Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 119 IA 141



119 Ia 141

20. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
7. Mai 1993 i.S. Dr. Barbara Hegner-von Stockar gegen Grosser Rat des
Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Kantonalrechtliches Schiffahrtsverbot auf einem Privatsee;
Vereinbarkeit mit Art. 4 und 22ter BV; rechtliches Gehör gegenüber Erlass?

    1. a) Verhältnismässigkeit der Eigentumsbeschränkung (E. 2).

    b) Gesetzliche Grundlage der Eigentumsbeschränkung, insbesondere
Legiferierungskompetenz des bernischen Grossen Rates über private Gewässer
(E. 3).

    c) Rechtsgleichheit bei der Auswahl der mit dem Schiffahrtsverbot
belegten Gewässer (E. 4).

    2. Anspruch auf rechtliches Gehör beim Erlass eines Dekretes,
welches eine Reihe einzeln bezeichneter Gewässer einem Schiffahrtsverbot
unterwirft? (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Nach Art. 2 Abs. 2 lit. a des bernischen Gesetzes vom 19.
Februar 1990 über die Schiffahrt und die Besteuerung der Schiffe
(Schiffahrtsgesetz, SG) kann der Grosse Rat, soweit das öffentliche
Interesse oder der Schutz wichtiger Rechtsgüter es erfordern, durch Dekret
"im Rahmen des Bundesrechtes" unter anderem die Schiffahrt auf bestimmten
bernischen Gewässern einschränken.

    Gestützt auf diese Ermächtigung erliess der Grosse Rat des Kantons Bern
am 18. Dezember 1991 ein "Dekret über die Beschränkungen der Schiffahrt"
(Schiffahrtsdekret, SD). Dieses bestimmt in Art. 2 unter dem Randtitel
"Vollständige Fahrverbote":

    "Die im Anhang dieses Dekretes aufgezählten Gewässer sind aus
Gründen des

    Naturschutzes während des ganzen Jahres für die Ausübung der Schiffahrt
   gesperrt."

    Gemäss dem Anhang zum Dekret unterstehen diesem generellen Fahrverbot
rund dreissig namentlich bezeichnete kleinere Seen, worunter der
Amsoldingersee und der Uebeschisee, sowie ferner vier Wildflüsse.

    Nach Art. 6 SD kann die Schiffahrtsbehörde in begründeten Einzelfällen
Ausnahmen von den im Schiffahrtsdekret statuierten Fahrverboten bewilligen
(Art. 6 Abs. 1 SD); vorbehalten bleibt sodann die Schiffahrt zur Nutzung
des Fischbestandes durch die Fischereiberechtigten (Art. 6 Abs. 2 SD).

    Das Bundesgericht weist eine von Frau Dr. Barbara Hegner-von Stockar
erhobene staatsrechtliche Beschwerde, mit welcher diese die Streichung
des Amsoldingersees und des Uebeschisees aus dem Anhang zu Art. 2 des
Schiffahrtsdekretes und die Aufhebung von Art. 6 Abs. 2 des Dekretes
beantragte, ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Die Beschwerdeführerin betrachtet sich aufgrund bestehender
Grundbucheinträge als Eigentümerin des Amsoldinger- und des Uebeschisees
und erblickt in dem durch das angefochtene Dekret für diese beiden Seen
statuierten Schiffahrtsverbot eine Beschränkung ihrer Eigentumsbefugnisse,
welche nur nach Massgabe von Art. 22ter BV zulässig sei. Das Vorliegen
einer gesetzlichen Grundlage wird von der Beschwerdeführerin (vorbehältlich
der von ihr erst in der Beschwerdeergänzung aufgeworfenen und nachfolgend
unter E. 3 behandelten Frage, ob sich die Regelungskompetenz des Grossen
Rates überhaupt auf die beiden Seen erstreckt) nicht bestritten. Sie räumt
auch ein, dass das angeordnete Schiffahrtsverbot an sich Naturschutzzwecken
dienen und damit im öffentlichen Interesse liegen könne. Die getroffene
Regelung verletze jedoch das Gebot der Verhältnismässigkeit: Gemäss einem
(eine entsprechende frühere Verfügung der Forstwirtschaftsdirektion
von 1977 ersetzenden) Beschluss des Regierungsrates vom 8. Oktober
1980 (Naturschutzbeschluss, NatB), gehörten der Amsoldingersee und
der Uebeschisee zu einem Naturschutzgebiet, wobei nach den erlassenen
Schutzbestimmungen auf diesen beiden Seen sowohl das Baden wie auch - im
Einverständnis mit der Forstdirektion - die Verwendung einer bestimmten
Anzahl von Ruderbooten insbesondere für die Ausübung der Fischerei
und im Winter zudem das Schlittschuhlaufen gestattet seien. Damit aber
sei das angeordnete Schiffahrtsverbot nicht geeignet, den angestrebten
Naturschutzzweck zu erreichen, da die erlaubten anderen Nutzungen bereits
mit einem starken Publikumsandrang verbunden seien. Jedenfalls werde der
angestrebte Naturschutzzweck, soweit er überhaupt erfüllbar sei, schon
durch die bereits geltenden Beschränkungen erreicht. Die zusätzliche
Aufnahme der beiden Seen in den Anhang zu Art. 2 des Schiffahrtsdekretes
sei überflüssig und unverhältnismässig.

    b) Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Die beiden Seen
gehören, wie bereits erwähnt, zu einer Naturschutzzone, welche "die
Erhaltung der weitgehend natürlich gebliebenen Moränenseelandschaft mit
ihren Wasserflächen, den besonders schön ausgebildeten Verlandungsgürteln,
der Insel im Amsoldingersee, den Ufergehölzen und Feuchtwiesen"
sowie generell die "Erhaltung des Lebensraumes für eine vielfältige
Tier- und Pflanzenwelt, namentlich an Nassstandorten" bezweckt (so
Ziff. II.2.NatB). Der Umstand, dass gleichzeitig das Baden von einem
festgelegten Badeplatz aus sowie der Einsatz einzelner Ruderboote
insbesondere für die Fischerei gestattet bleiben und im Winter "im
Einvernehmen mit den Grundeigentümern" zudem das Schlittschuhlaufen
erlaubt ist (vgl. Ziff. IV.6.e und f sowie 7.a und b NatB) bedeutet keine
Preisgabe dieses Naturschutzzieles und stellt die Berechtigung des für
die beiden Seen nunmehr auf Dekretsstufe verankerten (grundsätzlichen)
Schiffahrtsverbotes nicht in Frage. Schon der geltende Naturschutzbeschluss
vom 8. Oktober 1980 untersagt, vorbehältlich der erwähnten Ausnahme, "das
Befahren der Wasserflächen mit Wasserfahrzeugen aller Art" (Ziff. IV.5.b
in Verbindung mit Ziff. III.3. NatB). Die angefochtene neue Vorschrift
bestätigt im wesentlichen nur die bereits geltende Regelung, welche gewisse
Formen des Gemeingebrauches bzw. der Gewässernutzung zwar zulässt, die
beiden Gewässer aber zur Vermeidung einer übermässigen Belastung vom
Schiffsverkehr grundsätzlich freihalten will. Gemäss ausdrücklichem
Zugeständnis des Regierungsrates bleibt die Verwendung von Booten
durch die zur Ausübung der Fischerei berechtigten Personen auch unter
der Herrschaft des Schiffahrtsdekretes im bisherigen Umfang gestattet.
Wieso das in Art. 2 dieses Dekretes statuierte Schiffahrtsverbot gegen
das Gebot der Verhältnismässigkeit verstossen soll, ist nicht einzusehen.

Erwägung 3

    3.- a) In der Vernehmlassung zur staatsrechtlichen Beschwerde
stellte sich der Regierungsrat zur Rechtfertigung des für den
Amsoldinger- und den Uebeschisee erlassenen Schiffahrtsverbotes auf
den Standpunkt, es handle sich bei diesen Seen, ungeachtet der geltend
gemachten Eigentumsverhältnisse, um öffentliche Gewässer im Sinne des
Schiffahrtsgesetzes. Nach Art. 4 SG gelten alle Seen, Flüsse, Bäche
und Kanäle, die sich zur Ausübung der Schiffahrt eignen, als öffentliche
Gewässer; ausgenommen sind jene Gewässer, an denen durch "besondere Titel"
Privateigentum nachgewiesen ist. Nach Auffassung des Regierungsrates
stellen die bestehenden Grundbucheinträge noch keinen "besonderen Titel"
im Sinne dieser Bestimmung dar. Die Beschwerdeführerin widerspricht dieser
Meinung und verweist in umfangreichen Ausführungen auf die historischen
Eigentumsverhältnisse an den beiden Seen sowie auf weitere Umstände, welche
den privaten Charakter dieser Gewässer wie auch dessen Anerkennung durch
den Staat belegen sollen. Der bernische Gesetzgeber könne nur über die
öffentlichen Gewässer des Kantons legiferieren; das im Schiffahrtsdekret
für die beiden Seen statuierte Schiffahrtsverbot entbehre insofern der
gesetzlichen Grundlage.

