Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 IV 366



118 IV 366

64. Urteil des Kassationshofes vom 27. November 1992 i.S. X. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 260bis Abs. 2 StGB; Rücktritt von strafbaren
Vorbereitungshandlungen.

    1. Gemäss Art. 260bis Abs. 2 StGB bleibt straflos, wer, nachdem
er alle geplanten Vorbereitungshandlungen ausgeführt hat, aus eigenem
Antrieb und in besonderer Weise bekundet, dass er nicht mehr bereit ist,
das Hauptdelikt zu begehen. Hat der Täter noch nicht alle geplanten
Vorbereitungshandlungen zu Ende geführt, so genügt für die Bejahung
des Rücktritts, dass er aus eigenem Antrieb auf die Ausführung eines
wesentlichen Teils der Vorbereitungshandlungen verzichtet.

    2. Aus eigenem Antrieb tritt zurück, wer aus inneren Motiven,
unabhängig von äusseren Gegebenheiten seinen Plan nicht mehr weiter
verfolgt, wobei es auf die sittliche Qualität seiner Beweggründe nicht
ankommt.

Sachverhalt

    A.- Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X. am 7.
Oktober 1991 der Gehilfenschaft zu Raubversuch, der strafbaren
Vorbereitungshandlungen zu Raub und der qualifizierten Widerhandlung
gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig und bestrafte ihn mit 33
Monaten Gefängnis.

    Dagegen führt X. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt,
das Urteil des Obergerichts sei in bezug auf den Schuldspruch wegen
Vorbereitungshandlungen und die Strafzumessung aufzuheben und die Sache
zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Dem Schuldspruch wegen Vorbereitungshandlungen zu Raub liegt
folgender Sachverhalt zugrunde:

    Am Abend des 7. März 1989 sprachen der Beschwerdeführer, A., B. und
C. im Restaurant "Y." in Wil über einen bewaffneten Raubüberfall, und der
Beschwerdeführer wies auf die dafür geeignete Raiffeisenbank Z. hin. Die
Gesprächsteilnehmer vereinbarten, sich am 14. März 1989 im gleichen
Restaurant "zur Besprechung des genauen Vorgehens, der erforderlichen
Ausrüstung, der Rollenverteilung etc." erneut zu treffen.

    Diese Begegnung fand abmachungsgemäss statt. Beim Gespräch im vor dem
Restaurant abgestellten Auto des Beschwerdeführers wurde eingehend über das
Vorgehen und die Beschaffung der erforderlichen Ausrüstung diskutiert. Der
Beschwerdeführer orientierte "über Einzelheiten der Raiffeisenbank in Z.
bezüglich örtlicher Verhältnisse, Zahl der Angestellten, Öffnungszeiten
etc." Zudem zeigte er den Komplizen die bereits vorhandenen und als
Fesselungsmaterial geeigneten Kabelbinder. Die Verübung der Tat wurde auf
den 17. März 1989 festgesetzt, da die Schalter an diesem Tag wegen des
Abendverkaufs erst um 21.00 Uhr geschlossen wurden. Es war geplant, dass
A. und B. die beiden in der Bank tätigen Frauen nach Schalterschluss beim
Verlassen des Gebäudes unter Waffendrohung zu einem Auto bringen sollten,
wo der Beschwerdeführer eine der Angestellten zu bewachen habe, während
die beiden anderen mit der zweiten Frau die Bank aufsuchen sollten, um in
den Besitz von Geld zu kommen. Während des Überfalls sollte C. in einem
zweiten Fahrzeug, welches noch hätte beschafft werden müssen, "Schmiere
stehen" und mittels eines Funkgerätes seine Komplizen bei einer allfälligen
Gefahr warnen. Ein Revolver und eine Pistole waren bereits vorhanden, und
ein Gewehr, Gesichts- bzw. Strumpfmasken, alte Kleider für die Beteiligten,
Fesselungsmaterial (Kabelbinder und Klebeband), Gummihandschuhe und zwei
Funkgeräte sollten noch beschafft werden. Bei dieser Besprechung wurde
schliesslich vereinbart, den Tatort am 16. März 1989 zu besichtigen.

    An diesem Tag fuhren die vier Komplizen nach Widnau, wo der
Beschwerdeführer und C. im Auto warteten, während die beiden anderen
die Bank aufsuchten und sich umschauten. Danach wurde für die Tat ein
Treffen am 17. März 1989, gegen 18.00 Uhr, im Restaurant "Y." in Wil
vereinbart. Dort wäre nochmals die Rollenverteilung repetiert worden,
und B. hätte die alten Kleider mitbringen sollen.

    Da A. zu diesem Treffen mit erheblicher Verspätung und der
Beschwerdeführer sowie B. überhaupt nicht erschienen, wurde der
Raubüberfall nicht ausgeführt.

    b) Die Vorinstanz stellte fest, der Beschwerdeführer habe bei der
Vorbereitung des Raubes insoweit mitgewirkt, als er an der Auswahl des
Tatobjektes, der Planung des Vorgehens, der Rollenverteilung und der
Besichtigung der Bank teilgehabt habe. Zudem hätten sich gewisse für die
Tatausführung notwendige Utensilien (Kabelbinder, Klebestreifen) bereits
in seinem Wagen befunden, und er selber habe keinerlei Beschaffungsaufgaben
mehr zu erfüllen gehabt. Die von B. "allenfalls" noch mitzubringenden alten
Kleider hätte er lediglich noch anziehen müssen. Der Tatplan habe schon vor
dem Treffen vom 17. März 1989 festgestanden, und vom Restaurant "Y." habe
man nach Z. fahren wollen, um die Tat auszuführen. Der Beschwerdeführer
habe sich dann nicht zum vereinbarten Treffen eingefunden, weil es ihm
"leichtsinnig" erschienen sei, eine Bank überfallen zu wollen, und er
nicht an den möglichen Erfolg des Unternehmens geglaubt habe.

Erwägung 2

    2.- a) Die Vorinstanz ging in Übereinstimmung mit den Parteien
davon aus, der Beschwerdeführer habe strafbare Vorbereitungshandlungen
zu einem Raub im Sinne von Art. 260bis Abs. 1 StGB begangen. Sie stellte
weiter fest, er habe "schlicht" von der Begehung der Haupttat abgesehen,
weshalb Abs. 2 der genannten Bestimmung, wonach straflos bleibt, wer
die Vorbereitungshandlung aus eigenem Antrieb nicht zu Ende führt, keine
Anwendung finde.

    b) Mit der Nichtigkeitsbeschwerde wird geltend gemacht, die Vorinstanz
habe Abs. 2 von Art. 260bis StGB zu Unrecht nicht angewendet.

Erwägung 3

    3.- a) Gemäss Art. 260bis StGB ("Strafbare Vorbereitungshandlungen")
wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft,
wer planmässig konkrete technische oder organisatorische Vorkehrungen
trifft, deren Art und Umfang zeigen, dass er sich anschickt, eine
vorsätzliche Tötung, einen Mord, eine schwere Körperverletzung, einen
Raub, eine Freiheitsberaubung und Entführung, eine Geiselnahme oder
eine Brandstiftung auszuführen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung bleibt
straflos, wer die Vorbereitungshandlung ("son activité préparatoire",
"un atto preparatorio") aus eigenem Antrieb nicht zu Ende führt.

    Wie in BGE 115 IV 121 ff. festgehalten wurde, bezieht sich der
Rücktritt aus eigenem Antrieb gemäss Art. 260bis Abs. 2 StGB auf
die strafbare Vorbereitungshandlung und nicht auf die Ausführung der
geplanten Haupttat. Die Bestimmung wurde zwar in Anlehnung an Art. 21
Abs. 2 StGB formuliert, aber bei der Frage, inwieweit der Täter die
"Vorbereitungshandlung nicht zu Ende" geführt hat, darf der besondere
Charakter des Tatbestandes strafbarer Vorbereitungshandlungen nicht
ausser acht gelassen werden. Diese schaffen die abstrakte Gefahr der
Ausführung der Haupttat, und der Rücktritt muss daher dieser Gefahr ein
Ende setzen oder sie zumindest erheblich vermindern. Gemäss dem genannten
Präjudiz soll derjenige straflos bleiben, der, nachdem er alle geplanten
Vorbereitungshandlungen ausgeführt hat, aus eigenem Antrieb und in
besonderer Weise bekundet, dass er nicht mehr bereit ist, das Hauptdelikt
zu begehen, indem er beispielsweise bereits getroffene Vorbereitungen
rückgängig macht (z.B. beschaffte Tatwerkzeuge wegwirft) oder in anderer
Weise die Ausführung der Haupttat verunmöglicht oder zumindest wesentlich
erschwert; hat der Täter demgegenüber zwar Art. 260 Abs. 1 StGB erfüllt,
aber noch nicht alle geplanten Vorbereitungshandlungen zu Ende geführt, so
genügt für die Bejahung des Rücktritts, dass er aus eigenem Antrieb auf die
Ausführung eines wesentlichen Teils der Vorbereitungshandlungen verzichtet
(BGE 115 IV 127/128 E. f und g; vgl. dazu Schultz, Die strafrechtliche
Rechtsprechung des Bundesgerichts 1989, ZBJV 127/1991 S. 69/70).

    "Aus eigenem Antrieb" tritt derjenige zurück, der aus inneren
Motiven, unabhängig von äusseren Gegebenheiten seinen Plan nicht mehr
weiter verfolgt (vgl. dazu BGE 115 IV 128/129 E. h mit Hinweisen). Dabei
kommt es auf die sittliche Qualität der Beweggründe, aus denen der Täter
zurücktritt, prinzipiell nicht an; auch die Furcht vor Strafe kann genügen
(Stratenwerth, AT I, S. 300 zum Rücktritt vom unvollendeten Versuch).

    b) Im Lichte dieser Rechtsprechung erweist sich der angefochtene
Entscheid als bundesrechtswidrig.

    Es stellt sich zunächst die Frage, ob bereits alle geplanten
Vorbereitungshandlungen ausgeführt worden waren, bevor der Beschwerdeführer
zum geplanten Treffen am 17. März 1989 nicht erschien. Dies ist zu
verneinen. Die Täter hatten vereinbart, sich vor der Fahrt an den Tatort
im Restaurant "Y." in Wil zu treffen, wo nach den Feststellungen der
Vorinstanz nochmals die Rollenverteilung repetiert worden wäre; zudem hätte
der Beschwerdeführer gewisse für die Tatausführung notwendige Utensilien
(Kabelbinder, Klebestreifen), die sich in seinem Wagen befanden, mitbringen
sollen. Dieses Treffen, die letzte Repetition der Rollenverteilung und
das Mitbringen der Fesselungsutensilien stellen weitere wesentliche
Vorbereitungshandlungen dar, auf die der Beschwerdeführer durch sein
Nichterscheinen verzichtet hat.

    Unter diesen Umständen genügt es für die Bejahung des Rücktritts,
dass der Beschwerdeführer aus eigenem Antrieb auf die Ausführung der
genannten Vorbereitungshandlungen verzichtet hat. Nach den Feststellungen
der Vorinstanz hat sich der Beschwerdeführer nicht zum vereinbarten Treffen
eingefunden, weil es ihm "leichtsinnig" erschien, eine Bank überfallen zu
wollen, und er nicht an den möglichen Erfolg des Unternehmens glaubte. Er
gelangte also von sich aus zu einer besseren Einsicht. Dass diese
nicht sittlich begründet war, ändert nichts daran, dass er aus eigenem
Antrieb von den (nach dem Plan der Täter noch nicht zu Ende geführten)
Vorbereitungshandlungen zurückgetreten ist.

    Die Vorinstanz hat dadurch, dass sie Art. 260bis Abs. 2 StGB nicht
angewendet hat, Bundesrecht verletzt.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 7. Oktober 1991 aufgehoben und die
Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.