Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 V 190



118 V 190

24. Auszug aus dem Urteil vom 27. Juli 1992 i.S. K. gegen Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt und Verwaltungsgericht des Kantons Bern Regeste

    Art. 4 BV: Treu und Glauben. Die nach Ablauf der ordentlichen
Rechtsmittelfrist erfolgte zweite Zustellung eines mit
Rechtsmittelbelehrung versehenen Entscheids vermag auch unter dem
Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes keine neue Rechtsmittelfrist in Gang
zu setzen.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Wie das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt festgestellt hat,
ist in Fällen, in welchen eine eingeschriebene Postsendung nicht innert
der Abholfrist von sieben Tagen abgeholt und die Sendung als am letzten
Tag dieser Frist zugestellt gilt, ein allfälliger zweiter Versand und
die spätere Entgegennahme der Sendung durch den Betroffenen für die
Frage, ob die Beschwerdefrist eingehalten worden ist, grundsätzlich
nicht erheblich (BGE 111 V 101 Erw. 2b, ZAK 1978 S. 97). In BGE 115 Ia
20 Erw. 5c hat das Bundesgericht einschränkend ausgeführt, dass sich
die Rechtsmittelfrist gestützt auf den verfassungsmässigen Anspruch auf
Vertrauensschutz dann verlängern kann, wenn noch vor ihrem Ende eine
entsprechende vertrauensbegründende Auskunft erteilt wird. Eine solche
Auskunft kann darin bestehen, dass der mit Rechtsmittelbelehrung versehene
Entscheid dem Betroffenen noch vor Ablauf der Frist erneut zugestellt
wird. Offengelassen hat das Bundesgericht, ob der Vertrauensschutz auch
dann Platz greifen kann, wenn die Auskunft (d.h. die zweite Zustellung)
erst nach Ablauf der ordentlichen Rechtsmittelfrist erteilt wird. Dies
ist mit BGE 117 II 511 Erw. 2 indessen zu verneinen, weil es an der
nach der Rechtsprechung für die Berufung auf den Vertrauensschutz
vorausgesetzten nachteiligen Disposition fehlt (vgl. BGE 116 Ib 187
Erw. 3c, 116 V 298, je mit Hinweisen). Mit Ablauf der ordentlichen
Rechtsmittelfrist tritt der Entscheid in Rechtskraft und ist nicht mehr
anfechtbar, so dass dem Betroffenen durch eine spätere unrichtige Auskunft
(Rechtsmittelbelehrung) grundsätzlich kein Nachteil erwachsen kann. Ein
allfälliger vermögensrechtlicher Schaden, welcher sich daraus ergeben kann,
dass der Betroffene zufolge Irrtums über die Anfechtungsmöglichkeit ein
Rechtsmittel einlegt bzw. einlegen lässt, vermag einen neuen Fristenlauf
nicht zu begründen. Inwiefern dem Vertrauensschutz in solchen Fällen auf
andere Weise, beispielsweise mit einer Entschädigung Rechnung zu tragen
ist (vgl. dazu WEBER-DÜRLER, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht,
S. 136 ff., insbesondere S. 140), bedarf keiner näheren Prüfung, weil
hier kein solcher Schaden eingetreten ist.