Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 II 50



118 II 50

11. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Januar 1992
i.S. Pepo C. gegen Hans und Cécile S. (Berufung) Regeste

    Art. 261 Abs. 2 lit. a, 271a Abs. 3 lit. a, 274d Abs. 3 OR; Mietrecht;
Untersuchungsgrundsatz; dringender Eigenbedarf.

    1. Bedeutung des Untersuchungsgrundsatzes im kantonalen
Rechtsmittelverfahren (E. 2a).

    2. Dringender Eigenbedarf, bei dessen Vorliegen die
Kündigungssperrfrist nicht gilt, setzt keine Wohnungsnot des
Vermieters voraus, sondern kann auch dann gegeben sein, wenn es ihm
aus wirtschaftlichen Gründen nicht zuzumuten ist, auf die Benutzung der
vermieteten Wohnung zu verzichten (E. 3 und 4).

Sachverhalt

    A.- Pepo C. ist seit 1971 Mieter einer 3 1/2-Zimmerwohnung.  Im
Frühjahr 1990 fand im Anschluss an die Ankündigung einer Mietzinserhöhung
zwischen ihm und seiner damaligen Vermieterin vor der Schlichtungsstelle
ein Verfahren statt, dessen Scheitern mit Verfügung vom 5. April 1990
festgestellt wurde. Die Vermieterin verzichtete auf die Anrufung des
Richters, was gemäss der damals geltenden Vorschrift von Art. 28 Abs. 3
BMM eine zweijährige Kündigungssperre nach sich zog.

    Mit Kaufvertrag vom 30. Mai 1990 und Grundbucheintrag vom 13. Juni 1990
erwarben die Eheleute Hans und Cécile S. die von C. gemietete Wohnung. Sie
kündigten den Mietvertrag am 4. Juni 1990 auf den 30. September 1990 und
am 16. Juli 1990 vorsorglich ein zweites Mal auf den 31. März 1991. Auf
Begehren des Mieters stellte die Schlichtungsstelle am 18. September 1990
die Ungültigkeit beider Kündigungen fest.

    Das Ehepaar S. reichte darauf beim Einzelrichter im summarischen
Verfahren beim Kantonsgerichtspräsidium Zug gegen C. Klage ein. Der
Einzelrichter stellte mit Entscheid vom 19. März 1991 die Nichtigkeit der
ersten Kündigung fest, erklärte dagegen die zweite Kündigung vom 16. Juli
1990 für gültig, erstreckte das Mietverhältnis indessen um ein Jahr
bis zum 31. März 1992 und erhöhte den bisherigen Mietzins für die Dauer
der Erstreckung um Fr. 370.-- auf Fr. 1'000.-- pro Monat. Gegen diesen
Entscheid reichte der Beklagte bei der Justizkommission des Obergerichts
Zug Beschwerde ein mit den Anträgen, auch die zweite Kündigung vom
16. Juli 1990 für ungültig zu erklären, eventuell das Mietverhältnis
um achtzehn Monate zu erstrecken. Mit Urteil vom 27. Juni 1991 wies die
Justizkommission die Beschwerde ab, soweit sie darauf eintrat.

    Der Beklagte hat gegen das Urteil der Justizkommission Berufung
eingelegt, die vom Bundesgericht abgewiesen wird.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Der Beklagte wirft der Justizkommission eine Verletzung von
Art. 274d Abs. 3 OR vor, weil sie nicht von sich aus abgeklärt habe,
ob das von den Klägern behauptete Interesse an der Selbstnutzung der
Wohnung tatsächlich bestehe.

    Gemäss Art. 274d Abs. 3 OR hat der Richter den Sachverhalt von
Amtes wegen festzustellen; die Parteien müssen ihm jedoch alle für
die Beurteilung des Streitfalles notwendigen Unterlagen einreichen. Im
vorliegenden Fall braucht nicht entschieden zu werden, welche Bedeutung
dieser Regel im erstinstanzlichen kantonalen Verfahren zukommt. Im
Rechtsmittelverfahren führt sie jedenfalls nicht dazu, dass jede vom
kantonalen Recht festgesetzte Beschränkung des Untersuchungsgrundsatzes
unbeachtlich wird.