    b) aa) Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Frage, ob und wieweit
es sich bei den beiden streitigen Seen um öffentliche oder private
Gewässer handelt und welche Bedeutung einer solchen Unterscheidung
im vorliegenden Zusammenhang überhaupt zukommen kann, ist an dieser
Stelle nicht notwendig. Der Gebietshoheit des Kantons - und damit
auch dessen Gesetzgebungshoheit - unterliegen, entgegen der Meinung der
Beschwerdeführerin, sämtliche auf Kantonsgebiet gelegenen Gewässer, seien
sie öffentlich oder privat (FRITZ GYGI, Verwaltungsrecht, Bern 1986,
S. 242; vgl. auch ANDREAS FLÜCKIGER, Gemeingebrauch an oberirdischen
öffentlichen Gewässern, insbesondere die Schiffahrt auf Schweizer
Gewässern, Basler Diss., Bern 1987, S. 48). Im öffentlichen Interesse
angeordnete Nutzungsbeschränkungen können sich dementsprechend auf alle
Arten von Gewässern beziehen. Wenn der Kanton im Rahmen der Raumplanung,
z.B. aus Gründen des Naturschutzes, anerkanntermassen sowohl öffentliches
wie privates Areal bestimmten Nutzungsbeschränkungen unterwerfen darf,
muss dies in gleicher Weise für den Bereich der Gewässer gelten. Staatliche
Naturschutzmassnahmen können sich, sei es in Form von Allgemeinverfügungen,
Schutzzonen oder von rechtssatzmässigen Vorschriften, ebenfalls auf
private Gewässer erstrecken (betreffend Schutzzonen vgl. EIDG. JUSTIZ- UND
POLIZEIDEPARTEMENT, Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung,
Bern 1981, N 13 zu Art. 17 RPG, S. 228) und für die erfassten Wasserflächen
- im Rahmen von Art. 3 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom
3. Oktober 1975 über die Binnenschiffahrt (SR 747.201) - nötigenfalls
auch Verbote oder Beschränkungen der Schiffahrt enthalten (BGE 108 Ia 61
f. E. 4b, aa). Es bleibt grundsätzlich dem Organisationsrecht der Kantone
anheimgestellt, in welchem Verfahren bzw. in welcher Form und durch welche
Behörden solche Anordnungen erlassen werden.

    bb) Nach Art. 2 Abs. 1 SG ist die Schiffahrt "auf öffentlichen
Gewässern" frei, d.h. es gilt für die öffentlichen Gewässer der Grundsatz,
dass sie dem schiffahrtsmässigen Gemeingebrauch offenstehen. Art. 2 Abs. 2
SG sieht die Möglichkeit vor, aus Gründen des öffentlichen Interesses
die Schiffahrt durch Dekret auf "bestimmten bernischen Gewässern"
einzuschränken (lit. a) oder die Zahl der "auf einem Gewässer" zugelassenen
Schiffe zu begrenzen (lit. b). Vorbehalten bleiben ferner besondere lokale
Verkehrsbeschränkungen gemäss Art. 2 Abs. 3 des Schiffahrtsgesetzes. Die
dem Grossen Rat in Art. 2 Abs. 2 lit. a SG eingeräumte Regelungskompetenz
beschränkt sich nach ihrem Wortlaut nicht auf öffentliche Gewässer,
sondern sie gilt für die "bernischen Gewässer" allgemein. Es stellt
sich die Frage, ob dieser - von der Formulierung in Abs. 1 wohl bewusst
abweichende - Begriff nicht alle im Kanton gelegenen Gewässer umfasst,
für welche sich die Frage einer Einschränkung der Schiffahrt stellen kann,
und ob sich die Regelungskompetenz gemäss Art. 2 Abs. 2 lit. a SG damit
nicht auch auf allfällige schiffbare private Gewässer erstreckt. Das
Schiffahrtsgesetz regelt die Benützung der "Gewässer" durch Schiffe
ganz allgemein (vgl. Art. 1 SG) und verwendet den - in Art. 4 Abs. 1
SG definierten - Begriff der "öffentlichen Gewässer" jeweils nur dort,
wo es um die Gewährleistung des Gemeingebrauches (Art. 2 Abs. 1 SG)
oder um die Erfassung von Formen des gesteigerten Gemeingebrauches oder
der Sondernutzung an öffentlichen, d.h. für den schiffahrtsmässigen
Gemeingebrauch grundsätzlich freigegebenen Gewässern geht (Art. 6 und
8 SG). Die in Art. 2 Abs. 2 lit. a des Schiffahrtsgesetzes vorgesehenen
Anordnungen sind nicht darauf ausgerichtet, Gewässer für einen derartigen
Gemeingebrauch freizugeben oder Nutzungsformen zuzulassen, welche eine
entsprechende Zweckbestimmung des Gewässers voraussetzen, sondern es
handelt sich vielmehr um Beschränkungen der Befugnis, die Wasserfläche
zu befahren. Solche Schiffahrtsverbote können, z.B. aus Gründen des
Naturschutzes, auch dort sinnvoll Platz greifen und sachlich berechtigt
sein, wo der Einsatz von Wasserfahrzeugen nicht aufgrund eines zugelassenen
Gemeingebrauches, sondern allein aufgrund einer privatrechtlich verankerten
Sachherrschaft über das Gewässer möglich ist.

