Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 II 87



118 II 87

18. Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Februar 1992 i.S. B. gegen I. und
Kantonsgericht Wallis (staatsrechtliche Beschwerde, Berufung) Regeste

    Art. 36a Abs. 2 OG. Rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des
Bundesgerichts.

    Steht aufgrund der bisherigen Prozessführung vor den kantonalen
Gerichten fest, dass die Anrufung des Bundesgerichts nur missbräuchlich
sein kann, wird auf solche Rechtsmittel ohne Prüfung der Vorbringen
nicht eingetreten. Missbrauch durch Prozessieren, das nicht den
Schutz berechtigter Interessen bezweckt, sondern ausschliesslich auf
Zeitgewinn abzielt und damit trölerisch und zugleich mutwillig im Sinne von
Art. 31 Abs. 2 OG ist (E. 4 und 5). Gemeinsame Behandlung verschiedener
Rechtsmittel in einem einzigen Entscheid (E. 3). Gegenstandslosigkeit
von Sicherstellungsbegehren des Rechtsmittelbeklagten (E. 2).

Auszug aus den Erwägungen:

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Im September 1988 kaufte Architekt B. von I. ein Haus in Saas-Fee,
leistete in der Folge Teilzahlungen an die noch offene Kaufpreisrestanz und
verpflichtete sich gegenüber dem Verkäufer in schriftlichen Vereinbarungen
vom April, Juni und August 1989 vorbehaltlos zur Zahlung der jeweiligen
Restschuld, die gemäss Vereinbarung vom August noch Fr. 235'000.--
betrug. Da dieser Betrag nicht einging, setzte ihn I. in Betreibung
und erhielt Anfang 1990 die provisorische Rechtsöffnung, worauf
B. beim Walliser Kantonsgericht gegen I. auf Aberkennung klagte und
Gegenforderungen über Fr. 235'000.-- für die Sanierung eines angeblich
"bald" nach dem Hauskauf festgestellten Mauerrisses zur Verrechnung
stellte. Nachdem drei Zeugen übereinstimmend bestätigt hatten, dass
es sich beim Mauerriss um eine blosse Prozessbehauptung handelte,
wies das Kantonsgericht die Aberkennungsklage am 9. Juli 1991 ab
und verpflichtete den Kläger zur Zahlung des ausstehenden Kaufpreises
nebst Zins. Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt der Kläger beim
Bundesgericht die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Urteils, mit Berufung
überdies die Gutheissung der Aberkennungsklage. Der Beklagte schliesst auf
Abweisung beider Rechtsmittel und ersucht gleichzeitig um Sicherstellung
der Parteientschädigung für beide Verfahren.

Erwägung 2

    2.- Weil dem Beklagten im Zeitpunkt seines Sicherstellungsgesuchs
sämtliche Parteikosten bereits entstanden waren, ist es als gegenstandslos
abzuschreiben (BGE 79 II 305 Nr. 51).

Erwägung 3

    3.- Die Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der
Bundesrechtspflege vom 4. Oktober 1991 ist am 15. Februar 1992 teilweise
in Kraft getreten (Verordnung vom 15. Januar 1992; AS 1992 S. 337). Zu
den neuen und mit sofortiger Wirkung auf alle beim Bundesgericht hängigen
Verfahren anzuwendenden Bestimmungen (Ziff. 3 Abs. 2 Schlussbestimmungen)
gehört auch Art. 36a OG. Im Gegensatz zur früheren Ordnung, die für
Berufungen und staatsrechtliche Beschwerden unterschiedliche Besetzungen
vorsah (Art. 60 und 92 aOG), genügt für das vereinfachte Verfahren
gemäss Art. 36a OG unbekümmert um das Rechtsmittel die Mitwirkung dreier
Richter. Das rechtfertigt es, über die beiden Rechtsmittel des Klägers
in einem einzigen Urteil zu befinden, zumal auch die Begründung des
Rechtsmittelentscheids bei beiden gleich lautet.

Erwägung 4

    4.- Gemäss Art. 36a Abs. 2 OG sind Rechtsmittel und Klagen, die auf
querulatorischer oder rechtsmissbräuchlicher Prozessführung beruhen,
unzulässig. Diese neue Vorschrift soll es dem Bundesgericht ermöglichen,
bei Einstimmigkeit ohne öffentliche Beratung und mit summarischer
Begründung auf Rechtsmittel und Klagen wegen querulatorischer oder
anderer rechtsmissbräuchlicher Prozessführung nicht einzutreten (Botschaft
betreffend die Änderung des OG vom 18. März 1991, BBl 1991 S. 465 ff.,
488, 521). Dabei ist die Anwendung dieser Bestimmung nicht auf Fälle
beschränkt, in denen die Justiz durch eine Vielzahl von aussichtslosen
Eingaben ein und derselben Person geradezu blockiert wird (BGE 111 Ia 148
Nr. 26). Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Entlastung des Bundesgerichts
von Fällen querulatorischer, mutwilliger, trölerischer oder sonstwie
rechtsmissbräuchlicher Prozessführung (so schon Botschaft betreffend die
Änderung des OG vom 29. Mai 1985, BBl 1985 S. 737 ff., 752 f., 760 f.,
873) bliebe sonst toter Buchstabe. Die missbräuchliche Inanspruchnahme
der Justiz kann sich nämlich auch auf andere Weise offenbaren als in
einer Vielzahl von Eingaben, die in einem krassen Missverhältnis zu den
Interessen stehen. So kann bereits das im kantonalen Verfahren an den Tag
gelegte Verhalten zeigen, dass die Anrufung des Bundesgerichts nicht auf
den Schutz berechtigter Interessen abzielt, sondern ausschliesslich andere
und damit missbräuchliche Zwecke verfolgt wie namentlich den Zeitgewinn
durch trölerisches Prozessieren (POUDRET, N. 5 zu Art. 36a OG, S. 304 f.).

    Dass der Kläger mit seinen Rechtsmitteln einzig bezweckt, den Abschluss
eines aussichtslosen Aberkennungsprozesses und damit die Vollstreckung
der Restforderung des Beklagten hinauszuzögern, steht aufgrund seines
Prozessverhaltens im kantonalen Verfahren ausser Zweifel. Zwar klagte
er rechtzeitig innert zehn Tagen seit der provisorischen Rechtsöffnung
(Art. 83 Abs. 2 SchKG) auf Aberkennung; indessen musste er zur Verbesserung
seiner unzureichenden Klageschrift aufgefordert werden und kam dieser
Aufforderung am 12. März 1990 auch nach. Trotz gehöriger Vorladung erschien
er an der Vorverhandlung vom 26. Juni nicht und leistete erst der unter
Androhung eines Säumnisurteils ergangenen Vorladung auf den 13. September
Folge. Unter diesem Datum beantragte er eine technische Expertise über
den auf den angeblichen Mauerriss zurückzuführenden Minderwert, blieb aber
unentschuldigt sowohl der Beweisaufnahmesitzung mit Zeugeneinvernahmen vom
29. November wie auch derjenigen vom 20. Dezember fern, worauf der Richter
die beantragte Expertise ablehnte. Abwesend und auch nicht vertreten war
der Kläger schliesslich an der Schlussverhandlung des Kantonsgerichts
vom 4. Juni 1991.

    Weil angesichts dieser auf systematische Obstruktion angelegten
Prozessführung auch die angestrebte Weiterführung des Verfahrens vor
Bundesgericht nur rechtsmissbräuchlich sein kann, ist aufgrund von Art. 36a
Abs. 2 OG auf Beschwerde und Berufung nicht einzutreten. Für diesen
Entscheid hat das Bundesgericht die Beschwerde- und Berufungsvorbringen
nicht einmal summarisch zu prüfen (POUDRET, aaO, S. 305). Denn im Gegensatz
zu BGE 111 Ia 148 Nr. 26 wird für die Missbräuchlichkeit nicht auf Eingaben
in anderen Verfahren und damit nicht auf ein Indiz abgestellt, das zwar
gegen ein berechtigtes Interesse in einem konkret zu beurteilenden neuen
Verfahren spricht, es aber nicht zwingend ausschliesst. Vorliegend ist
vielmehr entscheidend, dass auch eine Gutheissung der Rechtsmittel nichts
anderes zur Folge hätte als eine weitere Verzögerung des vom Kläger nur
zu diesem Zweck geführten Aberkennungsprozesses.

Erwägung 5

    5.- Seine Rechtsmittel sind als krasser Verstoss gegen Treu und
Glauben auch mutwillig im Sinne von Art. 31 Abs. 2 OG (POUDRET, aaO).
Der rechtskundige Vertreter des Klägers wird hiermit verwarnt und hat eine
Ordnungsbusse zu gewärtigen, wenn er das Bundesgericht erneut mutwillig
anrufen sollte.

Entscheid:

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

    2. Auf die staatsrechtliche Beschwerde und auf die Berufung wird
nicht eingetreten.

    3. Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren von Fr. 3'500.--
und die Gerichtsgebühr für das Berufungsverfahren von Fr. 4'500.-- werden
dem Beschwerdeführer/Aberkennungskläger auferlegt.

    4. Der Beschwerdeführer/Aberkennungskläger hat den
Beschwerdegegner/Aberkennungsbeklagten für das Beschwerdeverfahren mit Fr.
4'000.-- und für das Berufungsverfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen.