Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 II 401



118 II 401

79. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Dezember 1992 i.S.
S. gegen B. und R. (Berufung) Regeste

    Vertragliches Vorkaufsrecht (Art. 681 ZGB).

    Verpflichtet sich der Pfrundnehmer im Verpfründungsvertrag, dem
Pfrundgeber ein Grundstück zu übertragen, das der Pfrundgewährung dienen
soll, so liegt kein Vorkaufsfall vor, selbst wenn Pfrundgeber und -nehmer
nicht miteinander verwandt sind.

Sachverhalt

    A.- S. und B. sind Geschwister. Gemäss einem am 12. Dezember 1973 vor
Vermittleramt Schwyz abgeschlossenen Vergleich übernahm B. aus dem Nachlass
seiner Mutter das landwirtschaftliche Heimwesen "Euw" in O., räumte seiner
Schwester S. "und ihren direkten Nachkommen auf Lebzeit ein unlimitiertes
Vorkaufsrecht" an diesem Heimwesen ein und zahlte ihr per Saldo aller
Ansprüche aus dem Nachlass der Mutter Fr. 20'000.--. Zusätzlich wurde
vereinbart, dass das Gewinnanteilsrecht gemäss Art. 619 ZGB gewahrt bleibe.

    Mit "Kaufvertrag/Verpfründungsvertrag" vom 4. Oktober 1989
verpflichtete sich B., das Heimwesen "Euw" R. zu übertragen. Dieser
versprach demgegenüber, dem Veräusserer ein Wohnrecht einzuräumen und
ihm überdies lebenslang Kost und Pflege nach den im Vertrag im einzelnen
umschriebenen Bedingungen zu gewähren. Der Vertrag wurde gleichentags
im Grundbuch eingetragen. Innert Monatsfrist erklärte die Klägerin,
das Vorkaufsrecht gemäss Vergleich vom 12. Dezember 1973 und Art. 6 EGG
auszuüben. Der Grundbuchverwalter nahm diese Erklärung als Anmeldung
entgegen, wies sie jedoch mit Entscheid vom 17. November 1989 ab. Dieser
Entscheid wurde letztinstanzlich vom Bundesgericht geschützt.

    B.- Am 14. Dezember 1989 reichte S. dem Bezirksgericht Schwyz
eine Klage gegen B. und R. ein. Sie verlangte insbesondere
die Feststellung, dass ihr ein Vorkaufsrecht an der mit dem
"Kaufvertrag/Verpfründungsvertrag" übertragenen Liegenschaft zustehe,
und die Übertragung des Eigentums an dieser. Eventuell sei festzustellen,
dass ihr ein Gewinnanteilsrecht zustehe, und es sei ihr ein entsprechender
Betrag zuzusprechen.

    Mit Urteil des Bezirksgerichts Schwyz vom 19. November 1991 wurde
S. ein Gewinnanteil von Fr. 10'248.20 zugesprochen; im übrigen wurde die
Klage abgewiesen.

    Auf Berufung von S. sowie Anschlussberufung von B. und R. hin
bestätigte das Kantonsgericht am 27. Mai 1992 dieses Urteil im
wesentlichen, reduzierte jedoch den Gewinnanteil auf Fr. 8'199.05.

    C.- S. gelangt mit Berufung an das Bundesgericht. Sie beantragt die
Aufhebung des angefochtenen Entscheides und wiederholt im wesentlichen
ihre bereits vor dem Kantonsgericht gestellten Anträge.

    B. und R. beantragen die Abweisung der Berufung, soweit auf sie
einzutreten sei; den gleichen Antrag stellt auch das Kantonsgericht in
seiner Vernehmlassung.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Das Kantonsgericht hat festgestellt, die Klägerin habe mit ihrem
Bruder ein vertragliches Vorkaufsrecht vereinbart. Dieses komme vorliegend
aber nicht zum Tragen, weil gar kein Vorkaufsfall vorliege. Nach Lehre
und Rechtsprechung stelle die Veräusserung im Zusammenhang mit einem
Verpfründungsvertrag keinen Vorkaufsfall dar (BGE 115 II 179; 44 II 369;
MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, 1975, N 159 zu Art. 681 ZGB).

    Die Klägerin hält diese Rechtsprechung vorliegend für nicht anwendbar,
weil der Pfrundgeber kein Nachkomme des Pfrundnehmers sei. Dabei verkennt
sie die Begründung dieser Praxis. Ausgangspunkt bildet der Umstand, dass
ein Vorkaufsfall nur vorliegen kann, wenn die Festsetzung der Gegenleistung
nicht wesentlich von der Person des Leistungsgegners (Erwerbers)
abhängt (BGE 115 II 179). Der Verpfründungsvertrag ist aber ohne jeden
Zweifel ein personenbezogenes Rechtsverhältnis. Vorliegend stellt Teil
der Unterhaltsleistung dar, dass der Pfrundgeber den Pfrundnehmer in
seinen Haushalt aufnimmt (bzw. in seinem Haushalt belässt). Bei einer
Hausgemeinschaft kann aber nicht eine Person durch eine beliebige andere
ersetzt werden. Dem Pfrundnehmer ist es nicht zuzumuten, mit einer anderen
Person als seinem Vertragspartner in Hausgemeinschaft zu leben.

    An diesem personenbezogenen Charakter ändert auch der Umstand nichts,
dass es sich beim Pfrundgeber im vorliegenden Fall um eine mit dem
Pfrundnehmer nicht verwandte Person handelt. Ein Vorkaufsrecht sichert
der vorkaufsberechtigten Person nicht uneingeschränkt die Möglichkeit,
jede Übertragung auf einen Dritten zu verhindern. Dies ist die notwendige
Folge des Umstandes, dass nicht jede Art der Entäusserung als Vorkaufsfall
anzusehen ist. Das trifft sowohl auf das vertragliche wie auch auf das
gesetzliche Vorkaufsrecht zu. Der Gesetzgeber hat es auch im Rahmen des
EGG in Kauf genommen, dass landwirtschaftliche Gewerbe auf nicht verwandte
Personen übergehen, obgleich Familienangehörige den Betrieb übernehmen
möchten (vgl. BGE 116 II 40).

    Das Kantonsgericht hat somit zu Recht das Vorliegen eines Vorkaufsfalls
verneint.