Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 IV 18



118 IV 18

5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. Januar
1992 i.S. M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 63 StGB; Strafzumessung; Begründungsanforderungen.

    Wenn die obere kantonale Instanz in Abweichung vom unterinstanzlichen
Urteil Umstände anführt, die im Rahmen von Art. 63 StGB strafmindernd zu
berücksichtigen sind (wie etwa ein wesentlich geringerer Deliktsbetrag),
muss sie begründen, weshalb sie dennoch die gleiche Strafe ausspricht
wie die untere Instanz.

Sachverhalt

    A.- Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte M. am 9.  März 1990
zweitinstanzlich wegen Pfändungsbetruges, Fahrens in angetrunkenem Zustand
und wegen Verletzung von Verkehrsregeln zu fünf Monaten Gefängnis und zu
einer Busse von Fr. 200.--. Es schob den Vollzug der Freiheitsstrafe unter
Festsetzung einer Probezeit von drei Jahren auf. Ferner beschloss es,
eine am 10. Februar 1982 ausgesprochene Freiheitsstrafe von 16 Monaten
Zuchthaus, abzüglich zehn Tage Untersuchungshaft, zu vollziehen; ebenso
eine am 9. Dezember 1983 ausgesprochene Freiheitsstrafe von einem Monat
Gefängnis.

    B.- Mit Beschluss vom 26. März 1991 hat das Kassationsgericht
des Kantons Zürich eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde gegen dieses
Urteil abgewiesen. Das Bundesgericht hat eine dagegen eingereichte
staatsrechtliche Beschwerde am 23. Dezember 1991 abgewiesen, soweit darauf
einzutreten war.

    C.- M. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
das Urteil des Obergerichts in bezug auf die Strafe sowie dessen Beschluss
betreffend Widerruf des bedingten Strafvollzuges in bezug auf zwei
Vorstrafen aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe die Strafe
in Verletzung von Bundesrecht zugemessen.

    a) Die Vorinstanz verweist für die Strafzumessung grundsätzlich
auf die Erwägungen des Bezirksgerichts. Dieses berücksichtigte bei der
Beurteilung des Verschuldens zunächst, dass der Beschwerdeführer immer
wieder in finanzielle Not geraten sei, die dann zu den verschiedenen
Betreibungen geführt habe. Dass er trotzdem noch einen aufwendigen
Lebenswandel beibehalten habe, scheine auf einen gewissen Hang zu
Hochstapelei hinzuweisen. Der Beschwerdeführer habe sich anlässlich der
Hauptverhandlung uneinsichtig gezeigt, habe er doch keinen Grund gesehen,
warum er nicht ein teures Auto halten solle. Solche und andere Luxusgüter
hätte er nie mit dem eigenen Verdienst finanzieren können. So habe er sich
immer wieder unlauter finanzielle Mittel zu verschaffen versucht, weshalb
er sich schon verschiedentlich zu verantworten gehabt habe. Das wirke sich
neben dem unverändert ungünstigen Leumund straferhöhend aus. Angesichts
des umfangreichen Vorstrafenkatalogs sei auch der automobilistische Leumund
eher getrübt. Bei der Verurteilung wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand
falle ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer eine beachtliche Menge Alkohol
konsumiert haben müsse (mindestens 1,95 Gewichtspromille zur relevanten
Zeit). Das Bezirksgericht verweist dann auf die gute Qualifikation durch
den heutigen Arbeitgeber.

    Die Vorinstanz relativiert den Vorwurf der Hochstapelei im Hinblick
auf die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Aussendienstmitarbeiter
beziehungsweise als Angestellter, der zumindest neuerdings auch im
Aussenbereich repräsentierend auftreten müsse. Sie berücksichtigt ferner,
dass der Beschwerdeführer in bezug auf die Alkoholfahrt von Anfang
an geständig war und dass er den Betrag in der Höhe des ausgestellten
Verlustscheines zurückbezahlt hat. Dennoch hält sie die vom Bezirksgericht
ausgefällte Strafe für angemessen.

    b) Der Beschwerdeführer wendet ein, das Bezirksgericht sei beim
Pfändungsbetrug von einem Deliktsbetrag von Fr. 5'323.15 ausgegangen;
demgegenüber sei die Vorinstanz zum Schluss gekommen, der strafrechtliche
Vorwurf reiche nur bis zu einem Betrage von Fr. 1'047.50, da nur für
diesen Betrag ein provisorischer Verlustschein vorgelegen habe. Die
Vorinstanz habe diese erhebliche Verminderung des Deliktsbetrages bei
der Strafzumessung nicht berücksichtigt und damit gegen Art. 63 StGB
verstossen. Art. 63 StGB sei überdies verletzt, wenn die Vorinstanz
abweichend vom Bezirksgericht, das seine angebliche Hochstapelei
ausdrücklich als straferhöhend berücksichtigt habe, eine solche verneine
und dennoch die Strafzumessung des Bezirksgerichts als zutreffend
bezeichne.

    Art. 63 StGB sei auch verletzt, wenn die Vorinstanz zwar
Schadensdeckung und Geständigkeit dem Beschwerdeführer "zugute" halte,
ohne aber diese strafmindernden Umstände bei der Strafzumessung zu
berücksichtigen. Angesichts seiner prekären finanziellen Situation habe
die Schadensdeckung einen grossen Einschnitt für ihn bedeutet und beweise
seine aufrichtige Reue.

    c) aa) Damit das Bundesgericht überprüfen kann, ob die verhängte
Strafe im Einklang mit den Zumessungsregeln des Bundesrechtes steht
und ob der Sachrichter sein Ermessen überschritten hat oder nicht,
müssen alle wesentlichen Strafzumessungskriterien in der schriftlichen
Urteilsbegründung Erwähnung finden. Die Begründung der Strafzumessung
muss in der Regel den zur Anwendung gelangenden Strafrahmen nennen
und die massgeblichen Tat- und Täterkomponenten so erörtern, dass
festgestellt werden kann, ob alle rechtlich massgeblichen Gesichtspunkte
Berücksichtigung gefunden haben und wie sie gewichtet wurden, d.h. ob und
in welchem Grade sie strafmindernd oder straferhöhend in die Waagschale
fielen. Das Bundesgericht hebt ein Urteil auf, wenn wegen Fehlens einer
Erörterung der erwähnten wesentlichen Elemente die richtige Anwendung
des Bundesrechtes nicht nachgeprüft werden kann (BGE 117 IV 114/5 mit
Hinweisen).

    bb) Die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils sind in
sich widersprüchlich und erfüllen die Begründungsanforderungen gemäss der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht. Denn die Vorinstanz verweist
zunächst grundsätzlich auf die zutreffenden Strafzumessungserwägungen
des Bezirksgerichts, erwähnt dann jedoch teils in Korrektur, teils
in Ergänzung zum Urteil des Bezirksgerichts Umstände, die im Rahmen
von Art. 63 StGB strafmindernd zu berücksichtigen sind (Relativierung
des Vorwurfes des Hangs zu Hochstapelei; Geständnis betreffend Fahren
in angetrunkenem Zustand; Rückzahlung des Betrages in der Höhe des
ausgestellten Verlustscheines). Wenn sie dennoch die vom Bezirksgericht
ausgefällte Strafe als ausgewogen und angemessen bezeichnet, dann ist die
Strafzumessung ohne weitere Begründung nicht mehr nachvollziehbar. Hinzu
kommt, dass die Vorinstanz, wie der Beschwerdeführer zu Recht geltend
macht, abweichend vom Bezirksgericht in bezug auf die Lohnpfändung
von einem wesentlich geringeren Deliktsbetrag ausgeht, ohne auf diesen
Gesichtspunkt bei der Strafzumessung zurückzukommen. Dabei ist anzunehmen,
dass der Pfändungsbetrug die Höhe der ausgesprochenen Strafe von fünf
Monaten Gefängnis wesentlich beeinflusst hat.

    cc) Die Nichtigkeitsbeschwerde ist deshalb in diesem Punkt
gutzuheissen. Die Vorinstanz wird in ihrem neuen Urteil entweder
ausreichend darzulegen haben, weshalb sie trotz der genannten Abweichungen
vom bezirksgerichtlichen Urteil zur gleichen Strafe gelangt, oder aber
eine geringere Strafe auszufällen haben.