichplätze verbunden wäre. Das gelte namentlich für die Flüsse
Schwarzwasser und Schüss.

    Dazu komme, dass sich diese beiden Gewässer zu Biotopen für Vögel
und Pflanzen entwickelt hätten, welche in Anbetracht der rasanten
Entwicklung der Wildwassersportarten massiv beeinträchtigt werden
könnten. Konsequenterweise müssten hier nicht nur Beschränkungen der
Schiffahrt angeordnet, sondern auch uferseitige Massnahmen getroffen
werden. Das Schwarzwassergebiet figuriere sowohl im Bundesinventar der
Landschaften von nationaler Bedeutung (BLN) wie auch im Bundesinventar
der Auen von nationaler Bedeutung und sei zudem als kantonales
Naturschutzgebiet mit weitgehenden Schutzbestimmungen für Pflanzen und
Tiere ausgeschieden. Anders als die meisten bernischen Gewässer mit
ausgeprägter Wildflusslandschaft sei das Schwarzwasser noch über weite
Strecken unverbaut. Es fänden sich dort drei - auf der roten Liste stehende
- seltene und gefährdete Vogelarten (Flussuferläufer, Flussregenpfeifer,
Gänsesäger), welche auf Störungen aus dem Erholungsbetrieb ausgesprochen
empfindlich seien. Am Schüss seien Massnahmen des Uferschutzes vorläufig
nicht erforderlich, da natürliche Hindernisse (z.B. urwaldartige
Uferbestockungen) sowie topographische und sonstige Umstände praktisch
keine negative Einwirkung durch Menschen erlaubten. Das Risiko einer
Beeinträchtigung nicht nur der Fisch- und Pflanzenwelt, sondern von
hier ebenfalls vorkommenden seltenen empfindlichen Vogelarten bestehe
gleichwohl. Schliesslich sei vorgesehen, den Flussabschnitt (des Schüss)
Sonceboz - La Heutte ins BLN-Inventar aufzunehmen. Die Sorne finde sich,
für den grössten Teil ihres Laufes auf jurassischem Gebiet, bereits in
diesem Inventar.

    Allen vier Gewässern sei gemeinsam, dass sie mehrere Abschnitte
aufwiesen, die aus Gründen des Naturschutzes für die Schiffahrt unbedingt
gesperrt werden müssten. Im Interesse eines einfachen und wirksamen
Vollzuges sowie zur Vermeidung des Signalisierungsaufwandes und der
Kontrollschwierigkeiten, welche mit bloss abschnittsweisen Beschränkungen
verbunden wären, sei für diese vier Flüsse ein vollständiges Fahrverbot
angeordnet worden.

    d) Die Beschwerdeführer halten dieser Argumentation des Regierungsrates
entgegen, die motorlose Schiffahrt verursache weder einen nachweisbaren
Wellenschlag noch irgendwelche Gewässerverschmutzung. Kanus und
Kajaks könnten wegen ihres leichten Gewichts und ihres geringen
Tiefganges keine Gefährdung der Laichplätze und des Fischbestandes
bewirken. Die diesbezüglichen Befürchtungen des Regierungsrates seien
völlig unbelegt. Zudem seien die erwähnten Fischarten gar nicht vom
Aussterben bedroht, und ihre allfällige Gefährdung würde sich allein auf
die Winterperiode beschränken. Ebensowenig könne von einer Gefährdung der
Vogelwelt gesprochen werden. Weder sei die Existenz bedrohter seltener
Vogelarten noch die Gefahr ihrer Beeinträchtigung durch die motorlose
Schiffahrt gutachtlich nachgewiesen. Aus einer von den Beschwerdeführern
eingereichten Untersuchung über das Verhalten von Wasseramseln gehe
vielmehr hervor, dass sogar bei intensivsten Kanufahrten auch bei sehr
empfindlichen Vogelarten eine wesentliche Störung nicht zu befürchten sei.

    e) Dass Wildflusslandschaften als Lebensraum für Tiere und Pflanzen
eine besondere Bedeutung haben, steht ausser Frage und wird an sich
auch von den Beschwerdeführern nicht in Abrede gestellt. Uneinig sind
die Beteiligten einzig in der Beurteilung und Gewichtung der Risiken,
welche die Freigabe der betreffenden vier Flüsse für den Kanusport zur
Folge haben könnte.

    Wären nur einzelne wenige Wettkampfsportler am Befahren dieser Flüsse
interessiert, so wären die möglichen negativen Auswirkungen auf Fische und
Vögel entsprechend gering, und es bestünde zum Erlass von Verboten kaum
Anlass. Der bernische Gesetzgeber durfte jedoch bei seiner Beurteilung
zulässigerweise davon ausgehen, dass die Wildwassersportarten heute
bereits eine erhebliche Verbreitung erfahren haben und die hier in Frage
stehenden, für solche Sportarten offenbar besonders attraktiven Flüsse bei
einer allfälligen Freigabe bald einmal relativ stark in Anspruch genommen
werden könnten, sei es durch Kanus oder durch andere Wasserfahrzeuge. Der
(unbelegte) Hinweis der Beschwerdeführer auf die stabil gebliebenen
Mitgliederzahlen der Kanuverbände vermag diese vertretbare Annahme des
Gesetzgebers nicht schlüssig zu entkräften. Wird aber davon ausgegangen,
dass ein Befahren mit Wildwasserbooten nicht bloss sporadisch, sondern
regelmässig und zu gewissen Zeiten sogar gehäuft stattfinden würde, so
kann die Gefahr einer Beeinträchtigung dieser naturnahen Lebensräume und
der dortigen Tier- und Pflanzenwelt nicht ernsthaft in Abrede gestellt
werden. Das leuchtet namentlich ein, soweit es um den Schutz gewisser
seltener, an diesen Gewässern zum Teil noch vorkommender Vogelarten geht;
die von den Beschwerdeführern eingereichte Untersuchung über das Verhalten
der (nicht in der roten Liste figurierenden) Wasseramsel vermag diese
naheliegende Beurteilung nicht schlüssig zu widerlegen. Kanufahrer
können, wie der Regierungsrat mit Recht hervorhebt, zum Teil sehr
weit in unberührte und von aussen unzugängliche Gebiete eindringen und
damit um so empfindlichere Störungen verursachen. Auch die befürchteten
möglichen Schädigungen des Fischbestandes lassen sich, zumindest was die
Winterperiode anbelangt, nicht von der Hand weisen.

    Es liegt in der Natur der Sache, dass das tatsächliche Ausmass solcher
Risiken nicht im voraus sicher feststellbar ist; anderseits darf auch nicht
verlangt werden, dass mögliche Risiken, solange sie nicht gutachtlich
erhärtet und in ihrer Tragweite genau bestimmt sind, ignoriert werden
und allfällige Verbote erst nach eingetretener nachgewiesener Schädigung
der Natur Platz greifen dürfen. Dem Gesetzgeber steht in solchen Fällen
bei der Abwägung der berührten Interessen und Bedürfnisse sowie der damit
zusammenhängenden Risiken ein Spielraum offen. Wenn der bernische Grosse
Rat die erwähnten vier Flüsse aus Gründen des Naturschutzes von jeglichem
Schiffsverkehr freihalten wollte, handelte er damit grundsätzlich im
Rahmen von Art. 3 Abs. 2 BSG. In der Vernehmlassung des Regierungsrates
wird das naturschützerische Interesse vor allem hinsichtlich der Flüsse
Schwarzwasser und Schüss einlässlich dargelegt, während eine nähere
Erläuterung der Verhältnisse bei den Flüssen Ilfis und Sorne fehlt. Es
darf jedoch davon ausgegangen werden, dass die angestellten Überlegungen
im Grundsatz für alle vier Flüsse Geltung beanspruchen; seitens der
Beschwerdeführer wird jedenfalls nicht dargetan, dass sich für die Flüsse
Ilfis und Sorne nach dem vom Gesetzgeber gewählten Massstab eine andere
Beurteilung aufdränge.

    Schliesslich war der Grosse Rat auch nicht verpflichtet,
Fahrverbote nur gerade für einzelne, besonders schutzwürdig erscheinende
Flussabschnitte anzuordnen, sondern er durfte aus den von ihm geltend
gemachten vollzugstechnischen Gründen die betreffenden Gewässer jeweils
gesamthaft einem durchgehenden Fahrverbot unterwerfen. Es wäre jedenfalls
Sache der Beschwerdeführer gewesen, jene längeren Flussabschnitte, für
welche sich eine Freigabe für die Schiffahrt bzw. den Kanusport ihrer
Meinung nach rechtfertigen würde, konkret zu bezeichnen; sie begnügen sich
indessen mit allgemeinen Einwendungen, auf welche mangels ausreichender
Begründung nicht eingetreten werden kann (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).

