Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 IV 57



118 IV 57

12. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 31. Januar 1992 i.S. X.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    1. Art. 198 f. StGB; Kuppelei (Gewinnsucht).

    Der Tatbestand der Kuppelei ist erfüllt, sobald der Täter der
Unzucht Vorschub leistet, um sich finanzielle Vorteile zu verschaffen;
unerheblich ist, ob dem Streben nach Bereicherung auch tatsächlich ein
Erfolg beschieden ist (E. 1b).

    2. Art. 199 StGB; gewerbsmässige Kuppelei (Bordell).

    Ein Bordell ist ein geschäftsmässiger Betrieb, der auf regelmässige
Einnahmen ausgerichtet ist und in dem mehrere Dirnen tätig sind,
denen der Inhaber Räume und die übrige zur Betreibung der Unzucht
nötige Infrastruktur zur Verfügung stellt. Sobald ein Bordell oder ein
bordellartiger Betrieb gehalten wird, liegt gewerbsmässige Kuppelei vor,
selbst wenn kein Gewinn erzielt worden ist (E. 1c).

Sachverhalt

    A.- Frau X. führte vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 1983 auf eigene
Rechnung den Sex-Club "Z." in Bremgarten, für den von ihr bezahlte Inserate
im "Blick" und im schweizerischen "Sexanzeiger" erschienen. Die von ihr
zu entrichtende Miete, die sie aus den Einnahmen des Clubs begleichen
wollte, betrug Fr. 7'000.--. Für einen Eintrittspreis von Fr. 70.--
standen den Kunden sämtliche Clubeinrichtungen (Schwimmbad, Sauna, Dusche,
Videoraum, Schlafzimmer etc.) zur Verfügung. In den einzelnen Zimmern
waren Betten und Bettwäsche vorhanden. Wenn die anwesenden Frauen und
Männer geschlechtliche Beziehungen unterhalten wollten, trafen sie ihre
diesbezüglichen Abmachungen untereinander selber. Die Männer waren meistens
mit einem Badetuch bekleidet, und die Frauen traten in Reizwäsche auf. Vom
Unzuchtserlös mussten die Frauen, welche ebenfalls einen Eintrittspreis von
Fr. 70.-- zu entrichten hatten, der Clubbetreiberin nichts abliefern. Im
Falle einer Übernachtung mussten sie allerdings zusätzliche Fr. 50.--
bezahlen.

    Frau X. hatte den Club übernommen, um davon leben zu können und
nicht mehr als Dirne "anschaffen" zu müssen. Sie erzielte jedoch
keinen Gewinn, sondern erwirtschaftete nur Verluste. Zur Bestreitung
ihres Lebensunterhaltes diente ihr der eigene, im Club erzielte
Unzuchtserlös. Sie gab ihre Tätigkeit bereits nach drei Monaten auf,
weil der Club nicht rentierte.

    B.- Das Bezirksgericht Bremgarten verurteilte Frau X. am 9. September
1989 wegen gewerbsmässiger Kuppelei im Sinne von Art. 199 Abs. 1 StGB
zu sechs Monaten Gefängnis, einer Busse von Fr. 1'500.-- und drei Jahren
Landesverweisung. Der Vollzug von Haupt- und Nebenstrafe wurde bei einer
Probezeit von drei Jahren bedingt aufgeschoben.

    Das Obergericht des Kantons Aargau wies am 13. Dezember 1990 eine
dagegen gerichtete Berufung zur Hauptsache ab, setzte die Probezeit für
die Freiheitsstrafe jedoch auf zwei Jahre fest.

    C.- Frau X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz
zurückzuweisen zur Freisprechung, eventuell zu neuer Beurteilung, wobei
Art. 198 Abs. 1 StGB anwendbar, die Strafe neu festzusetzen und von der
bedingten Landesverweisung abzusehen sei. Das Bundesgericht weist die
Beschwerde ab aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Wer aus Gewinnsucht der Unzucht Vorschub leistet, wird wegen
Kuppelei mit Gefängnis und Busse bestraft (Art. 198 Abs. 1 und 3 StGB).
Betreibt der Täter die Kuppelei gewerbsmässig, hält er namentlich ein
Bordell, wird er mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis
nicht unter sechs Monaten sowie mit Busse und - sofern er Ausländer ist -
mit Landesverweisung bestraft (Art. 199 Abs. 1 und 3 StGB).

    Die Vorinstanz ging davon aus, der "Z."-Club sei ein Bordell (und
kein Fitnessclub) gewesen und die Beschwerdeführerin habe erkannt, "welche
Bedürfnisse die Kunden im "Z". -Club befriedigt haben wollten". Sie habe
den Club übernommen, um von diesem leben zu können, und sei bereit gewesen,
gegenüber unbestimmt vielen Personen und auch bei jeder sich bietenden
Gelegenheit die Leistungen des Clubs anzubieten.

    Demgegenüber bringt die Beschwerdeführerin vor, zum einen habe sie
nicht gewinnsüchtig gehandelt; die Frauen im "Z."-Club hätten aus einem
allfälligen Unzuchtserlös nichts abliefern müssen, und im übrigen hätten
die verlangten Eintrittspreise und der eigene Unzuchtserlös nicht einmal
ausgereicht, die Unkosten des Clubs zu decken. Zum zweiten richtet sich
die Beschwerde gegen die Verurteilung wegen gewerbsmässiger Kuppelei;
sie habe den Club nur knapp drei Monate lang geführt und nur Verluste
erwirtschaftet; da folglich ein Deliktsbetrag nicht vorliege, müsse ein
berufsmässiges Handeln verneint werden.

    b) Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stellt Gewinnsucht
im Sinne von Art. 198 StGB ein qualitatives Kriterium dar, welches
bereits gegeben ist, wenn der Täter eine in moralischer Hinsicht besonders
verwerfliche Bereicherung anstrebt, indem er die Menschenwürde betreffende
Werte in Frage stellt, die nicht in Geld messbar sind oder deren Umsetzung
in Geld eine Verunglimpfung darstellt. Da das Sexualleben des Menschen zu
diesen Werten gehört, reicht es für Gewinnsucht aus, wenn der Täter der
Unzucht Vorschub leistet, um daraus einen finanziellen Nutzen zu ziehen,
d.h. um einen Gewinn zu erzielen (BGE 107 IV 119; bestätigt in BGE 109
IV 120 sowie 113 IV 24).

    Gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat die
Beschwerdeführerin den "Z."-Club übernommen, um von diesem leben zu
können. Das kann nichts anderes bedeuten, als dass sie von der Tätigkeit
der im Club tätigen Frauen zu profitieren beabsichtigte. Damit ist das
Tatbestandsmerkmal der Gewinnsucht im oben erwähnten Sinn erfüllt.

    Unerheblich ist, ob die anderen im Club tätigen Frauen aus dem
Unzuchtserlös etwas abzuliefern hatten. Von Bedeutung ist einzig, dass
sie gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz einen Eintritt
von Fr. 70.-- zu entrichten hatten.

    Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin setzt der Begriff
der Gewinnsucht gemäss Art. 198 StGB im übrigen nicht voraus, dass
dem Streben nach Bereicherung auch tatsächlich ein Erfolg beschieden
ist. Ausschlaggebend ist, dass der Täter geldwerte Interessen verfolgt und
dies in einer Art und Weise geschieht, die als gewinnsüchtig bezeichnet
werden muss (BGE 89 IV 19/20; bestätigt in BGE 109 IV 120; PAUL USTERI,
Strafwürdigkeit der Kuppelei, Diss. Zürich 1972, S. 93).

    Gesamthaft gesehen ist der Schuldspruch wegen Kuppelei nicht zu
beanstanden.

    c) In bezug auf die gewerbsmässige Tatbegehung gemäss Art. 199
StGB nennt das Gesetz als Beispiel das Halten eines Bordells. Aus den
Materialien ergibt sich, dass immer dann, wenn ein Bordell oder ein
bordellartiger Betrieb gehalten wird, von Gewerbsmässigkeit auszugehen ist
(vgl. PAUL USTERI, aaO, S. 35; EUGEN MEIER, Die Behandlung der Prostitution
im schweizerischen Strafrecht, Diss. Zürich 1948, S. 80 und 85).

    Ein Bordell ist ein geschäftsmässiger Betrieb, in dem mehrere Dirnen
tätig sind (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, BT II, 3. Aufl., §
26 N 19). Der Inhaber stellt Dirnen Räume und die übrige zur Betreibung
der Unzucht nötige Infrastruktur zur Verfügung. Aus dem französischen
Gesetzeswortlaut (maison de prostitution) folgt, dass der Begriff des
Bordells nicht zu eng zu fassen und insbesondere nicht erforderlich
ist, dass die Dirnen vom Bordellinhaber weitgehend abhängig sind
oder von ihm gar ausgebeutet werden. Ausbeutung ist denn auch nur ein
Tatbestandsmerkmal der Zuhälterei im Sinne von Art. 201 StGB. Das Bordell
muss jedoch (allenfalls in der Form eines losen Clubs mit wechselnden und
"freien" Mitarbeiterinnen) als geschäftsmässiger Betrieb und damit auf
regelmässige Einnahmen ausgerichtet sein. Da aber schon das Halten des
Bordells strafbar ist, ist der Straftatbestand mit der Einrichtung eines
solchen Instituts bereits erfüllt, auch wenn letztlich kein Gewinn erzielt
worden ist, ja selbst "wenn Besucher sich noch nicht eingestellt haben"
(HAFTER, Schweizerisches Strafrecht, BT/1. Hälfte, Berlin 1937, S. 144).

    Nach dem Gesagten kann offenbleiben, ob die im "Z."-Club tätigen
Frauen durch die Beschwerdeführerin ausgebeutet wurden oder von ihr
abhängig waren. Jedenfalls stellte sie ihnen geeignete Räume zur Ausübung
der Unzucht mit Betten und Bettwäsche zur Verfügung, für welche im Falle
einer Übernachtung Fr. 50.-- zu entrichten waren. Für den von jeder
Person zu bezahlenden Eintrittspreis von Fr. 70.-- standen überdies
Schwimmbad, Sauna, Dusche und Videoraum zur Verfügung. Weiter wurde
für das in geeigneter Weise als Sex-Club eingerichtete Etablissement in
einschlägigen Zeitschriften geworben.

    Nach den Feststellungen der Vorinstanz hatte die Beschwerdeführerin
den Club übernommen, um davon leben zu können. Sie wollte daraus also
ihren Lebensunterhalt erzielen. Dass ihr das nicht gelang, ist nach dem
oben Gesagten unerheblich.

    Da die Beschwerdeführerin ein Bordell im Sinne von Art. 199 StGB hielt,
wurde sie zu Recht wegen gewerbsmässiger Tatbegehung verurteilt.