Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 II 514



118 II 514

97. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Dezember 1992 i.S.
S. gegen H. und S. (Berufung) Regeste

    Abtretung eines Erbanteils (Art. 635 Abs. 1 ZGB); anwendbares Recht.

    Grundsätzlich ist für die Gesamtheit des Nachlasses an das Erbstatut
anzuknüpfen. Daraus folgt, dass die Erbteilung und damit auch die Abtretung
eines Erbanteils sich nach dem Erbstatut zu richten haben. Das gilt auch
für die Form des Abtretungsvertrages. Diese bestimmt sich daher nach dem
Recht, das die Erbfolge als solche beherrscht, und nicht nach dem Recht
des Abschlussortes des Vertrages.

Sachverhalt

    A.- Die am 25. Juli 1982 verstorbene Maria F. hinterliess als
gesetzliche Erben vier Geschwister, nämlich Josef S., geb. 1898, Ludovika
S., geb. 1906, Adele H., geb. 1907, und Robert S. sen., geb. 1909. Der
Letztgenannte teilte seinen drei Geschwistern in einem Schreiben vom
3. August 1982 mit, dass er zu ihren Gunsten auf seinen Anteil an der
Erbschaft von Maria F. verzichte. Nachdem auch Josef S. am 31. Januar 1985
gestorben war, widerrief Robert S. am 12. Mai 1985 seine Verzichterklärung
mit der Begründung, die Verhältnisse hätten sich grundlegend verändert. An
diesem Widerruf hielt er in der Folge fest und machte geltend, er sei
seinerzeit unter Ausnützung seines schlechten Gesundheitszustandes zur
Unterzeichnung der Verzichterklärung gedrängt worden.

    Die Erben von Maria F. schlossen am 5. November 1985 im Hinblick auf
den Ehe- und Erbvertrag zwischen der Erblasserin und ihrem am 29. Juli
1970 verstorbenen Ehemann mit den Erben F. eine Vereinbarung, wonach
diesen ein Betrag von Fr. 53'264.25 ausgerichtet wurde.

    B.- Am 28. Juli 1986 verstarb auch Robert S. sen. und hinterliess als
einzigen Erben Robert S. jun., der nun seinerseits Anspruch auf den Anteil
seines Vaters an der Erbschaft von Maria F. erhob. Das Erbteilungsamt
bezeichnete im Teilungsvertrag vom 6. Februar 1987 den Erbverzicht von
Robert S. sen. als gültig und liess Robert S. jun. als Miterben ausser
Betracht. Es verteilte demgemäss den Nachlass von Maria F. auf ihre beiden
noch lebenden Schwestern.

    Robert S. jun. erhob daraufhin am 25. März 1988 Klage gemäss Art. 598
Abs. 1 ZGB, der sich Ludovika S. und Adele H. widersetzten. Mit Urteil vom
11. Juli 1990 hiess das Kantonsgericht die Klage gut und verpflichtete
die beiden Beklagten, dem Kläger je Fr. 16'980.85 nebst Zins zu 5% seit
4. September 1987 zu bezahlen, unter Abzug allenfalls neu anfallender
Erbschaftssteuern.

    Dieses Urteil zogen die Beklagten an das Obergericht weiter, welches
die Berufung am 14. Januar 1992 guthiess und die Klage abwies.

    C.- Der Kläger legt beim Bundesgericht Berufung ein mit dem Begehren,
das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und in Bestätigung des
Urteils des Kantonsgerichts seien die Beklagten zu verpflichten, ihm
je Fr. 16'980.85 nebst Zins zu 5% seit 4. September 1987 zu bezahlen,
unter Abzug allenfalls neu anfallender Erbschaftssteuern.

    Die Beklagten und das Obergericht beantragen die Abweisung der
Berufung.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das angefochtene
Urteil.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Nach Art. 196 Abs. 1 IPRG (SR 291), welche Vorschrift
gemäss Art. 198 IPRG die Frage des anwendbaren Rechts vorliegend regelt
(vgl. BGE 118 II 471 ff.; F. KNÖPFLER/PH. SCHWEIZER, Précis de droit
international privé suisse, Bern 1990, S. 243 N 791), beurteilen sich
die rechtlichen Wirkungen von Sachverhalten oder Rechtsvorgängen, die vor
Inkrafttreten des IPRG entstanden und abgeschlossen sind, nach bisherigem
Recht. Die im Erbgang der Maria F. erfolgte Verzichterklärung wie auch
deren Widerruf ergingen vor Erlass des IPRG. Da die Auswirkungen dieses
Erbverzichts an und für sich von dauerhafter Natur sind, kann nicht von
einem abgeschlossenen Rechtsvorgang ausgegangen werden. Hingegen ist
für die Frage nach der Formgültigkeit dieses Verzichts der Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses und damit der 3. August 1982 massgebend. Ob in dieser
Hinsicht deutsches oder schweizerisches Recht anzuwenden sei, beurteilt
sich demzufolge nach den damals geltenden Vorschriften des NAG sowie der
unter der Herrschaft dieses Gesetzes geltenden Rechtsgrundsätze.