    Bedenken bezüglich der Verhältnismässigkeit der fraglichen
Verbote könnten allenfalls dann bestehen, wenn damit die Ausübung des
Wildwassersportes im Kanton Bern überhaupt oder weitgehend verunmöglicht
würde. Solches wird jedoch von den Beschwerdeführern nicht behauptet;
jedenfalls tun sie nicht dar, dass es im Kanton Bern keine oder zu wenig
andere geeignete und der Schiffahrt offenstehende Flüsse gebe, auf denen
der Kanusport sinnvoll ausgeübt werden könne. Die Beschwerde ist daher,
soweit sie sich gegen Art. 2 SD bzw. das darin enthaltene Fahrverbot für
die Flüsse Schwarzwasser, Schüss, Ilfis und Sorne richtet, abzuweisen.

Erwägung 6

    6.- Nach Art. 3 Abs. 1 SD ist die Schiffahrt auf den öffentlichen
Gewässern, mit Ausnahme der in Abs. 2 genannten Seen und Flusstrecken,
vom 1. November bis zum 31. März untersagt (Winterfahrverbot).

    a) Soweit die Beschwerdeführer hierin eine unzulässige generelle,
mit dem Grundsatz der Schiffahrtsfreiheit unvereinbare Beschränkung
erblicken, ist dem entgegenzuhalten, dass dieses Winterfahrverbot gemäss
Art. 3 Abs. 2 SD für die grösseren Seen und Flüsse, d.h. für den weitaus
grössten Teil der schiffbaren Wasserfläche, keine Geltung hat (vgl. oben
E. 4b). Es fallen damit nur jene kleineren Seen und Fliessgewässer unter
das Verbot, welche sich für einen eigentlichen Schiffsverkehr ohnehin
nur bedingt eignen.

    b) Dieses für einen Teil der Gewässer statuierte Winterfahrverbot wird
vom Regierungsrat mit dem Schutz der Fische begründet. Jede Störung in
der kalten, nahrungsarmen Jahreszeit bedeute für diese Tiere zusätzlichen
Energieaufwand und Stress. Dazu komme die bereits erwähnte Gefährdung
der Laichplätze sowie des Laichvorganges, welche umso grösser sei,
als praktisch alle Fliessgewässer im Winter sehr wenig Wasser führten;
zudem wiesen viele Gewässer jeweils zahlreiche Restwasserstrecken von
Kraftwerken auf, was zu einer entsprechenden Aufeinanderfolge untiefer
Strecken führe, auf denen eine sinnvolle Regelung der Schiffahrt kaum
praktikabel oder unmöglich sei. Zur Begrenzung des Verwaltungsaufwandes
habe der Gesetzgeber statt differenzierender örtlicher und zeitlicher
Beschränkungen eine einheitliche Regelung gewählt.

    c) Die Beschwerdeführer wenden unter anderem ein, dass sicher
nicht alle bernischen Flüsse auf ihrer ganzen Länge als Laichgebiete
gefährdeter Fischarten dienten und im übrigen das allenfalls kritische
Laichverhalten nur während einer kurzen Zeit, keineswegs aber während
der ganzen Verbotsperiode von fünf Monaten, stattfinde. Eine effektive
Gefährdung oder Schädigung des Fischbestandes durch die motorlose
Schiffahrt sei nicht nachgewiesen. Jedenfalls verursachten die Flutwellen
bei Wasserstandsschwankungen, insbesondere bei Flüssen mit Kraftwerken,
bedeutend mehr Turbulenzen als leichte Kanus mit 10 cm Tiefgang. Von einer
Existenzgefährdung der Fische könne nicht glaubwürdig gesprochen werden,
solange diese von den Fischern dezimiert werden dürften.

    d) Diese Argumente der Beschwerdeführer schlagen nicht durch. Dass das
Befahren von kleineren Flüssen in der Winterperiode fischereibiologisch
grundsätzlich unerwünscht ist, kann nicht in Abrede gestellt werden; das
angefochtene Winterfahrverbot liegt insoweit im öffentlichen Interesse
und hält sich damit in dem vom Bundesrecht in Art. 3 Abs. 2 BSG gezogenen
Rahmen für kantonalrechtliche Beschränkungen der Schiffahrtsfreiheit.

    Eine differenziertere Ausgestaltung dieses Verbotes wäre unter dem
Gesichtswinkel von Art. 4 BV allenfalls dann zu verlangen, wenn weiten
Kreisen der Bevölkerung daran gelegen wäre, die betreffenden Gewässer
ganzjährig, d.h. auch in der Winterperiode, befahren zu können. Nach
den Darlegungen in der Beschwerdeschrift sind jedoch nur eine geringe
Zahl von Kanufahrern - "vor allem ein paar Dutzend Wettkämpfer" - daran
interessiert, bereits im Winterhalbjahr ungeachtet der Kälte für die
im Februar und März stattfindenden Wildwasserwettkämpfe auf geeigneten
Flüssen trainieren zu können. Bei dieser Sachlage lässt sich das vom
Grossen Rat beschlossene generelle Winterfahrverbot nicht beanstanden. Von
einer gegen Art. 4 BV verstossenden Diskriminierung der Kanufahrer kann
nicht gesprochen werden. Ausgewiesenen Sonderbedürfnissen von Wettkämpfern
kann die Behörde im Rahmen der Ausnahmeregelung von Art. 6 Abs. 1 des
Schiffahrtsdekretes Rechnung tragen. Die Beschwerde ist auch in diesem
Punkt abzuweisen.

Erwägung 7

    7.- Zu beurteilen bleibt schliesslich die Bundesrechtmässigkeit
des nach Art. 3 Abs. 3 SD für die gleiche Gewässergruppe ausserhalb der
Winterperiode, d.h. vom 1. April bis 31. Oktober, von 22.00 bis 8.00 Uhr
geltenden "Nachtfahrverbotes".

    a) Diese Bestimmung wurde im Vortrag der Polizeidirektion nicht
weiter begründet und allein mit dem Hinweis kommentiert, gegen das
"Nachtfahrverbot" (sowie das Winterfahrverbot) werde lediglich seitens
der Kanuten opponiert. In der grossrätlichen Kommission und in der
Plenarsitzung des Grossen Rates wurde das "Nachtfahrverbot" diskussionslos
angenommen.

    Der Regierungsrat räumt in seiner Vernehmlassung ein, dass das
Nachtfahrverbot mit den bisher angeführten fischereibiologischen
Argumenten "nur zum Teil" begründbar sei. Die getroffene Regelung wolle
die regelmässig auftretenden Konflikte zwischen Fischern und Kanuten
in dem Sinne lösen, dass die Morgen- und Abendstunden den Fischern, die
Tagesstunden dagegen eher den Kanuten gehören sollten. Dies entspreche
einem von der grossen Mehrheit der Kanuten und Fischer bisher freiwillig
praktizierten "Gentlemen's Agreement".

    b) Die Beschwerdeführer erheben wiederum zunächst den Einwand,
in diesem Nachtfahrverbot liege eine unzulässige generelle Beschränkung
der Schiffahrt. Das Verbot diene einzig den Interessen der Sportfischer,
welche sich durch die Schiffahrt gestört fühlten und eine Minderung ihres
Ertrages befürchteten. Dieses Problem sei jedoch nicht von den örtlichen
oder spezifisch bernischen Verhältnissen abhängig und falle daher in
den vom Bundesrecht abschliessend geregelten Bereich. Gemäss Art. 25
Abs. 2 BSG sei der Bundesrat zum Erlass von Vorschriften zum Schutz der
anderen Benützer der Gewässer zuständig. Er habe diesen Regelungsauftrag
im Rahmen der Binnenschiffahrtsverordnung erfüllt, unter anderem auch
durch Vorschriften über die Schiffahrt bei Nacht (Art. 18 ff. BSV). Für
ergänzende kantonale Vorschriften über das Verhältnis zwischen Fischerei
und Schiffahrt sowie über die nächtliche Schiffahrt lasse das Bundesrecht
keinen Raum. Für eine Bevorzugung der Sportfischerei bestehe keinerlei
öffentliches Interesse. Kanusportler müssten die Möglichkeit haben,
am Morgen vor einem Wettkampf oder generell am frühen Morgen vor Beginn
ihrer beruflichen Tätigkeit zu trainieren.

    c) Bei genauerer Betrachtung wirkt sich das in Art. 3 Abs. 3 SD
statuierte Fahrverbot im wesentlichen nicht als Nachtfahrverbot aus,
dürfte doch aus praktischen Gründen ein Befahren der fraglichen Gewässer
nach dem Eindunkeln ohnehin nicht möglich sein. Die eigentliche Wirkung
des Fahrverbotes besteht vielmehr darin, dass es das Kanufahren in den
Morgenstunden nach dem Hellwerden bzw. dem Sonnenaufgang bis um 8.00
Uhr untersagt; es handelt sich damit der Sache nach vorwiegend um ein
Morgenfahrverbot bis um 8.00 Uhr. Wie der Regierungsrat ausgeführt hat,
sollen dadurch den Fischern vor allem die Morgenstunden für die ungestörte
Ausübung ihres Sportes reserviert werden.

