Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 II 40



118 II 40

8. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. Februar 1992 i.S. P.
gegen X. AG (Berufung) Regeste

    Kündigungsschutz bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen.

    Kriterien, die für die Auslegung des Begriffs "Geschäftsräume" im
Sinne der Art. 253a und 271 ff. OR massgebend sind (E. 4).

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Das Kantonsgericht St. Gallen ist zum Schluss gelangt,
beim Mietobjekt handle es sich um einen Hobbyraum, der nicht als
Geschäftsraum im Sinne des Gesetzes qualifiziert werden könne. Das
Mietlokal unterliege demnach nicht den Schutzbestimmungen des BMM
bzw. des neuen Mietrechts. Zur Begründung hält die Vorinstanz fest,
das Bundesgericht habe in BGE 113 II 413 deutlich gemacht, dass nicht
jedes Mietobjekt in einer Liegenschaft, das nicht Wohnzwecken diene, als
Geschäftslokal zu qualifizieren sei. Geschäftsräume seien Räumlichkeiten,
in denen ein Beruf oder Gewerbe ausgeübt werde, die von einem Unternehmen
(als Büro, Laden, Werkstätte, Lager usw.) genützt werden, oder in
denen eine Aktivität mit ideeller Zielsetzung verfolgt werde (z.B.
Versammlungslokal). Unter Berufung auf LACHAT/STOLL (Neues Mietrecht,
Zürich 1991, S. 33) führt sie weiter aus, ausschlaggebend sei dabei,
inwieweit die Existenz eines Mieters vom Gebrauch der Sache abhänge; dieses
Merkmal könne auch bei einer Organisation mit ideeller Zielsetzung erfüllt
sein, nicht aber bei der Vermietung von Räumlichkeiten, die einem einzelnen
zur Pflege seiner Hobbies dienen. Der Kläger hält diese Beurteilung
für bundesrechtswidrig. Er weist darauf hin, dass nach Auffassung der
gleichen Autoren auch unter dem neuen Recht der Begriff "Geschäftsraum"
extensiv auszulegen und jedenfalls eine Beschränkung auf Räume, die nur
einer gewinnbringenden Tätigkeit dienen, abzulehnen sei.

    a) Die Botschaft zur Revision des Miet- und Pachtrechts vom 27. März
1985 (BBl 1985 I 1421) hält zu Art. 253a OR fest, die Norm setze zwei
Begriffe voraus, die der Missbrauchsgesetzgebung schon längst bekannt seien
und infolgedessen keiner näheren Umschreibung bedürften. Als Geschäftsräume
gälten die Räumlichkeiten, die dem Betrieb eines Gewerbes oder der Ausübung
einer beruflichen Tätigkeit dienen (Büros, Verkaufsräume, Werkstätten,
Magazine und Lagerräume). Die Abgrenzung der Wohn- und Geschäftsräume
von den übrigen Räumlichkeiten, die Gegenstand eines Mietvertrages sein
können, werde weiterhin der Rechtsprechung überlassen. Auch nach der
Meinung von ZIHLMANN (Das neue Mietrecht, Zürich 1990, S. 187) und BARBEY
(Commentaire du droit du bail, Chapitre III, Genève 1991, N 195 zur
Einleitung) lassen sich namentlich die in BGE 113 II 408 ff. erörterten
Interpretationsgrundsätze unverändert auf das neue Recht, soweit es für
Geschäftsräume Sonderrecht enthält, anwenden. Im SVIT-Kommentar Mietrecht
(N 10 zu Art. 253a-253b OR) wird ausgeführt, ob es sich bei solchen Räumen
um haupt- oder nebenberuflich genutzte Räume handle, könne aufgrund des
Schutzgedankens von Art. 269 ff. OR nicht entscheidend sein. Für EGLI
(Kündigungsbeschränkungen im Mietrecht, Zürich 1986, S. 28) und TRACHSEL
(Leitfaden zum Mietrecht, Zürich 1991, S. 22) kommt es bei der Definition
des Begriffs "Geschäftsraum" nicht darauf an, ob in den Räumen, die einem
Gewerbebetrieb oder der Berufstätigkeit dienen, ein wirtschaftlicher
Zweck verfolgt werde.

    b) Es ist somit davon auszugehen, dass nach altem wie nach neuem
Recht die gleichen Kriterien massgebend sind für die Auslegung des
Begriffs des Geschäftsraums. Gemäss BGE 113 II 413 ist er in dem Sinne
weit auszulegen, als nicht notwendigerweise die Benützung zur Ausübung
einer Erwerbstätigkeit vorausgesetzt wird. Es werden vielmehr alle jene
Räumlichkeiten umfasst, die tatsächlich dazu beitragen, dass der Mieter
seine Persönlichkeit in privater oder wirtschaftlicher Hinsicht entfalten
kann. Dass ein Abstellplatz in einer Tiefgarage oder eine zum Abstellen
von Autos separat vermietete Garage nicht als Geschäftsraum betrachtet
werden kann, ist in BGE 110 II 51 klargestellt worden. Anders verhält
es sich dagegen, wenn wie im vorliegenden Fall ein Garage-Anbau einem
ausgebildeten Mechaniker als Werkstatt für die Reparatur alter Autos
(Oldtimer) dient. Dass der Kläger diese Tätigkeit nur im Sinne eines
selbstdeckenden Nebenerwerbs ausübt, vermag daran nichts zu ändern.
Rechtsprechung und Doktrin schliessen zu Recht nicht aus, dass ein
Mietlokal auch bei nicht gewinnbringender Tätigkeit, nebenberuflicher
Nutzung oder Verfolgung eines nicht wirtschaftlichen Zwecks als
Geschäftsraum im Sinne des Gesetzes qualifiziert werden kann. Indem
das Kantonsgericht das vom Kläger gemietete Objekt zu Unrecht nicht als
Geschäftsraum betrachtet hat, hat es Bundesrecht verletzt.