    Die Kantone sind insbesondere frei, die Kognition der zweiten Instanz
beispielsweise durch eine Novenverbot zu beschränken (vgl. BGE 107 II 237
E. 3 zu Art. 343 Abs. 4 OR). Art. 274 OR behält denn auch die Prozesshoheit
der Kantone ausdrücklich vor.

    Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht entnehmen, dass der Beklagte
im Verfahren vor der Justizkommission gerügt hat, der Sachverhalt
sei hinsichtlich des behaupteten Eigenbedarfs der Kläger ungenügend
abgeklärt worden. Wie die Justizkommission indessen festhält, muss die
kantonale Beschwerde gemäss § 210 Abs. 1 ZPO/ZG begründet werden, wobei
blosse Verweisungen auf Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren nicht
ausreichen. Dieses Rügeprinzip hält vor Art. 274d Abs. 3 OR stand, da
es als Voraussetzung eines geordnet ablaufenden Rechtsmittelverfahrens
unerlässlich ist. Die Justizkommission war deshalb von Bundesrechts wegen
nicht verpflichtet, von sich aus - d.h. ohne entsprechende Rüge - den
vom Einzelrichter festgestellten Sachverhalt zu überprüfen. Der Beklagte
macht im übrigen nicht geltend, die Justizkommission habe von ihm im
kantonalen Beschwerdeverfahren gültig vorgebrachte Tatsachenbehauptungen
übergangen oder übersehen, weshalb der Sachverhalt gemäss Art. 64 OG
zu ergänzen sei (vgl. BGE 115 II 485 E. 2a). Aus der Beschwerdeschrift
vom 1. April 1991 ergibt sich denn auch, dass der Beklagte zur Frage des
Eigenbedarfs lediglich geltend gemacht hatte, die Kläger könnten sich
wegen Verwirkung und Rechtsmissbrauchs nicht darauf berufen. Auf diese
beiden Einwände ist die Justizkommission jedoch eingetreten.

Erwägung 3

    3.- Gemäss Art. 271a Abs. 3 lit. a OR steht die Sperrfrist,
die im Anschluss an das Schlichtungsverfahren gilt, der Kündigung des
Vermieters dann nicht entgegen, wenn diese wegen dringenden Eigenbedarfs
des Vermieters selbst oder naher Verwandter oder Verschwägerter
erfolgt. Unbestritten ist, dass die Kläger als Käufer der vermieteten
Wohnung in das bestehende Mietverhältnis eingetreten sind, es aber
unterlassen haben, den Mietvertrag gemäss Art. 261 Abs. 2 lit. a OR auf
den nächsten gesetzlichen Termin zu kündigen. Ebenfalls unangefochten
ist sodann die Auffassung der Justizkommission, dass die von den Klägern
am 16. Juli 1990 ausgesprochene Kündigung in den Anwendungsbereich von
Art. 271a Abs. 3 lit. a OR fällt. Streitig ist dagegen die Auslegung des
Begriffs des dringenden Eigenbedarfs im Sinne dieser Vorschrift. Während
dem angefochtenen Urteil die Ansicht zugrunde liegt, der dringende
Eigenbedarf sei auch dann gegeben, wenn der Vermieter ausschliesslich
wirtschaftliche Gründe für eine Selbstnutzung nachweisen könne, wird
mit der Berufung sinngemäss geltend gemacht, für die Annahme dringenden
Eigenbedarfs sei es unerlässlich, dass beim Vermieter eine mit seinen
Wohnverhältnissen zusammenhängende Zwangslage bestehe.

    a) Der Begriff des dringenden Eigenbedarfs findet sich im
geltenden Recht nicht nur in Art. 271a Abs. 3 lit. a OR, sondern
auch in Art. 261 Abs. 2 lit. a und Art. 272 Abs. 2 lit. d OR. Gemäss
dieser letzteren Bestimmung ist bei der Beurteilung des Gesuchs um
Erstreckung des Mietverhältnisses eine Interessenabwägung vorzunehmen,
wobei insbesondere ein allfälliger Eigenbedarf des Vermieters und dessen
Dringlichkeit zu berücksichtigen ist. Nach Art. 261 Abs. 2 lit. a OR
kann der neue Eigentümer einer vermieteten Wohnung das Mietverhältnis
mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen,
wenn er einen dringenden Eigenbedarf geltend macht.

    Da gleiche Gesetzesbegriffe grundsätzlich gleich auszulegen sind
(vgl. BGE 104 Ib 272), ist zu prüfen, welche Bedeutung dem Begriff des
dringenden Eigenbedarfs in allen drei erwähnten Gesetzesvorschriften
zukommt. Dabei ist in erster Linie auf die Entstehungsgeschichte
abzustellen, da die Revision des Mietrechtes erst kurze Zeit
zurückliegt. Das gilt umso mehr, als sich zudem zeigen wird, dass aus
den parlamentarischen Beratungen klar hervorgeht, warum und in welchen
Punkten der Gesetzgeber die vorher geltende gesetzliche Ordnung ändern
wollte (vgl. BGE 113 II 355 E. 2a).

    b) Im früheren Recht fehlte der Begriff des dringenden
Eigenbedarfs. Erwähnt war lediglich der Eigenbedarf des Vermieters,
der gemäss Art. 267c lit. c aOR eine Erstreckung des Mietverhältnisses
ausschloss. Eine Einschränkung dieses Ausschlussgrundes durch das
zusätzliche Erfordernis der Dringlichkeit wurde vom Bundesgericht
abgelehnt (BGE 99 II 52/3). Im Entwurf des Bundesrates zur Revision der
mietrechtlichen Bestimmungen des Obligationenrechts (BBl 1985 I 1410
ff.) wurde der Begriff des Eigenbedarfs - wie nach früherem Recht - nur
bei der Erstreckung des Mietverhältnisses erwähnt. Gemäss Art. 272 Abs. 2
lit. d des Entwurfs bildete der Eigenbedarf des Vermieters aber nicht mehr
einen absoluten Ausschlussgrund der Erstreckung, sondern einen von mehreren
Umständen, die bei der Abwägung der Parteiinteressen berücksichtigt werden
müssen. Mit der zusätzlichen Erwähnung der Dringlichkeit des Eigenbedarfs
sollte die Relativierung des Ausschlussgrundes gekennzeichnet und zudem
festgehalten werden, dass die Dringlichkeit bei der Festlegung der
Erstreckungsdauer eine Rolle spielt. Schliesslich sollte die Neuerung
nach Auffassung des Bundesrates verhindern, dass sich der Vermieter
auf einen nicht bestehenden Eigenbedarf beruft und damit den Schutz des
Mieters illusorisch macht (BBl 1985 I 1461/2).

    c) Wie sodann aus den parlamentarischen Beratungen zu den heute
geltenden Fassungen von Art. 261 Abs. 2 lit. a und Art. 271a Abs. 3
OR hervorgeht, wurde der Eigenbedarf des Vermieters als Grund für die
vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses anerkannt. Nur der bloss
vorgetäuschten und damit rechtsmissbräuchlichen Berufung darauf sollte ein
Riegel geschoben werden (Amtl.Bull. 1988 SR S. 176: Voten Piller und BR
Kopp; Amtl.Bull. 1989 NR S. 539: Votum Gysin). Den Beratungen lässt sich
ausserdem entnehmen, dass das legitime Nutzungsbedürfnis des Eigentümers
grundsätzlich den Vorrang vor den Interessen des Mieters haben soll
(Amtl. Bull. 1988 SR S. 176: Votum Affolter; Amtl.Bull. 1989 NR S. 504:
Votum Leuba; Amtl.Bull. 1989 NR S. 539: Votum Gysin; Amtl.Bull. 1989
NR S. 549: Votum Leuenberger). Dieses Interesse des Eigentümers wurde
durch den Begriff des dringenden Eigenbedarfs genauer umschrieben.
Darunter wurde ein unmittelbarer, tatsächlicher und aktueller Bedarf
verstanden (Amtl.Bull. 1989 NR S. 539: Votum Gysin; Amtl.Bull. 1989 SR
S. 425: Votum BR Koller). Ein solcher Bedarf ist dann gegeben, wenn bei
objektiver Würdigung der Umstände ein Zuwarten mit der Selbstnutzung für
den Vermieter als nicht zumutbar erscheint. Ein bloss zukünftig möglicher
Bedarf genügt deshalb nicht (Amtl.Bull. 1989 SR S. 424: Votum Piller;
Amtl. Bull. 1989 SR S. 425: Votum BR Koller). Schliesslich wurde darauf
hingewiesen, dass eine Kündigung gemäss Art. 271a Abs. 3 lit. a OR
die Erstreckung des Mietverhältnisses nicht ausschliesse, weil in einem
solchen Fall das Interesse des Mieters an der Erstreckung und jenes des
Vermieters am Eigenbedarf gegenseitig abzuwägen seien (Amtl.Bull. 1989
NR S. 539: Votum Gysin).

    d) Der dringende Eigenbedarf im Sinne von Art. 261 Abs. 2 lit. a und
Art. 271a Abs. 3 lit. a OR setzt somit nicht eine Zwangs- oder gar Notlage
des Vermieters voraus, die ausschliesslich auf seine Wohnverhältnisse
zurückzuführen ist. Ein solcher Eigenbedarf ist vielmehr immer dann
gegeben, wenn es dem Vermieter aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen
nicht zuzumuten ist, auf die Benutzung der vermieteten Wohnung oder
des Hauses zu verzichten. Beim Entscheid über diese Frage sind alle
erheblichen Umstände des Einzelfalles zu würdigen. Zu berücksichtigen
ist ausserdem, dass das Erfordernis der Dringlichkeit nicht nur zeitlich,
sondern auch sachlich zu verstehen ist. Es müssen deshalb Gründe vorliegen,
denen auch nach objektiver Beurteilung eine gewisse Bedeutung zukommt. Kein
dringender Eigenbedarf ist zum Beispiel dann gegeben, wenn ein naher
Verwandter des Eigentümers nur darum in die Wohnung einziehen will,
weil sie im Vergleich zu seiner bisherigen Wohnung etwas mehr Sonne oder
Aussicht bietet (Amtl.Bull. 1989 SR S. 424: Votum Piller).

Erwägung 4

    4.- Aufgrund der Feststellungen im kantonalen Verfahren steht in
tatsächlicher Hinsicht fest, dass die Kläger die dem Beklagten vermietete
Eigentumswohnung für Fr. 326'000.-- gekauft haben und für die Verzinsung
des Fremdkapitals über Fr. 1'600.-- im Monat aufbringen müssen. Sie
erzielen aus Erwerbstätigkeit zusammen ein monatliches Nettoeinkommen von
Fr. 5'480.-- und bezahlen für ihre jetzige Wohnung Fr. 1'780.-- Mietzins
im Monat. Der Beklagte bezahlte ihnen seinerseits - wie bereits erwähnt -
bis zum Entscheid des Einzelrichters vom 19. März 1991 Fr. 630.-- Mietzins
im Monat.

    Unter diesen Umständen einen dringenden Eigenbedarf im Sinne
von Art. 271a Abs. 3 lit. a OR zu bejahen, verstösst nicht gegen
Bundesrecht. Wie ALFRED KOLLER (Probleme beim Verkauf vermieteter
Wohnliegenschaften, in: ZBGR 1991/72 S. 208) zutreffend festhält,
beruht der Entscheid über diese Frage weitgehend auf richterlichem
Ermessen. Solche Ermessensentscheide überprüft das Bundesgericht zwar
an sich frei. Es übt dabei aber Zurückhaltung und schreitet nur ein,
wenn die Vorinstanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten
Grundsätzen abgegangen ist, wenn sie Tatsachen berücksichtigt hat,
die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle hätten spielen dürfen,
oder wenn sie umgekehrt Umstände ausser Betracht gelassen hat, die hätten
beachtet werden müssen. Es greift ausserdem in Ermessensentscheide ein,
wenn sich diese als offensichtlich unbillig, als in stossender Weise
ungerecht erweisen (BGE 116 II 299 E. 5a, 115 II 32 E. 1b mit Hinweisen).

    Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. In
der Literatur finden sich zwar unterschiedliche Meinungen. So wollen
Lachat/Micheli (Le nouveau droit du bail, S. 304 Rz. 4.2.5) die Anwendung
von Art. 261 Abs. 2 lit. a OR auf den Sachverhalt beschränken, wo der
Vermieter oder Eigentümer darauf angewiesen ist, das Mietobjekt selbst
benutzen zu können, weil er sonst keine Wohnmöglichkeit hat. Eine derart
enge Auslegung des Begriffes des dringenden Eigenbedarfs ist indessen
aus den bereits erwähnten Gründen abzulehnen. Andere Autoren anerkennen
denn auch, dass auf seiten des Vermieters keine eigentliche Wohnungsnot
vorliegen muss, sondern wirtschaftliche Belastungen genügen. Im
SVIT-KOMMENTAR MIETRECHT (N 50 zu Art. 272 OR) wird als Beispiel
der Fall des Vermieters erwähnt, der dazu gezwungen ist, vor Ablauf
einer befristeten Baubewilligung mit Umbauarbeiten am Mietgegenstand
zu beginnen. Nach BARBEY (Commentaire du droit du bail, N 150 zu
Art. 271-271a OR) kann dringender Eigenbedarf dann gegeben sein, wenn es
für den Vermieter, der Eigentümer der vermieteten Wohnung ist, finanziell
untragbar erscheint, die Differenz zwischen seinem eigenen höheren Mietzins
und jenem seines Mieters auf die Dauer aufzubringen. KOLLER (aaO, S. 207/8)
schliesslich übernimmt die allgemeine, in den parlamentarischen Beratungen
verwendete Umschreibung, wonach ein dringender Eigenbedarf im Sinne von
Art. 261 Abs. 2 lit. a OR dann vorliegt, wenn es für den neuen Eigentümer
unzumutbar ist, die vertragliche Kündigungsfrist einzuhalten oder den
Ablauf der bestimmten vertraglichen Dauer abzuwarten.

    Nicht massgebend ist sodann der Einwand, die Kläger verhielten sich
treuwidrig oder widersprüchlich, weil sie bereits im Zeitpunkt des Kaufes
der vermieteten Wohnung die sich daraus für sie ergebenden finanziellen
Folgen hätten voraussehen müssen. Die entsprechende Überlegung mag
dort berechtigt sein, wo es um die Erstreckung eines von Anfang an
zwischen den gleichen Parteien geschlossenen Mietverhältnisses geht
(vgl. dazu Hasenböhler, Aus der basellandschaftlichen Rechtsprechung zu
den Art. 267a-267f OR, in: BJM 1972 S. 8). Denn diesfalls gehen beide
Parteien mit dem Abschluss des Vertrages gewollt ein Vertrauensverhältnis
ein, welchem der Vermieter zuwiderhandelt, falls er zur Begründung
des Eigenbedarfs Umstände geltend macht, die bereits zur Zeit des
Vertragsschlusses eingetreten waren. Im zu beurteilenden Fall liegen die
Verhältnisse indessen anders. Den Klägern kann nicht - in sinngemässer
Übertragung des erwähnten Argumentes -
   vorgeworfen werden, sie hätten ihre Lage selbst verschuldet. Eine solche
Betrachtungsweise würde dazu führen, dass nur derjenige Erwerber einer
vermieteten Wohnung dringenden Eigenbedarf geltend machen könnte,
welcher die Wohnung gekauft hat, um einer bereits bestehenden,
unverschuldeten Notlage abzuhelfen. Das verträgt sich nicht mit
der in den parlamentarischen Beratungen zum Ausdruck gebrachten
Auffassung, wonach das Interesse des Eigentümers an der Benutzung
der eigenen Wohnung grundsätzlich vor jenem des Mieters Vorrang hat.
Zu berücksichtigen ist ausserdem, dass der Bund gemäss Art. 34sexies Abs. 1
BV namentlich beauftragt ist, den Erwerb von Wohnungs- und Hauseigentum
zu fördern. Dieser verfassungsrechtlichen Zielsetzung ist auch bei der
Auslegung von Art. 271a Abs. 3 lit. a OR Rechnung zu tragen. Damit liesse
sich aber nicht vereinbaren, den Klägern die Berufung auf den dringenden
Eigenbedarf zu versagen, da sie aufgrund ihrer relativ bescheidenen
finanziellen Verhältnisse kaum in der Lage wären, unter Umständen
während Jahren die sich aus der nicht kostendeckenden Vermietung ihrer
Wohnung ergebende Belastung zu tragen. Für andere Personen in ähnlichen
Verhältnissen bedeutete das praktisch den Ausschluss vom Erwerb von
Wohnungseigentum.

    Entgegen der Behauptung des Beklagten steht der angefochtene
Entscheid sodann nicht im Widerspruch zu BGE 110 II 254/5. Zwar hat das
Bundesgericht dort erklärt, das Interesse des Vermieters, die Mietsache
teurer und für eine längere Dauer zu vermieten, schliesse die Erstreckung
des Mietverhältnisses nicht aus, da der Vermieter eine Erhöhung des
Mietzinses verlangen könne. Einerseits ist in diesem Zusammenhang
aber nicht die Frage der Erstreckung, sondern jene der Zulässigkeit der
Kündigung gemäss Art. 271a Abs. 3 lit. a OR zu beurteilen. Andererseits
ist schon vom Einzelrichter darauf hingewiesen worden, dass der Beklagte
mit einem monatlichen Einkommen von Fr. 1'800.-- ohnehin nicht in der
Lage wäre, einen kostendeckenden Mietzins zu zahlen.

    Zu Recht haben die kantonalen Gerichte auch nicht auf die Praxis zu
Art. 17 BMM abgestellt (vgl. dazu BGE 114 II 75 E. 3). Zum einen machte
diese - heute durch Art. 270 OR ersetzte - Bestimmung die Anfechtung
des Anfangsmietzinses ausdrücklich von einer Notlage des Mieters
abhängig. Wie bereits festgehalten worden ist, setzt dagegen die Anwendung
von Art. 271a Abs. 3 lit. a OR keine solche Notlage voraus. Zum andern
ist auch der Gegenstand dieser beiden Gesetzesbestimmungen grundsätzlich
verschieden. Denn während die eine Vorschrift die Frage regelt, unter
welchen Umständen der vertraglich vereinbarte Anfangsmietzins angefochten
werden kann, befasst sich die andere mit der Frage, wann die von Gesetzes
wegen geltenden Kündigungssperrfristen ausnahmsweise nicht anwendbar sind.

    Der angefochtene Entscheid erscheint schliesslich nicht als
offensichtlich unbillig. Zu berücksichtigen ist dabei auch das
Zusammenspiel von Art. 261 Abs. 2 lit. a und Art. 271a Abs. 3
OR einerseits sowie Art. 272 Abs. 2 lit. d OR andererseits. Danach
schliesst eine wegen dringenden Eigenbedarfs zulässige Kündigung die
Erstreckung des Mietverhältnisses nicht aus. Der Richter ist vielmehr
gehalten, eine zusätzliche Interessenabwägung vorzunehmen, bei welcher
die Dringlichkeit des Eigenbedarfs als Massstab für die Erstreckungsdauer
dient. Auf diese Weise kann den gegenseitigen Interessen von Mieter und
Vermieter sachgerecht Rechnung getragen werden. So sind denn auch die
kantonalen Gerichte im vorliegenden Fall vorgegangen, indem sie zwar die
Zulässigkeit der Kündigung bejahten, das Mietverhältnis jedoch - erstmals
- um ein Jahr erstreckten. Dieses Gesamtergebnis ist weder offensichtlich
unbillig noch ungerecht, so dass für das Bundesgericht kein Anlass besteht,
in den Ermessensentscheid einzugreifen.