    b) Dass gemäss dem Grundsatz der Nichtrückwirkung die Bestimmungen des
IPRG nicht zur Anwendung gelangen, ist denn auch nicht umstritten. Streitig
ist nur, ob - wie dies der Kläger will - hinsichtlich der Form der
Verzichterklärung resp. des Abtretungsvertrags vom 3. August 1982 in
analoger Anwendung von Art. 124 Abs. 3 IPRG auf das deutsche Recht
abgestellt werden muss, weil der Vater des Klägers jene Erklärung an
seinem Wohnsitz in Deutschland abgegeben und unterzeichnet hat, oder
ob diese Frage der Form der Abtretung sich nach dem Erbstatut und somit
unbestrittenermassen nach schweizerischem Recht (Art. 2 Abs. 1 und Art. 22
NAG) bestimmt, wie das Obergericht meint.

    c) Die Frage, nach welchem Recht sich die Gültigkeit eines Vertrags
über die Abtretung von Erbanteilen gemäss Art. 635 Abs. 1 ZGB beurteilt,
beantwortete das NAG nicht. Lediglich bezüglich der Form von letztwilligen
Verfügungen, Erbverträgen oder Schenkungen auf den Todesfall enthielt
Art. 24 NAG drei Anknüpfungsmöglichkeiten, nämlich entweder das Recht des
Errichtungsortes oder dasjenige des Wohnsitzes zur Zeit der Errichtung des
Aktes oder aber das Recht der Heimat des Erblassers. Daraus lässt sich
für den vorliegenden Fall nichts unmittelbar herleiten. Das Obergericht
hat sich nun aber auf BGE 99 II 21 ff. berufen, wo festgehalten wird,
dass die Abtretung eines angefallenen Erbanteils an einen Miterben dem
Erbstatut unterstehe. Das bedeutet, dass auf solche Verträge dasjenige
Recht anzuwenden ist, das die gesamte Erbfolge beherrscht. Nur das
Erbstatut könne darüber befinden - wie das Bundesgericht in BGE 99
II 24 E. 3a ausführte -, ob die Zession eines Erbteils zulässig sei
und welche Rechte sie dem Erwerber am Nachlass verschaffe. Offen
liess das Bundesgericht allerdings die Frage, ob für die Form eines
Abtretungsvertrags allenfalls das Recht des Abschlussortes massgebend sei
(BGE 99 II 27 E. e). Wäre dies der Fall, so erwiese sich die Abtretung des
Erbanteils, die nur in einfacher Schriftform erfolgt ist, nach deutschem
Recht als ungültig. Denn § 2033 BGB schreibt als Gültigkeitserfordernis
die notarielle Beurkundung vor, währenddem Art. 635 Abs. 1 ZGB - wie
bereits erwähnt - lediglich einfache Schriftlichkeit verlangt, wobei die
Unterschrift des Abtretenden hier genügt, nachdem der Nachlass ausreichend
Aktiven enthält (BGE 101 II 230 E. c).

    d) Das Obergericht lehnte die Auffassung des Kantonsgerichts,
wonach deutsches Recht anwendbar sei, weil die vertragstypische Leistung
am Wohnsitz des Abtretenden erbracht worden sei, mit der Begründung
ab, dass die typisch mögliche Leistung des Vertrags nicht der einzige
Anknüpfungspunkt für die Rechtsanwendung sei. Nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung unterstehe die Abtretung eines angefallenen Erbanteils an
einen Miterben dem Erbstatut, und auch nach schweizerischem internationalen
Privatrecht seien solche Verträge nach erbrechtlichen Gesichtspunkten
anzuknüpfen. Auf die Abtretung eines Erbanteils sei daher dasjenige
Recht anzuwenden, das die Erbfolge als solche beherrsche. Wohne nun
ein Erbe, der seinen Erbanteil an seine Miterben abtrete, nicht in
dem Land, in welchem sich der Erbgang abwickle, könne dieser Vertrag
nicht isoliert betrachtet werden, sondern es erscheine die räumliche
Verknüpfung des Rechtsverhältnisses mit dem Recht am Orte des Erbganges
als naheliegend. Das Obergericht verneint demzufolge die in BGE 99 II 27
noch offen gelassene Frage, ob sich der Erbe, der seinen Erbanteil abtritt,
hinsichtlich der Form des Rechtsgeschäfts auf das Recht des Abschlussortes
berufen könne. Unter die "Eröffnung der Erbschaft" im Sinne von Art. 23
NAG, die stets für die Gesamtheit des Vermögens am letzten Wohnsitz des
Erblassers erfolge, falle die Gesamtheit der Massnahmen, die der Sicherung
des Nachlasses und dem Vollzug der Erbfolge dienten (BGE 81 II 326). Zu den
Vorschriften über den Erbgang zählten auch diejenigen über die Teilung,
wozu auch Art. 635 Abs. 1 ZGB über Verträge unter den Miterben über die
Abtretung von Erbanteilen gehöre. Schweizerisches Recht sei somit nicht
nur für die Frage, ob eine Abtretung zulässig sei und welche Rechte
am Nachlass sie dem Erwerber verschaffe, sondern auch für die Form des
Abtretungsvertrags massgebend.

    e) Das Obergericht beruft sich für seine Auffassung auf die von ihm
zitierte Lehre. Die angeführten Literaturstellen befassen sich jedoch
lediglich mit dem sogenannten Eröffnungsstatut. VISCHER (Internationales
Privatrecht, in Schweizerisches Privatrecht, Bd. I, S. 642) weist darauf
hin, dass neben dem allgemeinen Erbstatut das sogenannte Eröffnungsstatut
stehe, das sich immer am letzten Wohnsitz des Erblassers befinde (Art. 23
NAG). Bei der Eröffnung eines Erbganges geht es indessen in erster Linie
um die Sicherung und Feststellung der Erbmasse, darüber hinaus aber auch
um die Gesamtheit der Massregeln, welche die Sicherung des Erbganges
und den Vollzug der Erbfolge zum Zwecke haben, d.h. um die gesamte
formelle Nachlassbehandlung, somit um all das, was das ZGB unter Erbgang
versteht (VISCHER, aaO, S. 643; ANLIKER, Die erbrechtlichen Verhältnisse
der Schweizer im Ausland und der Ausländer in der Schweiz, Aarau 1933,
S. 226; BGE 81 II 326).

    Im vorliegenden Fall geht es nun aber nicht um die Eröffnung eines
Erbganges. Das Obergericht geht deshalb etwas weit, wenn es mit seiner
Berufung auf das Eröffnungsstatut dartun will, dass diese Anknüpfung auch
die Form eines Abtretungsvertrags erfasse. Art. 635 Abs. 1 ZGB betrifft
nicht mehr die Eröffnung einer Erbschaft und berührt auch nicht die
Stellung der Erben vor der Teilung (vgl. VISCHER, aaO, S. 643 E. 2),
sondern ist Teil der Vorschriften über den Abschluss und die Wirkungen
der Teilung. Indessen ist zu beachten, dass nach einhelliger Lehre
grundsätzlich für die Gesamtheit des Nachlasses einheitlich an das
Erbstatut angeknüpft werden soll (VISCHER, aaO, S. 639; SCHNITZER,
Handbuch des internationalen Privatrechts, Bd. II, 4. Aufl., S.
547). Damit wird dem Grundsatz Rechnung getragen, dass jede Erbschaft
eine ideelle und systematische Einheit darstellt (VISCHER, aaO, S. 639
unten) und dass innerhalb dieses einheitlichen Systems die einzelnen
Massnahmen, Verfügungen und Verträge materiell und mit Bezug auf die
Form den Regeln des massgebenden Erbstatuts unterstellt sein sollen,
weshalb allgemein - nicht nur bezüglich Zulässigkeit und Wirkungen -
an dieses anzuknüpfen sei. Wenn demnach die Erbteilung und insbesondere
die Zulässigkeit und Wirkung der Abtretung eines Erbanteils nach dem
Erbstatut zu beurteilen sind (SCHNITZER, aaO, S. 547/548; ANLIKER, aaO,
S. 234), ist (entgegen der nicht näher begründeten Auffassung von ANLIKER,
aaO) nicht einzusehen, weshalb die Form des Teilungsvertrages und damit
auch des Abtretungsvertrages nach Art. 635 ZGB, der ja als partielle
Teilung verstanden wird, nicht ebenfalls an das Erbstatut anzuknüpfen,
sondern nach dem Recht des Errichtungsortes zu bestimmen sei. Anders
als bei handelsrechtlichen Verträgen entsteht der den Gegenstand des
Abtretungsvertrages gemäss Art. 635 Abs. 1 ZGB bildende Erbanspruch am
letzten Wohnsitz des Erblassers. Es ist weder praktisch noch sinnvoll,
zwar internationalprivatrechtlich die Zulässigkeit einer solchen Abtretung
dem Recht an diesem Ort zu unterstellen, dann aber die Form dieser Zession
an das allgemeine Vertragsstatut anzuknüpfen. Es drängt sich vielmehr auf,
dem Zweck und praktischen Erfordernissen entsprechend auch die Form der
Erbabtretung dem Erbstatut zu unterstellen. Damit ist im Ergebnis der
Auffassung des Obergerichts zu folgen.

