Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 118 II 395



118 II 395

78. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. November 1992 i.S.
Erben des Fritz M. gegen S.-M. (Berufung) Regeste

    Form eines anschliessend an eine Erbteilung abgeschlossenen Kaufsrechts
an einem Grundstück (Art. 216 OR; Art. 634 und Art. 683 ZGB).

    1. Wird ein Kaufsrecht oder ein Rückkaufsrecht an einem Grundstück
in einem Erbteilungsvertrag vereinbart, so bedarf dieses Rechtsgeschäft
nicht der öffentlichen Beurkundung (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2).

    2. Ein Erbteilungsvertrag kann grundsätzlich auch durch den Austausch
von Briefen zustande kommen (E. 3).

    3. Wann kann ein nach der Erbteilung und Schlussrechnung erfolgter
Briefwechsel noch als Bestandteil der Erbteilung angesehen werden (E. 4)?

Sachverhalt

    A.- Fritz M. und Liselotte S.-M. sind Geschwister. Ihr Vater ist
bereits in 1962, ihre Mutter 1977 gestorben. Der Nachlass des Vaters
war bis zum Tode der Mutter ungeteilt geblieben. Hauptbestandteil des
gemeinsamen Nachlasses bildet neben dem Erlös aus dem Verkauf einer
Baulandparzelle ein landwirtschaftliches Heimwesen in S. ("X.-Hof").

    Mit schriftlichem Teilungsvertrag vom 9. März 1978 übernahm Liselotte
S.-M. den "X.-Hof" unter Ausschluss einer Baulandparzelle zum amtlichen
Wert zu Alleineigentum. Nachdem der Verkauf der Baulandparzelle im
Sommer 1978 erfolgreich abgeschlossen werden konnte, genehmigten
beide Parteien am 15. September 1978 die von einem Notar erstellte
Teilungs-Schlussabrechnung.

    Liselotte S.-M. verpachtete das Heimwesen ihrem Bruder Fritz M. Nachdem
eine sechsjährige Pachtdauer abgelaufen war, forderte Fritz M. von seiner
Schwester, den Hof käuflich erwerben zu können. Er berief sich dafür auf
eine anlässlich der Erbteilung geschlossene mündliche Vereinbarung. Nach
einer weiteren Pachtdauer von drei Jahren fanden erneut Verhandlungen
zwischen Fritz M. und Liselotte S.-M. über einen Kauf des Hofes statt.

    B.- Nachdem diese Verhandlungen zu keinem Ergebnis geführt hatten,
klagte Fritz M. am 19. Oktober 1988 gegen Liselotte S.-M. vor Obergericht
des Kantons Bern und verlangte hauptsächlich, es sei ihm gegen Erstattung
eines Kaufpreises von Fr. ... zuzüglich gewisser weiterer Beträge das
Alleineigentum am "X.-Hof" zu übertragen. Liselotte S.-M. beantragte
die vollständige Abweisung der Klage und reichte eine im vorliegenden
Verfahren nicht mehr streitige Widerklage ein.

    Am 5. Januar 1989 verstarb sodann Fritz M. Während die Kinder aus
erster Ehe die Erbschaft ausgeschlagen haben, ist diese sowohl von der
Witwe als auch von den Kindern aus zweiter Ehe, vorbehaltlos angetreten
worden. Diese sind somit auch in den zwischen Fritz M. und Liselotte
S.-M. hängigen Prozess als Klägerinnen eingetreten.

    Mit Urteil vom 21. August 1991 hat das Obergericht des Kantons Bern
die Klage abgewiesen und ist auf die Widerklage mangels Zuständigkeit
nicht eingetreten.

    C.- Die Erbinnen des Fritz M. gelangen mit Berufung an das
Bundesgericht und verlangen die Aufhebung des angefochtenen Entscheides
sowie die Rückweisung der Sache zur Fortsetzung des Prozesses an die
Vorinstanz.

    Liselotte S.-M. beantragt die Abweisung der Berufung, soweit darauf
einzutreten sei, und die Bestätigung des angefochtenen Urteils. Das
Obergericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das Obergericht hält in seinem Urteil fest, das Kaufsrecht sei
ungültig, weil die vom Gesetz vorgesehene Form nicht eingehalten sei.

    Für die Frage der Formgültigkeit ist es ohne Bedeutung, ob es sich
vorliegend um ein Kaufs- oder um ein Rückkaufsrecht handelt. Bei beiden
bedarf der Begründungsakt der öffentlichen Beurkundung (Art. 216 Abs. 2
OR; MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, 1975, N. 44 zu Art. 683 ZGB). Diese ist
vorliegend unbestrittenermassen nicht erfolgt. Die Klägerinnen machen aber
geltend, Art. 634 Abs. 2 ZGB sehe vor, dass der Erbteilungsvertrag nur
der einfachen Schriftlichkeit bedürfte. Im Erbteilungsvertrag könne deshalb
ein Kaufsrecht in dieser vereinfachten Form gültig vereinbart werden.