    aa) Wie bereits dargelegt (E. 4b und c), erlaubt das
Binnenschiffahrtsgesetz den Kantonen, neben besonderen örtlichen
Vorschriften gemäss Art. 25 Abs. 3 BSG auch weiterreichende Beschränkungen
der Schiffahrtsfreiheit zu erlassen, soweit diese gemäss Art. 3 Abs. 2 BSG
durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gedeckt sind. Das Fahrverbot
von 22.00 Uhr bis 8.00 Uhr erweist sich somit nicht bereits wegen seines
generellen Charakters als bundesrechtswidrig; ebensowenig lässt sich
sagen, dass durch das Verbot der Grundsatz der Schiffahrtsfreiheit
ausgehöhlt werde.

    bb) Es stellt sich indessen die Frage, ob bei der im Rahmen von Art. 3
Abs. 2 BSG vorzunehmenden Interessenabwägung das Interesse der Fischer
an der ungestörten Ausübung ihres Sports überhaupt Berücksichtigung
finden darf oder ob davon auszugehen ist, dass die Bundesgesetzgebung
das Verhältnis zwischen Fischerei und Schiffahrt abschliessend regelt und
Nutzungsaufteilungen zwischen Schiffahrt und Fischerei nur dort zulassen
will, wo die Schiffahrt besonders intensiv betrieben wird und damit als
gesteigerter Gemeingebrauch erscheint (so ANDREAS FLÜCKIGER, aaO, S. 86).

    Die Frage braucht indessen nicht beantwortet zu werden. Auch wenn
davon ausgegangen wird, dass der kantonale Gesetzgeber bei Massnahmen der
Gewässerhoheit gemäss Art. 3 Abs. 2 BSG dem Interesse an einer ungestörten
Ausübung der Fischerei Rechnung tragen darf, so ist die vorliegend zu
beurteilende Regelung jedenfalls nicht durch ein überwiegendes öffentliches
Interesse gedeckt und verstösst damit gegen Art. 2 ÜbBest. BV.

    cc) Neben den Interessen des Naturschutzes ist in die im Rahmen
von Art. 3 Abs. 2 BSG vorzunehmende Interessenabwägung im Hinblick auf
den Erholungs- und Ertüchtigungswert der verschiedenen Wassersportarten
auch das öffentliche Interesse an einer möglichst ungehinderten Ausübung
solcher Sportarten einzubeziehen.

    Das zu beurteilende Fahrverbot zwischen 22.00 und 8.00 Uhr trifft
die Kanuten bei der Ausübung ihres Sports zusätzlich zu den bereits
behandelten Beschränkungen (absolutes Fahrverbot für bestimmte Gewässer
gemäss Art. 2 SD, Winterfahrverbot gemäss Art. 3 Abs. 1 SD). Überdies ist
zu berücksichtigen, dass die Kanuten, obwohl die Beschränkung sich gemäss
den Angaben des Regierungsrats nur auf 20% der gesamten Gewässerfläche
des Kantons bezieht, durch diese zusätzliche Beschränkung besonders
betroffen sind, weil sie für die Ausübung ihres Sports vorwiegend auf
schnellfliessende, naturnahe Gewässer angewiesen sind. Das vom Grossen
Rat des Kantons Bern für sämtliche kleineren Gewässer - und damit für
alle sich für den Kanusport eignenden Wildflüsse - erlassene generelle
Fahrverbot für einen Teil der nutzbaren Tagesstunden schiesst über das
Ziel hinaus, indem es auch alle jene zahlreichen Gewässerabschnitte dem
Kanusport temporär entzieht, wo Störungen der Fischerei gar nicht zu
erwarten sind oder aber von den Beteiligten aufgrund der Umstände in Kauf
genommen werden müssen. Das in Art. 3 Abs. 3 SD statuierte globale Nacht-
bzw. Morgenfahrverbot ist durch kein überwiegendes öffentliches Interesse
gedeckt und schränkt die Ausübung des Kanusportes in unverhältnismässiger
Weise ein; es verstösst gegen die Schranken von Art. 3 Abs. 2 BSG und
verletzt damit Art. 2 ÜbBest. BV.