    cc) Es erscheint insofern nicht zum vornherein ausgeschlossen, dass
der Grosse Rat die ihm durch Art. 2 Abs. 2 lit. a des Schiffahrtsgesetzes
eingeräumte Regelungskompetenz nicht nur gegenüber öffentlichen Gewässern,
sondern auch gegenüber schiffbaren privaten Gewässern in Anspruch nehmen
kann. Wohl rechnet der Regierungsrat selber die beiden streitigen Seen
zu den öffentlichen Gewässern, und er scheint dabei davon auszugehen,
der Grosse Rat könne Einschränkungen der Schiffahrt ausschliesslich
für diese Kategorie von Gewässern beschliessen. Dass sich von der
kantonalen Gesetzgebungshoheit her indessen keine solche Beschränkung der
Regelungskompetenz ergibt, wurde bereits dargelegt, und eine derartige
enge, an sich systemwidrige Auslegung der Rechtsetzungsermächtigung in
Art. 2 Abs. 2 des Schiffahrtsgesetzes drängt sich, wie ausgeführt, auch
nach dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften nicht zwingend auf.

    dd) Da das in Art. 2 des Schiffahrtsdekretes für die beiden Seen
statuierte vollständige Schiffahrtsverbot, zumindest bei Berücksichtigung
der aufgrund der Zuweisung in eine Naturschutzzone bereits bestehenden
Nutzungsbeschränkungen sowie der bezüglich des Fahrverbotes zugestandenen
Ausnahmen (vgl. E. 2), für die Beschwerdeführerin keinen (besonders)
schweren Eingriff in ihre allfälligen Eigentumsbefugnisse bedeutet,
prüft das Bundesgericht die gesetzliche Grundlage, d.h. die dem
angefochtenen Eingriff zugrunde liegende Auslegung des kantonalen
Rechts, auch bei Anrufung der Eigentumsgarantie (Art. 22ter BV) nur
unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür (BGE 116 Ia 45 E. 4c,
185 E. 3c, je mit Hinweisen). Allein damit, dass der vom Regierungsrat
angenommene öffentliche Charakter der beiden Seen allenfalls widerlegt
und im Sinne von Art. 4 des Schiffahrtsgesetzes das Privateigentum
an diesen Gewässern nachgewiesen wird, wäre nach dem Gesagten noch
nicht schlüssig dargetan, dass der Grosse Rat die von ihm in Anspruch
genommene schiffahrtsrechtliche Regelungskompetenz über diese beiden
Gewässer nicht besitzt. Die Beschwerdeführerin müsste darüber hinaus,
sei es anhand der Gesetzesmaterialien oder sonstiger Auslegungselemente,
zusätzlich dartun, dass und wieso diese Regelungskompetenz trotz des
weiter gefassten Wortlautes von Art. 2 Abs. 2 SG ("bernische Gewässer")
sowie der für eine weitergehende Normierungsbefugnis anführbaren
systematischen und sachlichen Argumente (vgl. oben E. 3b, bb und cc)
klarerweise nur für "öffentliche Gewässer" gelten kann und eine Ausdehnung
dieser Regelungskompetenz auf schiffbare private Gewässer mit Sinn und
Zweck des Schiffahrtsgesetzes offensichtlich unvereinbar und willkürlich
wäre. Einen solchen Nachweis erbringt die Beschwerdeführerin nicht; sie
beschränkt sich - in Beantwortung der Argumentation des Regierungsrates
- auf die Geltendmachung des Privateigentums an ihren Seen und setzt
sich mit der entscheidenden Frage, wie die Rechtsetzungsermächtigung
in Art. 2 Abs. 2 lit. a SG überhaupt auszulegen ist, nicht bzw. nicht
rechtsgenüglich auseinander. Ihre Beschwerde vermag auch in diesem Punkt
nicht durchzudringen.