Erwägung 4

    4.- Dieser Betrachtungsweise hält der Kläger indessen entgegen,
der partielle Teilungsvertrag sei ein obligationenrechtlicher Vertrag
nach Art. 181 OR. Die Form eines solchen Vertrags unterstehe dem Recht
des Abschlussortes, weshalb sinngemäss Art. 124 Abs. 3 IPRG anzuwenden
und diese Bestimmung insbesondere deshalb bedeutsam sei, weil die (im
vorliegenden Fall deutschen) Formvorschriften ihren Zweck im Schutze
der Parteien hätten. Sinn der deutschen Vorschrift der notariellen
Beurkundung sei offensichtlich die Vermeidung voreiliger (unentgeltlicher)
Veräusserungen von Erbanteilen an Miterben.

    Es trifft zu, dass im Vertrag über die Abtretung angefallener
Erbanteile schuldrechtliche Elemente enthalten sind (ESCHER, N 3 und 6,
Vorbem. zu Art. 635 ZGB; TUOR/PICENONI, N 1 und 6 zu Art. 635 ZGB);
jedoch überwiegt der erbrechtliche Charakter, vor allem, soweit Erben
Anteile an Miterben abtreten. Es werden nicht einzelne Gegenstände
veräussert, sondern im Grunde das subjektive Erbrecht des Abtretenden
als solches im Umfange des anfallenden (ideellen) Teils (vgl. ESCHER,
N 3 und 14 zu Art. 635 ZGB; TUOR/PICENONI, N 13, 16 und 20 zu Art. 635
ZGB), und die Abtretung erfolgt im Rahmen des Abschlusses eines
Erbganges. Das spricht für die Anknüpfung an das Erbstatut insgesamt.
Internationalprivatrechtlich fällt zudem ins Gewicht, dass im Gegensatz zu
anderen obligationenrechtlichen Verträgen eine Rechtswahl ausgeschlossen
ist (vgl. Art. 116 IPRG; VISCHER/VON PLANTA, Internationales Privatrecht,
S. 189), nachdem Zulässigkeit und Wirkung eines Abtretungsvertrags im Sinne
von Art. 635 Abs. 1 ZGB nach dem hier massgebenden alten - wie neuen -
Recht an das Erbstatut anknüpfen. Nach Art. 124 Abs. 1 IPRG, welche
Bestimmung der Kläger sinngemäss angewendet wissen will, ist bezüglich
der Form des Vertrags erstes Anknüpfungskriterium das auf den Vertrag
insgesamt anwendbare Recht. Gemäss Art. 124 Abs. 3 IPRG richtet sich die
Formgültigkeit unter der Voraussetzung ausschliesslich nach dem auf den
Vertrag anwendbaren Recht, dass dieses die Beachtung einer Form zum Schutze
einer Partei vorschreibt. Diese Bestimmung steht, wäre sie hier überhaupt
anzuwenden, in Übereinstimmung mit schweizerischem materiellem Recht;
denn auch Art. 635 Abs. 1 ZGB sieht nicht nur aus Beweisgründen, sondern
ebenfalls zum Schutze der Vertragsparteien eine bestimmte Form, wenn auch
nur die einfache Schriftlichkeit, als Gültigkeitserfordernis vor. Dass
Art. 124 Abs. 3 IPRG stets jenes Recht, das die strengere Formvorschrift
enthält, als anwendbar erklären will, ergibt sich allein aus dem Wortlaut
der Bestimmung nicht und wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht.