Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 IV 102



118 IV 102

20. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. Januar 1992 i.S. S.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt (Nichtigkeitsbeschwerde).
Regeste

    Art. 41 StGB; bedingte Landesverweisung; Beginn der Probezeit.

    Die Probezeit für eine bedingte Landesverweisung beginnt mit der
Eröffnung des Urteils zu laufen, das vollstreckbar wird. Das gilt auch
dann, wenn der Vollzug der gleichzeitig ausgesprochenen Freiheitsstrafe
nicht aufgeschoben worden ist.

Sachverhalt

    A.- Das Strafgericht Basel-Stadt verurteilte S. am 12.  Februar 1991
wegen fortgesetzten vollendeten und versuchten Raubes zu zwölf Monaten
Gefängnis und zu drei Jahren Landesverweisung.

    B.- Auf Appellation des S. bestätigte das Appellationsgericht des
Kantons Basel-Stadt am 5. Juli 1991 die Verurteilung zu zwölf Monaten
Gefängnis. Die vom Strafgericht ausgesprochene Landesverweisung hob es
auf, erklärte jedoch eine früher bedingt ausgesprochene Landesverweisung
von fünf Jahren im Umfang von drei Jahren als vollziehbar.

    C.- S. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
das Urteil des Appellationsgerichts aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Das Appellationsgericht führt aus, die vom Strafgericht
ausgesprochene Landesverweisung von drei Jahren sei unverhältnismässig
und nicht mehr sinnvoll, weshalb von ihr abzusehen sei. Hingegen sei
zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer am 13. Oktober 1988
vom Strafgericht Basel-Stadt zu zwei Jahren Gefängnis sowie zu fünf
Jahren Landesverweisung verurteilt und ihm für letztere der bedingte
Vollzug bei einer Probezeit von zwei Jahren gewährt worden sei. Die
Wirksamkeit dieser Landesverweisung und dementsprechend auch ihre
Probezeit habe erst nach der Verbüssung der Freiheitsstrafe begonnen,
also zum Zeitpunkt der bedingten Entlassung des Beschwerdeführers aus dem
Strafvollzug am 15. Juli 1989. Dessen erneute Straftat vom 8. Dezember
1990 sei damit in die Probezeit gefallen. Folglich sei über den Vollzug
dieser Landesverweisung zu entscheiden; das Urteil des Strafgerichts sei
insoweit lückenhaft. Die Landesverweisung sei zwingend als vollziehbar
zu erklären, aufgrund des Verbots der reformatio in peius allerdings
nur im herabgesetzten Umfang von drei Jahren. Der Beschwerdeführer sei
damit im Ergebnis nicht schlechtergestellt, als wenn die vom Strafgericht
ausgesprochene Landesverweisung bestätigt worden wäre.

    b) Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei erst nach Ablauf der
Probezeit wieder straffällig geworden.

    aa) Gemäss Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB kann der Richter sowohl den
Vollzug einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als 18 Monaten als auch
jenen einer Landesverweisung aufschieben. Die Voraussetzungen dafür
sind bei beiden Sanktionen dieselben. Nach Art. 41 Ziff. 1 Abs. 3 StGB
bestimmt der Richter dem Verurteilten eine Probezeit von zwei bis fünf
Jahren. Er lässt die Sanktion unter anderem dann vollziehen, wenn der
Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen begeht
(Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB).

    bb) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung beginnt die Probezeit
mit der Eröffnung des Urteils zu laufen, das vollstreckbar wird. Denn mit
der Eröffnung spricht der Richter gegenüber dem Verurteilten die Erwartung
aus, dass er sich schon durch eine bedingt aufgeschobene Strafe werde
bessern lassen (BGE 109 IV 89 E. b; 104 IV 59 E. 2; 90 IV 241 ff.). Art. 41
StGB sieht keinen unterschiedlichen Beginn der Probezeit für die bedingte
Freiheitsstrafe und die bedingte Landesverweisung vor. Auch in Art. 55
StGB findet sich keine abweichende Regelung. Das Gesetz geht somit von
einem einheitlichen Beginn der Probezeit für die Freiheitsstrafe und die
Landesverweisung aus. Die Auffassung der Vorinstanz, für den Fall, dass
die Hauptstrafe unbedingt ausgesprochen werde, beginne die Wirksamkeit
der Landesverweisung und dementsprechend auch ihre Probezeit erst nach
der Verbüssung der Freiheitsstrafe, findet im Gesetz keine Grundlage. Zu
Unrecht beruft sich die Vorinstanz auf eine Äusserung STRATENWERTHS
(Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil II, S. 211). Dieser spricht sich
an der angegebenen Stelle nicht zur Frage des Beginns der Probezeit für
eine bedingt ausgesprochene Landesverweisung bei gleichzeitigem Vollzug
der Hauptstrafe aus, sondern zur Frage der Wirksamkeit der unbedingt
ausgesprochenen Landesverweisung (N 49).

    c) Die Verurteilung zu fünf Jahren Landesverweisung unter
Einräumung einer Probezeit von zwei Jahren stützt sich auf ein Urteil
des Strafgerichts, das am 13. Oktober 1988 eröffnet und in der Folge
vollstreckbar wurde. Die Probezeit von zwei Jahren war demnach zum
Zeitpunkt der erneuten Deliktsbegehung am 8. Dezember 1990 abgelaufen. Die
Nichtigkeitsbeschwerde ist somit begründet und gutzuheissen.