Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 V 16



118 V 16

3. Urteil vom 22. Januar 1992 i.S. Stiftung B. gegen Bundesamt für
Sozialversicherung Regeste

    Art. 73 Abs. 2 lit. c IVG, Art. 100 Abs. 1 lit. b und Art.  106 Abs. 2
IVV.

    - Art. 73 Abs. 2 lit. c IVG in Verbindung mit Art. 106 Abs. 2 IVV
räumt Invalidenwohnheimen einen bundesrechtlichen Anspruch auf Beiträge
ein (Erw. 3).

    - Ein Wohnheim für AIDS-Kranke in fortgeschrittenem Krankheitszustand
zur vorübergehenden Betreuung oder Begleitung bis zum Tod ist ein
Invalidenwohnheim im Sinne von Art. 73 Abs. 2 lit. c IVG in Verbindung
mit Art. 100 Abs. 1 lit. b IVV (Erw. 6).

Sachverhalt

    A.- Die Stiftung B. führt seit 5. Januar 1989 ein Wohnheim für
AIDS-Kranke in fortgeschrittenem Krankheitszustand zur vorübergehenden
Betreuung oder Begleitung bis zum Tod (Wohnheim B.).

    Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) sprach der Stiftung mit
Verfügung vom 23. November 1989 einen Baubeitrag von Fr. 818'051.-- an
den Erwerb und die Bereitstellung der Liegenschaft zu. Nach Einreichung
der ersten Jahresrechnung und des Gesuchs vom 7. Juni 1990 um Gewährung
von Betriebsbeiträgen erklärte sich das Bundesamt mit Verfügung vom
30. Januar 1991 bereit, "mit Blick auf die Entwicklung (des) Projektes
und der mündlichen Versprechen ... unter dem ausdrücklichen Titel Treu
und Glauben" für die Jahre 1989 bis und mit 1991 Beiträge zuzusprechen;
auf Ende 1991 werde die Subventionsberechtigung jedoch aufgehoben, weil
das Wohnheim B. weder der sozialen noch der beruflichen Eingliederung
Invalider diene, sondern den Bewohnern ein der Krankheit angepasstes Milieu
mit Sterbebegleitung biete, was eine rein humanitäre Massnahme darstelle.

    B.- Die Stiftung B. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
Antrag, es sei die bundesamtliche Verfügung insoweit aufzuheben, als die
Subventionsberechtigung bis auf Ende Dezember 1991 begrenzt worden sei, und
es sei festzustellen, dass die Institution betriebsbeitragsberechtigt sei.

    Das BSV schliesst vernehmlassungsweise auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

      Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidg.  Versicherungsgericht
letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen
Verfügungen im Sinne von Art. 97 und 98 lit. b-h OG auf dem
Gebiet der Sozialversicherung. Hinsichtlich des Begriffs der mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbaren Verfügungen verweist Art. 97 OG
auf Art. 5 VwVG. Nach Art. 5 Abs. 1 VwVG gelten als Verfügungen Anordnungen
der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes
stützen (oder richtigerweise hätten stützen sollen; BGE 116 Ia 266 Erw. 2a)
und zum Gegenstand haben: Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten
oder Pflichten, Feststellung des Bestehens, Nichtbestehens oder Umfanges
von Rechten oder Pflichten, Abweisung von Begehren auf Begründung,
Änderung, Aufhebung oder Feststellung von Rechten oder Pflichten oder
Nichteintreten auf solche Begehren (BGE 116 V 319 Erw. 1a).

    Unzulässig ist eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Art. 129
Abs. 1 lit. c OG jedoch gegen Verfügungen über die Bewilligung
oder Verweigerung vermögensrechtlicher Zuwendungen, auf die das
Bundesrecht keinen Anspruch einräumt, ausser Stundung oder Erlass von
Versicherungsbeiträgen. Diese Eintretensvoraussetzung ist von Amtes
wegen zu prüfen, auch wenn sich die Parteien nicht dazu geäussert haben
(BGE 116 V 50 Erw. 7b in fine und 319 Erw. 1b in fine, 111 V 281 Erw. 2a).

Erwägung 2

    2.- a) Laut Art. 73 Abs. 1 IVG gewährt die Versicherung Beiträge
an die Errichtung, den Ausbau und die Erneuerung von öffentlichen und
gemeinnützigen privaten Anstalten und Werkstätten, die in wesentlichem
Umfang Eingliederungsmassnahmen durchführen (Satz 1). Ausgeschlossen
sind Anstalten und Werkstätten, die der stationären Durchführung von
medizinischen Massnahmen dienen (Satz 2).

    Nach Art. 73 Abs. 2 IVG kann die Versicherung Beiträge gewähren

    - an den Betrieb von Einrichtungen gemäss Absatz 1 (lit. a);

    - an die Errichtung, den Ausbau und die Erneuerung von öffentlichen und
gemeinnützigen privaten Werkstätten für Dauerbeschäftigung von Invaliden
und an die durch die Beschäftigung von Invaliden entstehenden zusätzlichen
Betriebskosten. Als Dauerbeschäftigung gilt auch eine Tätigkeit, die
keinen wirtschaftlichen Nutzen bringt (lit. b);

    - an die Errichtung, den Ausbau und die Erneuerung von Wohnheimen
zur dauernden oder vorübergehenden Unterbringung von Invaliden und an
die dadurch entstehenden zusätzlichen Betriebskosten (lit. c).

    Der Bundesrat hat die Höhe der Beiträge festzusetzen und kann deren
Gewährung von weiteren Voraussetzungen abhängig machen oder mit Auflagen
verbinden (Art. 75 Abs. 1 IVG). Solche Vorschriften erliess er in den
Art. 99 bis 107 IVV.

    b) Im vorliegenden Fall kommt als Rechtsgrundlage für die vom BSV
auf Ende 1991 begrenzten Betriebskostenbeiträge einzig Art. 73 Abs. 2
lit. c IVG in Frage. Gemäss Art. 106 Abs. 2 IVV werden Betriebsbeiträge
an öffentliche oder gemeinnützige private Wohnheime, die hinsichtlich
Verkehrslage und Ausstattung den Bedürfnissen der Invaliden entsprechen,
und deren Eingliederung, Berufsausübung oder Beschäftigung sowie eine
sinnvolle Freizeitgestaltung ermöglichen oder erleichtern (Art. 100 Abs. 1
lit. b IVV), gewährt, soweit ihnen aus der Unterbringung von Invaliden
zusätzliche Betriebskosten entstehen und diese nicht durch individuelle
Leistungen der Versicherung sowie durch zweckgebundene Leistungen der
öffentlichen Hand gedeckt werden können.

    Es ist daher zu prüfen, ob diese Bestimmungen einen bundesrechtlichen
Anspruch auf Beiträge der Invalidenversicherung einräumen.

Erwägung 3

    3.- a) Nach der Rechtsprechung ist ein bundesrechtlicher Anspruch auf
einen Beitrag zu bejahen, wenn das Bundesrecht selber die Bedingungen
umschreibt, unter welchen Leistungen zu gewähren sind, ohne dass es
im Ermessen der gesetzesanwendenden Behörde läge, ob sie einen Beitrag
gewähren will oder nicht. Die eidgenössischen Gerichte haben deshalb einen
bundesrechtlichen Anspruch auf Leistungen wiederholt auch dann bejaht,
wenn die betreffende Rechtsnorm als Kann-Vorschrift formuliert ist (BGE
116 V 319 Erw. 1c mit Hinweisen).

    b) Das Eidg. Versicherungsgericht hat in BGE 116 V 318, bestätigt
im unveröffentlichten Urteil Krankenpflege R. vom 27. Dezember 1990,
entschieden, dass Art. 101bis AHVG keinen Anspruch auf Beiträge zur
Förderung der Altershilfe einräume. Zu diesem Ergebnis gelangte es im
wesentlichen unter Berücksichtigung der Materialien, namentlich der
Entstehungsgeschichte des Art. 101bis Abs. 4 AHVG, welche zeigte,
dass die gesetzgebenden Organe keine Anspruchsberechtigung einführen
wollten (BGE 116 V 320 Erw. 2b). Dagegen ist das Gericht in BGE 117
V 140 Erw. 5a und in ZAK 1989 S. 35 ff. von einem bundesrechtlichen
Anspruch auf Baubeiträge nach Art. 155 AHVG ausgegangen. Ferner hat
das Eidg. Versicherungsgericht die Rechtsnatur des Anspruchs bejaht
bei Betriebsbeiträgen an Eingliederungsstätten nach Art. 73 Abs. 2
lit. a IVG (BGE 106 V 96 Erw. 1a; bestätigt durch die in ZAK 1983
S. 454 nicht publizierte Erw. 1a des Urteils Verein L. vom 16. Juni
1983). Für eine hievon abweichende Betrachtungsweise besteht im Rahmen des
vorliegendenfalls anwendbaren Art. 73 Abs. 2 lit. c IVG kein Anlass. So
wie Art. 105 Abs. 2 IVV in Verbindung mit Art. 73 Abs. 2 lit. a IVG den
Rechtsanspruchscharakter sichert (BGE 106 V 96 Erw. 1a), trifft dies in
gleicher Weise auf Art. 106 Abs. 2 IVV in Verbindung mit Art. 73 Abs. 2
lit. c IVG zu. Diesen Standpunkt nimmt im übrigen auch das BSV ein, hielt
es doch bei der Novellierung des Art. 73 IVG und der Art. 99 ff. IVV im
Rahmen der 8. AHV-Revision fest, dass nun "auch Beschäftigungsstätten
und Wohnheime für nicht erwerbsfähige Invalide subventionsberechtigt"
sind und "Betriebsbeiträge an die invaliditätsbedingten Mehrkosten
(...) erhalten" (ZAK 1972 S. 398 und S. 622). Schliesslich ergibt sich
der Rechtsanspruchscharakter der Leistungen nach Art. 73 IVG auch aus
den bundesrätlichen Darlegungen in der Botschaft zum Entwurf eines
Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 24. Oktober 1958, aus
welchen klar hervorgeht, dass die Umschreibung der Anspruchsvoraussetzungen
in die Kompetenz des Verordnungsgebers und nicht ins Ermessen der
rechtsanwendenden Behörde gelegt werden sollte (BBl 1958 II 1220 ff. und
1279).

    Steht somit ein bundesrechtlicher Anspruch der Beschwerdeführerin auf
Betriebsbeiträge zur Diskussion, schliesst Art. 129 Abs. 1 lit. c OG das
Eintreten auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht aus.

Erwägung 4

    4.- a) Entscheide über die Gewährung oder Verweigerung von
Beiträgen an Institutionen für Invalide nach Art. 73 ff. IVG sind
gestützt auf Art. 107 Abs. 2 IVV in erster Instanz durch das Bundesamt
für Sozialversicherung zu erlassen. Laut Art. 98 lit. c OG ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Verfügungen u.a. der den
Departementen unterstellten Dienstabteilungen, mithin der Bundesämter;
verfügen diese als erste Instanzen, kann Verwaltungsgerichtsbeschwerde
erhoben werden, soweit das Bundesrecht sie gegen diese Verfügungen vorsieht
(Art. 98 lit. c in fine OG). Diese Voraussetzung trifft hier zu, erklärt
doch Art. 203 AHVV (anwendbar auf dem Gebiet der Invalidenversicherung
kraft Art. 89 IVV) unmittelbar die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gegen Verfügungen des BSV für zulässig. Somit ist auch unter dem
Gesichtspunkt des Anfechtungsgegenstandes (BGE 106 V 96 Erw. 1b) auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten.

    b) Nach der Rechtsprechung betreffen Streitigkeiten um Beiträge
nach Art. 73 IVG keine Versicherungsleistungen im Sinne von Art. 132 und
Art. 134 OG (BGE 106 V 98 Erw. 3, ZAK 1983 S. 454 Erw. 4). Folglich richtet
sich die Kognition des Eidg. Versicherungsgerichts nach Art. 104 und 105
OG. Das Eidg. Versicherungsgericht hat daher zu prüfen, ob Bundesrecht,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, verletzt
wurde oder ob der Sachverhalt unrichtig oder unvollständig festgestellt
worden ist (Art. 104 lit. a und b OG). An die vorinstanzliche Feststellung
des Sachverhalts ist es nicht gebunden, weil nicht eine Rekurskommission
oder ein kantonales Gericht im Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG entschieden
hat (BGE 106 V 98 Erw. 3, ZAK 1983 S. 454 Erw. 4).

Erwägung 5

    5.- Die Beschwerdeführerin macht zu Recht nicht geltend, es müsse
ihr in Anbetracht der früheren Haltung des Bundesamtes und damit gestützt
auf Treu und Glauben die Beitragsberechtigung über das Jahr 1991 hinaus
zuerkannt werden. Die praxisgemäss erforderlichen Voraussetzungen für
eine erfolgreiche Berufung auf den Vertrauensschutz (BGE 116 V 298)
sind eindeutig nicht erfüllt, da die Beschwerdeführerin das Projekt in
der von ihr für richtig gehaltenen Weise realisierte und den Betrieb
unabhängig von einer allfälligen Subventionierung des Vorhabens durch
die Invalidenversicherung aufnahm. Es kann daher nicht gesagt werden,
die Beschwerdeführerin habe im Vertrauen auf die Richtigkeit der früheren
Auskünfte oder Zusicherungen des Bundesamtes Dispositionen getroffen,
die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden könnten (BGE 116 V 299
Erw. 3a Ziff. 4).

Erwägung 6

    6.- Damit ist einzig zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin ein
Invalidenwohnheim im Sinne von Art. 73 Abs. 2 lit. c IVG und Art. 100
Abs. 1 lit. b IVV betreibt, was ihr bejahendenfalls nach Art. 106 Abs. 2
IVV Anspruch auf Betriebsbeiträge verschafft.

    a) Das BSV verneint dies in der Stellungnahme vom 29. April 1991 mit
der Begründung, entgegen der anfänglichen Meinung habe sich gezeigt, "dass
es sich beim Wohnheim B. um ein reines Sterbehaus (handle), wo die Kranken
unter sehr menschlichen Aspekten und umfassender Betreuung ihre letzten
Lebenstage verbringen" dürften. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer
betrage 60 Tage, und viele Kranke würden sich nur wenige Tage bis zum Tod
im Heim aufhalten. Solche Institutionen seien zwar "aus sozialer Sicht
sehr wertvoll"; es könne "aber nicht Aufgabe der Invalidenversicherung
sein..., Sterbehäuser, wie das Wohnheim B., mitzufinanzieren, da in diesen
Institutionen nicht mehr von sozialer oder beruflicher Eingliederung,
respektive sinnvoller Beschäftigung und Freizeitgestaltung Invalider
gesprochen werden (könne). Zudem (lasse) der Verlauf der AIDS-Krankheit
meist kaum auf eine invaliditätsbegründende Zeitspanne zwischen Ausbruch
der Krankheit und dem Sterben schliessen."

    b) Aufgrund der Entwicklung, die Art. 73 IVG seit dem Bestehen
des Gesetzes erfahren hat, kann der Auffassung des Bundesamtes nicht
beigepflichtet werden:

    Aus der Überlegung heraus, es könne sich nicht darum handeln,
"allgemein die Bereitstellung von Wohngelegenheiten für Invalide durch
Gewährung von Beiträgen zu unterstützen" (Botschaft des Bundesrates
vom 24. Oktober 1958; BBl 1958 II 1279), beschränkte Art. 73 Abs. 2
lit. c IVG in seiner ursprünglichen Fassung den Beitragsanspruch
auf bedürfnisgerechte Invalidenwohnheime, welche die Berufsausübung
ermöglichten oder erleichterten. Zudem wurden nur Beiträge für die
Errichtung und den Ausbau von Wohnheimen gewährt; ein Anspruch auf
Betriebsbeiträge bestand nicht (AS 1959 846 unten f.).

    Ein Einbruch in diese strenge Regelung der Beitragsberechtigung
erfolgte bereits im Rahmen der ersten Revision des IVG. In der Botschaft
zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend Änderung des Bundesgesetzes
über die Invalidenversicherung vom 27. Februar 1967 erklärte sich der
Bundesrat bereit, die Subventionsmöglichkeit auf Wohnheime auszudehnen,
"die ausschliesslich oder teilweise Invaliden während ihrer erstmaligen
beruflichen Ausbildung und Umschulung offenstehen". Ferner sprach
er sich für die Gewährung von Beiträgen an die Erneuerungskosten
aus; dagegen lehnte er das Begehren, auch an die Betriebskosten der
Wohnheime für Invalide Beiträge zu leisten, ab (BBl 1967 I 695 f.). Diese
Auffassung setzte sich in der Folge durch und Art. 73 Abs. 2 lit. c IVG
erhielt mit Bundesgesetz vom 5. Oktober 1967 neu die Fassung, dass die
Invalidenversicherung Beiträge ausrichte an die Errichtung, den Ausbau
und die Erneuerung von Wohnheimen für Invalide, die den Bedürfnissen
der Invaliden entsprechen und deren erstmalige berufliche Ausbildung,
Umschulung oder Berufsausübung ermöglichen oder erleichtern (AS 1968 39
unten f.).

    Im Rahmen der 8. AHV-Revision kam die Beitragsberechtigung der
Invalidenwohnheime erneut zur Sprache. Zwar wollte der Bundesrat die
Revision des Art. 73 IVG bis zum Erlass eines neuen Wohnbauartikels in der
Bundesverfassung und bis zur Schaffung einer neuen Verfassungsgrundlage
für eine umfassende Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge
hinausschieben (Botschaft des Bundesrates betreffend die 8. Revision der
Alters- und Hinterlassenenversicherung vom 11. Oktober 1971; BBl 1971
II 1102 unten f.). In der parlamentarischen Beratung stellte dann aber
Nationalrat Gut den Antrag, Art. 73 Abs. 2 lit. c IVG sei in dem Sinne
zu ändern, dass die Invalidenversicherung an die Errichtung, den Ausbau
und die Erneuerung von Wohnheimen zur dauernden oder vorübergehenden
Unterbringung von Invaliden und an die dadurch entstehenden zusätzlichen
Betriebskosten Beiträge zu leisten habe. Zur Begründung führte er aus,
sein Antrag wolle einerseits Betriebsbeiträge einführen, wie sie für
Eingliederungsstätten und geschützte Werkstätten bereits bestünden;
denn das Fehlen dieser Möglichkeit für Wohnheime sei der Grund dafür,
dass "die würdige Unterbringung von Behinderten noch sehr im Rückstand"
sei; dabei seien solche Wohnheime dringend nötig, "und zwar sowohl für die
arbeitsfähigen Invaliden wie für jene, die man nicht beruflich eingliedern"
könne. Anderseits solle die Einschränkung fallengelassen werden, wonach
nur Wohnheime für Invalide, deren erstmalige berufliche Ausbildung,
Umschulung oder Berufsausübung ermöglicht oder erleichtert werden soll,
subventionsberechtigt seien. Denn dadurch würden "gerade Heime für
die Schwerstbehinderten, also jene, die keinen Beruf ausüben können,
deren würdige Unterbringung aber gleichwohl gefordert werden" müsse,
von der Subventionsberechtigung ausgeschlossen. Sein Antrag würde nun
"Baubeiträge an Heime auch für nichtberufstätige Invalide" ermöglichen
und liege damit auf der Linie eines kürzlich eingereichten Postulats zur
"Verbesserung des Loses der Schwächsten" (Sten.Bull. 1972 N. 403).

    Dieser Antrag wurde in der Folge von Bundesrat und Parlament
oppositionslos entgegen- und angenommen (Sten.Bull. N. 404; Sten.Bull. S
304 unten f.).

    c) Diese unwidersprochen gebliebene, Gesetz gewordene Auffassung
zeigt, dass mit dem revidierten Art. 73 Abs. 2 lit. c IVG eine Grundlage
geschaffen werden wollte, um Wohnheime in den Genuss von Betriebsbeiträgen
zu bringen, welche erwerblich nicht eingliederungsfähige Invalide
beherbergen, solchen Versicherten jedoch eine ihrem gesundheitlichen
Zustand angemessene, dauernde oder vorübergehende Unterbringung
anbieten. Diese gesetzliche Zielrichtung können Wohnheime für AIDS-Kranke
wie das Wohnheim B. durchaus für sich in Anspruch nehmen. Die Art
und Weise, wie die AIDS-Kranken betreut werden, stellt nicht nur eine
humanitäre Zuwendung dar, sondern auch eine soziale Eingliederung. Diese
besteht bei Schwerstkranken, selbst in der letalen Phase, gerade darin,
eine Wohngelegenheit zu schaffen, bei der auf ihre Bedürfnisse nach
Pflege, Betreuung und menschlicher Zuwendung eingegangen werden kann
(vgl. AIDS in der Schweiz, Bericht der Eidgenössischen Kommission
für AIDS-Fragen und des Bundesamtes für Gesundheitswesen, 2. Aufl.,
September 1989, S. 74 und S. 92). Diese Komponente der Pflege und
Betreuung steht beim Wohnheim B. eindeutig im Vordergrund. Wie sich aus
den eingereichten Aufenthaltsprotokollen ergibt, werden die Bewohner
des Wohnheimes B. durch die ihnen entgegengebrachte Zuwendung befähigt,
die Zeit ihrer schweren Krankheit und insbesondere das letzte Stadium in
möglichst erträglicher Weise zu verbringen, was durchaus als Beschäftigung
im Sinne von Art. 100 Abs. 1 lit. b IVV gelten darf. Ohne Institutionen
wie das Wohnheim B. blieben pflege- und betreuungsbedürftige AIDS-Kranke
uneingegliedert; sie müssten notgedrungen in Spitäler eingewiesen werden,
wo sie jedoch - ausser in Phasen stationärer Behandlungsbedürftigkeit -
nicht angemessen untergebracht sind (AIDS in der Schweiz, aaO, S. 73 f.).

    In sachlicher Hinsicht erfüllt das Wohnheim B. bezüglich Lage
und Ausstattung die Anforderungen von Art. 100 Abs. 1 lit. b IVV,
wie die Besichtigungen durch das BSV am 26. April 1988 (Auszug aus dem
Protokoll des Stiftungsrates vom 26. April 1988) und durch das Amt für
Bundesbauten am 14. Juni 1989 (vgl. Bemerkung auf der Abrechnung vom 14.
September 1989) ergaben.

    d) Damit bleibt der Einwand des BSV zu prüfen, die Bewohner des
Wohnheimes B. seien nicht invalid im Sinne des Gesetzes. Dazu ist
vorab festzustellen, dass es zur Annahme einer Invalidität im Sinne von
Art. 73 Abs. 2 lit. c IVG nicht einer rentenbegründenden Invalidität
nach Art. 28 und 29 IVG bedarf. Massgebend ist der Invaliditätsbegriff
nach Art. 4 IVG, wonach als Invalidität die durch einen körperlichen
oder geistigen Gesundheitsschaden als Folge von Geburtsgebrechen,
Krankheit oder Unfall verursachte, voraussichtlich bleibende oder
längere Zeit dauernde Erwerbsunfähigkeit gilt. Es steht ausser Frage,
dass die Bewohner des Wohnheimes B. als Folge ihrer Krankheit an einem
Gesundheitsschaden leiden, der in aller Regel eine Erwerbsunfähigkeit
begründet. Ferner ist anzunehmen, dass gerade die schwerst AIDS-kranken
Versicherten, namentlich jene im Stadium IV (vgl. dazu AIDS in der Schweiz,
aaO, S. 52 f.; BGE 116 V 240 Erw. 3b), welche das Wohnheim B. aufnimmt,
durch die spätestens mit dem Erreichen des Stadiums IV auftretenden
Folgekrankheiten seit längerer Zeit in der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit
beeinträchtigt sind. Für Versicherte, die beim Eintritt in das Wohnheim B.
während mindestens eines Jahres (vgl. dazu BGE 102 V 166) in ihrer
Arbeitsfähigkeit erheblich, also zu wenigstens 25% (vgl. BGE 105 V 160
Erw. 2a in fine mit Hinweis), eingeschränkt sind, besteht jedenfalls
Anspruch auf Beiträge. Diesen gleichzustellen sind jene Versicherten,
bei denen im Zeitpunkt des Eintritts zwar noch nicht eine erhebliche
Arbeitsunfähigkeit während eines Jahres vorgelegen hat, bei denen aber
die bestehende Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich andauern wird. Dass
es bei solchen Versicherten - aus welchen Gründen auch immer - (noch)
nicht zu einer Rentenzusprechung gekommen ist, hat hier keine Bedeutung,
da Art. 100 Abs. 1 lit. b IVV im Einklang mit Art. 73 Abs. 2 lit. c IVG
von Invaliden und nicht von Rentenbezügern spricht.

Erwägung 7

    7.- Zusammenfassend ergibt sich, dass das Wohnheim B.  grundsätzlich
betriebsbeitragsberechtigt im Sinne von Art. 73 Abs. 2 lit. c IVG ist. Dies
kann jedoch nicht dazu führen, dass der Stiftung mit dem vorliegenden
Urteil Beiträge ab dem Rechnungsjahr 1992 zuzusprechen wären. Denn der
Sozialversicherungsrichter hat sich - wie im übrigen auch die Verwaltung
- nicht mit künftigen Leistungsansprüchen zu befassen, die unter dem
Vorbehalt allfälliger erheblicher Tatsachenänderungen stehen (vgl. BGE
97 V 59 Erw. 1, ZAK 1969 S. 372 Erw. 2). Die Beschwerdeführerin kann
daher - wie sie dies richtigerweise getan hat - nur die gerichtliche
Feststellung verlangen, dass sie grundsätzlich beitragsberechtigt ist,
solange sie das Wohnheim B. in der jetzigen Art und Weise betreibt. Daran
hat sie ein schutzwürdiges Interesse im Sinne der Rechtsprechung (BGE 114
V 201, ZAK 1990 S. 444), so dass dem Erlass eines auf diese Feststellung
lautenden Urteils nichts entgegensteht.

    Hinsichtlich der Zusprechung von Betriebsbeiträgen ab 1992 ist
darauf hinzuweisen, dass hiefür das verordnungsmässig vorgesehene
Verfahren einzuhalten ist, wozu namentlich die Einreichung des
Betriebsbeitragsgesuches innert sechs Monaten nach Ablauf des
Rechnungsjahres gehört (Art. 107 Abs. 1 IVV).

Erwägung 8

    8.- (Kostenpunkt)