    Nach anfänglicher Unsicherheit gilt nach heutiger bundesgerichtlicher
Praxis in der Tat, dass im Rahmen eines Erbteilungsvertrages die einfache
Schriftlichkeit auch genügt, wenn es um dingliche Rechte an Grundstücken
geht und das entsprechende Recht ausserhalb einer Erbteilung nur mit
öffentlicher Beurkundung eingeräumt werden könnte (BGE 100 Ib 123 f.;
TUOR/PICENONI, Berner Kommentar, N. 16 und 21 f. zu Art. 634 ZGB; ESCHER,
Zürcher Kommentar, 1960, N. 12 zu Art. 634 ZGB). Vorliegend ist aber
zu beachten, dass der schriftliche Erbteilungsvertrag das Kaufsrecht
nicht enthält. Dieses war nach den für das Bundesgericht verbindlichen
Feststellungen der Vorinstanz anlässlich der Erbteilung nur mündlich
vereinbart worden. Das bestreiten auch die Klägerinnen nicht. Sie
machen jedoch geltend, eine Vereinbarung über das Kaufsrecht folge aus
dem späteren Briefwechsel der damaligen Parteien. Diese genügten der
Schriftform und seien noch Teil des Erbteilungsvertrages.

Erwägung 3

    3.- Wo das Gesetz nichts anderes bestimmt, genügt gemäss Art.
113 Abs. 2 OR auch der Brief der Schriftform, sofern er unterschrieben
ist. Dem Erbrecht ist nichts zu entnehmen, woraus sich ergäbe, dass eine
Erbteilung nicht grundsätzlich auch in Briefform möglich wäre.

    a) Die Auffassung der Klägerinnen, ein Teilungsvertrag könne
auch dadurch zustande kommen, dass Briefe mit den entsprechenden
Willenserklärungen ausgetauscht werden, erscheint als zutreffend. Es
ist kein Grund zu sehen, warum die Unterschriften beim Erbteilungsvertrag
notwendigerweise auf der gleichen Urkunde angebracht sein müssten. Wenn das
Bundesgericht schreibt, "Ein Teilungsvertrag liegt demnach nur vor, falls
aus der Urkunde der übereinstimmende Wille aller Erben hervorgeht, sich
definitiv im Sinne einer gänzlichen oder beschränkten Auseinandersetzung
zu binden, ..." (BGE 100 Ib 124), so darf aus der Einzahl ("aus der
Urkunde") nicht geschlossen werden, die Unterschriften könnten nicht auf
verschiedenen Urkunden angebracht sein.

    Es ist somit davon auszugehen, dass ein Erbteilungsvertrag auch durch
den Austausch von Briefen zustande kommen kann.

    b) Nicht gefolgt werden kann dem Obergericht, wenn es auf BGE
86 II 347 ff. Bezug nimmt und schliesst, der Brief der Beklagten
vom 6. März 1987 habe keinen Konsens mehr herstellen können. Aus dem
genannten Bundesgerichtsentscheid ergibt sich, dass einerseits bei einer
schriftlichen Erklärung nicht leichthin der Wille angenommen werden darf,
es sei damit eine bindende Zustimmung zu einer Erbteilung abgegeben
worden und dass andererseits die schriftliche Zustimmung aller Erben zum
Erbteilungsvertrag vorliegen muss, bevor einer der Erben seine Unterschrift
wieder zurück gezogen hat.

    Die Frage, ob eine bindende Zustimmung vorliegt, betrifft
ausschliesslich die Auslegung der Urkunde und hat nichts mit der Frage
zu tun, ob der Erbvertrag als einheitliches Schriftstück abgefasst sein
muss. Daraus ergibt sich keinesfalls eine Unzulässigkeit der sukzessiven
Unterzeichnung.

    Vorliegend spricht aber auch der Umstand, dass jeder Erbe sein
Einverständnis mit der Erbteilung solange zurückziehen kann, bis alle
Erben schriftlich zugestimmt haben, nicht gegen das Vorliegen eines
Kaufsrechts. Wohl haben zum Zeitpunkt des Briefwechsels bereits Differenzen
zwischen den Parteien bestanden. Stellt aber der Brief der Beklagten vom
6. März 1987 eine Zustimmung zu einem Teilungsvertrag dar, so ist dem
obergerichtlichen Urteil nichts zu entnehmen, was den Schluss erlaubte,
die entsprechende Teilungsofferte sei vor der Beantwortung dieses Briefes
am 14. April 1987 durch Notar A. im Auftrag des ursprünglichen Klägers
von der Beklagten zurückgezogen worden.