Erwägung 4

    4.- a) Die Beschwerdeführerin rügt des weitern eine Verletzung
des in Art. 4 BV enthaltenen Gleichbehandlungsgebotes. Die frühere
regierungsrätliche Verordnung vom 21. Juni 1989 (Verordnung vom 21. Juni
1989 betreffend die Ausübung der Schiffahrt auf den Gewässern des Kantons
Bern), welche durch das angefochtene Schiffahrtsdekret abgelöst worden
sei (vgl. Art. 10 Ziff. 1 SD), habe in Art. 10 bereits eine Liste der
aus Gründen des Naturschutzes für die Schiffahrt gesperrten Gewässer
enthalten. Durch das neue Dekret seien einerseits eine grosse Anzahl
von Gewässern vom Schiffahrtsverbot befreit, anderseits eine kleine
Anzahl von Gewässern neu diesem Verbot unterstellt worden. Es sei nicht
nachvollziehbar, von welchen Überlegungen sich der Dekretsgeber dabei habe
leiten lassen. Die Zugehörigkeit des Gewässers zu einem Naturschutzgebiet
bilde offenbar kein Kriterium; zwar hätten die durch die alte Verordnung
erfassten Gewässer alle in Naturschutzgebieten gelegen, doch treffe dies
nicht mehr für alle im Dekret angeführten Gewässer zu. Auch die Grösse
der Gewässer bilde kein massgebliches Kriterium, denn einige der aus dem
Verbot entlassenen Gewässer seien grösser als der Amsoldinger- und der
Uebeschisee, während umgekehrt gewisse neu einbezogene Gewässer kleiner
seien als die genannten beiden Seen. Es sei zu vermuten, dass sich der
Grosse Rat allein auf die geographischen Bezeichnungen gestützt und nur
noch alle jene Gewässer dem Verbot unterstellt habe, in deren Namen die
Silbe "-see" enthalten sei. Ein solches Vorgehen sei willkürlich.

    b) Der Regierungsrat führt zur Begründung der mit dem neuen Dekret
getroffenen Auswahl aus, von den nach der bisherigen Verordnung vom
21. Juni 1989 gesperrten Gewässern seien jene in die Liste gemäss
Anhang zum Dekret aufgenommen worden, bei denen die erforderliche
Schiffahrtsbeschränkung die ganze Fläche erfasse oder die wegen ungewisser
Eignung aus Sicherheitsgründen gesperrt werden müssten. Gewässer, die sich
von den tatsächlichen Gegebenheiten (Grösse, Wasserstand usw.) nicht zur
Schiffahrt eigneten und auf denen auch nie ein Schiff gesehen worden sei,
bedürften keiner Regelung und seien deswegen nicht in die betreffende
Liste aufgenommen worden.

    c) Nach welchen Kriterien die im Anhang zum Schiffahrtsdekret
aufgeführten, aus Naturschutzgründen für die Schiffahrt gesperrten Gewässer
ausgewählt wurden, bedarf hier keiner allgemeinen Abklärung. Allein darin,
dass dem Dekretsgeber bei der Bestimmung dieser Gewässer ein gewisser
Ermessensspielraum offenstand und die angewendeten Abgrenzungskriterien
allenfalls nicht ohne weiteres erkennbar sind, liegt noch kein Verstoss
gegen das Willkürverbot. Auch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes
ist nicht dargetan. Die Beschwerdeführerin könnte sich auf diesen Grundsatz
hier nur dann erfolgreich berufen, wenn sie nachzuweisen vermöchte, dass
bestimmte andere Seen, bei denen sich aufgrund der gegebenen Verhältnisse
(Art und Bedeutung der berührten Naturschutzinteressen, Schiffbarkeit,
Grösse u.a.) ein Schiffahrtsverbot ebenfalls oder in noch stärkerem
Masse aufgedrängt hätte, von diesem Verbot ausgenommen worden sind. Die
Beschwerdeführerin beanstandet indessen lediglich in allgemeiner Weise die
mangelnde Erkennbarkeit oder Transparenz der verwendeten Auswahlkriterien,
ohne sich auf konkrete Vergleichsfälle zu berufen, welche den Vorwurf der
behaupteten Ungleichbehandlung zu belegen vermöchten. Auf die Rüge ist
insoweit mangels rechtsgenüglicher Begründung (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG)
nicht einzutreten.

Erwägung 5

    5.- a) Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich eine Verletzung
des rechtlichen Gehörs. Das angefochtene Dekret habe, soweit es den
Amsoldinger- und den Uebeschisee einem Schiffahrtsverbot unterstelle, den
Charakter einer Einzelverfügung oder einer Allgemeinverfügung, weshalb
die Beschwerdeführerin als Eigentümerin dieser Gewässer vor Erlass
dieses Verbotes hätte angehört werden müssen; dies ergebe sich sowohl
aus Art. 21-24 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes wie auch unmittelbar
aus Art. 4 BV. Die Beschwerdeführerin habe keine Gelegenheit erhalten,
sich zur wirklichen Notwendigkeit eines solchen Verbotes zu äussern und
ihr Privateigentum an den von den Behörden als öffentlich betrachteten
Gewässern nachzuweisen.

    b) Der Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör bestimmt sich
zunächst nach den kantonalen Verfahrensvorschriften, deren Auslegung und
Handhabung das Bundesgericht nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür
prüft. Subsidiär greifen die unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden
bundesrechtlichen Minimalgarantien Platz; ob diese verletzt sind,
entscheidet das Bundesgericht mit freier Kognition (BGE 118 Ia 18 E. 1b
mit Hinweis). Die von der Beschwerdeführerin angerufenen Vorschriften
des Verwaltungsrechtspflegegesetzes über das rechtliche Gehör beim
Erlass von Verfügungen und Entscheiden (Art. 21-24 VRPG) gelten, wie
aus Art. 1 VRPG hervorgeht, allein für das Verfahren vor Verwaltungs-
und Verwaltungsjustizbehörden. Es lässt sich ohne Willkür die Auffassung
vertreten, beim Erlass des hier angefochtenen Dekretes habe es sich nicht
um ein solches, unter das Verwaltungsrechtspflegegesetz fallendes Verfahren
gehandelt. Es kann sich einzig darum handeln, ob das beanstandete Vorgehen
gegen den unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden Gehörsanspruch verstösst.

    c) aa) Das angefochtene Schiffahrtsdekret weist die Form
eines Erlasses, d.h. einer rechtssatzmässigen Regelung auf. Im
Verfahren der Gesetzgebung bzw. der Rechtsetzung überhaupt besteht
kein Gehörsanspruch (BGE 113 Ia 99 E. 2a; 106 Ia 79 E. 2b; 104 Ia 67
E. 2b, je mit Hinweisen). Dies wird unter anderem damit begründet,
dass generell-abstrakte Regelungen den einzelnen in der Regel nicht
derart unmittelbar berühren, dass sich individuelle Anhörungen
rechtfertigen würden. Hingewiesen wird auch auf die Grösse und
Offenheit des Adressatenkreises; bei Erlassen, welche potentiell die
gesamte Bürgerschaft betreffen, ersetzt das demokratische Prinzip,
d.h. die Möglichkeit der direkten oder indirekten Mitwirkung im
Rechtssetzungsverfahren, den individuellen Gehörsanspruch; dazu kommt die
Möglichkeit von Vernehmlassungsverfahren bei der Vorbereitung der Erlasse
(GEORG MÜLLER, in: Kommentar BV, N 10 zu Art. 4 BV; JÖRG PAUL MÜLLER,
Die Grundrechte der schweizerischen Bundesverfassung, 2. Aufl., Bern
1991, S. 271; YVO HANGARTNER, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts,
Bd. II: Grundrechte, Zürich 1982, S. 213 f.; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische
Verwaltungsrechtsprechung, Bd. I, 5. Aufl., Basel 1976, Nr. 81/B/I/a,
S. 500 f.).

    bb) Bei Nutzungsplänen, welche Merkmale sowohl des Rechtssatzes
wie der Einzelverfügung aufweisen, besteht dagegen ein Gehörsanspruch
der Grundeigentümer. Sie sind beim Erlass oder bei der Änderung
solcher Pläne in geeigneter Form individuell anzuhören, bevor über
die Zoneneinteilung ihrer Grundstücke definitiv entschieden wird (BGE
111 Ia 168 E. 2c; 107 Ia 273 ff. mit Hinweisen; RHINOW/KRÄHENMANN,
Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Basel 1990,
Nr. 11/B/II/a, S. 26 f.). Diese Äusserungsmöglichkeit muss allerdings nicht
notwendigerweise schon vor der Beschlussfassung über den Plan bestehen;
es genügt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, dass Einwendungen
im Rahmen eines Einsprache- oder Beschwerdeverfahrens vorgebracht
werden können (so BGE 114 Ia 238 ff. E. 2c, cc-cf; FRANÇOIS RUCKSTUHL,
Der Rechtsschutz im zürcherischen Planungs- und Baurecht, ZBl 86/1985,
S. 287, mit weiteren Hinweisen).

    cc) Gegenüber Allgemeinverfügungen, welche zwar einen konkreten
Gegenstand regeln, sich aber an einen mehr oder weniger grossen,
offenen oder geschlossenen Adressatenkreis richten, besteht in der Regel
kein Anspruch auf individuelle Anhörung; solche Anordnungen werden
diesbezüglich den Rechtssätzen gleichgestellt (IMBODEN/RHINOW, aaO,
S. 501; RHINOW/KRÄHENMANN, aaO, Nr. 81/B/I/a, S. 263). Eine Ausnahme
kann dann gelten, wenn einzelne Personen - als sog. Spezialadressaten -
durch die ergangene Anordnung wesentlich schwerwiegender betroffen werden
als die übrige Vielzahl der Normaladressaten; ihnen muss eine Gelegenheit
zur Äusserung gewährt werden (TOBIAS JAAG, Die Allgemeinverfügung im
schweizerischen Recht, ZBl 85/1984, S. 448 f.; RHINOW/KRÄHENMANN, aaO,
S. 263).

    dd) Der blosse Umstand, dass ein unmittelbar in die Rechtsstellung
eines einzelnen eingreifender Hoheitsakt nicht, wie in der Regel
der Fall, von einer Verwaltungs- oder Justizbehörde, sondern vom
Parlament ausgeht, welches nicht in den Formen des Verwaltungsverfahrens
bzw. eines prozessualen Verfahrens handelt, vermag den aus Art. 4 BV
folgenden Gehörsanspruch nicht zum vornherein aufzuheben (PIERRE MOOR,
Droit administratif, II, Bern 1991, S. 187; vgl. auch BGE 100 Ia 391
f. E. 3). Allerdings dürfen an parlamentarische Verfahren unter dem
Gesichtswinkel des bundesrechtlichen Gehörsanspruches keine allzu hohen
Anforderungen gestellt werden (BGE 98 Ia 77 E. 2).

    d) aa) Das vom Grossen Rat des Kantons Bern am 18. Dezember 1991
erlassene Dekret über die Beschränkungen der Schiffahrt enthält eine
Reihe von Verhaltens- und Organisationsnormen, die sich auf alle
schiffbaren bzw. auf ganze Kategorien von Gewässern beziehen und
damit generell-abstrakter Natur sind (Art. 3 SD: Winterfahrverbot und
Fahrverbot zwischen 22.00 und 8.00 Uhr; Art. 5 SD: Höchstgeschwindigkeit
auf Fliessgewässern; Art. 6 SD: Ausnahmebewilligungen, Sonderstellung der
Fischereirechtsinhaber; Art. 7 Abs. 2 und 3 SD: Kompetenz zur Ausdehnung
gewisser Bewilligungspflichten; Art. 8 SD: Schiffskennzeichen; Art. 9 SD:
Übergangsrecht). Andere Normen des Schiffahrtsdekretes dagegen beziehen
sich, was mit der Natur der zu regelnden Materie zusammenhängt, nur auf
bestimmte, namentlich genannte Gewässer. Das gilt insbesondere für das
in Art. 2 SD statuierte vollständige Fahrverbot, dem die im Anhang in
Form einer Liste aufgezählten Gewässer unterstehen, ferner für Art. 3 SD
(Abgrenzung des Geltungsbereiches der zeitlichen Fahrverbote), für Art. 4
SD (Geltungsbereich eines Teilfahrverbotes) und für Art. 7 Abs. 1 SD
(Bewilligungspflicht für bestimmte Flüsse).

    bb) Diese letzteren Normen könnten wegen der Konkretheit des
erfassten Regelungsobjektes inhaltlich als Allgemeinverfügungen eingestuft
werden. Nach dem Gesagten besteht auch gegenüber Allgemeinverfügungen
in der Regel kein individueller Gehörsanspruch. Es stellt sich indessen
die Frage, ob die Beschwerdeführerin als grundbuchlich eingetragene
Eigentümerin von zwei der unter das Verbot gemäss Art. 2 SD fallenden
Gewässer hätte angehört werden müssen.

    Ein Anspruch auf eine Äusserungsmöglichkeit hätte aufgrund von Art. 4
BV jedenfalls dann bestanden, wenn das grossrätliche Dekret nur gerade
die beiden oder einen der beiden Seen der Beschwerdeführerin neu einem
Schiffahrtsverbot unterworfen oder wenn der Erlass des Grossen Rates für
diese Gewässer eine differenzierte, auf die konkreten dortigen Verhältnisse
zugeschnittene Regelung getroffen hätte (wie dies etwa für die Bestimmungen
des vom Regierungsrat am 8. Oktober 1980 erlassenen Naturschutzbeschlusses
zutrifft). Weder das eine noch das andere ist hier der Fall. Die beiden
Gewässer der Beschwerdeführerin gehören zu einer Gruppe von rund 30
Kleinseen, welche durch das angefochtene Schiffahrtsdekret der gleichen
einheitlichen Regelung, nämlich einem vollständigen Schiffahrtsverbot,
unterstellt werden. Damit liegen die Verhältnisse wesentlich anders als
etwa beim Erlass eines Bauzonenplanes, wo Zonengrenzen in Abwägung der
Bedürfnisse irgendwo gezogen werden müssen und Grundstücke ähnlicher
Lage und Art rechtlich völlig verschieden behandelt werden können,
was den Planungsorganen eine entsprechend grosse Gestaltungsfreiheit
verleiht und damit eine Äusserungsmöglichkeit der betroffenen
Grundeigentümer voraussetzt. Die Auswahl der im Anhang zu Art. 2 SD
bezeichneten Gewässer geschah nicht in Betätigung einer derartigen
planerischen Gestaltungsfreiheit, sondern es ging im Gegenteil darum,
eine grössere Gruppe gleichartiger Gewässer aufgrund eines gemeinsamen
Naturschutzkonzeptes einer einheitlichen schiffahrtsrechtlichen Ordnung
zu unterwerfen.

    Eine vorherige Anhörung der Beschwerdeführerin hätte sich
verfassungsrechtlich allenfalls dann aufgedrängt, wenn die
Regelungskompetenz des Grossen Rates für den Amsoldingersee und den
Uebeschisee im Falle eines Nachweises des Privateigentums gar nicht
bestanden hätte. Dies ist jedoch, wie bereits ausgeführt (E. 3), nicht
schlüssig dargetan. Da für die beiden Seen aufgrund der bestehenden
Naturschutzzone schon bisher ein grundsätzliches Schiffahrtsverbot galt,
bedeutete die im Dekret getroffene Ordnung für die Beschwerdeführerin
auch keinen derartigen schweren Eingriff, dass sie im Sinne der
für Allgemeinverfügungen geltenden Regeln (vgl. oben c/cc) als
Spezialadressatin zwingend hätte angehört werden müssen; die Aufnahme
der beiden Seen in die Liste der gesperrten Gewässer stand aufgrund der
bestehenden Naturschutzregelung wohl zum vornherein fest. Wenn sich der
Grosse Rat bei dieser Sachlage an die für den Erlass von Rechtssätzen
geltenden Regeln hielt und von einer Anhörung der Beschwerdeführerin absah,
verstiess er nicht gegen Art. 4 BV.

    cc) Das dargelegte Ergebnis vermag im übrigen auch deshalb zu
befriedigen, weil aus der Einstufung des angefochtenen Art. 2 SD und
des dazu gehörigen Anhanges zum Schiffahrtsdekret in die Kategorie
des Rechtssatzes verfahrensmässig folgt, dass die Beschwerdeführerin
ungeachtet der abstrakten Normenkontrolle bei der Anwendung von Art. 2 SD
im Einzelfall vorfrageweise erneut dessen Verfassungswidrigkeit geltend
machen kann (BGE 117 Ia 99 f. E. 1; 114 Ia 52 E. 2a, je mit Hinweisen);
das bundesgerichtliche Urteil im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle
erwächst insoweit nicht in materielle Rechtskraft (WALTER KÄLIN, aaO,
S. 336). Diese Möglichkeit der erneuten Überprüfung des Fahrverbotes
als eigentumsbeschränkender Massnahme in einem Gerichtsverfahren und die
mit ihr verbundene Gelegenheit, nochmals in der Sache Stellung nehmen zu
können, kann gewissermassen als das Korrelat des Fehlens des Anspruchs
auf rechtliches Gehör im Gesetzgebungsverfahren bezeichnet werden.