Erwägung 4

    4.- Es muss somit geprüft werden, ob der Brief der Beklagten an
den inzwischen verstorbenen Kläger vom 6. März 1987 und die diversen
Beantwortungen durch den Kläger bzw. durch von ihm beauftragte Personen
als Erbteilungsvertrag anzusehen sind.

    a) Gemäss BGE 100 Ib 124 liegt ein Teilungsvertrag vor, falls sich aus
(der oder) den Urkunden der übereinstimmende Wille aller Erben ergibt,
sich im Sinne einer gänzlichen oder beschränkten Auseinandersetzung
definitiv binden zu wollen (vgl. dazu auch BGE 115 II 329 f.).

    1978 erfolgte die Erbteilung in dem Sinne, dass die Beklagte
den Hof zu Alleineigentum übernahm und ihren Bruder ausbezahlte. Im
gleichen Jahr wurde der Vertrag grundbuchlich vollzogen und es erfolgte
die Schlussabrechnung. Die von den Klägerinnen als Teil der Erbteilung
angesehene, vom Kaufsrecht handelnde Korrespondenz erfolgte erst im Jahre
1987. Während dieser Zeit war somit die Beklagte Alleineigentümerin,
ohne dass sie durch ein Kaufsrecht gültig gebunden gewesen wäre. Sollte
mit dem Briefwechsel tatsächlich ein Kaufsrecht eingeräumt werden, wäre
damit die Rechtsstellung der Beklagten massiv eingeschränkt worden. Die
während nahezu neun Jahren auseinandergesetzten Erben hätten sich nach
dieser Zeit wieder enger aneinander gebunden. Inhalt der Korrespondenz
ist somit nicht die Auseinandersetzung, sondern eine neue Bindung der
Parteien. Dies kann aber nicht Gegenstand einer Erbteilung bilden. So
hat das Bundesgericht beispielsweise die Einräumung einer Nutzniessung an
einer zum Nachlass gehörenden Liegenschaft zu Gunsten eines Miterben mit
der gleichzeitigen Vereinbarung, das Grundeigentum sonst nicht zu teilen,
nicht als Teilungsvertrag im Sinne von Art. 634 ZGB gelten lassen (BGE 100
Ib 124 f.). Wird einem Erben ein Kaufsrecht an einer Nachlassliegenschaft
eingeräumt, nachdem dieses Grundstück bereits einem andern Miterben zu
Alleineigentum übertragen worden ist, so ist dieses Rechtsgeschäft nicht
mehr auf die Teilung des Nachlasses gerichtet und kann deshalb auch nicht
mehr als Erbteilungsvertrag angesehen werden.

    Fällt die Begründung eines Kaufsrechts aber nicht mehr in die
Erbteilung, weil das entsprechende Grundstück bereits geteilt war, so
genügt die einfache Schriftform für den entsprechenden Vertrag nicht, und
die Gültigkeit eines möglicherweise in Briefform eingeräumten Kaufsrechts
scheitert schon daran.

    b) Fehlt es bereits an einem rechtsgenügenden Zusammenhang mit der
Erbteilung, so braucht die Frage nicht beantwortet zu werden, ob den
entsprechenden Briefen überhaupt ein rechtsgeschäftlicher Bindungswille
zu entnehmen ist.

    Die Klägerinnen haben zudem vortragen lassen, der Briefwechsel stelle
keine neue Vereinbarung dar, sondern habe nur den Formmangel der alten
geheilt. Es sei sozusagen der Konsens bei der Erbteilung 1978 zustande
gekommen und die nötige Form 1987 mit dem Briefwechsel nachgeliefert
worden. Eine solche Konstruktion widerspricht indessen den Grundsätzen
eines Vertragsschlusses. Bedarf der Abschluss eines Vertrages einer
bestimmten Form, so kann die Willensübereinstimmung und die Formerfüllung
nicht vollständig auseinander gehalten werden. Die Form ist nur erfüllt,
wenn die formgemässe Erklärung den Geschäftswillen der entsprechenden
Partei zum Zeitpunkt, zu dem sie abgegeben worden ist, wiedergegeben
hat. Dazu gehört aber auch, dass sich die entsprechende Person mit dieser
Willenserklärung hat binden wollen. Eine formgemässe Erklärung, mit der
sich der Erklärende gar nicht binden wollte, genügt zum Vertragsschluss
nicht.

    Es ergibt sich somit, dass kein Kaufsrecht formgültig zustande
gekommen ist.